Interview mit Jürgen Bock

Der Coach

Jürgen Bock, Foto: Otto Group
Jürgen Bock, Foto: Otto Group

Jürgen Bock hat Jura studiert und als Rechtsanwalt gearbeitet, bevor er als Berater und Business-Coach tätig wurde. Heute hält er Vorträge zu Themen wie Persönlichkeitsentwicklung und ist bei Otto für den Bereich Kulturentwicklung und Corporate Values zuständig. Er ist überzeugt, dass Karriere sich nicht erzwingen lässt, aber fast von selbst läuft, wenn man tut, was man liebt. Das Interview führte Meike Nachtwey.

Zur Person Jürgen Bock

Jürgen Bock, 60 Jahre, studierte Jura und arbeitete zunächst bei der Otto Group als Leiter Kunden- und Handelsrecht in der Rechtsabteilung und als Leiter des juristischen Referats, daneben war er als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei tätig. 1989 wechselte er als Leiter Personalmarketing in den Personalbereich. Anschließend war er 13 Jahre Leiter der Personalentwicklung. Seit 2005 arbeitet Jürgen Bock als Berater und Businesscoach, er hält Vorträge zu den Themen „Persönlichkeits-Entwicklung“ und „Unternehmenskultur-Entwicklung“ und leitet gleichzeitig den Bereich „Kulturentwicklung und Corporate Values“ der Otto Group.
http://jürgenbock.de

Herr Bock, Sie haben Jura studiert und als Anwalt gearbeitet. Was hat Ihnen daran am meisten Spaß gemacht?
Die Logik des Argumentierens und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen.

Heute sind Sie Coach und im Bereich Unternehmenskultur tätig. Wieso haben Sie Ihren Beruf geändert?
Irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich erkannt habe, dass mir die derzeitige Arbeit keine Freude mehr macht, und habe entdeckt, dass ich noch andere Talente in mir habe.

Woher wussten Sie, dass der neue Job der richtige für Sie ist?
Ich hatte das Gefühl, dass ich in dem Beruf richtig bin und meine Talente dort einsetzen kann. Steve Jobs hat mal gesagt: Du musst herausfinden, was du wirklich liebst! Im richtigen Job ist es wie in einer Liebesbeziehung: Wenn ich einfach nur da bin, weil ich nichts Besseres gefunden habe, ist das die falsche Stelle, der falsche Job. Es geht darum, für sich den richtigen Platz zu finden.

Wie entdeckt man seine Talente, um den richtigen Platz zu finden?
Testen und erkennen. Dabei sollte man auf seinen Bauch hören. Und manchmal muss man auch seine Angst überwinden. Oft ist es schwer zu unterscheiden, was man nicht mag und wovor man nur deshalb Angst hat, weil es für einen neu ist. Man muss auch mal bereit sein, aus seiner Komfortzone herauszutreten.

Wie bringen Sie Führungskräfte dazu, ihre Komfortzone zu verlassen?
Im Unternehmen ist es nicht so schwierig, auch wenn die Leute erst einmal komisch gucken, wenn sie singen oder tanzen sollen. Es geht dann einerseits darum, dass ich überzeugt bin von dem, was ich tue, und das Gefühl vermittle: Wir machen das jetzt, und daran gibt es auch keinen Zweifel, und wir fangen jetzt an. Wenn sie dann nach zwei, drei Minuten merken: „Och, geht ja irgendwie“, dann machen sie auch mit. Ab und zu muss ich aber auch Widerstände der Mitarbeiter aushalten können. Andererseits muss die Aufgabe, die ich als Coach den Mitarbeitern stelle, vor allem auch sinnhaftig sein, die Mitarbeiter müssen erkennen, dass die Übung eine Bedeutung für das Thema hat.

Und wenn man seine Komfortzone verlassen hat, findet man den Job, den man liebt?
Um den Job zu finden, den man liebt, sollte man sich selbst und seine Persönlichkeit kennen, mit den eigenen Stärken und Mustern, die einen auch immer wieder behindern, um daran arbeiten zu können. Ich habe drei Lieblingssätze zum Thema Arbeit. Erstens: Arbeit macht Spaß oder krank. Burnout entsteht dadurch, dass ich an der falschen Stelle bin. Wenn ich Spaß habe, läuft‘s wie geschmiert. Zweitens: „You get paid for the bad times in your job.“ Das bedeutet, ich sollte ein hohes Schmerzensgeld für die hoffentlich seltenen Momente in meinem Leben bekommen, in denen das Arbeiten unangenehm ist. Ansonsten sollte es möglichst so sein, dass ich ganz viel Zeit in Themen investiere, die mir Spaß machen. Und drittens halte ich es mit Konfuzius: Wenn du tun kannst, was du gern tust, musst du dein ganzes Leben nicht arbeiten.

Als Coach sind Sie selbst viel unterwegs – wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?
Work-Life-Balance impliziert, dass es einen Unterschied zwischen Arbeit und Leben gibt. Bei mir ist Arbeit und Privatleben ein einheitliches Bild, ich tue gern, was ich tue, und empfinde Arbeit insofern weder als Arbeit noch als unangenehm.

Was raten Sie im Hinblick auf die Work-Life-Balance jungen Anwälten, die oft mehr als die normale 40-Stunden- Woche arbeiten müssen, wenn sie Karriere machen wollen?
Am Anfang einer Karriere muss ich mich voll reinhängen, da steht Arbeit an erster Stelle. Aber irgendwann sollte ich mir eine Strategie zurechtlegen, zum Beispiel mithilfe eines Coaches. Mit ihm sollte ich erarbeiten, wie ich mich besser abgrenzen kann, sodass mein Leben nicht nur aus Arbeit besteht. Gleichzeitig sollte ich immer darauf achten, ob mir die Arbeit noch Spaß macht oder ob schon eine Grenze erreicht ist, an der es mir zu viel wird. Denn müssen muss man nichts, es gibt auch andere Wege, Arbeit und Privatleben miteinander zu verbinden. Ich sollte mich nur auf die Reise begeben, und ich muss genügend Motivation haben, um das Bessere zu finden. Spätestens wenn ich krank werde, sollte ich darüber nachdenken, was ich ändern muss. Aber soweit muss es nicht kommen, es gibt auch schon ein Stadium vor dem Krank- und Ausgebranntsein.

Oft sind Karrierewege in den Kanzleien aber so eng vorgegeben, dass man nicht das Gefühl von Wahlfreiheit hat. Wie nehme ich mein Leben selbst in die Hand?
Zum Regisseur meines Lebens werde ich, indem ich selbst-bewusst bin, das heißt, ich kenne mich und meine Muster, übernehme Verantwortung für mein Denken, Fühlen und Handeln. Ich kann mich auf mich verlassen, weil ich meine Vereinbarungen einhalte, und bin bereit zu lernen, weil ich mich außerhalb der Komfortzone bewege und über meine selbstgesetzten Grenzen hinausgehe. Der Rest ergibt sich daraus allein. Also: Wie ich aufgestellt bin, ist viel wichtiger als das äußere Spiel, ob man mich befördert. Denn nur wenn ich für mich gut aufgestellt bin, kann ich mit allem gut umgehen, was auf mich zukommt.

Wenn ich zum Beispiel nicht befördert werde, sollte ich mich fragen, was ich in meinem Auftreten und in meiner Wirkung ändern muss. Karriere kann man nicht erzwingen, sondern man muss sein Bestes geben und abwarten, was daraus wird. Wenn ich der Richtige zur richtigen Zeit für den richtigen Job bin, dann ergeben sich die Dinge. Das muss leicht und einfach gehen. Und wenn es nicht leicht geht, sondern sich Widerstände auftun, muss ich überlegen, warum das so ist und welche Bedeutung diese Widerstände für mich haben.

Haben Sie selbst Niederlagen in Ihrem Job erlebt? Und wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Ich wurde auch mal nicht befördert. Das war dann aber keine Niederlage, sondern ich habe erkannt, dass es etwas Besseres für mich gibt. Karriere hat immer etwas mit dem Ego zu tun, weniger mit der inneren Zufriedenheit, sondern mit etwas, das von außen kommt. Innerlich sollte ich mich fragen, ob ich glücklich bin mit dem, was ich tue, ob ich mich hier an dieser Stelle wohlfühle. Eine innere Zufriedenheit ist wichtiger als äußere Titel oder Beförderungen.

Zum Unternehmen

1949 in Deutschland gegründet, ist die Otto Group heute eine weltweit agierende Handels- und Dienstleistungsgruppe mit rund 53.100 Mitarbeitern. Die Gruppe ist mit 123 wesentlichen Unternehmen in mehr als 20 Ländern Europas, Nord- und Südamerikas und Asiens präsent. Ihre Geschäftstätigkeit erstreckt sich auf die drei Segmente Multichannel-Einzelhandel, Finanzdienstleistungen und Service.

Im Geschäftsjahr 2011/12 erwirtschaftete die Otto Group einen Umsatz von 11,6 Milliarden Euro. Sie ist weltweit größter Online-Händler für Fashion und Lifestyle und weltweit zweitgrößter Online-Händler mit dem Endverbraucher. Kataloggeschäft, E-Commerce und der stationäre Einzelhandel bilden die drei Säulen des Multichannel-Einzelhandels der Otto Group.