Gemeinsam für Bildungsperspektiven

Foto: Kinder- & Jugendwerk die ARCHE
Foto: Kinder- & Jugendwerk die ARCHE

Die gemeinnützige Bildungsinitiative Antripolis setzt die Begegnung von Nachwuchsjuristen und Wirtschaftssozietäten in einen neuen Kontext – den gemeinsamen Einsatz für die Bildungsperspektiven von Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Verhältnissen. Absolventen, die sich mit den teilnehmenden Partnersozietäten vernetzen, kommen beruflich voran und helfen zugleich jungen Menschen auf ihrem Weg in die Gesellschaft. Denn für jedes Mitglied entrichten die Partnersozietäten Beiträge, die zur Bildungsförderung eingesetzt werden. Von Meike Nachtwey

Es geht ein Riss durch unsere Gesellschaft: Dem Wirtschaftsstandort Deutschland geht es gut, exzellente Hochschulabsolventen sind im Wettbewerb der Unternehmen um junge Talente gefragter denn je. Personaler großer Wirtschaftssozietäten sprechen vom „War for Talents“ um Nachwuchsjuristen mit hervorragenden Examensnoten. Allerdings steht denjenigen, für die am Arbeitsmarkt der rote Teppich ausgerollt wird, eine große Anzahl perspektivloser Jugendlicher mit gebrochenen Bildungswegen gegenüber.

Markus Haag und Alexander Eisenfeld sind Initiatoren der Bildungsinitiative Antripolis, die dieser Bildungsschere mit einem neuen Konzept begegnet. Als ehemalige Klassenkameraden verbindet die Berliner Absolventen eine lange Freundschaft. Alexander Eisenfeld studierte nach dem Abitur Jura in Berlin, absolvierte seinen LL.M. in London und schreibt nun an der Promotion. Markus Haag entschied sich für ein Studium des Ingenieurwesens und machte dabei Station bei großen deutschen Industrieunternehmen. Beiden sind die Schwierigkeiten, mit denen junge Menschen auf ihrem Bildungsweg zu kämpfen haben, jedoch nicht fremd. Eisenfeld etwa wuchs in der Thermometer-Siedlung auf, einem sozialen Brennpunkt im Süden Berlins: „Im sozialen Wohnungsbau landete meine Familie nach der Zwangsaussiedlung aus der ehemaligen DDR Ende der 80er-Jahre. Aber auf Bildung haben meine Eltern stets größten Wert gelegt. Andere Jugendliche aus unserem damaligen Umfeld hatten dieses große Glück nicht.“

Haag und Eisenfeld erkannten Handlungsbedarf. „Vor allem, weil die enge Kopplung von Herkunft und Bildungserfolg ungerecht ist. Aber auch, weil wir als Gesellschaft zu viel Potenzial verschenken“, beschreibt Haag ihre Motivation. Ihre Idee: Gerade die Nachfrage nach erfolgreichen Absolventen sollte zur Förderung der Bildungsperspektiven von Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Verhältnissen genutzt werden: „Unternehmen investieren viel Geld, um Talente kennenzulernen. Und sie haben ein ureigenes Interesse an einer positiven Entwicklung der Bildungssituation in Deutschland, von der Kinder aller Herkunft profitieren. Wenn wir an der Bildungsmisere zahlreicher Jugendlicher etwas ändern wollen, steht uns Absolventen also ein Mittel zur Verfügung: unser eigener Lebenslauf, vermarktet zugunsten der Bildungsperspektiven von Kindern und Jugendlichen.“

Aus dieser Überlegung entstand Antripolis: Nachwuchsjuristen zwischen Universität und Berufseinstieg vernetzen sich auf einer Online-Plattform mit sieben Partnersozietäten, die vom Anliegen der Bildungsförderung überzeugt sind: Noerr, Linklaters, Milbank Tweed Hadley & McCloy, GSK Stockmann + Kollegen, Taylor Wessing, Heuking Kühn Lüer Wojtek und Mayer Brown. Die Partnersozietäten laden die Studenten und Absolventen über Antripolis zu Karriereveranstaltungen ein und unterbreiten ihnen Angebote für wissenschaftliche Mitarbeit, das Referendariat oder den Berufseinstieg. Für jedes Mitglied, das seinen Lebenslauf einstellt und mit dem sie über das Netzwerk persönlich in Kontakt treten können, entrichten die Partnersozietäten Beiträge. Jene Beiträge fließen jedoch nicht in private Taschen, sondern kommen Einrichtungen zugute, die nachhaltige Bildungsarbeit zur Förderung von Kindern und Jugendlichen leisten. Antripolis kooperiert zu diesem Zweck mit dem Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, dem „Start-Schülerstipendium“ der gemeinnützigen Hertie- Stiftung und der Bildungsinitiative „Teach First Deutschland“.

Besonders wichtig ist den Gründern von Antripolis, die gemeinnützig und ehrenamtlich arbeiten, dass die Absolventen selbst über die Aufteilung der Fördersumme unter den drei Bildungseinrichtungen entscheiden können. Allein durch die Mitgliedschaft fördert jeder teilnehmende Absolvent die Bildungseinrichtung seiner Wahl mit mindestens 120 Euro im Jahr. Darüber hinaus versteht sich die Initiative als Plattform, um soziales Engagement im Bildungswesen durch junge Menschen und die Wirtschaft zu stärken. Die geförderten Bildungseinrichtungen berichten auf der Plattform über ihre Tätigkeiten und informieren die Mitglieder, wenn helfende Hände benötigt werden – etwa bei der Veranstaltung eines Sommercamps oder bei der Hausaufgabenhilfe.

Antripolis gibt Nachwuchjuristen also eine denkbar einfache Möglichkeit, ihren Bildungserfolg mit benachteiligten Jugendlichen zu teilen und zugleich die eigene berufliche Zukunft voranzutreiben. Mit ihrem Anliegen stehen die Initiatoren nicht allein. Antripolis erfährt Unterstützung durch einen Beirat renommierter Professorinnen und Professoren, wie Bundesverfassungsrichterin Prof. Susanne Baer, Bundesverfassungsrichter a.D. Prof. Dieter Grimm, Prof. Reinhard Zimmermann, Prof. Barbara Dauner-Lieb, Prof. Stephane Lorenz, Prof. Petra Pohlmann, Prof. Werner Beulke sowie Prof. Ulrich Haltern. Auch zahlreiche rechtswissenschaftliche Fakultäten deutschlandweit stehen hinter der Initiative. Und das zeigt Wirkung: Seit ihrem Start konnte die Initiative innerhalb von acht Monaten bereits rund 19.500 Euro für wichtige Bildungsarbeit zugunsten von Kindern und Jugendlichen spenden.

Unzureichende Bildung und ihre Folgekosten

1,5 Millionen 25- bis 34-Jährige haben heute in Deutschland weder einen Ausbildungsabschluss noch ein Abitur. Jahr für Jahr starten rund 150.000 junge Menschen ohne Ausbildungsabschluss ins Berufsleben. Wenn es nicht gelingt, diese Zahl zu halbieren, entstehen für die öffentlichen Haushalte Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro pro Altersjahrgang. Das zeigt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.
Quelle: Bertelsmann Stiftung

Mehr Infos zur Bildungsinitiative unter: www.antripolis.de