Am 13. September 2017 fand im Rahmen einer Festveranstaltung die Schlüsselübergabe für das Futurium in Berlin statt. Das etwa 58 Millionen Euro-Projekt ist das zweite, das die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Auftraggeberin in Öffentlich-Privater- Partnerschaft (ÖPP) fertigstellte. Privater Partner war die BAM Deutschland AG. Von Christoph Berger
Nachdem Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, und der Gründungsdirektor des Futuriums – damals lief das Projekt noch unter dem Namen „Haus der Zukunft“, Prof. Dr. Reinhold Leinfelder, im Juni 2015 den Grundstein gelegt hatten, konnte in diesem Jahr die Fertigstellung des Gebäudes mit der markanten Fassade gefeiert werden. Es steht in der Nachbarschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs Berlin in bester Innenstadtlage direkt an der Spree. Zukünftig soll es Heimat für ein Museum, Labore, Foren für Diskussionen und Vorträge werden.
Realisiert wurde es als ÖPP-Projekt: Bauherrin war die BImA, privater Partner die BAM Deutschland AG. Das Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude erhält eine Zertifizierung im Gold-Standard analog zum Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) und entspricht dem Standard eines Plusenergiehauses. Dafür wurde unter anderem das Dach fast vollständig mit solaren Energiekollektoren für Photovoltaik und Solarthermie belegt. Um die Wärmeenergie der Sonne und hausinterne Energiegewinne für den Betrieb des Gebäudes nutzbar zu machen, wurde ein neuartiger Hybrid-Energiespeicher eingesetzt. Dieser vereint durch eine patentierte Makroverkapselung das latente Phasenwechselmaterial Paraffin mit dem sensiblen Speichermedium Wasser und erreicht dadurch die achtfache Kapazität von herkömmlichen Wasserspeichern.
Um den Bau realisieren zu können, wurde unterhalb der Bodenplatte unter anderem eine Sohlabdichtung ausgeführt. Die Untergeschosse wurden mit einer wasserundurchlässigen Stahlbetonkonstruktion versehen, einer sogenannten „weißen Wanne“. So abgedichtet das Gebäude von unten ist, so offen konstruiert ist es auf dem Dach: Dort bietet ein umlaufender „Skywalk“ den Besuchern einen exklusiven und attraktiven Blick auf die Spree und das Regierungsviertel. Die Fassade, neben der Gebäudeform wohl das markanteste Merkmal des Futuriums, besteht aus 8.000 Kassettenelementen. Diese jeweils ein Meter großen Elemente bestehen aus unterschiedlich gefalteten Metall-Reflektoren und keramisch bedrucktem Gussglas. Sie haben den Effekt, dass, je nach Lichteinfall, immer wieder sich verändernde Bilder auf der Fassade erzeugt werden.
Die Eröffnung des Futuriums ist für Frühjahr 2019 geplant. Inhaltlich wird man sich in ihm mit dem künftigen Verhältnis des Menschen zur Technik, zur Natur und zu sich selbst beschäftigen.
Zukunftsthemen
Das Futurium wird mit fünf großen Zukunftsthemen eröffnen: Ernährung, Gesundheit, Energie, Wohnen und Städte sowie Wirtschaften und Arbeit. Zu jedem Themenfeld werden ganz unterschiedliche Wege in die Zukunft gezeigt. Die innovativen Wegmarken liefern Wissenschaft und Forschung.
Marc-Uwe Kling wurde unter anderem mit seinen Känguru-Geschichten bekannt. In seinem aktuellen Roman „QualityLand“ hat er nun die Verheißungen und das Unbehagen der digitalen Gegenwart zu einer Zukunftssatire verdichtet. Er kreiert eine Zukunft, in der alles rundläuft: Arbeit, Freizeit und Beziehungen sind von Algorithmen optimiert. Kein Mensch ist mehr gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen – denn in QualityLand lautet die Antwort „Okay“ auf alle Fragen. Trotzdem beschleicht den Maschinenverschrotter Peter immer mehr das Gefühl, dass mit seinem Leben etwas nicht stimmt. Wenn das System wirklich so perfekt ist, warum gibt es dann Drohnen, die an Flugangst leiden, oder Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung? Warum werden die Maschinen immer menschlicher, aber die Menschen immer maschineller? Marc-Uwe Kling: QualityLand. Ullstein 2017. 18 Euro.
URLAUB IM BAUMHAUS
Da werden Kindheitsträume wahr: Laut Travelbook liegen Baumhaushotels derzeit voll im Trend – zumal die Häuser in der Höhe in Sachen Ausstattung kaum Grenzen kennen. Küchenzeile, Designerbad und Fußbodenheizung – der Komfort garantiert Entspannung pur. Das Reiseinfoportal hat die 24 schönsten Baumhaushotels in Deutschland aufgespürt und stellt sie vor: www.travelbook.de/uebernachten/hotels/schlafen-in-den-wipfeln-die-coolsten-baumhaus-hotels-deutschlands
EIN KOGNITIVES ROBOTER-SERVICE-APARTMENT
Foto: CITEC/Universität Bielefeld
Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld haben in einem Großprojekt als Hauptergebnis ein mitdenkendes Apartment im CITEC-Gebäude geschaffen, das rund um die Uhr als Forschungswohnung eingesetzt werden kann. Zentraler Teil des Projekts ist der Serviceroboter Floka, der mit Sensoren und dem Steuerungssystem der Wohnung vernetzt ist. So kann die Wohnung ihn direkt dorthin dirigieren, wo Unterstützung nötig ist. Sein Kopf ist austauschbar. Sein Sensorkopf beherrscht Farb- und Tiefenwahrnehmung. Eigens am CITEC entwickelt wurde sein „sozialer“ Kopf. Dieser erlaubt dem Roboter, mimisch auf sein menschliches Gegenüber zu reagieren. Weitere Infos unter: https://cit-ec.de Foto:
HAPPY END
Cover: Haneke Happy End
In dem neuen Film des Oscar-Preisträgers Michael Haneke geht es um den Patriarchen eines Baukonzerns, Georges Laurent. Dieser hat genug vom Leben. Doch für die Sterbeklinik in Zürich ist er zu gesund. Und seine Versuche, an Medikamente oder eine Pistole zu gelangen, scheitern – ebenso wie andere Vorhaben. Schließlich nutzt er das Durcheinander einer Familienfeier, um zu verschwinden. Im Herbst 2017 ist der Film mit den Hauptdarstellern Jean-Louis Trintignant und Isabelle Huppert in den Kinos zu sehen; die DVD gibt es ab Ende März 2018. Das Drehbuch zum Film ist seit September 2017 im Handel. Michael Haneke: Happy End. Paul Zsolnay Verlag 2017. 22 Euro.
Foto: J. Lienhard/T. Kulikova/Shutterstock, Bearbeitung SMNS, R. Baumann
Bis zum 6. Mai 2018 zeigt das Naturkundemuseum Stuttgart im Schloss Rosenstein die Sonderausstellung „baubionik – biologie beflügelt architektur“. Auf 600 Quadratmetern werden neue Forschungsansätze und konkrete Ergebnisse aktueller Forschungsarbeiten präsentiert: Beispiele für spannende Ideen und Visionen, die entstehen, wenn Biologie und Architektur aufeinandertreffen. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit den Universitäten Stuttgart, Freiburg und Tübingen sowie dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik realisiert. Weitere Infos unter: www.naturkundemuseum-bw.de
BAU EINER SPAGHETTIBRÜCKE
Klebt man einzelne Spaghetti aneinander, lassen sich Brückenbaumodelle mit überraschend viel Tragkraft bauen. Für die Disziplin werden sogar jährlich stattfindende Spaghettibrückenbauwettbewerbe organisiert – so nutzten zum Beispiel Studierende den Baustoff am Weltnudeltag für einen Statik-Wettbewerb.
MÖBEL AUS POPCORN
Was einst als Idee im Kino begann, hat inzwischen Marktreife erlangt: Dr. Alireza Kharazipour, Professor an der Georg-August-Universität Göttingen, hat zusammen mit der Pfleiderer AG den Werkstoff „BalanceBoard“ entwickelt, Spanplatten mit einer Mittelschicht aus Popcorngranulat. Inzwischen entstanden daraus sogar Möbel. Auf der Messe LIGNA in Hannover zeigte der Professor zusammen mit der Design-Studentin Carolin Pertsch Möbel, die vollkommen aus Popcorn hergestellt wurden: www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/ Bitte-nicht-anknabbern-Moebel-aus-Popcorn,popcorn114.html
VÄTER UND SÖHNE
Cover Pamuk Die rothaarige Frau
Im Mittelpunkt von Orhan Pamuks aktuellem Roman „Die rothaarige Frau“ – Pamuk ist unter anderem Literaturnobelpreisträger – stehen der Brunnenbaumeister Mahmut und sein Lehrling Cem. Orhan Pamuk erzählt eine Geschichte von Vätern und Söhnen, von Liebe und Verrat, von Schuld und Sühne in der Türkei, einem Land, das noch immer zwischen Tradition und Moderne zerrissen ist. Orhan Pamuk: Die rothaarige Frau. Hanser 2017. 22 Euro.
WELTREKORD BEI DER AUSWERTUNG VON SATELLITENDATEN
Foto: TUM & DLR
Drei Millionen Messpunkte pro Quadratkilometer: Prof. Xiaoxiang Zhu von der Technischen Universität München hat mit ihrem Team einen Weltrekord bei der Auswertung von Satellitendaten aufgestellt. Dank neuer Algorithmen konnten die Forscherinnen und Forscher aus den Messwerten des Radarsatelliten TerraSAR-X vierdimensionale Punktwolken von Berlin, Las Vegas, Paris und Washington, D.C. erstellen. Im nächsten Schritt wollen sie alle Städte der Welt abbilden. Mit den Punktwolken lassen sich potentielle Gefahren frühzeitig erkennen: Beispielsweise könnten Senkungen des Untergrunds zum Einsturz von Gebäuden, Brücken, Tunneln und Staudämmen führen. Mit der neuen Methode lassen sich bereits Veränderungen von einem Millimeter pro Jahr aufspüren und sichtbar machen. Weitere Informationen unter: www.sipeo.bgu.tum.de
STREETSCAPES
Der Filmemacher, Künstler und Autor Heinz Emigholz hat zahlreiche Filme über Architektur und Gebäude gedreht. Zwischen 2013 und 2017 entstand die Streetscapes Serie, insgesamt vier Filme: „2+2=22 [The Alphabet]“, „Bickels [Socialism]“, „Streetscapes [Dialogue]“ und „Dieste [Uruguay]“. In letztgenanntem sind 29 Gebäude des uruguayischen Architekten und Bauingenieurs Eliado Dieste zu sehen. Weitere Infos unter: http://pym.de
Bei Building Information Modeling, kurz BIM, handelt es sich um den digitalen Zwilling eines Bauwerks. Dabei werden die Bauvorhaben inzwischen in bis zu sieben Dimensionen dargestellt – über den gesamten Lebenszyklus. Mit dem virtuellen Datenraum soll es möglich werden, Kosten und Terminvorgaben besser zu planen und einzuhalten. Von Christoph Berger
Die BIM-Methode kurz zusammengefasst: Mit BIM werden Bauwerke vom Entwurf bis hin zur Inbetriebnahme und Bewirtschaftung digital beschrieben. Umsetzbar sind dabei inzwischen 7-D-Darstellungen: Zu der dreidimensionalen Darstellung eines Bauwerks kommt als vierte Dimensionen die Zeit. Das 5-D-Modell umfasst Kosten, in der 6-D-Darstellung wird das virtuelle Bauwerk noch mit Lebenszyklusaspekten bestückt. Im 7-D-Modell werden als weitere Dimension schließlich Aspekte der Gebäudenutzung ergänzt. Und, so heißt es vonseiten des BIM Instituts der Bergischen Universität Wuppertal: „Denkt man diesen ganzheitlichen Ansatz der BIM-Arbeitsmethode weiter, erfordert er zudem auch einen Kulturwandel im Bauwesen und eine neue Form der teamorientierten Zusammenarbeit.“ Dies deshalb, da die BIM-Methode vorsieht, dass alle Beteiligten an demselben Datenmodell arbeiten und so eine Reduzierung der Schnittstellen erfolgt. Daher werden sich neben der notwendigen Hard- und Software genauso Geschäftsprozesse und Gewohnheiten der einzelnen Projektbeteiligten ändern müssen.
Digitalisierung beginnt auf dem Siemens Campus bereits mit der virtuellen Planungsmethode Building Information Modelling (BIM). Foto: Siemens-AG
Tat sich die deutsche Baubranche anfangs noch schwer mit BIM, nimmt die Einführung inzwischen Fahrt auf. „Zunehmend versteht man auch in Deutschland, dass es bei BIM nicht nur um Digitalisierung geht, sondern um eine digitale Transformation der Bauindustrie“, sagte Professor Rasso Steinmann vom iabi-Institut für angewandte Bauinformatik der Hochschule München im Rahmen der Messe BAU 2017. Das Adjektiv „zunehmend“ wählte er dabei ganz bewusst: Denn obwohl das technische Knowhow schon seit den 1990er-Jahren in Deutschland vorhanden ist, werde BIM laut Steinmann erst seit 2013 als Chance und Notwendigkeit wahrgenommen. Die Akzeptanz erfolgte also sehr zögerlich. Dabei sind die Vorteile der Methode vielfältig: Bei der Deutschen Bahn etwa, die im Mai 2017 bekanntgab, dass bis zum Jahr 2020 sämtliche Bauprojekte mit BIM umgesetzt werden sollen, verbindet man mit der Methode eine bessere Planungsqualität, eine höhere Terminsicherheit, Kostensicherheit und Effizienzsteigerungen. Ebenso Akzeptanzsteigerungen für die Projekte sowie bessere Lebenszyklusbetrachtungen.
Auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) will den BIM-Einsatz vorantreiben und hat Anfang des Jahres einen „Masterplan Bauen 4.0“ für Deutschland vorgelegt. „Unser Ziel ist es, Innovationsführer beim digitalen Bauen zu werden. In Zukunft soll in Deutschland der klare Grundsatz gelten: Erst digital, dann real bauen“, sagte dazu Bundesminister Alexander Dobrindt. Ab 2020 wird für sämtliche öffentlichen Bauprojekte über fünf Millionen Euro der BIM-Einsatz Pflicht.
Senkung vielerlei Kosten
Dass die mit BIM in Verbindung gebrachten Vorteile tatsächlich erreichbar sind, belegen erste Zahlen. So zeigen beispielsweise Ergebnisse des BIM Monitors 2017, einer aktuellen Marktstudie von BauInfoConsult zum Stand der BIM-Nutzung in Deutschland, dass Bauen in Deutschland mit BIM in vielerlei Hinsicht kosteneffizienter wird: Sechs von zehn BIM-Verwendern – befragt wurden in dieser Kategorie 62 Architekturbüros sowie Ingenieure und Bauund Installationsbetriebe – berichten von sinkenden Arbeits- und Bauwerkskosten. Und auch in Bezug auf die Fehlerkosten scheint die Verwendung von BIM das damit verbundene Versprechen auf effizientere Projekte einzulösen. Mehr als zwei Drittel der Nutzer konnten sinkende Fehlerkosten mit BIM in Verbindung bringen.
Dass es aber weiterhin valider Aussagen zum BIM-Einsatz bedarf und auch die BIM-Ausbildung mit den damit zusammenhängenden Kompetenzen vorangetrieben werden muss, zeigt ein zwischen der Ed. Züblin AG und der Universität Stuttgart geschlossener Vertrag über die Einrichtung der Stiftungs-Juniorprofessur „Digitalisierung von Bauprozessen“. Ziel ist es, die traditionell eher getrennten Bereiche Bauplanung, Baubetrieb und -ausführung sowie Immobilienmanagement stärker zusammenzuführen. Vorhaben und Initiativen wie diese zeigen, dass BIM zwar noch nicht vollständig etabliert, aber ganz klar im Kommen ist.
Building Information Modeling (BIM) verändert die gesamte Baubranche. Dr. Kai-Stefan Schober, Bau-Experte und Partner von Roland Berger, erklärt im Interview, welche Chancen und Risiken mit dem BIM-Einsatz verbunden sind. Die Fragen stellte Christoph Berger
Zur Person
Dr. Kai-Stefan Schober ist Senior Partner der Roland Berger GmbH und seit 2001 im Competence Center Civil Economics, Energy & Infrastructure des Unternehmens. Zu seinen Kunden zählen internationale Unternehmen aus der Bauzuliefer- und Bauindustrie sowie Industrieservices. Seine Expertise umfasst unter anderem die Bereiche Strategie, Digitalisierung, Reorganisation, Restrukturierung, Performance-Steigerung und Business-Planung sowie Marketing und Branding. Schober ist Verfasser der Studie „Digitalisierung der Bauwirtschaft“. So berät er Unternehmen der Branche, die Chancen der Digitalisierung bestmöglich auszuschöpfen.
Herr Dr. Schober, was ändert sich für die Bauunternehmen durch den Einsatz der BIM-Methode?
BIM verändert die Entscheidungsketten in der Bauindustrie. Das führt etwa dazu, dass Architekten und Planer in einer frühen Projektphase direkt über Lieferanten und deren Produkte entscheiden, während Generalunternehmer und Baustoffhändler diesbezüglich an Einfluss verlieren.
Das wird nicht die einzige Änderung sein. In Ihrer Studie „Turning point for the construction industry – The disruptive impact of Building Information Modeling (BIM)“ sind Sie auch zu dem Ergebnis gekommen, dass mit BIM ganz neue Geschäftsmodelle entstehen. Um welche handelt es sich dabei?
Zum einen gibt es ganz neue Akteure im Markt. Das können zum Beispiel Software-Anbieter sein, die sogenannte BIM-Bibliotheken anbieten. Auf den BIM-Plattformen lassen sich Bauprojekte online konfigurieren – ähnlich wie dies zum Beispiel bei der Küchenplanung funktioniert. Der Eintrag in die BIM-Bibliothek entspricht dabei mehr oder weniger einer Listung im Handel. Deshalb müssen es beispielsweise die Baustoffhersteller schaffen, ihre gesamte Produktpalette BIM-kompatibel in sogenannte „Bim-Objects“ auszugestalten. Diese können sie anschließend gegen Bezahlung an die Software-Anbieter in die Bibliotheken aufnehmen lassen. Zum anderen müssen die etablierten Unternehmen auf die veränderte Wertschöpfungskette reagieren. Die Baustoffhersteller werden in Zukunft mittels Marketing öfter direkt die Architekten und Planer ansprechen. Deshalb könnten Bestell- und Lieferprozesse über BIM durchaus auch am Handel vorbeigehen. So sollten sich Händler rechtzeitig positionieren, um nicht ihre Geschäftsbasis zu riskieren.
Wird BIM daher durch solche Veränderungen für alle Unternehmen ein Muss?
Grundsätzlich kann BIM bei allen Bauprojekten eingesetzt werden. Dabei wird sich die Technologie mittel- bis langfristig zum Standard entwickeln. Somit sollte sich jeder Akteur der Bauwirtschaft mit BIM beschäftigen. Dennoch sind auch die Größe des Vorhabens und die Frage, ob es sich um ein öffentliches oder privates Projekt handelt für den Einsatz entscheidend. Bei kleinen Bauentwürfen oder in kleinen Bauunternehmen ist der Einsatz heute noch nicht unbedingt erforderlich, während die öffentliche Hand BIM ab 2020 als Standard für Ausschreibungen verlangt. Kleinere Unternehmen können BIM jedoch beispielsweise auch zur Visualisierung ihrer Bauobjekte einsetzen. Dann kann der Bauherr vor dem ersten Spatenstich vor Ort sein finales Projekt mit der Virtual Reality-Brille begehen oder im Rohbau mithilfe von Augmented Reality die Steckdosen versetzen lassen oder sich aufgrund der Optik für Parkett statt Laminat entscheiden. Außerdem lassen sich mit BIM die Bauten einfacher standardisieren, was Kosten spart.
Welche Herausforderungen sind mit der Entscheidung für einen BIM-Einsatz verbunden?
Einerseits ist es ein Kostenthema. Bevor sich Einsparungen bemerkbar machen, müssen die Unternehmen in die Software, die Datenbank und Personal, das damit umgehen kann – Kompetenzen müssen trainiert werden – investieren. Andererseits sollte BIM von allen am Lebenszyklus eines Bauwerks Beteiligten genutzt werden. Das betrifft auch den Betrieb, der in Zukunft die Gebäudeverwaltung übernimmt. Für ihn lassen sich schon in der Planungsphase zukünftige Betriebs- oder Wartungskosten errechnen. Außerdem werden anfallende Reparaturkosten deutlich gesenkt, da etwa bei einem defekten Heizungsrohr alle Leitungen und Wände in BIM visualisiert sind. Der Handwerker weiß dann genau, wo er wie anpacken muss.
Genau diese phasenübergreifende Zusammenarbeit aller Akteure ist es ja, die den Einsatz von BIM zusätzlich so attraktiv macht, oder?
Richtig. BIM vereinfacht nicht nur die Planung, sondern stellt die digitale Unterstützung des gesamten Bauprojekts dar – von der Entwicklung bis zum Betrieb. Alle Informationen werden überführt in ein kollaboratives Bausystem, auf das alle Akteure digital Zugriff haben. In der Regel spricht man von 6 Stufen der BIM Entwicklung. In Deutschland befinden wir uns derzeit erst am Anfang auf der ersten. Stufe 6 wäre schließlich die volle Integration aller Beteiligten in BIM. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Stufe in zehn Jahren erreicht wird. Dabei wird im optimalen Fall eine offene Plattform genutzt, die alle Baudaten in ein Modell integriert. Die BIM-Objekte sind dabei standardisiert, zum Beispiel durch den Standard IFC. Alle Informationen wie Termine oder Mengenangaben können dann von allen am Bau Beteiligten in Echtzeit abgerufen und bearbeitet werden.
Die Methode Building Information Modeling wird kommen, darüber herrscht Einigkeit. Bereits im Jahr 2020 wird der BIM-Einsatz bei öffentlichen Aufträgen des Bundes Pflicht. Daher gilt es, sich mit der Methode vertraut zu machen. Der karriereführer bauingenieure stellt Weiterbildungen, Studiengänge, Kurse, Institute und Workshops vor, die BIM zum Inhalt haben. Von Christoph Berger
BIM-Weiterbildungen an Universitäten und Akademien
BIM Professional für Hoch und Infrastrukturbau an der Akademie der Ruhr-Universität
www.akademie.rub.de/de/content/bim-professional-f%C3%BCr-hoch-und-infrastrukturbau
Building Information Modeling für das mittlere Management an der Akademie der Hochschule Biberach
www.akademie-biberach.de/web/akademie/buildinginformationmodeling
Weiterbildung Digitalisierung in der Bauwirtschaft // BIM am BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal
www.biminstitut.de/bildung/weiterbildung
Deutsche Ingenieurskunst genießt weltweit einen guten Ruf. Doch um den Planungs- und Ausführungsprozess effizienter und detaillierter zu gestalten, nimmt man sich nun die Automobilindustrie zum Vorbild: mit Lean Construction Management (LCM®). Von Dirk Jannausch, Leiter LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer
Zur Person
Dirk Jannausch ist seit 2010 für Drees & Sommer tätig. Innerhalb der Unternehmensgruppe treibt er als Geschäftsführer der DS Consulting Process & Organization insbesondere die Themen strategische Prozessberatung, Supply Chain Management und Projekt Management Consulting voran. Seit 2017 leitet Dirk Jannausch zudem das LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer.
Autobauer wissen auf die Sekunde genau, wann welches Fahrzeug mit welcher Ausstattung bei ihnen vom Band läuft. Kommt es zu einer Störung im exakt getakteten Produktionsablauf, heißt das Alarm: So schnell wie möglich muss der Fehler ausfindig gemacht und behoben werden. Auf einer konventionellen Baustelle bleiben Mängel dagegen häufig lange unbemerkt, manchmal so lange, dass irgendwann sämtliche Arbeiten zum Erliegen kommen. Doch mit Lean Construction Management (LCM®) werden die Gedanken des Lean Managements aus der Automobilindustrie auf die Bauprojekte übertragen. Dabei werden der Planungs- und Ausführungsprozess so effizient und detailliert wie notwendig aufgesetzt und während der gesamten Projektlaufzeit verbessert, dass der Baustellenbetrieb in einem gleichmäßigen Takt läuft. Unsere Experten von Drees & Sommer wenden LCM® bereits bei einer Vielzahl ihrer Bauprojekte an. Zuletzt etwa beim Bau eines neuen Produktionsgebäudes für Arzneimittel- Anbieter Biotest in Dreieich sowie bei der Sanierung des Deutschen Museums in München.
Elemente des Lean-Construction-Managements
Beim Lean Construction Management kommt der ganzheitlichen Projektplanung mit allen Beteiligten ein besonderer Stellenwert zu. Im ersten Schritt gilt es daher, die Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken, besonders aber auch zwischen den Planern und Ingenieuren mit den Handwerkern vor Ort frühzeitig in Gang zu bringen und eine Gesamtprozessanalyse durchzuführen. Dieser Abstimmungsprozess erfolgt in Workshops mit allen beteiligten Planungsdisziplinen mit dem Ziel, das Bauen als Prozess in den Mittelpunkt zu stellen und ein gemeinsames Verständnis für die Prozessabläufe im jeweiligen individuellen Projekt zu schaffen. Eine optimale „Sequenz“ der Baustelle und des Gesamtablaufs hin zu einem konsistenten Ausführungskonzept stehen dabei im Mittelpunkt.
Auf der Basis der durchgeführten Analyse erfolgt die Prozessplanung, die den Grundstein für eine belastbare Ablauf- und Terminplanung bildet. Hier ist es wichtig, den Gesamtprozess in sinnvolle Arbeits- und Taktbereiche zu untergliedern. Basierend darauf erfolgt die Konzeption des Ablaufs mit Meilensteinen und Stabilitätskriterien. Am Ende dieser Planung ist klar festgelegt, wann welche Mitarbeiter, Maschinen und Baumaterialien zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort benötigt werden. Die einzelnen Gewerke ziehen wie Züge durch das Gebäude – perfekt getaktet. Ohne Leerläufe oder Verzögerungen, weil Material oder Pläne fehlen, und ohne dass sich die Handwerker in die Quere kommen. Dennoch ist das System flexibel genug, um auch Unvorhergesehenes abzufedern. Die grundlegende Planung des Bauprojekts wird zwar auf einer vierbis sechs-Monats-Basis definiert, diese wird allerdings alle zwei bis vier Wochen von allen Projektbeteiligten erneut abgestimmt und gegebenenfalls angepasst.
Eine Tafel stellt den Bauablauf dar
Auf der Baustelle selbst informiert die Tafelplanung mit Steckkarten – ein weiteres wichtiges Element von LCM® – über die einzelnen Baufortschritte und gegebenenfalls auftretende Hindernisse. Über die Tafel wird der Bauablauf für die kommenden Wochen im Voraus dargestellt und tagesgenau durchgeplant. So ist auf einen Blick ersichtlich, welches Gewerk mit seinen Arbeiten in Verzug ist und woran das liegt. Die Tafel fungiert so einerseits als Steuerungsinstrument für Bauleitung und Fachbauleitung und andererseits als visuelles Frühwarnsystem. Vertreter der Bauleitung und der ausführenden Unternehmen besprechen sich täglich an der Tafel und können so auf Probleme und Verzögerungen schnell reagieren. Alle Beteiligten ziehen also an einem Strang und suchen gemeinsam nach passenden Lösungen. Dies sorgt für hohe Transparenz und Verlässlichkeit in der Bauausführung. Zudem können so bestimmte Kennzahlen wie zum Beispiel die Termintreue pro Firma, die Qualität auf Tagesbasis oder auch die Nutzung der Engpassressourcen analysiert und gegengesteuert werden.
Erst wenn alles stimmt, wird die jeweilige Tageskarte auf Grün gedreht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit Lean Construction Management Bauprojekte schneller und effizienter umgesetzt werden können. Verknüpft mit digitalen Methoden wie Building Information Modeling (BIM) wird die Management-Methode aber auch das Arbeitsumfeld von Bauingenieuren in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Neben ihren fachlichen Kenntnissen werden verstärkt auch kommunikative Fähigkeiten und Bereitschaft zur Transparenz gefragt sein.
Buchtipps
Fiedler, Martin (Hg.), Lean Construction – Das Managementhandbuch: Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen; Berlin: Gabler Verlag 2017.
Heidemann, Ailke, Kooperative Projektabwicklung im Bauwesen unter der Berücksichtigung von Lean-Prinzipien. Entwicklung eines Lean-Projektabwicklungssystems. (Reihe F, Heft 68). Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2011. Kirsch, Jürgen, Organisation der Bauproduktion nach dem Vorbild industrieller Produktionssysteme. Entwicklung eines Gestaltungsmodells eines ganzheitlichen Produktionssystems für den Bauunternehmer. (Reihe F, Heft 63). Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2011.
Kröger, Samy, BIM und Lean Construction: Synergien zweier Arbeitsmethoden. (Beuth Innovation). Berlin: Beuth Verlag 2017.
Spath, Dieter/Bullinger, Hans-Jörg (Hg.), Konzept einer BIM-basierten smarten Bauablaufplanung unter Berücksichtigung von Lean-Prozessstrategien. (Schriftenreihe zu Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement). Stuttgart: Fraunhofer Verlag 2017.
Deutsche Unternehmen aus den Bereichen Bau, Schienenfahrzeugbau und Elektroindustrie sowie Maschinen- und Anlagenbau sind äußerst wettbewerbsstark. Doch laut einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bedarf es neuer Impulse, um die Chancen der Unternehmen im globalen Wettbewerb um strategische Großprojekte zu verbessern. Von Christoph Berger
Die Studie „EPC-Fähigkeit der deutschen Unternehmen im Bereich der Bauwirtschaft und des Maschinen- und Anlagenbaus“, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums von der PricewaterhouseCoopers GmbH WPG erstellt wurde und die Situation deutscher Unternehmen und deren Erfolge bei der Beteiligung an internationalen Großprojekten untersuchte, identifizierte insgesamt sechs Handlungsfelder zur Stärkung der EPC-Fähigkeit. EPC steht für Engineering, Procurement und Construction. Als Ausgangslage wird dabei hervorgehoben, dass die genannten Branchen einen bedeutenden Beitrag zur Anbahnung und Erhaltung deutscher Wirtschaftsbeziehungen im Ausland leisten, dass sie „mit der weltweiten Errichtung fortschrittlicher Infrastrukturen die Grundlage für zukünftige Handelsbeziehungen und Exporte deutscher Unternehmen“ legen, so die Autoren.
Vor diesem Hintergrund sei der rückläufige Auftragseingang schlüsselfertiger EPC-Projekte im Großanlagenbau beziehungsweise der zurückgehende Marktanteil deutscher Unternehmen am internationalen Baugeschäft bedenklich. So sei zum Beispiel, was die weltweite Bauwirtschaft und die Auslandsumsätze betrifft, der globale Markt von 2005 bis 2015 zwar um den Faktor 2,6 gestiegen, der Deutschlands im Vergleich dazu jedoch unterproportional geblieben.
Die Studie
Die Studie „EPC-Fähigkeit der deutschen Unternehmen im Bereich der Bauwirtschaft und des Maschinen- und Anlagenbaus“ steht unter folgendem Link zum Download bereit: https://goo.gl/MbPNMX
Nach einer ausführlichen Marktanalyse identifizierten die Berater sechs Handlungsfelder: „Kooperationsplattform EPC Ecosystem“, „Komptenzzentrum digitale Projektabwicklung“, „Gemeinsamer Auslandsauftritt von Industrie & Politik“, „Erweiterung der staatlichen Exportunterstützung“, „Technologiestandort Deutschland“ und „Flexibilisierung der Projektarbeit“. Diesen Feldern wurden wiederum Handlungsempfehlungen angefügt. Die mit der höchsten Priorität sind der Aufbau einer digitalen Kooperationsplattform, die Schaffung eines Kompetenzzentrums Digitale Projektabwicklung, die Stärkung der Markterschließung und die Ausweitung der Finanzierungsmöglichkeiten. Wie wichtig solche Maßnahmen sind, hob Staatssekretär Matthias Machnig bei der Vorstellung der Studie hervor. Gerade im Verbund durchgeführte internationale Großprojekte würden einen wichtigen strategischen Außenwirtschaftsbeitrag leisten: „Hier müssen wir daher in Zukunft besser werden, denn internationale Großprojekte sind ein wichtiges Aushängeschild für ‚Made in Germany’.“
Der Tunnelbau ist eine Disziplin des Tiefbaus und zählt zu den komplizierten Aufgaben im Bauwesen. Welche Herausforderungen auftreten können und was die Aufgaben eines Tunnelbauers sind, erklärt Vortriebsbauleiter Moritz Bergmann, der am Tunnel Oberau mitarbeitet. Von Christoph Berger
Seit September 2015 laufen die Tunnelbauarbeiten beim Tunnel Oberau bei Garmisch-Partenkirchen. Dabei handelt es sich um einen 2,8 Kilometer langen, zweiröhrigen Tunnel mit je zwei Fahrspuren. Ziel der Errichtung ist es, die Bewohner von Oberau von Lärm und Schadstoffemissionen zu entlasten. Seit Anfang dieses Jahres ist Moritz Bergmann vom Bauunternehmen Marti GmbH Deutschland Vortriebsbauleiter auf der Baustelle – seine erste Stelle in dieser Position. Die Aufgaben des Bauingenieurs, der 2015 sein Studium an der Bergakademie Freiberg abgeschlossen und sich bereits in seiner Diplomarbeit mit dem Tunnelbau beschäftigt hatte, sind vielfältig: Er legt mit den Ausbaufestlegungen die Abschlagslängen fest, bestimmt in Absprache mit der Bauaufsicht die Sicherungsmaßnahmen, er macht die Materialdispositionen – alles, was mit den Planungen auf der Baustelle zu tun hat. Dabei muss natürlich auch immer der finanzielle Rahmen im Blick gehalten werden.
Am Tunnel Oberau reizt Moritz Bergmann, dass es sich um einen mittelgroßen Tunnel in bergmännischer Bauweise und mit konventionellem Vortrieb handelt. Das bedeutet, dass Sprengungen stattfinden und mit Bohrwagen und Baggern gearbeitet wird, es ist keine Tunnelbohrmaschine im Einsatz. Zudem ist das Projekt in der Planung und Durchführung sehr umfangreich. „Wir haben zum Beispiel eine Grundwasserabsenkungsanlage installiert, um im Falle eines Hochwassers das Grundwasser absenken zu können“, erklärt er. „Mit einer solchen Anlage können pro Sekunde bis zu drei Kubikmeter Wasser befördert werden.“ Außerdem hätten wegen des Tunnelbaus vier Gebäude an der Oberfläche etwa drei Zentimeter komplett angehoben werden müssen, um unterfahren werden zu können. Unter den Bauwerken befand sich auch eine Industriehalle, die mithilfe der obertägigen Hebungsinjektion angehoben wurde. Und auch ein Bachlauf musste abgedichtet werden.
Das Projekt
Die Autobahndirektion Oberbayern hat eine Internetseite zum Tunnel Oberau eingerichtet: http://tunnel-oberau.info
Hinzu kommen die Herausforderungen mit dem Untergrund. Streckenweise traf man während Tunnelbauarbeiten auf Lockergestein, sodass der Tunnel schnell abgesichert werden musste, streckenweise auf Hartgestein – der Tunnel führt unter zwei Bergen hindurch. „Natürlich bauen wir nach Plan und es gibt auch geologische Prognosen mit den entsprechenden Ausbauverfahren“, sagt Bergmann, „aber in der Realität muss man situationsabhängig reagieren. Innerhalb einiger Meter kann sich die Bodensubstanz vollständig verändern.“ Im Mai 2020 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen werden.
Junge Bauingenieure im Spezialbereich Wasserbau müssen sich ein vielseitiges Spektrum an Fähigkeiten aneignen. Insbesondere die Erarbeitung einer Ausführungsplanung in Hinblick auf eine fachund termingerechte Ausführung unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Zeitraums, der umweltbehördlichen Auflagen sowie der örtlichen Gegebenheiten stellen einen besonderen Reiz dar. Von Martin Meier, Matthäi Wasserbau GmbH & Co. KG
In der folgenden Projektbeschreibung wird sehr gut ersichtlich, welche Herausforderungen in diesem Bereich auf einen jungen Bauingenieur zukommen. Bis Ende 2016 sollte der Greifswalder Bodden vor Lubmin mit sechs jeweils 700 Meter langen Horizontalbohrungen unterquert werden. Es entstanden sechs Schutzrohre DN 800, die für einen sicheren Anschluss der stromführenden Seekabel der Offshore Windparks „Westlich Adlergrund“ und „Arkona See“ an die Umspannstation an Land benötigt wurden. Für diese anspruchsvolle Aufgabe konnte die Firmengruppe Matthäi durch eine enge Zusammenarbeit der beiden beteiligten Spezialisten Matthäi Bauunternehmen aus Westerstede und Matthäi Wasserbau in Verden überzeugen.
Neben den anspruchsvollen baulichen Aufgaben stellte das Vorhaben auch an die Baustellenlogistik ganz besondere Anforderungen. Die Herausforderungen lagen darin, dass der An- und Abtransport der Ausrüstung über den Landweg auf Grund von Naturschutzauflagen nicht möglich war. Am Bohraustrittspunkt gab es außerdem nur eine sehr geringe Wassertiefe von lediglich 70 Zentimetern. Hinzu kam, dass die seeseitig auszuführenden Arbeiten den starken Witterungseinflüssen der Ostsee ausgesetzt wurden. Die Seekabel waren in 700 Meter lange Schutzrohre eingezogen worden, die auf dem Wasserweg vom Hafen Lubmin zum Bohraustrittspunkt transportiert werden mussten. Und nicht zuletzt verlangte der ehrgeizige Zeitplan sowohl wetterunabhängiges Arbeiten als auch trockene Arbeitsumgebungen.
Die Umsetzung erfolgte dann anhand folgender Maßnahmen: Die Schutzrohre wurden im HDD-Horizontal-Directional- Drilling Verfahren, der gesteuerten Horizontalbohrtechnik, eingebracht. Der An- und Abtransport aller Materialien und Maschinen erfolgte ausschließlich auf dem Wasserweg durch die Verwendung des vielfältigen Fahrzeugparks unseres Unternehmens: Zwei Seilkrane, vier für die Durchführung der witterungsunabhängigen seeseitigen Arbeiten vollständig autark ausgerüstete Pontons, flachgängige Arbeitsboote und Schlepper sowie das entsprechend motivierte Fachpersonal wurden zur Verfügung gestellt.
Wasserdichte Spundwandkonstruktionen mit den Maßen 50 Meter mal acht Meter garantierten eine wetter- und wellenunabhängige Durchführung der HDD-Bohrungen. Die Spundwände wurden im Hochfrequenzvibrationsverfahren vom seeseitigen Ponton aus eingebracht. Alle schwimmenden Transport- und Arbeitseinheiten hielten auch widrigen Wetterverhältnissen stand und waren mit einem minimalen Tiefgang für dieses Seegebiet besonders geeignet. Und auch alle Auflagen für den Schutz der Umwelt wurden von uns zuverlässig eingehalten – dank unserer langjährigen Erfahrung bei der Durchführung derartiger Arbeiten.
Der Maschinenbauingenieur Tobias Greindl arbeitet seit sechs Jahren bei der Bauer Maschinen GmbH. Bereits während seines Studiums an der Hochschule Deggendorf hat der 30-Jährige das Unternehmen mit Sitz in Schrobenhausen kennengelernt. Von Tobias Greindl, Bauer Maschinen GmbH
Ich habe direkt nach meinem Masterabschluss im Oktober 2011 bei Bauer angefangen. Zu meinen Hauptaufgaben zählen die Entwicklung und Konstruktion von Baugruppen und Sondermaschinen, speziell auch für den Offshore-Einsatz. Außerdem bearbeite ich Forschungsprojekte in diesem Bereich und leite kleinere Projekte. Bei meiner Arbeit ergeben sich natürlich immer wieder auch Schnittstellen zu den Bauingenieuren der Bauer Spezialtiefbau GmbH, etwa wenn es um die Weiterentwicklung bestehender Geräte geht. Hier sind wir auf das Feedback von der Baustelle angewiesen. Aber auch bei Neu- und Sonderentwicklungen für spezielle Projekte arbeiten wir mitunter eng mit den Spezialtiefbauern zusammen.
Eine solche Entwicklung ist zum Beispiel unser Unterwasserbohrgerät Dive Drill. Aktuell wird vor der schottischen Küste ein Windpark gegründet. Hierbei werden Pfähle mit rund zwei Metern Durchmesser in den Boden gerammt. Ist dies aufgrund der Geologie nicht möglich, kommt unser Dive Drill zum Einsatz und führt Entlastungsbohrungen durch. Der Auftrag kam im Juli 2016 und der Auslieferungstermin war für Ende Februar 2017 geplant. Das Projekt mit einer Lieferzeit von etwa sieben Monaten war für die gesamte Firma ein Kraftakt und eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen war unumgänglich.
Der Dive Drill wurde in unserem Werk nahe des Firmensitzes in Schrobenhausen aufgebaut und getestet, Ende Februar verladen und nach Rotterdam geliefert. Dort wurde das 200 Tonnen schwere Bohrgerät pünktlich auf das Schiff geladen. Ein Highlight war für mich, dass ich an einem Helikopter- Sicherheitstraining teilnehmen durfte, denn das Schiff ist im Notfall nur per Hubschrauber erreichbar. Aktuell befindet sich das Unterwasserbohrgerät immer noch auf dem Arbeitsschiff und wir bekommen von den Bauingenieuren und Gerätefahren vor Ort immer wieder Feedback was gut ist oder aber auch nicht optimal läuft. Dieses Feedback werden wir bei möglichen neuen Projekten in die Entwicklung einfließen lassen.
An meiner Arbeit reizt mich besonders, dass wir unsere Prototypen von der ersten Prinzipskizze bis zur Auslieferung begleiten. Es ist einfach toll, wenn man sieht, was aus einer ersten Idee entstehen kann und das Gerät in Stahl und Eisen schlussendlich vor einem steht. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen, wie der Elektrotechnik, der Hydraulik, den Bauingenieuren, der Produktion und den Mechanikern, die das Gerät zusammenbauen, ist sehr abwechslungsreich.
Bauingenieur Jens Voigt lebt in Darmstadt, ist aber in der Welt zu Hause. Für seinen Arbeitgeber Arcadis ist er in einer Spezialdisziplin des Bauingenieurwesens unterwegs: der Geotechnik. Aufgezeichnet von Christoph Berger
Jens Voigt hat vergessen, in wie vielen Ländern er inzwischen Bauprojekte betreut und wie viele er deswegen geschäftlich bereist hat. Auf sämtlichen Kontinenten war der Bauingenieur und Projektleiter Geotechnik des Ingenieurdienstleisters Arcadis inzwischen in Projekte involviert. Ähnlich ist den Bauvorhaben dabei meist nur eines: die Aufgabenstellung. Jens Voigt beurteilt Böden hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit für Bauwerke. Er untersucht den Baugrund, nimmt Bodenproben, wertet diese aus und macht zum Beispiel Setzungsberechnungen anhand derer entschieden wird, ob das geplante Bauwerk tatsächlich an der gewünschten Stelle gebaut werden kann – beziehungsweise was gemacht werden muss, um es sicher zu gründen.
Für ihn und seine Kollegen sind Böden und Fels Baustoffe wie Beton und Stahl. „Spannend ist, dass ich schon sehr früh in die Planungen einbezogen werde. Manchmal kann man nämlich überhaupt nicht so bauen, wie der Kunde sich das vorgestellt hat. Da braucht es Spezialgründungen, die oft sehr teuer werden. Das kann dann schon einmal zu einem Ausschlussverfahren für den geplanten Standort führen“, sagt er.
Die Mehrheit der Kunden, die Jens Voigt betreut, sind deutsche mittelständische Unternehmen, die Anlagen oder Maschinen bauen und die ihre Produkte ins Ausland verkauft haben. „Auch diese Anlagen oder Maschinen müssen gegründet werden, so eine Maschine kann schon einmal die Größe eines Hauses haben. Oder es handelt sich um den Bau eines Kleinkraftwerks aus dem Energiebereich. Die deutschen Unternehmen wollen wissen beziehungsweise sicherstellen, dass ihre Anlagen bei ihren Kunden auch sicher stehen“, erklärt Voigt die Hintergründe der Aufträge. Denn nicht selten handelt es sich bei den Produkten um Hochpräzisionsanlagen mit hohen Verformungsanforderungen, die nicht nur fest und stabil stehen müssen, sondern die sich überhaupt nicht bewegen dürfen. Das gelte dann auch für die Fundamente.
Der Reiz kultureller Vielfalt
Manchmal braucht es da praktische Lösungen, die vielleicht nicht immer optimiert und ausgereizt sind, aber mit denen sich die Funktion gewährleisten lässt.
Voigt, der ein Masterstudium Bauingenieurwesen in Leipzig absolviert und später noch ein MBA Unternehmensführung Bau an der Hochschule Biberach drangehängt hat, konnte während seiner bisherigen Auslandsprojekte die Erfahrung machen, dass es im Ausland nicht immer die Bautechnik gibt, die in Deutschland oder Europa zur Verfügung steht – in Europa gebe es für alles eine technische Lösung, im Ausland sei dies nicht immer so. Dies sei aber keineswegs negativ zu bewerten: „Manchmal braucht es da praktische Lösungen, die vielleicht nicht immer optimiert und ausgereizt sind, aber mit denen sich die Funktion gewährleisten lässt“, sagt er.
Vielmehr habe er einen regelrechten Respekt vor Lösungen der ausländischen Kollegen entwickelt, die oftmals pragmatische Ideen entwickeln würden, die dabei aber nicht weniger intelligent seien. „Da lernt man das Bauen noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen.“ Daher komme es in manchen Projekten auch weniger auf die technischen Vorgänge an, eher auf Vermittlung und Kommunikation vor Ort. Eine Einarbeitung in die örtlichen Bauvorschriften sei zwar immer notwendig, doch Voigt weiß: „Das heißt zwar manchmal anders, ist aber immer noch Physik.“
Redaktionstipp
Dieses Buch bietet einen kompakten Überblick über die 50 wichtigsten „Skills“ aus vier verschiedenen Kompetenzbereichen. Joachim H. Becker, Helmut Ebert, Sven Pastoors: Praxishandbuch berufliche Schlüsselkompetenzen. Springer 2017. 24,99 Euro.
Anspruchsvoller sei da schon eher die Kommunikation mit den Menschen. In Indien hat Voigt es zum Beispiel erlebt, dass einer seiner Gesprächspartner ihm niemals selbst antwortete, sondern dies immer seinen Adjutanten machen ließ. Später stellte sich heraus, dass der indische Kollege aufgrund seiner Kastenzugehörigkeit überhaupt nicht mit ihm reden durfte. „An solche Begebenheiten muss man sich natürlich anpassen beziehungsweise man muss sie kennen“, sagt er. Ein anderes Beispiel: „In den GUS-Staaten ist es üblich, dass man vor dem eigentlichen Projektstart zum Essen eingeladen wird – mit den entsprechenden Getränken. Manchmal verträgt man das nicht, es gehört aber dazu und wird in den Ländern erwartet“, erzählt Voigt. Lasse man sich auf diese Gepflogenheiten nicht ein, dann laufe auch das Projekt nicht – zu erwarten, man komme auf die Baustelle und alles laufe nach den eigenen Vorstellungen ab, funktioniere nicht. Man ist auf die Menschen vor Ort angewiesen.
Und es ist gerade auch diese kulturelle Vielfalt, die meine Arbeit so reizvoll macht und immer wieder spannend sein lässt und zu Unvorhersehbarem führt. Voraussetzung ist natürlich, dass man sich darauf einlässt“, sagt er. Im Durchschnitt dauern die Projekte Voigts zwischen einem und anderthalb Jahren. Das bedeutet jedoch nicht, dass er in dieser Zeit nur im Ausland bei dem jeweiligen Bauprojekt ist. Er reist zwar viel, doch die Hauptarbeit zu jedem der Projekte findet in der Arcadis-Zentrale in Darmstadt statt. „Aufgrund unserer Unternehmensgröße funktioniert das sehr gut, da wir ein die Erde umspannendes Netzwerk von Niederlassungen zur Verfügung haben, über das wir jederzeit auch auf unsere Mitarbeiter im Ausland zugreifen können – und die mich natürlich, wenn ich vor Ort bin, auch jederzeit unterstützen.“
Die deutsche Bauindustrie im Ausland
Redaktionstipp: Bauleitung im Ausland
Dieses Fachbuch bietet praktische, kurz gefasste und übersichtliche Informationen und Checklisten, die für die Bauobjektüberwachung und die Arbeit auf der Baustelle im Ausland relevant sind. Es ist eine Hilfestellung für alle, die mit der Entsendung deutscher Fachleute zu Bauvorhaben im Ausland zu tun haben, sich selbst auf eine Auslandstätigkeit auf einer Baustelle vorbereiten oder vor Ort in fremder Umgebung als Bauleiter Verantwortung übernehmen. Konrad Micksch: Bauleitung im Ausland. Springer Vieweg 2016. 34,99 Euro.
Deutsche Bauindustrie im Ausland erfolgreich
Die deutsche Bauindustrie konnte 2016 den Auftragseingang aus dem Ausland um zehn Prozent auf 27,2 Milliarden Euro steigern. Und die Prognose sieht vor, diesen Wert 2017 nochmals zu übertreffen. Vor allem bei technisch anspruchsvollen Bauprojekten in der Verkehrsinfrastruktur sowie im Spezialtiefbau seien deutsche Firmen weltweit als Partner gefragt, heißt es vonseiten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Quelle: www.bauindustrie.de
Derzeit werden die Möglichkeiten und Chancen für die Beschäftigung von Frauen in der Baubranche vielfach noch nicht ausreichend akzeptiert und genutzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung der RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum. Daher wurde die Handlungsempfehlung „Potenziale von Frauen für die Bauwirtschaft besser erschließen und nutzen“ erarbeitet. Von Christoph Berger
„Im Berufsalltag spielt es kaum noch eine Rolle, wer oder was man ist, sondern was man kann, und wie man seine Aufgaben erfüllt“, sagt Diplom- Ingenieurin Heike Böhmer, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Bauforschung e. V. Ihr Lebenslauf wird mit fünf weiteren in den Handlungsempfehlungen der RG Bau als positives Beispiel für eine Karriere in der Bauwirtschaft aufgeführt. Gezeigt wird, dass der berufliche Aufstieg – auch mit Kindern – gelingen kann. Es manchmal aber auch Hindernisse gibt. Oder: „Als Frau muss man trumpfen“, wie Andrea Nowotny, Bauleiterin bei Macon Bau, sagt. Ebenso sprechen die Zahlen weiterhin eine eindeutige Sprache: Laut Erhebungen der SOKA-BAU für das Jahr 2015 liegt bei den gewerblichen Arbeitnehmern der Frauenanteil bei konstant niedrigen 1,1 Prozent.
Unternehmen sollten daher, so die Handlungsempfehlungen der RG Bau, ihre Belegschaften mit folgenden Maßnahmen für Gender Diversity sensibilisieren:
Gleichbehandlung und Vielfalt sollten in den Unternehmensstrategien und -zielen verankert werden
Führungskräfte sollten sich für Gleichbehandlung und Vielfalt einsetzen
Führungskräfte in Teilzeit, Elternzeit oder ähnlichem haben einen Vorbildcharakter
Entdeckung der Talente in der weiblichen Belegschaft
Weiterbildungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen für alle Mitarbeiter
Gespräche mit Frauen über deren Karriereplanung mitsamt Unterstützungsangeboten
Unterstützung bei der Ergebnis- und Leistungspräsentation
Chancen- und Entgeltgerechtigkeit
Etablierung einer offenen Unternehmenskultur
Angebot von Möglichkeiten und Gestaltungsräumen für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben
Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten
Schaffen von vielfältigen, anpassungsfähigen Arbeits(-zeit)modellen und flexiblen Karrierewegen
leichter Wechsel von Teil- in Vollzeit oder umgekehrt
weiterhin Kontakt zu Mitarbeitern in Elternzeit
Elternzeit auch für Männer
Ermöglichung von „Zweitkarrieren“
Unterstützung bei Auslandsaufenthalten
Vernetzung mit anderen Bauunternehmungen
Handlungsempfehlung
Die Handlungsempfehlung „Potentiale von Frauen für die Bauwirtschaft besser erschließen und nutzen“ steht unter folgendem Link zum Download: https://goo.gl/RRc7dd
Die Zeichen sind erkannt und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis einzelne oder mehrere Maßnahmen in den Unternehmen umgesetzt werden. Ziel der Handlungsempfehlungen ist es daher, Frauen zum einen verstärkt für die Baubranche zu interessieren und sie über mögliche Berufe aufzuklären, zum anderen aber auch auf die wichtigen Themen wie eine ausgewogene Work Life Balance, Gender Diversity einzugehen sowie das Branchenimage zu verbessern.