Sonne satt

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Wenn es Gott war, der die Erde schuf, dann wusste er, wie man die Kraft der Sonne auf effektivste und vielfältigste Weise nutzt. Seit Millionen von Jahren spannen Algen filigrane Netze im Wasser, recken sich fächerförmige Ginkgoblätter, wulstige Wüstengewächse und zierliche Butterblumen dem Licht entgegen – mit nur einem Ziel: Es einzufangen und seine Energie zu nutzen. Der Mensch scheint gerade erst zu begreifen, wie viel Potenzial der glühende Planet hat. Von Rebecca Raspe Sonne satt - Desertec Zehn Kilometer östlich von Guadix in der Provinz Granada, Andalusien, ist der Boden trocken, braun und rissig von der Hitze. Kaum ein Pflänzchen wächst hier. Stattdessen bedecken silbern glänzende Parabolspiegel die staubige Erde. Konkav öffnen sie sich zum Himmel, auf kurzen Gerüststängeln in Reih’ und Glied stehend, kilometerweit, wie metallene Riesenblumen. Die Rede ist von Andasol, dem ersten kommerziell genutzten solarthermischen Kraftwerk Europas. Der Komplex besteht aus drei Einheiten, die jeweils 180 Gigawattstunden Solarstrom pro Jahr produzieren können. Die erste ist Ende 2008 ans Netz gegangen. Sind erst einmal alle drei am Netz, können sie den Energiebedarf von über einer halben Million Menschen decken. Auf dem spiegelbepflanzten Gelände des andalusischen Solarkraftwerks rückt ein Traum ganz nah: Der, ganze Städte und Regionen mit sauberer Energie zu versorgen – ohne radioaktiven Atommüll oder klimaschädliches CO2 als Nebenprodukt. Denn die Sonne liefert jährlich 219.000 Billionen Kilowattstunden, 3000 Mal mehr, als die Weltbevölkerung heute verbraucht. Doch um das gewaltige Potenzial nutzen zu können, muss die Energie eingefangen, gespeichert und verteilt werden. „Dafür gibt es zwei Techniken: die Photovoltaik und die Solarthermie“ erklärt Dr. Sebastian Fasbender, Pressesprecher des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar). Erstere wandelt Sonnenenergie in elektrische Energie um. Die Photovoltaikanlage besteht aus einem Solarmodul, in dem Solarzellen elektrisch verschaltet sind. Mehrere Module werden zu einem Solargenerator verbunden. Der von den Zellen produzierte Gleichstrom wird dann in Wechselstrom umgewandelt. Solarthermie hingegen wandelt Sonnenenergie in Wärmeenergie um, mit der man heizen oder Wasser erwärmen kann. Solche Anlagen bestehen aus einem Sonnenkollektor, einer Pumpe und einem Warmwasserspeicher. Im Kollektor sammeln Kupferbleche die Solarenergie. Die Pumpe sorgt dafür, dass die Wärme über mit Trägerflüssigkeit gefüllte Rohre zum Speicher abtransportiert wird. Dort wird sie dann durch einen Wärmetauscher an das Speicherwasser abgeben. Auch das Prinzip großer Kraftanlagen wie Andasol beruht auf Solarthermie. Hunderte Spiegel bündeln die Sonneneinstrahlung und konzentrieren sie dann auf Röhren mit einer wärmeleitenden Flüssigkeit. Diese erhitzt Wasser, bis es verdampft. Der Wasserdampf treibt eine Turbine an, diese wiederum einen Generator, so dass elektrischer Strom entstehen kann. „Ein großer Vorteil der solarthermischen Kraftwerke ist, dass die tagsüber gesammelte Wärmeenergie in flüssigen oder festen Medien wie Salzschmelzen oder Beton gespeichert werden kann. Nachts kann sie wieder entzogen werden, um die Turbine weiter anzutreiben“, so Sven Moormann, Pressesprecher bei Solar Millennium. Beide Industriezweige sind in Deutschland in den letzten Jahren stark gewachsen. Während die Anzahl der Beschäftigten in der Solarbranche 2004 noch bei 27.000 lag, betrug sie 2008 bereits 70.000. Der BSW Solar schätzt, dass sie bis 2020 auf etwa 200.000 ansteigen wird. Die Solarthermie hat ihren Produktionsschwerpunkt in Bayern, die Photovoltaik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Diese Bundesländer gelten als „Solar Valley Mitteldeutschland“. Hier haben sich starke Cluster aus Forschung, Industrie und Dienstleistung etabliert“, erklärt Sebastian Fasbender von BSW Solar. Sauberer Wüstenstrom Doch deutsche Unternehmen planen zunehmend auch im Ausland. Andasol beispielweise hat Solar Millennium aus Erlangen entwickelt. Sven Moormann: „Gerade im Bereich solarthermische Kraftwerke wird intensiv geforscht und verbessert. Spanien ist wegen der südlichen Lage und der Einspeisevergütungen ein attraktiver Standort.“ Eine noch weiterreichende Zukunftsvision hat Desertec. Die Organisation aus Hamburg möchte solarthermische Kraftwerke dort bauen, wo das Potenzial am höchsten ist: in den extrem heißen Wüsten Nordafrikas. Der Strom soll dann nach ganz Europa importiert werden. Aus technischer Sicht ist das schon heute machbar. „Eine Massenfertigung von Kollektoren könnte zügig aufgenommen werden“, erklärt Tim Hufermann, Sprecher von Desertec, „und HGÜ-Leitungen sind seit Jahren im kommerziellen Einsatz.“ HGÜs, das sind Hochspannung-GleichstromÜbertragungsnetze, die Strom über große Strecken transportieren. Auf tausend Kilometern haben sie weniger als drei Prozent Stromverlust. Desertecs Hauptziel ist deswegen klar: „Wir wollen die politischen Rahmenbedingungen für das Projekt schaffen“, erklärt Hufermann. Damit diese Vision Wirklichkeit wird, arbeitet die „DESERTEC Industrial Initiative“, der Unternehmen wie Siemens und E.ON angehören, an einer Art „Road Map“ für die notwendigen Schritte. Sollte sie Erfolg haben, könnten schon in wenigen Jahren gewaltige Spiegelfelder aus dem gelben Wüstenboden wachsen.
Linktipps
  • www.solarwirtschaft.de Der Bundesverband für Solarwirtschaft bietet zahlreiche Daten und Fakten rund um das Thema Solarenergie und richtet sich an Unternehmer, Verbraucher und Entscheider.
  • www.intersolar.de Website der weltweit größten Fachmesse für Solartechnik.
  • www.fvee.de Der FoschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE) ist eine Kooperation von Forschungsinstituten, die auf den verschiedenen Gebieten der erneuerbaren Energien arbeitet.

Wunder in der Wüste

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In nur sechs Stunden empfangen die Wüsten weltweit mehr Energie von der Sonne, als die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Desertec, eines der ehrgeizigsten Infrastrukturprojekte für sauberen Strom, baut auf dieser Erkenntnis auf. Von Franziska Andrä Wunder in der Wüste - Desertec In den Wüsten der Erde mit Sonnenenergie sauberen Strom erzeugen. Damit den Strombedarf der wachsenden Weltbevölkerung decken. Die Trinkwassergewinnung und die sozioökonomische Entwicklung in den Wüstenregionen verbessern. Gleichzeitig die globalen CO2-Emissionen reduzieren, und dabei noch die internationale Zusammenarbeit und Sicherheitspolitik fördern. Ist das zu schön, um wahr zu sein? Nein, befanden die Deutsche Gesellschaft Club of Rome e.V., Mitglieder des internationalen Wissenschaftlernetzwerks Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) sowie engagierte Privatpersonen. Sie gründeten im Januar 2009 die Desertec-Stiftung, um die Umsetzung des globalen Konzeptes „Sauberer Strom aus Wüsten“ weltweit voranzutreiben. Grundgedanke des Desertec-Konzeptes ist, Strom aus erneuerbaren Energien vor allem dort zu erzeugen, wo diese am reichhaltigsten vorkommen – in Wüsten. Wichtigste Technologie für den Wüstenstrom ist die Solarthermie: Sonnenenergie wird durch Spiegel konzentriert, um Wasser zu erhitzen. Mit dem entstehenden Dampf wird eine Stromturbine angetrieben. Zur Kühlung des Dampfkreislaufs kann an der Küste Meerwasser eingesetzt und dadurch gleichzeitig durch Entsalzung Trinkwasser gewonnen werden. An küstenfernen Wüstenstandorten kann man auf wassersparende Luftkühlung zurückgreifen. Ein großer Vorteil der Solarthermie ist die Möglichkeit, die Sonnenenergie in großen Wärmespeichern zu sammeln und sie nachts oder ganz gezielt bei Lastspitzen an den Dampfkreislauf abzugeben. So ist die solarthermische Energie auch für den Einsatz im Netzverbund mit anderen erneuerbaren Energien aus Wind und Photovoltaik geeignet, da sie Schwankungen ausgleicht und somit zur Stabilisierung der Stromnetze beiträgt. Es ist geplant, diese erneuerbaren Energiequellen über ein verlustarmes Hochspannungs-Gleichstrom-Netz über große Strecken miteinander und mit den Verbrauchszentren zu verbinden. Das würde eine wirtschaftliche, sichere und nachhaltige Versorgung der Welt mit sauberem Strom ermöglichen. Vor der Gründung der Desertec Foundation wurden ausführliche Untersuchungen zur Umsetzung des Konzepts vorgenommen, vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ebenso wie von Forschungseinrichtungen für erneuerbare Energien der Regierungen von Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten, Jordanien und Jemen. Erzeugt werden soll der Strom zunächst nämlich in der MENA-Region, also im Mittleren Osten und Nordafrika. Ziel ist, bis zum Jahr 2050 einen Großteil des regionalen Bedarfs und 15 Prozent des europäischen Verbrauchs durch den sauberen Wüstenstrom zu decken. Doch ist dieses Ziel angesichts der politischen Lage in Nordafrika und dem Mittleren Osten überhaupt realisierbar? Katrin-Susanne Richter, Vorstand der Desertec Foundation, nimmt dazu Stellung: „Die Umsetzung von Desertec ist ein langfristiges Vorhaben. Derzeit gehen wir nicht davon aus, dass es durch die aktuellen Entwicklungen wesentlich beeinträchtigt wird. Die Zerstörungen in Tunesien und Ägypten hatten weder Kraftwerke noch Stromleitungen im Fokus. Die Desertec Foundation hofft, dass die Solarpläne dieser Länder fortgeführt werden.“ Gerade jetzt sei es für Europa auch aus sicherheitspolitischen Gründen sinnvoll, sich für eine Energiekooperation im Sinne von Desertec zu engagieren. Denn das Wüstenstrom-Konzept biete den geeigneten Ansatz, die wirtschaftlichen Perspektiven für die stark wachsende Bevölkerung in der MENA-Region zu verbessern. Schließlich dient Desertec nicht nur dem Klimaschutz, sondern fördere auch die sozioökonomische Entwicklung der Standortländer durch Wissenstransfer, Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in dem neuen, nachhaltigen Industriesektor der erneuerbaren Energien. Da passt es gut, dass Thiemo Gropp, ebenfalls Vorstand der Desertec Stiftung, im April 2011 für Ende 2012 die Ausschreibungen für das erste Solarkraftwerk in Marokko ankündigte. Ab etwa 2015 könne der Bau der Anlage in der Größenordnung von 500 Megawatt beginnen. Zur Umsetzung der Desertec-Vision gründete die Desertec Foundation zusammen mit zwölf Partnern aus der Industrie- und Finanzwelt die Industrieinitiative Dii. Ein 30-köpfiges Team arbeitet dort an der Entwicklung von technischen, ökonomischen, politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen, die Investitionen in erneuerbare Energie und miteinander verbundene Stromnetze möglich machen sollen. Ganz konkret bereiten die Dii-Experten gemeinsam mit der marokkanischen Regierung ein Pilotprojekt bestehend aus Photovoltaik- und solarthermischen Anlagen in Marokko vor. Zu den Aufgaben der Industrieinitiative zählt nicht nur die Entwicklung eines langfristigen Umsetzungsplans bis zum Jahr 2050, sondern auch die Planung von Referenzprojekten zur Demonstration der Machbarkeit des Wüstenstrom-Konzepts.

Wüstenstrom

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Die Menschheit steht vor gewaltigen Herausforderungen: Bevölkerungswachstum und zunehmende Industrialisierung lassen den weltweiten Energiebedarf rasant ansteigen. Gleichzeitig muss der globale CO2-Ausstoß innerhalb weniger Jahre drastisch reduziert werden, um einen katastrophalen Klimawandel zu vermeiden. Das Desertec-Konzept bietet hierfür einen Lösungsansatz, der weltweit umsetzbar ist. Von Meike Nachtwey Wüstenstrom - Desertec In den Wüsten der Erde kann genügend sauberer Strom erzeugt werden, um die Menschheit nachhaltig zu versorgen, denn diese Landstriche empfangen in sechs Stunden mehr Energie von der Sonne, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Die Schlüsseltechnologien für die Produktion und Fernübertragung von sauberem Wüstenstrom sind bereits seit Jahren erfolgreich im Einsatz. Um den Aufbau der notwendigen Anlagen und der In frastruktur zu beschleunigen, müssen jedoch zunächst Rahmenbedingungen geschaffen werden, die internationalen Handel mit sauberem Strom ermöglichen und geeignete Anreize für Investitionen setzen. Das Desertec-Konzept zeigt einen Weg, um Klimaschutz, Energiesicherheit und Entwicklung voranzutreiben, indem die energiereichsten Standorte der Welt genutzt werden, um nachhaltigen Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Alle Arten der erneuerbaren Energien werden einbezogen, jedoch spielen sonnenreiche Wüsten eine besondere Rolle im Konzept: Wüstenstrom aus solarthermischen Kraftwerken ist dank Wärmespeichern Tag und Nacht verfügbar und somit eine ideale Ergänzung für Stromnetze mit fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik. Zudem ermöglicht die sogenannte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), diese Standorte zu erschließen. Denn anders als herkömmliche Wechselstromleitungen können HGÜ-Leitungen sauberen Strom über weite Distanzen befördern, bei geringen Verlusten von etwa drei Prozent je 1000 Kilometer. Damit das Desertec-Konzept schnell weltweit umgesetzt werden kann, wurde 2009 die Desertec Foundation gegründet. Sie ist eine zivilgesellschaftliche globale Initiative zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft. Geeignete Wüsten gibt es auf allen bewohnten Kontinenten der Erde. „Für die Umsetzung von Desertec ist Marokko ideal“, so Dr. Meriem Rezgaoui, marokkanische Projektleiterin bei der Desertec Foundation. „Es verfügt über sehr gute Sonnen- und Windstandorte und ist eines der stabilsten Länder der Region. Als Reaktion auf den ‚arabischen Frühling‘ setzte der König nicht auf Konfrontation, sondern auf weitreichende Reformen. Milliardenschwere Pläne für den Ausbau der erneuerbaren Energien sollen Arbeitsplätze schaffen und die Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. Durch eine bereits bestehende Leitung zwischen Marokko und Spanien könnte in wenigen Jahren – zusätzlich zur Produktion für den Eigenbedarf – der erste Strom nach Europa fließen.“ Das sonnenreiche Nordafrika ist optimal für die Erzeugung von sauberem Strom geeignet, doch noch mangelt es dort oft an den notwendigen Fachkenntnissen im Bereich der erneuerbaren Energien. Nordafrikanische Experten der Desertec Foundation arbeiten zusammen mit Partnern aus Deutschland und der Mittelmeerregion daran, dies zu ändern. Das Projekt „WEREEMa“ ist eine Kooperation zwischen Marokko und dem Bundesland Schleswig-Holstein mit dem Ziel, durch Know-how-Transfer Marokkos Kompetenz im Bereich der erneuerbaren Energien – insbesondere der Windkraft – zu festigen. Nun arbeitet die Desertec Foundation gemeinsam mit deutschen und marokkanischen Unternehmen daran, die Grundlagen zur Umsetzung von Desertec in Marokko zu schaffen. Zudem soll deutschen Unternehmern vermittelt werden, wie sie in Marokko auf dem Sektor der erneuerbaren Energien aktiv werden können. Hier bietet sich für Absolventen und junge Ingenieure die Chance, ihr Know-how in ein spannendes Projekt einzubringen. Meriem Rezgaoui, 43 Jahre, ist Biologin. Sie lebt seit 18 Jahren in Deutschland. Nach ihrem Studium der Biologie in Marokko hat sie in Hamburg promoviert und war mehrere Jahre in der Forschung tätig. Das Desertec-Projekt hatte sie immer in den Medien verfolgt, eine Mitarbeit fand sie als langjährige Biologin aber zunächst zu fernliegend. Erst in der Elternzeit hatte sie Zeit, über einen beruflichen Wandel konkret nachzudenken – und hat es nun zur Projektleiterin für das Projekt „WEREEMa“ geschafft. „Ich habe immer Menschen bewundert, die einen beruflichen Wendepunkt hinbekommen haben und nicht aus Bequemlichkeit bei ihrem alten Job bleiben. Mit der Projektleitung habe ich mir einen Traum erfüllt, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände in Marokko und global zum Klimaschutz zu leisten.“
Desertec Foundation Die Desertec Foundation wurde am 20. Januar 2009 als gemeinnützige Stiftung gegründet und ging hervor aus einem Netzwerk von Wissenschaftlern, Politikern und Ökonomen aus der Mittelmeerregion, die gemeinsam das Desertec-Konzept entwickelten. Weitere Infos unter: www.desertec.org/de

Interview mit Annette Kulenkampff

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Annette Kulenkampff leitet den Hatje Cantz Verlag in Ostfildern bei Stuttgart. Als einer der international führenden Fachverlage für Kunst führt er ein umfangreiches Programm zur Alten Kunst, zur Kunst des 20. Jahrhunderts und zur Zeitgenössischen Kunst sowie zu Fotografie, Architektur und Design. Alle Publikationen zur dOCUMENTA (13) erscheinen bei Hatje Cantz. Das Interview führte Wolf Alexander Hanisch.

Zur Person

Annette Kulenkampff wurde 1957 in Hannover geboren. Nach dem Abitur war sie zunächst Stewardess bevor sie ihr Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Archäologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main aufnahm und 1984 mit dem Magister Artium abschloss. 1985 bis 1989 arbeitete sie in einer Galerie in Frankfurt am Main und leitete anschließend bis 1994 die Publikationsabteilung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. 1995 stieg sie als Assistentin der Geschäftsführung bei der Verlagsgemeinschaft Hatje Cantz ein und ist seit 1997 Geschäftsführerin des Hatje Cantz Verlags. Ehrenamtliche Tätigkeiten: Vorsitzende des Verwaltungsrates des Württembergischen Kunstvereins in Stuttgart, Mitglied im Vorstand der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart, Mitglied im Vorstand des Literaturhauses Stuttgart.
Die künstlerische Leiterin der Documenta, Carolyn Christov-Bakargiev, ist eine Frau mit weitem Horizont: Von Verhaltensforschung über die Gentechnik bis zur Alchemie reichen ihre Interessen. Inwieweit hängt die Schriftenreihe „100 Notizen – 100 Gedanken“, die der Hatje Cantz Verlag anlässlich der 13. Documenta veröffentlicht, mit diesem weit verzweigten intellektuellen Spektrum zusammen? Beides hat natürlich viel miteinander zu tun. Und dies nicht nur, weil die Kuratorin die Publikationsreihe beauftragt hat. Schließlich bietet „100 Notizen – 100 Gedanken“ Autoren aus vielen unterschiedlichen Disziplinen eine Plattform – von Kunst, Naturwissenschaften, Philosophie und Psychologie über Anthropologie, Ökonomie und Politik bis zu den Literatur- und Sprachwissenschaften. Die Grundidee der Hefte ist die, dass jeder Gedanke sich irgendwann zum allerersten Mal seine Form sucht. Also zum Beispiel dann, wenn sich Albert Einstein am Beginn seiner Überlegungen zur Relativitätstheorie zwei Striche in sein Notizbuch macht. Entsprechend vielfältig präsentieren sich die Formate der Editionen. Sie bestehen zum Teil aus Faksimiles handschriftlicher Aufzeichnungen, aus Essays und Gesprächen oder aus Zeichnungen und flüchtigen Skizzen. Das heißt, dass man beim Blättern Gedankengebäuden bei ihrer Entstehung zusehen kann? In ihren ganz frühen Entwicklungsstadien, ja. Man hat es mit einem großen Kaleidoskop aus 100 Teilen zu tun, das mal acht, mal 16, mal 48 Seiten umfasst, und das durch seine Heterogenität eine Art Bestandsaufnahme der gegenwärtigen intellektuellen Welt ist. Und auf diese Gedankenwelt greifen ja Künstler zurück, während sie ihre Werke konzipieren und an ihnen arbeiten. Wenn Sie so wollen, bildet „100 Notizen – 100 Gedanken“ den Nährboden ab, aus dem Kunst, Kultur und vieles mehr erwachsen. Dazu passt, dass die Autoren der Titel von Carolyn Christov-Bakargiev zu den Künstlern der 13. Documenta gezählt werden. Darunter sind auch längst verstorbene wie Theodor Adorno oder Walter Benjamin … … und das nicht ohne Grund. Gerade diese beiden Philosophen haben ja Zusammenhänge herausgearbeitet, die konstitutiv sind für die heutige Kunst. Ohne ihre Gedanken und Theorien wäre die aktuelle Kunstszene nicht die, die sie ist. Auch jene nicht, die wir auf der Documenta erleben. Wenn hier der Kunstbegriff schon so weit gespannt wird: Wäre es da nicht konsequent, auch die Leser Ihrer Schriftenreihe zu Künstlern zu deklarieren – getreu Joseph Beuys’ berühmten Diktum, nachdem jeder Mensch ein Künstler sei? Immerhin entsteht ja jedes Buch erst im Kopf des Lesers … Das wäre absolut konsequent und richtig. Und dieser Gedanke ist ja gerade auf der 13. Documenta sehr präsent. Die Wechselwirkung zwischen Kunst und Betrachter ist immer hoch spannend und interessiert Carolyn Christov-Bakargiev ungemein. In einer Ausgabe von „100 Notizen – 100 Gedanken“ findet sich etwa ein Gedicht eines Chinesen in verschiedenen Übersetzungen. Alle sind gut – aber alle sind sehr verschieden, obwohl sie vom selben Originaltext ausgehen. Anhand dieser Transformationen kann man sehr schön erleben, wie enorm relativ die Phänomene der Welt sind und wie stark wir alle mit unseren persönlichen Hintergründen involviert sind, wenn es um ihre Bedeutung oder Wirkung geht. Das erinnert an den Wunsch von Carolyn Christov-Bakargiev, die sagt, dass sich die Besucher etwas unsicherer fühlen sollen, wenn sie die Documenta gesehen haben. Dass sie lernen sollen, alles angeblich Gewusste durcheinander zuwirbeln, um noch einmal von vorn zu beginnen. Ist das ein Plädoyer für den Zweifel, der auch der Buchreihe entspricht? Durchaus. Skepsis, Infragestellung, Zweifel – all das braucht es ja, wenn etwas Neues entstehen, wenn überhaupt so etwas wie Kreativität Einzug halten soll. Nur eine kritische und manchmal eben auch destruktive Haltung bringt ja erst Dynamik in die Sache. Wenn alles als fertig betrachtet würde – wo soll dann die Bewegung herkommen? Insbesondere die Kunst ist ja immer im Fluss, immer unfertig, immer im Umbruch. Es ist nur bezeichnend, dass Christov-Bakargiev das Vermittlungsprogramm der diesjährigen Documenta „Maybe Communication“ nennt. Während die Aufforderung der aktuellen Marlboro-Werbung „Don’t be a Maybe“ lautet, würde Carolyn Christov-Bakargiev zum Gegenteil aufrufen: „Be a Maybe!“
Der „Kunst-Sommer“ bei karriereführer

karriereführer green-tech 2012.2013

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Vielfalt in Grün – Macher mit Verantwortungsbewusstsein gesucht

Facettenreich. Green-Tech ist weit mehr als Solarmodule, Windräder und Elektroautos. Kaum ein Techniksegment, in dem Unternehmen nicht mit grünen Lösungen und Produkten immer neue Märkte erobern. Die Zeichen stehen auf Wachstum, und gesucht werden Talente, die diesen vorantreiben – ob als Softwareentwickler oder Verfahrenstechniker, Projektmanager oder Vertriebsspezialisten. Ein Blick auf Trends, Chancen und Perspektiven der Boom-Branche. Doppelte Buchführung Grünes Licht für Querdenker und Macher mit Herz: was man für den Einstieg in die Green-Tech-Branche mitbringen sollte. „Es ist Leidenschaft im Spiel“ Conrad Eß, Gründer von Green Technology Staffing, erklärt, warum Hochschulabsolventen in grünen Berufen alle Türen offenstehen.

Top-Manager:

Pierre-Pascal Urbon, Vorstandssprecher der SMA Der SMA-Vorstandssprecher verrät, warum sich ein Karrierestart in der Photovoltaikindustrie besonders für innovative Einsteiger lohnt.

Aufsteigen

Was macht eigentlich ein Energiemanager? Tobias Müller trägt bei toom Baumarkt zu mehr Nachhaltigkeit bei. Aufgestiegen zur Marketingleiterin Steffanie Rohr motiviert es, mit etwas Gutem Geld zu verdienen. So hat sie es geschafft, mit erst 31 Jahren eine Führungsposition bei Heliatek zu bekommen.

Projekt

Pionierarbeit auf hoher See Das Team von EnBW Erneuerbare Energien trotzt für einen Offshore-Windpark in der Ostsee Wind und Wetter. Interview mit Dr. Gerhard Knies Dr. Gerhard Knies engagiert sich als Erfinder von Desertec seit Jahren für die Umsetzung des Wüstenstromprojekts.

Weiterbilden:

Studiengänge mit Rückenwind Spezielle Studiengänge bereiten auf Karrieren in der Windenergiebranche vor.

Ausland:

Salut Paris! Hallo Paris! Ben Bisenius arbeitet als Projektmanager bei wpd mal in Bremen, mal in Paris.

Handzeichen:

Valentin Thurn, Diplom-Geograf und Dokumentarfilmer Handschriftliches vom Diplom-Geografen und Dokumentarfilmer, der sich zuletzt in seinem Film „Taste the Waste“ mit Lebensmittelverschwendung auseinandersetzte.

Service: Aktuelle Firmenporträts für Ihre Bewerbung

Akademie für Erneuerbare Energien Lüchow-Dannenberg GmbH Bosch Thermotechnik GmbH Daimler AG EnBW Energie Baden-Württemberg AG ENERCON GmbH ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH Fachhochschule Schmalkalden HFH · Hamburger Fern-Hochschule Mainova AG Schüco International KG

Partner

EnergyRelations JOBWARE TALENTS – Die Jobmesse

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E-Paper karriereführer green-tech 2012.2013 Download karriereführer green-tech 2012.2013 (ca. 12 MB)

Salut Paris! Hallo Paris!

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Er mag Wind: Zwischen Uni-Abschluss und Berufsstart gönnte sich Ben Bisenius eine zweimonatige Pause zum Surfen in Australien. Jetzt kümmert sich der Diplom-Wirtschaftsingenieur um Windparks in Frankreich. Von Ben Bisenius

Ben Bisenius, Foto: Privat
Ben Bisenius, Foto: Privat
Ben Bisenius, 28 Jahre, wurde in Luxemburg geboren. Er studierte an der Universität Flensburg Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Energie- und Umweltmanagement und schrieb seine Diplomarbeit beim Windenergieunternehmen wpd, einem international führenden Entwickler und Betreiber von Windenergieanlagen, das ihn anschließend anstellte. Als Projektmanager arbeitet er nun in Bremen und Paris.
Anfang Februar 2010 war ich mit dem Studium fertig, zwei Monate später bin ich bei wpd als kaufmännischer Projektmanager für die Projektentwicklung von Onshore-Windparks eingestiegen. Für den Job benötigt man auf jeden Fall einen kaufmännischen Hintergrund, technisches Verständnis ist aber auch von Vorteil. Zu meinen Aufgaben gehören unter anderem Wirtschaftlichkeits- beziehungsweise Prognoserechnungen, Projektfinanzierungen und -prüfungen sowie laufendes Projektcontrolling und betriebswirtschaftliche Konzeption. Außerdem begleite ich die Verhandlungen. Da ich aus Luxemburg stamme, bin ich mehrsprachig aufgewachsen. Für mich war daher früh klar, dass ich in meinem späteren Berufsleben die französische und die deutsche Sprache kombinieren möchte. Meine Muttersprache ist Luxemburgisch, man lernt allerdings von Beginn an Deutsch und Französisch in der Schule. Vor dem Hintergrund, dass in Luxemburg die Entfernung zu den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Belgien selten mehr als 30 Kilometer beträgt, ist es auch sinnvoll, die jeweilige Sprache zu sprechen, denn Luxemburgisch beherrschen nur die wenigsten. So ist es naheliegend, dass ich bei wpd für Projekte in Frankreich tätig bin. Ich arbeite immer an mehreren Projekten gleichzeitig, diese sind über ganz Frankreich verteilt. Da die Standorte von Zeit zu Zeit besichtigt werden müssen, sehe ich auch einiges vom Land. Während in Deutschland darüber gesprochen wird, wann die letzten Atomreaktoren abgeschaltet werden sollen, laufen in Frankreich 58 Reaktoren, die 70 bis 80 Prozent des Strombedarfs sicherstellen. Neue Reaktoren sind im Bau. Gleichzeitig werden jedoch Windräder errichtet, denn man will den „Erneuerbare Energien“-Zug nicht verpassen. Der Windkraftmarkt in Frankreich ist zwar noch lange nicht so weit wie in Deutschland, doch die installierte Windleistung steigt stetig an. Die derzeitige installierte Leistung der Anlagen beträgt etwa 7000 Megawatt und wird zu wesentlichen Teilen in Nordfrankreich produziert: Die meisten Windenergieanlagen entstehen in der Picardie und der Normandie. Ich arbeite in der kaufmännischen Abteilung der französischen Projektentwicklung, habe aber auch viele Berührungspunkte zur technischen Projektentwicklung. Letztlich bin ich etwa die Hälfte der Zeit in Bremen, wo ich auch eine Wohnung habe. Die andere Hälfte meiner Zeit verbringe ich in Paris, wo wpd eine Wohnung für mich angemietet hat. Mit den französischen Kollegen klappt die Zusammenarbeit genauso gut wie mit den deutschen – alle sind sympathisch und hochmotiviert. Hilfreich ist, dass in unserem Pariser Büro in Boulogne-Billancourt ein sehr junges Team arbeitet und wir teilweise auch über den Beruf hinaus ähnliche Interessen haben. Paris kannte ich schon, bevor ich dort gearbeitet habe. Es liegt ja nur zwei Stunden Zugfahrt von Luxemburg entfernt. In Paris wird teilweise deutlich später mit der Arbeit begonnen als in Deutschland. Das kommt mir als Langschläfer zugute. Die Annahme, die Franzosen würden weniger arbeiten als die Deutschen und hätten die berühmte 35-Stunden-Woche, ist aber ein Irrglaube. Der Arbeitsbeginn ist in Paris zwar später als in Deutschland – was auch darauf zurückzuführen ist, dass viele Leute aufgrund des dichten Verkehrsaufkommens in Paris nicht früher zur Arbeit erscheinen können –, aber die Franzosen arbeiten teilweise abends deutlich länger. Eine 35 Stunden- Woche hatte ich dort bisher auf jeden Fall noch nicht. Das Klischee des „Savoir-vivre“ trifft hingegen schon eher zu. Wobei die Franzosen diesen Begriff eher für „gutes Benehmen“ nutzen und das, was Deutsche meinen, eher als „L’art de vivre“ bezeichnen würden. Diese Lebenskunst vieler Menschen in Frankreich besteht beispielsweise darin, nach dem Feierabend noch auf der Terrasse eines Cafés zu sitzen und den Tag mit Freunden ausklingen zu lassen. Grundsätzlich wird in Frankreich viel mehr Wert auf das Essen gelegt, sowohl in kulinarischer als auch in sozialer Hinsicht. Die Leute nehmen sich einfach viel mehr Zeit dafür. Wenn ich in Paris bin, nutze ich manchmal das Wochenende, um meine Familie in Luxemburg zu besuchen. In die berufliche Zukunft schaue ich nicht allzu weit, das ist vielleicht auch ein wenig französisch geprägte Mentalität. Fakt ist: Die Windbranche gefällt mir, und ich fühle mich wohl bei wpd, der Umgang miteinander ist sehr persönlich. Wir duzen uns alle – 670 Mitarbeiter weltweit.

Studiengänge mit Rückenwind

Von der Garagenfirma zum Erfolgsunternehmen: So ging es vielen in der Windbranche. Mittlerweile haben die Pionierunternehmen sich etabliert, Großkonzerne sind eingestiegen – und damit haben sich auch die Anforderungen an Absolventen verändert. Darauf reagieren mehrere Hochschulen mit speziellen Studiengängen, die auf eine Karriere in der Windenergie vorbereiten. Von Moses Kärn, ForWind

Die Wege zu Berufen in der Windenergie führen immer noch mehrheitlich über klassische Studiengänge wie Naturwissenschaften, Ingenieurwesen, Wirtschaft oder Jura. Diese bieten breite Kenntnisse und Methoden, die auch in der Windenergie gebraucht werden. Aber: Für einen erfolgreichen Einstieg sind Erfahrungen in der Windenergie wichtig. Deshalb sollte man eine Hochschule wählen, die eine Spezialisierung in Windenergie anbietet und an der die Professoren engen Kontakt zur Branche haben. An der Universität Oldenburg kann man sich in den Studiengängen Physik und Engineering Physics auf Windenergie spezialisieren und für eine Tätigkeit in Forschung und Entwicklung qualifizieren. Neben den Bachelor- und Masterabschlüssen ist dort auch eine Promotion möglich. An einigen Hochschulen sind mittlerweile auch spezielle Ingenieurstudiengänge für die Windenergie entstanden, zum Beispiel die Masterstudiengänge Windenergie-Ingenieurwesen an der Universität Hannover sowie Windenergietechnik an der Hochschule Bremerhaven. Ein einzigartiges Studium bietet die Universität Oldenburg zusammen mit in der Windenergie führenden Universitäten aus den Niederlanden und Dänemark: den European Wind Energy Master. Dieses im Herbst 2012 startende internationale Studium ist von der Europäischen Kommission als Erasmus-Mundus-Studiengang ausgezeichnet und wird gefördert. Es ist speziell für Forschung und Entwicklung ausgelegt und bietet die Fachrichtungen Wind Physics, Rotor Design, Electric Power Systems und Offshore Engineering. Für viele Tätigkeiten in der Branche ist über das Spezialistenwissen hinaus jedoch ein systematisches Wissen über die Zusammenhänge technischer und ökonomischer Aspekte der Windenergie gefragt. Das von ForWind und der Windenergie- Agentur WAB angebotene berufsbegleitende weiterbildende Studium Windenergietechnik und -management vermittelt diese interdisziplinäre Kompetenz. Es richtet sich vorrangig an Fach- und Führungskräfte in der Branche, eignet sich aber auch für Neu- und Quereinsteiger. Ganz neue Beschäftigungsoptionen bietet die noch junge Offshore-Windenergie. Für die mit hohen Risiken verbundene Realisierung von Windparks auf See benötigen die Unternehmen Personal, von dem es noch viel zu wenig gibt: Es soll Erfahrung in internationalen Großprojekten mitbringen und sich sowohl in der Windenergie als auch im maritimen Bereich auskennen. Zur Qualifizierung von Fach- und Führungskräften für die Offshore-Windenergie bieten ForWind und WAB ab Herbst 2012 das ebenfalls berufsbegleitende Studium Continuing Studies Programme Offshore Wind Energy (in englischer Sprache) an.

Interview mit Dr. Gerhard Knies

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Der Hamburger Physiker Dr. Gerhard Knies ist der Erfinder des Wüstenstromprojekts Desertec. Im Interview erklärt er sein Erfolgsrezept, appelliert an die Wirtschaft und fordert von den Universitäten Antworten zur Überlebensfähigkeit einer expandierenden Menschheit. Von Martin Häusler

Dr. Gerhard Knies, Foto: DESERTEC Foundation
Dr. Gerhard Knies, Foto: DESERTEC Foundation
Herr Dr. Knies, Sie haben mit Desertec das größte Green-Tech-Projekt der Welt angestoßen. Warum hat es gerade Ihre Idee, die in den Wüsten verfügbare Sonnenenergie nutzbar zu machen, in die Realisierungsphase geschafft? Der Durchbruch für Desertec hing damit zusammen, dass es ein umfassender und mit großer Tiefe durchdachter Ansatz war. Er enthielt keine unerwünschten Nebenwirkungen. Niemand konnte ihn mit einem leichten Blattschuss erlegen. Hinzu kam, dass Desertec nicht nur die globale Energiefrage lösen würde, sondern auch eine Reihe vieler anderer Probleme im Zusammenhang mit der Zehn-Milliarden- Menschen-Frage. Was meinen Sie damit? Auf der Erde werden im Jahre 2050 voraussichtlich zehn Milliarden Menschen leben. Wirtschaften wir wie heute, muss die Versorgung der Menschheit kollabieren. Meine Frage war also: Wie ist es zu schaffen, zehn Milliarden dauerhaft auf diesem Globus zu versorgen? Zehn Milliarden brauchen mehr Energie, sie brauchen mehr Wasser, sie brauchen mehr Nahrung, sie brauchen mehr Bildung, sie brauchen mehr Arbeit, und sie brauchen insgesamt ein stabiles Klima. Zu allem trägt die Desertec-Idee konstruktiv bei. Es ist ein globales Konzept und nicht nur auf eine Region anwendbar. Desertec ist eine globale Lösungsoption. Das können nicht viele Konzepte von sich behaupten. Braucht ernst gemeintes Green-Tech ein Mindestmaß an Altruismus? Ich habe mehrmals erlebt, wie sich manche Leute sehr wunderten, wenn ich ihnen sagte, dass ich kein Geld für meine Arbeit für Desertec erwarte. Das erhöhte meine Glaubwürdigkeit. Denn ich tat das offensichtlich aus Überzeugung. So ist einiges leichter gefallen. Nun wollen und müssen Berufseinsteiger erst einmal Geld verdienen. Natürlich sollte man über seiner Vision nicht verhungern. Aber wenn jemand selbstloser denkt und glaubhafter für eine Sache eintritt, hat er möglicherweise in einer Firma, die es ebenso ernst meint, bessere Chancen als jemand, in dessen Augen man die Euro- Zeichen blinken sieht. Wenn sich eine der ersten Fragen des Bewerbungsgesprächs um die Bezahlung dreht, wirkt der Rest leicht aufgesetzt. Green-Tech macht also nur Sinn, wenn es auch von einem ganzheitlichen Bewusstsein getragen ist? Genau. Wenn einer zum Beispiel vorhat, Solarenergie für die Kohleverflüssigung einzusetzen, um flüssige Brennstoffe aus Kohle herzustellen, dann kann er zwar sagen, dass man in der Produktion weniger Kohlendioxid emittiert. Man erschließt aber der Kohle damit ein völlig neues Anwendungsfeld, was deren Einsatz ausweitet. So etwas muss man durchschauen, damit man am Ende nicht das Gegenteil erreicht. Oder der Bio-Sprit: Erst fanden ihn alle toll. Bis irgendwann auffiel, dass diese Art Benzin in Konkurrenz tritt mit der Nahrungsmittelversorgung. Da hätte man eigentlich eher drauf kommen können und die Idee sofort verwerfen müssen. Es sei denn, es ging um die Erschließung eines neuen Wirtschaftszweiges. Wenn man Green-Tech als eine von vielen konkurrierenden Techniken sieht, die man gegeneinander austauschen kann, dann macht das alles keinen Sinn. Kennen Sie das Nachhaltigkeits-Dreieck?

Praktika bei Desertec

Momentan sucht Desertec Praktikanten für das Hamburger Büro. Die Praktika sollten mindestens drei Monate dauern. Voraussetzungen sind Begeisterung für erneuerbare Energien, sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse, die Fähigkeit, wissenschaftliche Texte zu verstehen und zu vermitteln, und Erfahrung in der Nutzung von Social Media. Weitere Infos unter www.desertec.org/mitarbeiten
Sollte ich? Nein, nicht unbedingt. Denn es ist ein großer Unsinn. Ein Zyniker könnte das erfunden haben, und seitdem wird es gepflegt. Besonders bei Leuten aus der Industrie ist diese Darstellung ungeheuer beliebt. Das Dreieck zeigt im Idealzustand die Ökonomie, die Ökologie und das Soziale gleichwertig nebeneinander. Nach dem Motto: Wir dürfen die Natur nur soweit schützen, dass sie uns bei unseren Wirtschaftsprozessen nicht stört. Eine Perversion. Denn die Ökosphäre ist die Basis für die Soziosphäre, und zu der gehört als ein Teil die Ökonomie. Die Wirtschaft muss immer unter dem Primat der Ökologie stehen, wenn wir nicht den Ast absägen wollen, auf dem wir sitzen. Wir brauchen Green-Tech und nicht Greenwashing. Würden Sie Green-Tech als nachhaltigsten Arbeitsplatzbeschaffer bezeichnen? Natürlich. Aber muss es nur Green-Tech sein? Erforderlich ist auch Kommunikation grüner Konzepte, also Green-Com. Denn für den Erfolg von Green-Tech sind auch soziale Strukturen wichtig und nicht nur technische Dinge. Die teilweise komplizierten Zusammenhänge müssen übersetzt und erklärt oder erst einmal auf die Agenda gesetzt werden. Im Bereich der Meinungsbildung muss sehr viel geschehen. Wie weit sind die Universitäten? Sind die ausreichend weit im neuen Denken? Das Hauptproblem der Universitäten ist, dass sie zu wenige multidisziplinäre Fragen angehen. Die größte habe ich bereits genannt: Wie können zehn Milliarden Menschen dauerhaft auf der Erde leben? Um diese Frage zu beantworten, benötigt man Experten aus vielen Bereichen. Es bräuchte also einen interdisziplinären Studiengang, der unter dieser Zehn-Milliarden-Frage steht? Vor allem einen multidisziplinären Forschungsschwerpunkt, der die entsprechenden Disziplinen verknüpft. Für Leute, die heute mit 25 Jahren in den Beruf einsteigen, wird sich dieses Szenario noch während ihrer Karrierezeit realisieren. Da muss die Forschung dringend tragfähige Antworten geben. Wie könnte so ein Forschungsschwerpunkt heißen? Humankind Security. Denn es geht um die Sicherheit der Menschheit. Für Berufseinsteiger, die eine Karriere in der Hochschule oder in der Wirtschaftsberatung anstreben, könnte das ein gutes Thema werden. Da liegt ein großes Defizit. Denn die Menschheit braucht dringend ein kybernetisches System, eine Steuerung, die das Gesamtsystem im Auge hat – und nicht mehr nur einzelne Wirtschaftszweige.

Über Desertec

Die Desertec-Foundation entstand aus dem 2003 auf Initiative des Club of Rome gegründeten TREC-Netzwerk (Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation). Sie bietet ein Konzept zur Erzeugung von Strom durch Sonnenwärmekraftwerke in der Wüste. Gemeinsam mit der von ihr mitgegründeten Industrieinitiative Dii GmbH arbeitet sie an der Schaffung von Rahmenbedingungen für den Ausbau und die Vernetzung von erneuerbaren Energien im Mittelmeerraum.

Derzeit werden in Nordafrika bereits Sonnenwärmekraftwerke für den Eigenverbrauch gebaut, ab 2014 sollen auch die ersten Kraftwerke für den Export in Bau gehen. Etwa zwei bis drei Jahre später fließt dann der erste Wüstenstrom über verlustarme Leitungen nach Süd-Europa und ist dann auch in Deutschland zu kaufen. 2008 verliehen Jury und Publikum den Utopia-Award in der Kategorie Idee an das Desertec-Konzept, prominente Unterstützer sind zum Beispiel Al Gore und Angela Merkel.

www.desertec.org

Pionierarbeit auf hoher See

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Wer in Zingst, Mecklenburg-Vorpommern, an der Ostseeküste steht, kann weit draußen auf dem Meer Windräder erkennen: Es handelt sich um den ersten kommerziellen Offshore-Windpark Deutschlands in der Ostsee: EnBW Baltic 1. Von Kerstin Neurohr

16 Kilometer nördlich der Halbinsel Darß stehen 21 Windenergieanlagen auf einem Areal von rund sieben Quadratkilometern. Seit April 2011 liefern sie Strom – genug, um 50.000 Haushalte zu versorgen. Andreas Schormann, ein 30-jähriger Wirtschaftsingenieur vom Team „Windenergie Offshore“ der EnBW Erneuerbare Energien (EEE), hat daran mitgearbeitet. Als Manager Windturbine Offshore war er bei der Koordination der Bauarbeiten, der Abnahme und der Inbetriebnahme tätig. „Mit diesem Projekt haben wir Pionierarbeit geleistet“, erklärt er. „Mit Offshore-Windparks haben deutsche Unternehmen nämlich bislang kaum Erfahrung.“ Bisher gab es in Deutschland nur einen Forschungswindpark: alpha ventus, angesiedelt vor der Nordseeinsel Borkum. Draußen auf dem Meer weht der Wind nicht nur deutlich stärker als an Land, sondern auch viel konstanter. Der Ertrag von Offshore-Windparks ist wesentlich höher als der von Onshore- Anlagen – das macht sie für die Energiewirtschaft so interessant. Ihr Bau allerdings ist eine Herausforderung: Windparks auf dem Meer zu errichten, ist aufgrund der Hochseebedingungen viel komplexer als an Land. Schon ab Windstärke 4, das entspricht einer mäßigen Brise, werden die Arbeiten deutlich erschwert. Zum anderen müssen die Schnittstellen zwischen den Gewerken ganz genau koordiniert werden – auch das ist eine entscheidende Hürde. In der Bauphase von Baltic 1 tauschte Andreas Schormann sein Büro in Hamburg gegen einen Baucontainer in Warnemünde, von wo aus er das Projekt betreute. „Wir haben uns jeden Morgen mit Vertretern aller Gewerke zusammengesetzt, uns abgestimmt, Abläufe und Termine geplant“, erinnert er sich. Zuerst wurde für jede der 21 Anlagen ein sogenannter Kolkschutz auf dem Meeresboden aufgeschüttet, der die Windenergieanlagen vor Ausspülung schützt, sodass Strömung und Gezeiten ihnen nichts anhaben können. Anschließend wurden die Fundamentierungen, die sogenannten Monopiles, in den Boden gebracht: Damit die 37 Meter langen Stahlrohre sicher stehen, wurden sie mit einer gewaltigen Ramme 20 Meter in den Meeresboden getrieben. Auf das so verankerte Rohr wurde ein weiteres Fundamentteil aufgesetzt, das sogenannte Transition Piece. Auf den Flansch des Transition Piece wurde der Turm und darauf wiederum die schwere Gondel mit dem Generator und dem Getriebe sowie der riesige Rotorstern montiert. Alle Windenergieanlagen sind durch das parkinterne Netz mit der Offshore- Umspannplattform verbunden. Dort wird der erzeugte Strom im Umspannwerk hochtransformiert, per Exportseekabel an Land transportiert und dort in das Übertragungsnetz eingespeist. „Als der Windpark in Betrieb gegangen ist und der erste Strom produziert wurde, war unser Team unheimlich stolz“, erklärt Andreas Schormann. Mit der Erfahrung, die der Ingenieur in diesem Projekt gesammelt hat, ist er heute in Deutschland so etwas wie ein „alter Hase“ im Bereich Offshore- Windkraft. Als Workpackage Manager Turbine ist er momentan für die Vertragsverhandlungen der Nordseeprojekte verantwortlich. Sein Wissen bringt er außerdem im nächsten Großprojekt ein: Er arbeitet derzeit an Baltic 2 mit, einem Windpark 32 Kilometer vor der Insel Rügen, der mit 80 Anlagen viermal so groß werden soll wie Baltic 1. Die Windräder sind ein Drittel größer, die Entfernung zur Küste ist weiter, das Wasser tiefer, und der Baugrund variiert – das stellt hohe Anforderungen an Planung und Logistik. „Ich freue mich sehr, dass ich bei diesem Projekt dabei bin“, sagt Andreas Schormann. „Damit kann ich meinen Teil dazu beitragen, dass mit diesem Windpark rund 340.000 Haushalte mit grünem Strom versorgt werden.“ Zu seiner Tätigkeit im Bereich erneuerbare Energien kam der 30-Jährige nach Abschluss seines Traineeprogramms bei der EnBW. Weil ihm das Thema nachhaltige Energiegewinnung ein persönliches Anliegen ist, hat Andreas Schormann Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Energietechnik studiert. Das hat sich für ihn als goldrichtig erwiesen. Denn im Bereich erneuerbare Energien arbeitet er an spannenden Zukunftsthemen mit. Andreas Schormann meint: „Wer eine Liebe zur Technik hat und Begeisterung für Innovationen mitbringt, ist im Energiebereich gut aufgehoben.“

Aufgestiegen zur Marketingleiterin

In meinem Job betrete ich ganz oft Neuland: Ich leiste Aufbauarbeit, denn Heliatek, der weltweite Technologieführer für organische Solarfolien, ist ein sehr junges Unternehmen, und die Solarbranche ist in Bewegung. Mir gefällt es, etwas aufbauen und bewegen zu können, Spuren zu hinterlassen. Ein Erfahrungsbericht von Steffanie Rohr

Steffanie Rohr Studium Internationale Betriebswirtschaft – Interkulturelle Studien, Hochschule Heilbronn; Master of Business and Engineering, Steinbeis Hochschule Berlin. Eingestiegen Oktober 2005 als freie Mitarbeiterin bei Schüco International, Bereich Solar, Bielefeld. Aufgestiegen 2009 zur Gruppenleiterin Marketing bei Inventux Technologies, Berlin. Aufgestiegen 2011 zum Head of Marketing bei Heliatek, Dresden.
Im Jahr 2011 kam ich ins Unternehmen, damals wurde gerade die Produktionsanlage konzipiert und das Team zusammengestellt. Zu dieser Zeit war die Ausrichtung noch sehr wissenschaftlich, es wurde viel geforscht und entwickelt. Heliatek ist eine gemeinsame Ausgründung der TU Dresden und der Universität Ulm. Im März 2012 haben wir unsere Produktionsanlage offiziell eingeweiht, im Spätsommer startet die Produktion, und im Herbst kommen die ersten Produkte auf den Markt. Heliatek hat derzeit 80 Mitarbeiter. Als Marketingleiterin begleite und unterstütze ich die wichtige Aufbauphase des Unternehmens. Nach meinem Einstieg habe ich zuerst einen Relaunch der Marke durchgeführt: Heliatek hat ein neues Logo und einen neuen Claim bekommen, ich habe den gesamten Firmenauftritt überarbeitet und die Kommunikation neu ausgerichtet. Jetzt steht die nächste Finanzierungsrunde an, so dass gute Presseresonanz besonders wichtig ist. Deswegen informiere ich derzeit die Stakeholder über den Markteintritt und lege fest, wie wir uns aufstellen und die Produkte am Markt positionieren möchten. Die Marketingabteilung ist im Bereich Business Development angesiedelt. Zu meinen Aufgaben gehört alles, was das klassische Marketing umfasst: Positionierung und Markenführung, On- und Offline-Kommunikation, Vertriebsunterstützung Public Relations sowie Messen und andere Events. Ich führe ein kleines Team – die Atmosphäre ist sehr angenehm, meine zwei Kollegen sind in meinem Alter, und die Kommunikation zwischen uns klappt hervorragend. Überhaupt sind die Hierarchien im Unternehmen flach, was die Arbeit sehr angenehm macht. Ich bin wirklich glücklich, dass ich in der Green-Tech-Branche gelandet bin. Das war eigentlich nicht geplant: Ich habe nach dem Abitur an der Hochschule Heilbronn Internationale Betriebswirtschaft studiert. Weil ich aber auch großes Interesse an technischen Themen habe, habe ich nach dem Abschluss ein postgraduales Studium zum Master of Business and Engineering drangehängt. Dieses Studium habe ich berufsbegleitend absolviert: Ich war abwechselnd an der Steinbeis-Hochschule Berlin zum Studieren und bei Schüco, um zu arbeiten. Dort habe ich den Eintritt der Solarsparte des Unternehmens in den amerikanischen Markt begleitet und darüber auch meine Masterarbeit geschrieben. Bei Schüco ist mir klargeworden, dass Green-Tech eine spannende Branche ist, in der man als engagierter Einsteiger viel bewegen kann. Grüne Technologien waren zu dieser Zeit noch relativ neu und haben mich schnell begeistert. Mittlerweile kann ich mir kaum vorstellen, in einer anderen Branche zu arbeiten. Ich finde es einfach motivierend, mit etwas Gutem Geld zu verdienen und sich in dieser schnell entwickelnden Branche immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Green-Tech ist krisensicher, und man bewirkt etwas, von dem sicherlich auch die nächsten Generationen profitieren. Da Marketing in dieser relativ jungen, technisch orientierten Branche noch nicht so fest etabliert ist wie in anderen Branchen, muss ich häufig Überzeugungsarbeit leisten. Da darf man nicht zartbesaitet und zurückhaltend sein. Im Gegenteil: Man muss loslegen, anpacken und durch Erfolge überzeugen. Marketing ist ein bisschen wie Fußball: In Deutschland haben wir bekanntlich Millionen von Bundestrainern. Und so ist es auch in meinem Arbeitsbereich: Jeder will mitreden. Deshalb muss ich klare Grenzen ziehen. Zu den Bildern in einer neuen Unternehmensbroschüre beispielsweise haben sehr viele Kollegen eine unterschiedliche Meinung, wovon ich nicht jede berücksichtigen kann. Da wir im B2B-Bereich tätig sind, ist unser Geschäft sehr technisch – ich musste also ein entsprechendes Verständnis für die Produkte und den Markt entwickeln und wissen, wie die Technologie funktioniert. Nur so kann ich wirkungsvolle Marketingmaßnahmen entwickeln und mit den verschiedenen Zielgruppen kommunizieren. Ich profitiere natürlich von meinem Master-Studium, in dem ich technische Grundlagen erlernt habe. Aber noch viel wichtiger ist der Wille, sich mit erneuerbaren Energien und der dahinterstehenden Technologie auseinanderzusetzen. Ich habe Schulungen und Weiterbildungen besucht, mich in die Materie eingearbeitet. Das können auch engagierte Einsteiger, die keine Ingenieure sind. Ganz wichtig ist Learning by Doing – und ein gesunder Menschenverstand. Heliatek hat seinen Standort in Dresden. Hier habe ich schon Vorlesungen für meinen Master besucht, und die Stadt hat mich begeistert – die Menschen hier sind freundlich und offen, und es gibt viel zu sehen und zu unternehmen. Zurzeit habe ich noch einen zweiten Wohnsitz in Berlin, wo auch mein Partner lebt. Dort bin ich von freitags bis sonntags. Freitags treffe ich mich oft mit unserer Agentur, die in Berlin sitzt, und arbeite im Home Office. Es tut mir gut, wenn ich einen Tag in Ruhe, abseits vom Trubel im Büro, arbeiten kann. In Dresden sitze ich mit meinen Mitarbeitern in einem Raum. Da klingelt oft das Telefon, zudem gibt es viel zu besprechen, außerdem stehen die Türen für Kollegen und deren Fragen immer offen. Das gefällt mir, aber die Arbeit im Home Office bietet eine ruhigere Atmosphäre, um zügig Aufgaben abzuarbeiten und sich mit wichtigen strategischen Themen zu beschäftigen. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich bisher erreicht habe. Ich habe eine Führungsposition in einem Unternehmen, in dem ich mich wohlfühle und hinter dem ich voll und ganz stehe. Natürlich möchte ich mich weiterentwickeln, vielleicht auch einmal eine andere Branche kennenlernen, Neues ausprobieren – wobei ich, ehrlich gesagt, im Moment nichts wüßte, was mich von der Green-Tech-Branche weglocken könnte.

Was macht eigentlich ein Energiemanager, Herr Müller?

Als Energiemanager bei toom Baumarkt bin ich für die ökologisch und ökonomisch nachhaltige Energieoptimierung unserer Märkte verantwortlich. In meinem täglichen Fokus steht vor allem ein Teil der zentralen Unternehmensstrategie: der Schutz von Umwelt und Ressourcen. Dabei setzen wir vor allem auf die effiziente Nutzung von Heiz- und Elektroenergie. Ich versuche, übergreifende Lösungen zu finden, Energiesparpotenziale aufzudecken und gleichzeitig eine optimale Versorgung der Märkte mit Energie, Wasser und Wärme sicherzustellen. Von Tobias Müller

Tobias Müller, Energiemanager bei toom Baumarkt

Das Thema Energie hat mich schon während meines Studiums zum Bauingenieur fasziniert. Nach meinem Studienabschluss im Jahr 2006 in Weimar habe ich mich ständig auf dem Gebiet weitergebildet. Hierzu zählt sowohl das Engagement für Sachverständigenverbände als auch die Zusammenarbeit mit Softwareunternehmen zur Weiterentwicklung gegenwärtiger Softwaresysteme. Seit Juni 2010 bin ich – nach viereinhalb Jahren Selbständigkeit im Bereich Energiemanagement und energetischer Planung – für toom Baumarkt als Energiemanager tätig. Im Energiemanagement verfolge ich sehr komplexe Aufgaben. Meine Schnittstellen im Unternehmen liegen dabei zwischen technischer und kaufmännischer Betriebsführung und verlangen ein hohes Maß an Know-how, Feingefühl und vor allem Interesse an neuen Effizienztechnologien. Das globale Thema Nachhaltigkeit geht uns alle an und liegt mir persönlich sehr am Herzen. Ich freue mich daher sehr, Teil eines Unternehmens zu sein, das sich dieses Themas intensiv annimmt und aktiv daran mitwirkt. Ich schätze an meinem Beruf die unglaubliche Vielfältigkeit, die Innovationsmöglichkeiten und vor allem den messbaren Erfolg. Ein besonderes Highlight für mich war die Eröffnung unseres Neubaus im rheinland-pfälzischen Nieder-Olm. Dies ist der erste als Green Building zertifizierte Baumarkt in Deutschland, er wurde so konzipiert, dass Energie und die natürliche Ressource Wasser im täglichen Betrieb geschont werden. An diesem Konzept mitzuwirken war ein unglaublich tolles Gefühl und spornt mich an, diesen Weg weiterzugehen. Das moderne Berufsbild des Energiemanagers bietet sehr gute Zukunftschancen. Klima, Umwelt und insgesamt das Thema Nachhaltigkeit stehen glücklicherweise bei immer mehr Unternehmen im Fokus. Als vorbereitende Studiengänge sind sicherlich Architektur, Bauingenieurwesen oder auch Versorgungswissenschaften hilfreich, wichtig sind außerdem Kenntnisse von naturwissenschaftlichen und technischen Grundlagen. Es gibt mittlerweile diverse Weiterbildungsmöglichkeiten, die man unbedingt nutzen sollte, um die vielen Facetten des Berufsbildes zu erkennen und zu verstehen. Diese erstrecken sich von Hochbau über Elektro-, Heizungs- und Lüftungstechnik bis hin zum Abschluss von Verträgen. Die Entwicklungsmöglichkeiten sind enorm, wenn man den Ehrgeiz hat, sich schnell in Themen einzuarbeiten, immer offen ist für neue Technologien und über Durchsetzungsvermögen und Eloquenz verfügt. Mit toom Baumarkt habe ich ein Unternehmen gefunden, das sich seiner Verantwortung der Umwelt und der Gesellschaft gegenüber bewusst und offen für innovative Vorschläge und Maßnahmen ist. Innerhalb des gesamten Teams kann ich immer auf Unterstützung zählen, und das unkomplizierte Miteinander hilft, meine Ideen anzusprechen und umzusetzen.

Job-Steckbrief: Energiemanager

Voraussetzungen: Affinität zum Thema Energie, Studium Bauingenieurwesen, Architektur oder Versorgungswissenschaften, technisches Verständnis, Interesse an neuen Technologien, Praktika sind unabdingbar Einstiegsmöglichkeiten: Praktika, praxisorientierte Diplomarbeiten, Direkteinstieg Gehalt: 45.000 bis 65.000 Euro

Interview mit Pierre-Pascal Urbon

Die Solarbranche klagt über billige Konkurrenz in Asien und Subventionskürzungen in Deutschland. Doch Pierre-Pascal Urbon von SMA stimmt nicht mit ein. Der 41 Jahre alte Vorstandssprecher des Wechselrichter-Herstellers für Photovoltaikanlagen zeichnet ein positives Bild der Branche und erläutert im Interview mit André Boße, warum sich ein Karrierestart in der Photovoltaikindustrie besonders für Einsteiger lohnt, die Lust auf Innovationen und persönliche Freiräume haben.

Zur Person Pierre-Pascal Urbon

Pierre-Pascal Urbon, geboren 1970 in Bielefeld, studierte Betriebswirtschaft und war von 1997 bis 2005 bei der Investmentberatungsgesellschaft Drueker & Co. im Bereich M&A sowie Corporate Finance tätig. Zuletzt bekleidete er dort die Funktion eines Vice President. 2005 wechselte Urbon zu SMA und wurde 2006 zum Vorstand bestellt. Seit 2009 verantwortet er den Bereich Finanzen. In dieser Funktion hat er den Börsengang von SMA konzipiert und die Internationalisierung des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben. Im Anschluss an die Hauptversammlung 2011 trat er zusätzlich zu seiner Aufgabe als Vorstand Finanzen das Amt des Vorstandssprechers an. Pierre-Pascal Urbon ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Herr Urbon, die Solarbranche hat derzeit mit großen Problemen zu kämpfen. Was raten Sie einer Nachwuchskraft, die sich für einen Einstieg in diesem Bereich interessiert: Jetzt erst recht in die Branche – oder lieber erst einmal abwarten? Wer Lust hat, die Zukunft mitzugestalten und an neuen Geschäftsmodellen und Innovationen zu arbeiten, der ist in der Green-Tech- und insbesondere in der Photovoltaikbranche gut aufgehoben. Zudem gibt es langfristige Trends, die eindeutig für die Photovoltaikbranche sprechen. Zum Beispiel? Die Stromerzeugung aus Photovoltaik wird immer attraktiver. Der Strom vom Dach ist in Deutschland bereits günstiger als der Strom aus der Steckdose. Und auch international werden dezentrale erneuerbare Energiequellen einen immer größeren Beitrag zu einer zuverlässigen und sauberen Stromversorgung leisten. Die Entwicklung der Photovoltaik steht hier erst am Anfang. Das wird zu einer sehr soliden Nachfrage nach Solarstromanlagen führen – in Industrieländern ebenso wie in aufstrebenden Schwellenländern. Das ist ja gerade das Spannende an unserer Branche: Es handelt sich um ein internationales Geschäft. Wir planen in diesem Jahr einen Auslandsanteil in Höhe von 80 Prozent. Daraus ergibt sich eine ganze Reihe von hochinteressanten Aufgaben, sodass schon Einsteiger schnell Erfahrungen machen, die sich in anderen Branchen längst nicht so schnell sammeln lassen. Dennoch: Einige Unternehmen der Solarbranche stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Woran erkenne ich denn als Neuling, ob ein Unternehmen der Branche mittel- und langfristig Erfolg haben wird? Man muss sich genau umschauen und prüfen, ob das Unternehmen über ein technologisches Alleinstellungsmerkmal verfügt. Das ist der Schlüssel für den Erfolg. Denn wer hier etwas zu bieten hat, wird auch im internationalen Wettbewerb bestehen können. Um die Zukunft der Branche ist mir nicht bange: Zwar sind wir noch in einigen Märkten von der Förderung der Solarenergie abhängig. Es gibt aber auch schon Märkte in Südamerika oder Asien, in denen das nicht mehr der Fall ist. Was sind denn in Ihren Augen die positiven Folgen, die sich aus dem politischen Entschluss ergeben, die Solarförderung drastisch zu kürzen? Natürlich sind diese Veränderungsprozesse zunächst einmal schmerzhaft. Es ist jedoch unser erklärtes Ziel bei SMA, uns an den freien Marktkräften zu messen und die Photovoltaik so schnell wie möglich in die Wettbewerbsfähigkeit zu führen. Daher arbeiten wir intensiv daran, die gesamten Systemkosten der Photovoltaik weiter zu senken. Sie sprachen gerade von der Internationalität Ihres Unternehmens und der gesamten Branche. Wie beeinflusst dieser Aspekt den Arbeitsalltag? Die Unternehmenssprache ist zum Beispiel zunehmend Englisch. Man kommt täglich in Kontakt mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern aus anderen Kulturen. Die Nachfrage nach Solarstromanlagen wächst insbesondere in den USA und in den jungen Märkten Asiens. Was müssen Nachwuchskräfte denn mitbringen, damit es ihnen bei diesem Wachstum und dem Wandel der Branche nicht schwindelig wird? Wir suchen Menschen, die gerne in einem dynamischen Umfeld tätig sind, wobei die Dynamik eben auch einmal nachlassen kann – das muss man dann auch aushalten können. Flexibilität und Offenheit sind wichtige Eigenschaften. Mitbringen sollte man auch Begeisterung für das Thema Photovoltaik und die gesamte Energiewirtschaft. Man darf nicht vergessen: Hier findet mit der Energiewende gerade eine Revolution statt! Wer bei uns punkten möchte – sei es in der Entwicklung oder im Vertrieb –, sollte zudem internationale Erfahrungen gesammelt haben, gerne auch in einem Schwellen- oder Entwicklungsland. Eine gute Ausbildung ist eine wichtige Sache. Aber es ist genauso wichtig, in internationalen Teams flexibel zu arbeiten, sich durchzusetzen und Netzwerke aufzubauen. Gefragt ist hier sehr viel Empathie, um andere Geschäftskulturen und Einstellungen verstehen zu lernen. Manchmal braucht das seine Zeit. Beobachten Sie, dass Einsteiger zu wenig Geduld mitbringen und stattdessen versuchen, in den ersten Monaten möglichst viele Gipfel zu erklimmen? Dass es für Nachwuchskräfte zu Beginn gar nicht genug Gipfel geben kann, ist vollkommen in Ordnung. Wichtig ist, dass man aus den Erfahrungen lernt, die man beim Erklimmen sammelt. Diese Erfahrungen lernt man nicht an einer Business School – die lernt man nur in der Praxis. Sie haben Ihre Karriere in der Finanzbranche begonnen. Was macht für Sie als Zahlenspezialist die Arbeit in der grünen Branche besonders spannend? Es ist für mich als gelernter Kaufmann eine gute Erfahrung, die Energiewende aus betriebswirtschaftlicher Sicht voranzutreiben. Auf der anderen Seite ist es für die Techniker wichtig, die wirtschaftlichen Aspekte mitzudenken. Dazu trägt auch unsere offene Informationspolitik bei, in deren Rahmen wir alle Mitarbeiter über die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen im Unternehmen informieren. Wie gestaltet sich das konkret? Wir informieren regelmäßig über unsere Bilanzzahlen sowie die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Zudem gibt es spezielle Angebote, die vor allem den Führungskräften unter den Ingenieuren betriebswirtschaftliches Know-how mit auf den Weg geben. Zum Abschluss: Welche Themen werden die Solarbranche in Zukunft beschäftigen? Ein wichtiger Aspekt sind die Speicherund Netzintegrationstechnologien – also die Schlüsselfunktionen, damit die Energiewende auch wirklich gelingt. Ein weiteres zentrales Thema ist die Kostenreduktion, die durch technologische Innovationen getrieben wird: Hier hat die Solarindustrie bereits erhebliche Fortschritte gemacht. Nun gilt es, die Komponenten noch stärker zu integrieren, um die Solarenergie so schnell wie möglich wettbewerbsfähig zu machen. Es geht also nicht darum, Kosten zu drücken, indem man günstiger einkauft oder das Unternehmen neu strukturiert – hier sind innovativ denkende Entwickler gefragt.

Zum Unternehmen

Das Unternehmen SMA wurde 1981 gegründet, die drei Buchstaben stehen ursprünglich für das damalige Geschäftsfeld: System-, Mess- und Anlagentechnik. Seit 2008 nennt sich der börsennotierte Konzern SMA Solar Technology, um den Fokus auf die Photovoltaikbranche zu unterstreichen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Niestetal bei Kassel entwickelt, produziert und vertreibt Solar-Wechselrichter – also die Schlüsselkomponenten, um den durch die Photovoltaik gewonnenen Gleichstrom in netzkonformen Wechselstrom zu wandeln. SMA ist mit seinen internationalen Tochtergesellschaften in 19 Ländern auf vier Kontinenten präsent und beschäftigt derzeit mehr als 5500 Mitarbeiter. Bei einem Vergleich der Finanzkraft und wirtschaftlichen Entwicklung der bekanntesten Unternehmen der Solar-Branche aus den USA, China und Deutschland – durchgeführt im April 2012 von der Strategieberatung Simon-Kucher – schnitt SMA am besten ab. Weitere Infos: www.sma.de