Digital-Work-Expertin Prof. Dr. Yasmin Mei-Yee Weiß im Interview

Prof. Dr. Yasmin Mei-Yee Weiß ist als BWL-Professorin, mehrfache Aufsichtsrätin und Start-up-Gründerin eine gefragte Expertin für die Zukunftsthemen New Work, Future Skills und digitale Bildung. Im Interview begründet sie, auf welche Kompetenzen es in einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt ankommt. Ihre These: Je stärker der Digitalisierungsgrad, desto mehr kommt es darauf an, Mensch zu sein. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Yasmin Mei-Yee Weiß, Jahrgang 1978, ist Professorin, Expertin für die Themen „Future Skills“, „Future of Work“ sowie für Digitale Bildung. Zu diesen Themen ist sie auch als Publizistin und Keynote Speakerin aktiv. Sie ist Mitglied in mehreren Aufsichtsräten und Gründerin des Start-Ups Yoloa. Tätig ist sie auch als Politikberaterin. 2014 wurde sie von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Innovationssteuerkreis der Bundesregierung und von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in den Außenwirtschaftsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums berufen. Laut Wirtschaftsmagazin „Strive“ zählt sie zu den Top 10 der weiblichen Business Influencer im Bereich Digitalisierung.

Frau Prof. Weiß, Sie sprechen von Tätigkeiten, die „dull, dumb & dangerous“ sind, verstärkt von Maschinen und Robotern übernommen werden können. Was wäre ein Beispiel für die Kategorie „dangerous“?
Sprengkörper in Kriegsgebieten zu entschärfen oder zu sprengen, ist eine äußerst gefährliche Tätigkeit, also „dangerous“. Daher gibt es Anti-Minen-Roboter, die diese Aufgaben für menschliche Spezialisten übernehmen können.

Und was wäre ein prägnantes Beispiel von Tätigkeiten der Kategorien „dull“ und „dumb“?
Am Amtsgericht in Frankfurt wird zukünftig eine KI die Richter dabei assistieren, Urteile zu Fluggastrechten zu fällen. Hier gibt es zwischen 10.000 und 15.000 Fälle pro Jahr mit riesigen Datenmengen, die ausgewertet werden müssen. Die Software ist darauf spezialisiert, Bordkarten, Flugzeiten, Wetterdaten und vorangegangene Entscheidungen des Amtsgerichts zu analysieren und die Richter wirkungsvoll bei der Urteilsvorbereitung zu unterstützen. Das Urteil selbst wird aber weiterhin von Richtern gefällt werden.

Wen betrachten Sie als entscheidende Gestalter*innen der neuen Arbeitswelt?
Jeder kann die schöne neue Arbeitswelt mitgestalten, dazu muss man nicht Führungskraft sein. Wir stehen gerade an einem neuen Scheideweg, wie „New Work“ nach der Pandemie aussehen wird: Für welche Aufgaben kommen wir zukünftig noch ins Büro? Welche Aufgaben können wir örtlich flexibel an einem anderen Ort erledigen? Was ist hierbei eine gute Mischung? Ich persönlich glaube, dass Wissensarbeiter durchaus zu weiten Teilen örtlich flexibel und virtuell zusammenarbeiten können, dass jedoch für den kreativen Austausch, für die Entwicklung neuer Strategien sowie den Vertrauensaufbau und die Stärkung persönlicher Netzwerke das physische Zusammentreffen erforderlich ist. Hier allerdings scheiden sich in vielen Unternehmen die Geister, wie darüber gedacht wird.

Wie kann es gelingen, die Änderungsdynamik zu nutzen?
Bei jeder Veränderung gilt: Erfolg ist das beste Argument. Wenn jemand sich dafür einsetzen möchte, dass man auch 75 Prozent der Zeit remote arbeiten und dabei einen sehr guten Job machen kann, der sollte exzellente Leistung abliefern.

Grundsätzlich gilt: Je technologisierter die Welt um uns herum, desto menschlicher müssen wir selbst werden.

Was bedeutet das für die Führung im digitalen Zeitalter?
Ich glaube, Führungskräfte müssen ein extrem gutes Gespür bei der Auswahl von Mitarbeitern an den Tag legen, denn die Bedeutung des Faktors Mensch sinkt im Zuge der Digitalisierung nicht – sie steigt. Dann gilt es, diesen Menschen zu vertrauen, Aufgaben zu delegieren, gut zuzuhören, anders lautende Meinungen zuzulassen, ein Team mit diversen Fähigkeiten und Sichtweisen zu orchestrieren und auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Gerade bei virtueller Zusammenarbeit steigt auch die Bedeutung von digitaler Empathie: Wie schaffe ich es als Führungskraft, Fingerspitzengefühl für meine Mitarbeiter, Kollegen, Partner, Kunden und Lieferanten zu entwickeln, wenn wir uns weniger physisch sehen? Wie also schaffe ich es, remote Vertrauen aufzubauen, tragfähige Beziehungen zu entwickeln und Wertschätzung zu vermitteln? Es klingt wie ein Paradoxon, aber in Zeiten, in denen Speed zum Erfolgsfaktor wird, müssen sich Führungskräfte noch mehr Zeit für gute Führung nehmen. Grundsätzlich gilt: Je technologisierter die Welt um uns herum, desto menschlicher müssen wir selbst werden.

Auf welche weiteren Skills wird es für den Nachwuchs in digital geprägten Positionen besonders ankommen?
Ich denke, dass die Mehrheit der Menschen begriffen hat, dass IT-Kompetenz und mindestens ein Grundlagenwissen in den neuen Schlüsseltechnologien wie KI oder Blockchain inzwischen zur Allgemeinbildung gehört und branchenübergreifend in verschiedenen Berufsfeldern relevant wird. Was oftmals von vielen unterschätzt wird, ist die Bedeutung von zeitbeständigen Metakompetenzen, die unheimlich wichtig sind, um erfolgreich in einer zunehmend digital-vernetzten und volatilen Zukunft agieren zu können. Gemeint sind Lernfähigkeit, Problemlösungskompetenz, Ambiguitätstoleranz oder Resilienz. Einen zusätzlichen Bedeutungsschub werden auch Sozialkompetenzen wie Empathie, Kommunikationsgeschick und Teamfähigkeit erfahren, denn diese unterscheiden uns von den immer intelligenter werdenden Maschinen. Letztlich gilt es, genau das zu stärken, was wir als Menschen einbringen können, um aus unserer humanen Intelligenz und der Zusammenarbeit mit einer Künstlichen Intelligenz eine „komplementäre Intelligenz“ zu formen.

Letztlich gilt es, genau das zu stärken, was wir als Menschen einbringen können, um aus unserer humanen Intelligenz und der Zusammenarbeit mit einer Künstlichen Intelligenz eine „komplementäre Intelligenz“ zu formen.

Sie sind aktuell in Elternzeit. Wie gelingt es Ihnen in dieser sehr besonderen Zeit, den „Nestbau“ als Mutter mit den Ansprüchen, die Sie an Ihre Jobs und an Ihre Wissensaneignung haben, in Einklang zu bringen?
Ehrlich gesagt: Das ist nicht einfach und nicht nur ein organisatorischer, sondern auch ein emotionaler Spagat. Du kannst, wie ich, Aufsichtsrätin, Professorin, Start-up Gründerin sein, das ist alles gut und schön, doch der wichtigste Job steht nicht auf den Visitenkarten, und er bedeutet für mich: Mutter von zwei wunderbaren kleinen Kindern zu sein. Mir hilft es, dass ich viel zeitliche und örtliche Autonomie habe, um meinen Job zu erledigen und die finanziellen Mittel, um mir viel Unterstützung im Haushalt von extern zu holen. Und: Ich liebe es, zu lernen. Das fühlt sich nicht wie Arbeit an, sondern wie ein Privileg, und ich baue es, so häufig es geht, in meinen Alltag ein. Ich höre zum Beispiel beim Sport oder beim Reisen viele Technologie-Podcasts und stelle mir auf Blinkist täglich Bücherlisten zusammen, die ich mir in Audio-Zusammenfassungen anhöre, wenn ich zum Beispiel unterwegs zu einem Termin bin.

Ich möchte auf einen Ansatz zurückgreifen, den Sie in Ihren Vorträgen oft nennen: Was würden Sie Ihrem 25 Jahre alten Ich raten, mit den Erfahrungen, die Sie seitdem gesammelt haben?
Ich würde rückblickend vieles genauso machen, aber auch einiges anders. Ich hatte immer große Träume und Flausen im Kopf und würde meinem 25-jährigen Ich raten, jeden Tag ernsthaft an diesen Träumen zu arbeiten und gleichzeitig in Summe gelassener zu sein und daran zu glauben, meinen eigenen Weg gehen zu können – auch wenn viele Stimmen von außen sagen, das gehe nicht. Die Zukunft wird immer weniger linear verlaufen und unsere Werdegänge werden es auch nicht sein, sondern von viel mehr Individualität, Brüchen, Pausen und Neuanfängen geprägt sein. Und das ist völlig in Ordnung. Ich glaube zudem auch fest daran, dass man auch lachend ernsthaft sein kann und dass vieles dadurch auch besser gelingt. Das gelingt mir mit zunehmendem Alter immer besser.

Wenn Ihre Kinder eines Tages sagen werden: „Ich gehe zur Arbeit“ – was werden sie damit meinen, wie wird sich „Arbeit“ im Jahr 2050 definieren?
Arbeiten ist immer mehr das, was wir tun, nicht wohin wir gehen. Ich habe mir vorgenommen, meine eigenen Kinder nicht nur in der digitalen Bildung persönlich zu unterstützen, sondern auch dabei, sich selbst zu entdecken. Und damit meine ich ihre persönlichen Stärken, ihre Interessen, Werte und ihren Purpose. Und dann sollen sie selbst entscheiden, was „gute Arbeit“ für sie bedeutet.

 Buchtipp

cover weltbeste bildung„Weltbeste Bildung: Wie wir unsere digitale Zukunft sichern“ Mitte September erscheint im Campus- Verlag das neue Buch von Yasmin Weiß, in dem sie sich der Frage widmet, wie es gelingen kann, in einer immer stärker digitalisierten Welt alle Menschen mitzunehmen und für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft fit zu machen. Dabei macht sie deutlich, warum dafür lebenslanges Lernen notwendig ist und wie sich dieses organisieren lässt. Den Schwerpunkt setzt sie dabei auf die digitale Bildung sowie auf die Stärkung jener Eigenschaften, die den Menschen nachhaltig von immer intelligenter werdenden Maschinen unterscheiden. Als Autorin liegt es ihr fern, allein die Politik in die Pflicht zu nehmen – vielmehr sieht sie die Verantwortung bei jedem Einzelnen sowie bei den Unternehmen. Yasmin Weiß: Weltbeste Bildung: Wie wir unsere digitale Zukunft sichern. Campus-Verlag September 2022, 28 Euro (ab September 2022)

BIM: Gebaut wie geplant

Am Bau kommt die Digitalisierung voran. Schritt für Schritt. Die Branche hat die Digitalisierungspotenziale erkannt und steht vor der riesigen Herausforderung, auf dem Weg in die Welt des Bauens 4.0 alle Akteure mitzunehmen. Von Christoph Berger

Die Bauwirtschaft zählt zu einer der Schlüsselindustrien Deutschlands. Allerdings wird ihr immer wieder mangelnde Produktivität im Vergleich zu anderen Branchen zugeschrieben. Wofür es natürlich Ursachen gibt. So ist zum Beispiel jedes Bauwerk ein Unikat oder bei Tiefbauprojekten kommt es immer wieder zu unvorhersehbaren Ereignissen, die nur schwer planbar sind und Standardprozesse damit unmöglich machen. Trotzdem könnte die Branche im Hinblick auf die Digitalisierung weiter sein, gibt es doch viele Prozesse, die digital abgebildet werden könnten. So kommt eine im Dezember 2021 veröffentlichte Studie des Beratungsunternehmens PwC zu dem Ergebnis, dass der Digitalisierungsschub, den viele Branchenkenner erwartet hätten, bislang ausgeblieben sei. Zwar seien sich die Befragten einig, dass die Digitalisierung viele Chancen biete, allerdings habe sich die Diskrepanz zwischen den Potenzialen und den Fähigkeiten im Vergleich zum Vorjahr nur bei zwei von sieben digitalen Lösungen verkleinert. Häufig fehle es den Unternehmen an der dafür nötigen Expertise und der unternehmensinternen Akzeptanz. Knapp die Hälfte der Befragten, 47 Prozent, attestiert dem eigenen Unternehmen einen hohen Digitalisierungsgrad.

Mit Blick auf die administrativen Prozesse wie Finanzen oder HR und die Projektprozesse – beispielsweise zur Planung und Kalkulation – sehen sogar rund sechs von zehn Unternehmen einen hohen Digitalisierungsgrad. Anders sieht es im Bereich digitaler Lösungen wie Cloud-Technologien aus: Hier sehen zwar 81 Prozent laut den Studienergebnissen hohes Potenzial, aber nur 44 Prozent bescheinigen sich einen hohen Digitalisierungsgrad. Wenn von Digitalisierungsgraden am Bau die Rede ist, kommt man an BIM nicht vorbei. BIM steht für Building Information Modeling und beschreibt eine Methode, in der sämtliche Bauwerksdaten digital modelliert, miteinander kombiniert und gemeinsam erfasst werden. Und dies über den gesamten Lebenszyklus des jeweiligen Bauprojekts. So entsteht ein digitaler Zwilling, der bis zu sieben Dimensionen abbilden kann: Zu dem dreidimensionalen Gebäudemodell können die Faktoren Zeit, Kosten, Nachhaltigkeit und Verwaltung, gemeint ist hier das Betreiben von Gebäuden beziehungsweise das Facility Management, hinzugefügt werden.

Eine Branche im Change

Diese Zusammenfassung eines Projekts in einem digitalen Modell fordert die Bau- und Immobilienbranche nicht nur technisch heraus, sondern auch kulturell, stellt sie doch eine ganz neue Form der Zusammenarbeit der bisher äußerst fragmentierten und meist getrennt voneinander arbeitenden Akteure dar. Inga Stein-Barthelmes, Geschäftsführerin der planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH, erklärt zu BIM: „Es ist definitiv eine bessere Zusammenarbeit. Das Planen und Bauen funktioniert reibungsloser. Deswegen wird Zeit und natürlich auch Geld gespart.“ Und sie betont bezüglich des Change in der Branche, dass der Faktor Mensch umdenken müsse: „Das tun die jungen Menschen aber bereits. Ihnen geht es um die Sache und nicht um die goldene Ananas, also den „Ruhm“ der eigenen Disziplin.“

Klar brauchen wir alle, die rund um das Thema Bau studieren. Aber zudem auch die Absolventinnen und Absolventen aus ganz anderen Fachrichtungen. Es muss umgedacht werden.

Doch wie weit ist die BIM-Einführung in den bauausführenden Unternehmen nach ihrer Einschätzung vorangeschritten? Sie sagt: „Wir merken Fortschritte. Vor allem auch bei den größeren bauausführenden Unternehmen. Die können in der Regel BIM. Allerdings kein open BIM. Deswegen ist es wichtig alle mitzunehmen. Und es müssen Standards für alle geschaffen werden, damit auch der Mittelstand und kleine Unternehmen mitgenommen werden. Es muss ja nicht immer jeder alles können. Das sollte man im Auge behalten.“ Große Fortschritte und gleichzeitig noch deutliches Ausbaupotenzial, so lässt sich die Situation wohl beschreiben. Dass aber schon viel passiert sei, wird auch von Planradar, einer plattform- und geräteunabhängigen sowie zudem webbasierten SaaS-Lösung (Software as a Service) für Dokumentation und Kommunikation in Bau- und Immobilienprojekten anerkannt. Das Unternehmen schreibt im Rahmen eines Länderverglichs, „dass BIM im europäischen Bauwesen noch nicht sein volles Potenzial erreicht hat. Während Großbritannien aktuell bei der Entwicklung und Implementation von BIM führend ist, sind es vor allem andere große Länder wie Deutschland, die bei der Adaption und der Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen in den letzten Jahren große Sprünge verzeichnet haben“.

Interdisziplinarität ist gefragt

Für diesen Change werden natürlich Bauingenieurinnen und Bauingenieure gesucht, die einerseits das fachliche und technische Know-how mitbringen, das für den Bau Grundvoraussetzung ist. Doch nicht nur die. Inga Stein-Barthelmes ergänzt: „Klar brauchen wir alle, die rund um das Thema Bau studieren. Aber zudem auch die Absolventinnen und Absolventen aus ganz anderen Fachrichtungen. Es muss umgedacht werden. Man kann auch von anderen Bereichen profitieren und Effizienzgewinne erzielen. Gemischte Teams sind das A und O.“ Wie interdisziplinär die Herausforderungen angegangen werden, ist zum Beispiel im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsprojekt „intelligent Empowerment of Construction Industry“ (iECO) erkennbar. In dessen Zentrum steht die Schaffung eines Datenraums auf Basis von Gaia-X. „Gaia-X ist ein Projekt von Europa für Europa und darüber hinaus. Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft aus Europa und der ganzen Welt arbeiten Hand in Hand zusammen, um eine vernetzte und sichere Dateninfrastruktur zu schaffen“, heißt es dazu auf der Website des BMWK.

Auch im Rahmen von iECO arbeiten insgesamt elf Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft unter Konsortialführung der RIB Information Technologies AG unter anderem daran, den erwähnten Datenraum dafür zu nutzen, um einen Digitalen Zwilling des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks zu schaffen. Zum anderen soll dieser Datenraum dafür genutzt werden, um Advanced Smart Services zu entwickeln, mit denen sich der Bauprozess quer über die Wertschöpfungskette weiter optimieren lässt. Mit diesen Services sollen beispielsweise Prüf- und Genehmigungsverfahren digital vorbereitet, Terminpläne mit KI (teil)automatisiert erstellt, optimiert und angepasst werden, wie es in der Projektbeschreibung heißt. Zudem könnten Baustellen unter Einsatz entsprechender Services in Echtzeit überwacht und dadurch nicht nur Störungen frühzeitig identifiziert und antizipiert, sondern auch die Arbeitssicherheit erhöht, Projektfortschritte inkl. (Teil-)Abnahmen und Mängelidentifikation bzw. -behebung transparent und effizient in Smart Contracts dokumentiert werden. Oder die während Planung und Bau eines Bauwerks entstandenen Daten für seinen späteren Betreiber festgehalten werden. Gelingt das, rückt das anvisierte Projektziel näher: Die Bauwirtschaft will die 30 Prozentpunkte, die sie hinter anderen Industrien zurückliegt, durch die Schaffung dieser Wertschöpfungspotenziale schließen. Dass dafür verschiedenste Fachdisziplinen notwendig sind, erschließt sich aufgrund der Breite der Herausforderungen.

Podcast-Tipp

In Folge 39 beschäftigt sich der Podcast „Technik aufs Ohr“ mit BIM:

 

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Digitale Technologien für Städte

Nicht nur Unternehmen, auch Städte und Gemeinden können digitale Technologien so nutzen, dass sie zu sogenannten Smart Cities werden. Kommt es dann noch zu einer segmentübergreifenden Vernetzung, kann die Digitalisierung einen maßgeblichen Anteil zur Erreichung der Klimaziele leisten. Von Christoph Berger

Käme es zur Einführung gigabitfähiger Infrastrukturen, könnten massiv CO2- Emissionen eingespart werden. Dies ist ein Ergebnis der im Herbst 2021 veröffentlichten Studie „Der Smart City Markt in Deutschland, 2021-2026“, die Arthur D. Little in Partnerschaft mit dem eco Verband und der Unterstützung des Vodafone Instituts für Gesellschaft und Kommunikation sowie den Unternehmen Uber, NetCologne und Cloudflare erarbeitet hat.

Demnach könnten beim Datentransport bis 2026 um 270.000 Tonnen und bei smarten Gebäuden 275 Millionen Tonnen CO2- Emissionen eingespart werden. Sharing- Konzepte und die Verbesserung von Verkehrsflüssen, unter anderem durch Smart Parking, könnten bis 2030 bis zu 50 Prozent der CO2-Emissionen im städtischen Pkw-Verkehr reduzieren, Bürger*innen bis zu 34 Milliarden Euro an Kosten allein für die Parkplatz-Suche sparen. Auch Car-Sharing-Angebote hätten mit rund 0,52 Millionen Tonnen weniger CO2 bis 2026 einen direkten Nachhaltigkeitseffekt.

Es muss in Metropolen weltweit das Ziel sein, Potentiale der Digitalisierung voll auszuschöpfen.

Damit ist für die Studienautor*innen klar: Digitale Technologien und Anwendungen leisten einen unverzichtbaren Beitrag, das deutsche Klimaziel von 55 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 zu erreichen. „Städte müssen segmentübergreifend denken, eine ganzheitliche Anwendung von Smart- City-Konzepten ist der Schlüssel für eine nachhaltige Digitalisierung“, betont Lars Riegel, Partner bei Arthur D. Little und Studienautor. So zeige die Analyse, dass dies nur mit intelligenter Nutzung digitaler Technologien funktionieren werde. Riegel ergänzt: „Es muss in Metropolen weltweit das Ziel sein, Potentiale der Digitalisierung voll auszuschöpfen. So verbessert sich nicht nur die Lebensqualität signifikant – vielmehr können Städte somit ihren Beitrag zu Klima- und Umweltschutz leisten.“ Dass sektorenübergreifend gedacht werden müsse und eine ganzheitliche Anwendung von Smart City-Konzepten notwendig sei, um eine nachhaltige Digitalisierung zu erlangen, betont auch Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender im eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. Dazu gehöre für ihn beispielsweise auch die Förderung energieeffizienter Rechenzentren und die verstärkte Nutzung der Abwärme.

Sowie die Einführung ressourcenarmer Kommunikationsdienste. „Es braucht beispielsweise Anreize für den Einsatz von Wärmepumpen zur Aufbereitung der Abwärme für kommunale Nah- und Fernwärmenetze. Gleichzeitig empfiehlt sich ein professioneller Schutz des Ökosystems durch Investitionen in Cybersicherheit“, so Süme weiter. Unternehmensberater Riegel gibt ein Beispiel, anhand dessen die segmentübergreifende Wirkung deutlich wird: „Viele Städte und Kommunen ersetzen ihre Straßenbeleuchtung durch moderne LED-Technologien, die bis zu 70 Prozent weniger Strom verbrauchen. Der große Nachhaltigkeitseffekt zeigt sich allerdings erst, wenn man die Straßenlaternen intelligent vernetzt, mit Sensoren ausstattet und zusätzlich die damit entstehende Infrastruktur für Smart- Parking-Systeme verwendet. In diesem Fall wird die Brenndauer um weitere 50 Prozent reduziert.“ Es kommt also auf die effiziente Nutzung der Synergien zwischen den Segmenten an.

Digital Life! Kultur-, Buch- und Linktipps

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Roman: RCE

Cover RCESibylle Bergs neuer Roman setzt in der neoliberalen Absurdität an, in der der Einzelne machtlos scheint. Der Kapitalismus ist alternativlos geworden. Das beste aller Systeme hat wenigen zu absurdem Reichtum verholfen und sehr vielen ein menschenwürdiges Dasein genommen. Die Krise ist der Normalzustand, Ausbeutung heißt nicht mehr „Kolonialismus“, sondern „Förderung strukturschwacher Länder“. Inflation, Seuchen, Kriege, Diktatoren, Naturkatastrophen, Müllberge. Und die Menschheit vereint nur noch in ihrer Todessehnsucht. Die Lage scheint ausweglos. Aber in einem abhörsicheren Container brennt noch Licht. Fünf Hacker programmieren die Weltrettung. Sibylle Berg: RCE – #RemoteCodeExecution. Kiepenheuer&Witsch 2022, 26 Euro

Ausstellung: Deutschland digital

Studenten der Informatik an der Technischen Universität Braunschweig 1973. Foto: UB Braunschweig, Universitätsarchiv J IV 1-2
Studenten der Informatik an der Technischen
Universität Braunschweig 1973. Foto: UB Braunschweig, Universitätsarchiv J IV 1-2

World Wide Web, Big Data, Künstliche Intelligenz – Die Digitalisierung hat in den letzten Jahrzehnten einen radikalen, alle Lebensbereiche umfassenden Wandel ausgelöst, dessen ambivalente Auswirkungen zunehmend Menschen in aller Welt betreffen. Mit mehr als 400 Objekten, Fotos und zahlreichen interaktiven Medienstationen beleuchtet das Zeitgeschicht liche Forum Leipzig die Entwicklungen und die tiefgreifenden Auswirkungen der Digitalisierung in Deutschland. Das vielschichtige Thema und seine komplexe Dynamik sollen anhand von Alltagserfahrungen deutlich werden. Mit einer Chipkarte eröffnen sich die Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung Portale, durch die sie zentrale Aspekte entdecken können. Ein „Open Space“ bietet Gelegenheit, das eigene digitale Selbstverständnis zu reflektieren und unmittelbar mit Expertinnen und Experten ins Gespräch zu kommen. Die Ausstellung ist bis 3. Oktober 2022 zu sehen. Weitere Infos unter: www.hdg.de/zeitgeschichtliches-forum

Gegenwartsroman: Automation

Cover AutomatonDer aktuelle Roman „Automaton“ von Berit Glanz wird als visionärer Gegenwartsroman gepriesen, der zwischen der Klaustrophobie der eigenen vier Wände und den Hanffeldern Kaliforniens spielt und von neuen Ausbeutungsverhältnissen und den Chancen virtueller Solidarität erzählt. Es geht um die junge Mutter Tiff, die sich mit schlecht bezahlten Online-Jobs für die Plattform Automa durchschlägt, da sie wegen einer Angststörung ihre Wohnung kaum verlassen kann. Ihre zermürbende Akkordarbeit wird als angebliche Überwachungsleistung einer KI teuer verkauft, weshalb sie zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Doch dann wird sie am Bildschirm Zeugin eines Verbrechens. Berit Glanz: Automaton. Berlin Verlag 2022, 22 Euro.

Sammelband: 10 Minuten Soziologie: Digitalisierung

Cover 10 Minuten SoziologieVom Algorithmus bis zum Sensor umfasst die Digitalisierung eine Vielfalt technologischer Innovationen. Ebenso facettenreich sind die Dimensionen, in denen sie die Gesellschaft transformiert und gleichzeitig von ihr geprägt wird. Die Auswirkungen auf die Kommunikation im öffentlichen Raum, auf die Wissenschaft und Landwirtschaft sowie die Wechselwirkungen mit dem Recht, der Wirtschaft und der Ökologie – die Beitragenden des Bandes gehen diesen und anderen Aspekten von Digitalisierung aus verschiedenen theoretischen Blickwinkeln nach. Damit eröffnen sie Perspektiven, die Digitalisierung als sozio-technischen Wandel verstehen und erklären lassen. Katharina Block, Anne Deremetz, Anna Henkel, Malte Rehbein (Hg.): 10 Minuten Soziologie: Digitalisierung. Transcript 2022, 18 Euro.

Thriller: Systemfehler

Cover SystemfehlerMitten in der Urlaubszeit bricht in ganz Europa das Internet zusammen. Flugzeuge können nicht mehr landen, Ärzte nicht mehr operieren, der Verkehr versinkt im Chaos. Bald sind alle Kommunikationswege gekappt. Ganz Europa befindet sich im Ausnahmezustand, die Menschen geraten in Panik, die Versorgung bricht zusammen. BND-Ermittler Nelson Carius vermutet ein hochkomplexes Computervirus hinter den Internetausfällen. Eine Spur führt ihn ausgerechnet zum IT-Experten Daniel Faber aus München, einem unbescholtenen Familienvater. Während das ganze Land gegen das Chaos kämpft, muss Daniel nicht nur seine Familie retten, sondern auch seine Unschuld beweisen. Wolf Harlander: Systemfehler. Rowohlt 2021, 12 Euro

Essay: Träge Transformation

Cover Träge TransformationDeutschland investiert Milliarden in prestigeträchtige Leuchtturmprojekte und Pseudo- Veränderungen – und ist trotzdem digital weit abgeschlagen. Das liegt auch daran, dass Digitalisierung nicht als Transformation verstanden wird: Es geht eben nicht darum, Gegenstände oder Strukturen einfach ins Digitale zu überführen. Transformationsprozesse müssen die Gegenstände und Strukturen selbst hinterfragen und wandlungsfähig sein. Und selbst da, wo man dies erkannt hat, verhindern Missverständnisse die Entwicklung. Digitale Transformation ist ein komplexer Vorgang, der nicht dann abrupt endet, wenn irgendein neuer Dienst eingeführt wurde. Dieser Essay stellt heraus, dass isolierte Blicke auf Gesellschaft oder Technik nicht zielführend sind, und entlarvt dabei stets bemühte Buzzwords und die wichtigsten Denkfehler. Sascha Friesike, Johanna Sprondel: Träge Transformation. Welche Denkfehler den digitalen Wandel blockieren. Reclam 2022, 6 Euro.

Roman: TICK TACK

Cover Tick-TackBevor sie sich auf die U-Bahngleise legt, kündigt Mette, 15, in TikTok-Videos ihr Vorhaben an. Niemand reagiert – gerettet wird sie trotzdem. Der Suizidversuch verwirrt ihr privilegiertes Umfeld: Bislang hat sie professionell die Leistung des hochbegabten Kindes abgeliefert – Mettes Strategie, um unter dem Radar einer Welt zu bleiben, deren Verlogenheit sie frustriert. Dann lernt sie Jo kennen, zehn Jahre älter, brillant und voller Wut, ein Verbündeter. Als Anti-Influencer hat er sich ein Following aufgebaut und rekrutiert Mette für den Kampf gegen den Mainstream. Ein Spiel beginnt, dessen Regeln sie nicht durchschaut. Mit gleißender Klarheit und schneidendem Witz zeigt Julia von Lucadou einen Ausschnitt unserer Gegenwart, in der die digitale und reale Wirklichkeit sich komplett durchdringen. Julia von Lucadou: Tick Tack. Hanser 2022, 23 Euro.

Augmented Reality: Kunstspaziergang durch Basel

Foto: ARTour (©Andy Picci)
Foto: ARTour (©Andy Picci)

Mit der kostenlosen App „ARTour“ erwachen digitale Kunstwerke an unterschiedlichen Orten in Basel auf dem Handybildschirm zum Leben. Die Tour führt an zehn Kunstwerken vorbei, dauert insgesamt rund 90 Minuten und kann jederzeit absolviert werden. Gemeinsam mit der Kuratorin des Projekts, der Direktorin des HEK Sabine Himmelsbach, wurden nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die eigens für die ARTour digitale Kunstwerke zum Thema „Celebrate Life“ kreiert haben. Das Unternehmen Roche hat die ARTour in Kooperation mit dem HEK (Haus der Elektronischen Künste), dem Präsidialdepartement und Basel Tourismus konzipiert und schenkt sie anlässlich ihres 125-Jahr-Jubiläums der Bevölkerung der Stadt Basel. Weitere Infos unter: https://artour.basel.com/de

Das letzte Wort hat: Alexander Türk, CEO & Co-Founder Aeditive

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Alexander Türk ist studierter Mathematiker und ehemaliger Strategieberater. 2019 gründete er mit Hendrik Lindemann, Roman Gerbers und Niklas Nolte das ConTech-Unternehmen Aeditive. Dort ist er verantwortlich für Strategie und Finanzen. Der von dem Start-up entwickelte Concrete Aeditor kommt in diesem Jahr erstmals bei Pilotkunden zum Produktionseinsatz. Seine Freizeit verbringt Alexander Türk gerne in den Bergen oder auf dem Wasser. Die Fragen stellte Christoph Berger

Herr Türk, Sie und Ihre Kolleg*innen haben eine Roboter-Spritzbeton-Drucktechnologie entwickelt, die das Herz Ihrer 3D-Drucklösungen für die schalungsfreie Betonteilfertigung ist – einen 3D-Großdrucker. Können Sie das kurz erklären? Die Bauindustrie ist eine sehr traditionelle Industrie, in der noch viel manuell gearbeitet wird und wenig automatisiert wurde. Das gilt insbesondere für den Betonbau. Hier muss händisch eine Schalung aus Holz produziert werden, in die dann der Beton reinfließt – wobei die Schalung die spätere Form vorgibt. Mit der 3D-Drucktechnologie haben wir die Möglichkeit, auf diese Schalung komplett zu verzichten. Der Beton wird stattdessen schichtweise aufgedruckt, danach werden die Oberflächen bearbeitet. Das Bauteil ist somit schalungsfrei und automatisiert produziert worden.

Das bedeutet also höhere Effizienz sowie weniger Personal- und Materialeinsatz? Genau. In erster Linie ist unsere Lösung eine Antwort auf den Fachkräftemangel in einer wachsenden Branche: Es gibt Wohnraumknappheit und einen Sanierungsstau bei großen Infrastrukturprojekten. All diese Herausforderungen können aufgrund fehlender Fachkräfte kaum noch bedient werden. Deswegen Automatisierung. Zudem produzieren wir mit dem Verfahren nachhaltiger. Da der Roboter den Beton nur dort aufträgt, wo er im Bauteil benötigt wird – zum Beispiel zur Lastaufnahme oder Schallisolation, sparen wir Beton ein.

Welche Herausforderungen haben Sie bei der Entwicklung Ihres 3D-Produkts zu meistern? Die 3D-Technologie ist äußerst komplex. Die Technologie kann nur dadurch entstehen, dass Ingenieur*innen und Fachkräfte verschiedenster Fachrichtungen zusammenarbeiten. In unserem Team sind Architekten und Bauingenieure, Sie finden Betonspezialisten, Maschinenbauer, Automatisierungstechniker und Softwareentwickler. Diese Spannbreite an Disziplinen und deren Zusammenarbeit ist notwendig, um eine Automatisierungslösung für den Bau zu entwickeln.

Sie selbst sind Mathematiker. Wie sind Sie dazu gekommen, an einer Innovation für den Bau zu arbeiten? Ja, ich bin Mathematiker. Aber vor allem bin ich ein technologiebegeisterter Mensch. Nach dem Studium habe ich für eine große Strategieberatung gearbeitet und mich dort mit der Digitalisierung beschäftigt: Wie verändert Technologie eine Industrie oder ein Geschäftsmodell? Oder die Strategie eines Unternehmens? Zu der Idee der Unternehmensgründung bin ich gekommen, weil einer meiner drei Mitgründer ein Freund aus der Kindheit ist, der das Thema mit zwei anderen Kollegen in einem Forschungsprojekt an der Uni bearbeitet hat. Zusammen haben wir dann überlegt, wie man die Technologie an den Markt bringen könnte.

Wie wichtig ist in der Gründungsphase der Kontakt und die Kommunikation mit Unternehmen der Branche? Beides ist extrem wichtig. In der Start-up-Sprache nennt sich das „Product Market Fit“. Hier wird sichergestellt, dass das Produkt auch tatsächlich zu den Anforderungen der Kunden passt. Ein Beispiel: Es liegt auf der Hand, mit unserer Technologie das Bauteil 3D zu drucken und, dass es am Ende eine schöne Oberfläche hat und die Bewehrung darin enthalten ist. Eine andere Frage ist dann aber, wie ich die Anlage wieder gereinigt bekomme. Hierfür ist die Kommunikation mit den Kunden essentiell.

Die ConTech-Branche wächst. Was ist Ihr Tipp für Gründer*innen? Manchmal muss man genau hinhören, manches Mal aber auch genau weghören. Wichtig ist, Kunden und Investoren zuzuhören und darauf zu achten, was sinnvolles Feedback ist. Manchmal muss man aber auch weghören, weil es Menschen gibt, die sagen: Das wird nicht funktionieren. Würde man immer darauf hören, traut man sich am Ende nicht, etwas zu machen.

Zum Unternehmen

Das Unternehmen Aeditive hat eine digitale Automatisierungslösung für die Baubranche entwickelt. Im Interview erklärt Co-Founder Alexander Türk, wie es zu der Idee für die 3D-Drucklösung kam und, auf was es bei der Entwicklung einer solch komplexen Lösung ankommt.

Kuratiert

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Zertifikatskurs „Digitale Transformation: Tech Innovation“

Die FOM Hochschule und der Digital Campus Zollverein bieten Berufstätigen und Studierenden im neu konzipierten Zertifikatskurs „Digitale Transformation: Tech Innovation“ an, sich innerhalb von vier Monaten aktuelles Wissen zu Technologiekonzepten und Anwendungssystemen anzueignen. In dieser Zeit werden praxisrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, um IT-Prozesse betriebswirtschaftlich kompetent zu begleiten und so die Voraussetzungen für Markt- und Unternehmenserfolge im digitalen Wettbewerb schaffen zu können. Im Fokus stehen unter anderem digitale Schlüsseltechnologien wie Cloud-Computing, Big Data oder IoT, also Internet of Things. Zudem werden mit Hilfe der Kreativitätsmethode „Design Thinking“ innovative kundenzentrierte Lösungsansätze für verschiedene Problemstellungen entwickelt.

Master-Major „Music and Digital Creation“

Ob als Künstler*in, als Musiklehrer*in, als Komponist*in oder als Musikwissenschaftler*in – digitale Werkzeuge braucht es inzwischen in beinahe allen musikalischen Feldern. Um dieser Entwicklung bereits in der Ausbildung stärker Rechnung zu tragen, lancieren die beiden Departements Musik und Informatik der Hochschule Luzern, Schweiz, ab Herbst 2022 den neuen Major auf Master-Stufe „Music and Digital Creation“. Vermittelt werden dabei grundlegende Kompetenzen in den Bereichen digitale Entwicklung und Datenanalyse – das reicht von Programmierkenntnissen bis hin zum gekonnten Umgang mit Software und Applikationen für Auftritts-, Unterrichts- oder Forschungstätigkeiten. Andererseits bietet das neue Angebot aber auch Potenzial für jüngere und stark wachsende Bereiche wie etwa das Komponieren und Programmieren von Musik für Computerspiele oder Online-Anwendungen.

MBA-Fernstudiengang „Digital Finance, Strategie & Accounting“

In dem vom Zentrum für Fernstudien im Hochschulverbund – zfh angebotenen Fernstudiengang „Digital Finance, Strategie & Accounting (MBA)“ geht es im Kern um eine verantwortungsvolle Unternehmenssteuerung in der Arbeitswelt 4.0. Das Studium vermittelt Schlüsselqualifikationen in zentralen Fragen der finanzwirtschaftlichen Unternehmenssteuerung. Zu den Studieninhalten zählen Rechnungslegung & Kapitalmarktkommunikation, Change- & Projektmanagement sowie Entwicklung, Implementierung & Überwachung von Unternehmensstrategien. Fachübergreifende Kompetenzen wie Problemlösung, Gesprächs- und Verhandlungsführung, Digitalkompetenz und Coaching runden das Studienkonzept ab. Zielgruppe des Angebots sind Hochschulabsolvent*innen mit mindestens einjähriger Berufserfahrung nach dem Erststudium. Auch beruflich Qualifizierte ohne Erststudium, aber mit einschlägiger Berufserfahrung, können über eine Eignungsprüfung zum Studium zugelassen werden. Der Studiengang ist akkreditiert und der Abschluss international anerkannt.

von Christoph Berger

 

 

karriereführer consulting 2022.2023 – Trotz VUKA: Wachstum. Berater*innen für eine nachhaltig wachsende Unternehmenswelt

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Cover karriereführer consulting 2022-2023

Trotz VUKA: Wachstum. Berater*innen für eine nachhaltig wachsende Unternehmenswelt

Vier Buchstaben beschreiben, in welcher Situation sich unsere Gesellschaften und Ökonomien in der globalisierten Welt derzeit befinden: VUKA. Die Abkürzung steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Und dabei gab es ja auch schon vor der Pandemie und dem Ukraine-Krieg ausreichend Herausforderungen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sahen und die einer kompetenten Beratung bedurften. Durch die aktuellen Ereignisse wird diese nun noch mehr gesucht. Jedoch verbunden mit der Erwartung, rasch den Beweis zu erbringen, dass gewinnbringende Versprechen auch eingehalten werden.

Wachstum in der VUKA-Welt

Was tun, wenn kriegerische Konflikte, Pandemie und die Mammutaufgaben Digitalisierung und Klimaschutz die Unternehmenspläne auf den Kopf stellen? In dieser Situation ist strategische Beratung gefragt wie nie. Wobei die Mandanten im Krisenmodus überzeugt werden müssen, warum sich diese lohnt. Zeit für ein Consulting, das Wachstum neu definiert: als perfekten Mix aus Purpose, Klimaschutz, Resilienz und Zahlen. Ein Essay von André Boße

Was die Consulting-Branche auf Wachstumskurs bringt, sind komplexe Marktumfelder, die trotz ihrer Herausforderungen den Unternehmen eine Reihe von Perspektiven bieten, ihrerseits zu wachsen. In solchen ökonomischen Szenarien entwickeln die Mandanten nicht nur einen hohen Beratungsbedarf, sie sind zudem willens und in der Lage, in die Beratung zu investieren. Wovon wiederum Consultants profitieren, wenn sich die mit Hilfe der Beratung erzielten Erfolge als nachhaltig erweisen: Wachstum baut auf Wachstum auf – so lautet das Erfolgsrezept der Branche.

Aufholeffekt nach Pandemie gestartet

Ob ein solches positives Beratungs-Umfeld im Jahr 2022 gegeben ist? Niemand kann das sagen. Die Sache ist höchstkompliziert, die Unsicherheiten zahlreich. Was feststeht: Nach der Coronakrise mit ihren erheblichen Einbrüchen ist die „Consultingbranche im Geschäftsjahr 2021 wieder gut durchgestartet“, wie es in der Pressemeldung des Branchenreports „Facts & Figures zum Beratungsmarkt 2022“ des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberaters (BDU) heißt. Der Gesamtumsatz der beratenden Unternehmen stieg von 34,6 Milliarden Euro (2020) auf 38,1 Milliarden Euro; die Verluste des Corona-Pandemie-Jahres 2020 konnten dank eines „Nachhol-Effekts“ sowie eines „Marktwachstums von plus 10,3 Prozent aufgeholt werden“, wie es in der Mitteilung heißt. Zum Vergleich: Der Umsatz der gesamten deutschen Gastronomie-Branche in Deutschland war 2020 im Zuge der Pandemie auf knapp 45 Milliarden Euro gesunken. Was nun, im Ausklang der Pandemie, vielen Unternehmen und Beratungen gutgetan hätte, wäre eine Phase der relativen Ruhe. Doch die VUKA-Welt verhindert das – und zwar mit einer Wucht, die sich niemand hätte ausmalen können. Wenn man so will, beweist das VUKA-Prinzip gerade, welche Dynamik in ihm steckt.

VUKA-Welt zeigt, was in ihr steckt

VUKA, das steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität, also für Doppeldeutigkeit. Diese vier Begriffe beschreiben sehr umfassend das, was der globalisierten Welt mit ihren Gesellschaften und Ökonomien gerade passiert.

VUKA, das steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität, also für Doppeldeutigkeit. Diese vier Begriffe beschreiben sehr umfassend das, was der globalisierten Welt mit ihren Gesellschaften und Ökonomien gerade passiert. Selbst ohne „Sonderereignisse“ wie Pandemien oder dem russischen Angriffskrieg mit seinen entsetzlichen Folgen für die Menschen in der Ukraine würde das VUKA-Prinzip die globale Wirtschaft vor enorme Herausforderungen stellen. Diese zwei „Sonderereignisse“ potenzieren die Dynamik noch einmal, wobei wohl weitere solcher nicht vorhersehbaren Ereignisse folgen werden – darunter auch wieder welche, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können oder wollen. Das VUKA-Prinzip steht stellvertretend dafür, dass zu jeder Zeit etwas komplett Unvorhergesehenes geschehen kann – mit kaum fassbaren Auswirkungen auf Lieferketten, Auftragslagen, Businessbeziehungen, Geschäftsmodelle. Wobei es sich bei einem solchen Ereignis auch um ein Schiff handeln kann, dass quer im Suezkanal steckt und durch dieses Manöver den Puls des Welthandels für einige Wochen komplett aus dem Rhythmus bringt.

Strategische Beratung: ist gefragt, aber ein Investment

In der Theorie sorgen die Auswüchse des VUKA-Prinzips dafür, dass der Rat der Consultants mehr denn je gefragt ist. Die Unternehmen stehen heute vor der Aufgabe, sich für die Folgen dieser ungeahnten Dynamiken zu wappnen. Konkret: Für dramatisch steigende Energiekosten. Für Rohstoff- und Materialknappheit. Für wegbrechende Märkte. Für nicht mehr reibungslos funktionierende Lieferketten. Selbst das Szenario, dass für die Produktion in bestimmten Branchen die grundlegenden Dinge fehlen – nämlich Energie, Rohstoffe und Produkte der Zulieferer – ist nicht auszuschließen. Und das in einem Umfeld, in dem die digitale Transformation weiter an Bedeutung gewinnt sowie mit dem Klimaschutz eine Mammutaufgabe auf der Agenda steht, die danach verlangt, etablierte Produktionsprozesse und Geschäftsmodelle komplett umzudenken. Was wäre in einem solchen Umfeld wichtiger als eine strategische Beratung? Ein Consulting, das den Unternehmen die Wendigkeit und Resilienz gibt, die nötig ist, um diese Situationen nicht nur zu meistern, sondern um an ihnen zu wachsen – und damit eine neue Art von resilientem Wachstum zu generieren?

Wer braucht Beratung?

Laut der aktuellen Studie „Managementberatung in Deutschland“ des Markt-Analyse- Unternehmens Lünendonk, erschienen Ende 2021, stammen die mit Abstand wichtigsten Kunden für Managementberatungsunternehmen aus zwei Branchen: der Automobilindustrie und den Banken. „Beide Branchen haben mit starkem Digitalisierungs-, Transformations- und Regulierungsdruck zu kämpfen“, heißt es in der Pressemitteilung zur Veröffentlichung der Studie. Die Automobilbranche hat zudem besonders mit den Folgen des Krieges in der Ukraine zu tun. „Wir unterstützen ausdrücklich die Sanktionen der EU“, wird Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), in einem Statement zitiert. Betroffen davon seien aber auch die deutschen Unternehmen der Branche. „Wir erwarten empfindliche Effekte auf Liefer- und Logistikketten mit Rückwirkungen auf Fabriken in Deutschland und Europa aber auch andernorts. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Sanktionen nicht kurzfristig angelegt sind“, wird Müller zitiert. Zudem fällt für die Branche der Absatzmarkt Russland weg. Auch sei absehbar, dass es zu Problemen bei der Energieversorgung kommen werde.

Jedoch führt das VUKA-Prinzip eben auch dazu, dass für die Unternehmen Umsatzprognosen schwerer zu treffen und Investitions-Strategien schwerer zu entscheiden sind. Verschärft wird diese Unsicherheit noch dadurch, dass durch die Sanktionen im Zuge des Krieges in der Ukraine für nicht wenige Unternehmen der deutschen Wirtschaft Märkte und Lieferanten wegfallen. „Wir sehen im Moment, dass Kundenbranchen zum Teil schon sehr betroffen sind, beispielsweise Energieversorger, IT-Servicedienstleister, Holzproduzenten, Landwirtschaft oder Fahrzeugbau“, heißt es in der Pressemeldung zu der „Facts & Figures“-Studie des BDU. Und die Beratungsgesellschaft KPMG formuliert in einem Fachbeitrag auf der Unternehmenshomepage mit dem Titel „Orientierung und Empfehlungen für den Umgang mit dem Russland-Ukraine-Krieg“: „Unsere Kundenrückmeldungen zeigen, dass nahezu alle Unternehmen auf die ein oder andere Weise vom Ukraine-Krieg betroffen sind. Viele haben vor Kriegsbeginn direkt Waren mit Russland und der Ukraine ausgetauscht – oder über Lieferanten von dort bezogen. Entsprechend stark treiben die Unternehmen der Umsatzverlust mit Russland und die Preissteigerungen im Einkauf um. Übertroffen werden diese Herausforderungen noch vom komplexen Sanktions-Management.“

Ganzheitliche Beratung ist gewünscht

An dieser Stelle wird das „A“ von VUKA besonders deutlich, also die Ambiguität: Neue Absatzmärke zu erschließen oder alternative Lieferketten aufzubauen, ist im Grunde eine Kernkompetenz des strategischen Consultings, also der Königsdisziplin der Unternehmensberatung. Da durch die Realität der Sanktionen, Knappheiten und wegen der steigenden Preise den Unternehmen jedoch schon jetzt Umsätze entgehen, wird sich in naher Zukunft zeigen, ob sie als Mandanten bereit sind, in diese Beratungsleistungen zu investieren. Die Consultants stehen hier vor der Aufgabe, den Unternehmen klarzumachen, warum es sich gerade jetzt lohnt, auf Beratung zu setzen. Erhalten sie das Mandat, müssen sie wiederum rasch beweisen, dass das Consulting die gewinnbringenden Versprechen einhält. Nur, wer in der Beratung in dieser – gefühlt – „permanenten Sondersituation“ nicht nach Schema F vorgeht, sondern speziell mit den Kunden an Lösungen arbeitet, wird in diesem komplexen Umfeld erfolgreich sein.

Wie sich das Consulting in der VUKA-Welt positionieren muss? Ganzheitlich. Die BDU-Zahlen zeigen, dass 80 Prozent der befragten Führungskräfte in den Unternehmen der Aussage zustimmen, „dass das Profil eines erfolgreichen Consultants zukünftig ein Mix aus Digitalisierungsskills, Industriewissen und sozialen und kommunikativen Kompetenzen sein wird.“ Bleibt damit kein Platz mehr für Ethik und Nachhaltigkeit? Doch! „71 Prozent stimmen der Aussage stark zu, dass Bewerbende und eigene Mitarbeiter eine Erwartungshaltung in Bezug auf Haltung und verantwortlichem Handeln haben, denen Consulting-Unternehmen gerecht werden müssen“, heißt es im BDU-Papier. Sprich: Die Berater*innen müssen sich intensiv mit Purpose und Nachhaltigkeitsstrategien ihrer Mandanten beschäftigen.

Wandel im Miteinander

Die Beratungsgesellschaft Accenture spricht in diesem Zusammenhang von der „Nachhaltigkeits-DNA“ von Unternehmen, die diese dazu befähige, höhere Gewinne als ihre Wettbewerber zu erzielen und eine langfristige positive Veränderung bewirke, wie es in der deutschen Zusammenfassung der englischsprachigen Studie „Shaping the Sustainable Organizsation“ heißt, die Accenture Ende 2021 in Kollaboration mit dem Weltwirtschaftsforum erstellt hat. Im Kern geht es darum, die Nachhaltigkeit des Handelns nicht länger danach zu bewerten, ob oberflächlich die Erwartungen der Menschen, die für das Unternehmen tätig sind, erfüllt werden. Diese Erwartungen seien nämlich mittlerweile so stark gestiegen, dass „grundlegende Verhaltensänderungen notwendig sind“, wie es in der deutschen Fassung der Studie heißt.

Perspektive Unternehmensberatung 2022

Cover Perspektive-UnternehemnsberatungDas Handbuch „Perspektive Unternehmensberatung 2022: Case Studies, Branchenüberblick und Erfahrungsberichte zum Einstieg ins Consulting“ bietet dem Nachwuchs einen ersten Überblick über Themen und Fragen der Beratung. Das Buch beinhaltet eine Reihe von Case- Studies und widmet sich den Fragen: Welche Beratungsbereiche und Player gibt es? Mit welchen Einstiegsgehältern kann man rechnen? Was sollte man bei der Bewerbung beachten? Wie bereitet man sich am besten auf das Auswahlverfahren und die Case Studies vor? Das Buch ist sowohl in gedruckter Form als auch als E-Book erhältlich. Perspektive Unternehmensberatung 2022: Case Studies, Branchenüberblick und Erfahrungsberichte zum Einstieg ins Consulting. e-fellows.net 2021, 19,90 Euro

Zu diesem Wandel komme es, wenn es gelingt, „ihn im gesamten Unternehmen zu verankern“. Erster Schritt auf diesem Weg: Ein Unternehmen muss gegen den Irrglauben ankämpfen, Gewinn und Purpose stünden im Widerspruch zueinander. Wobei immer mehr Unternehmen verstehen, „dass nachhaltiges Wirtschaften nicht im Widerspruch zu finanziellem Erfolg stehen muss und auch erst die Grundlage für ‚Purpose‘ bildet“, wie Alexander Holst, Managing Director Accenture Strategy, Sustainability, in der Zusammenfassung zitiert wird. „In der nächsten Dekade geht es daher nun darum, die selbst gesetzten Nachhaltigkeits-Ziele kraftvoll umzusetzen und auch – falls notwendig – nachzujustieren.“ Woran sich diese Nachhaltigkeits-DNA festmachen lässt? Accenture nennt in der englischen Original-Studie drei Kernaspekte: „Human connections“, also starke und auf gemeinsames Handeln basierende Beziehungen zu den Menschen, die zu einer Wertschätzung im gesamten Ökosystem des Unternehmens führen. „Collective intelligence“, also spezielle Entscheidungs-Mechanismen, die dafür sorgen, dass die Bedürfnisse, Wünsche und Stärken der Menschen zum Tragen kommen. „Accountability at all levels“, sprich eine ganzheitliche Verhaltensänderung auf allen Ebenen, die dazu führt, dass die kommende Generation an Führungskräften diesen Wandel bereits in ihrer Leadership-DNA hat.

Angebliche softe Themen retten harte Bilanz

Dieses Wissen ist die Grundlage dafür, dass sich die Mandanten erstens durch die Phasen der Unsicherheiten navigieren und zweitens einen Wachstumskurs finden, der nachhaltig ist. Gefragt ist eine Strategie, die die VUKAWelt weder verdrängt noch zu bekämpfen versucht (was sowieso sinnlos wäre), sondern die diese Unsicherheiten einpreist und dennoch weiterhin auf Wachstum bauen kann – jedoch auf ein nachhaltiges Wachstum, das nicht allein auf Umsätze und Gewinne blickt (was in der VUKAWelt für Enttäuschungen sorgen kann), sondern Aspekte wie Purpose, Klimabilanz und Resilienz genau so ernst nimmt. Diese früher als „soft“ bezeichneten Themen sind es, die ab morgen die „harten“ Bilanzen retten. Aufgabe der Consultants ist es, diesen Wandel zu vermitteln und den Unternehmen bei der Umsetzung zu helfen. Das klingt nach einer echten Herausforderung – und ist daher wie gemacht für eine junge Consultinggeneration, die Lust darauf hat, die neue Richtung einer nachhaltig wachsenden Unternehmenswelt in komplexen ökonomischen Umfeldern mitzubestimmen.

Wachstum: nicht grenzenlos

Cover Grenzen des WachstumsVor 50 Jahren veröffentlichte der Club of Rome seinen einflussreichen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“, in dem die Autor*innen bereits 1972 darauf hinwiesen, dass eine auf ständiges Wachstum ausgelegte Welt ihre eigene lebenswerte Zukunft aufs Spiel setze. 20 Jahre später, im Jahr 1992, erneuerten die Autor*innen ihre Warnung. Nun, 50 Jahre nach dem ersten und 30 Jahre nach dem zweiten Bericht, legen sie mit „Grenzen des Wachstums – das 30-Jahre Update“ noch einmal nach. Das Buch sei als „Signal zum Kurswechsel“ zu verstehen: „In den Szenarien des 30-Jahre-Update mit aktuellen Daten wird deutlich, dass wir den großen Kurswechsel dringend brauchen – eine Wende zur Nachhaltigkeit mit drastischen materiellen und strukturellen Veränderungen.“ Donella Meadows, Jorgen Randers Dennis Meadows, Ernst Ulrich von Weizäcker (Geleitwort): Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre-Update: Signal zum Kurswechsel. S. Hirzel 2020, 20 Euro

Der Entscheider Dr. Markus Merk im Interview

Markus Merk, dreimaliger Weltschiedsrichter des Jahres, hat bewegte Tage hinter sich. Auf eine Einladung des Sportministers der Malediven mit Award-Verleihung folgten eine Urlaubsreise im Himalaya und ein beruflicher Trip nach Teheran, zeitgleich fiebert er als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender nach erfolgreicher Sanierung mit „seinem“ 1. FC Kaiserslautern. Zwischendrin feierte er seinen 60. Geburtstag. Keine Frage: Sein Leben ist auch nach seiner Zeit als internationaler Schiedsrichter aufregend und erfüllend. Einen Namen hat sich Markus Merk dabei auch als Keynote- Redner und Management-Coach gemacht. Seine Expertise: Entscheidungen zu treffen und zu verkörpern – und Spiele so zu führen, dass es am Ende nicht nur gerecht zugeht, sondern die Spieler in die Lage gebracht werden, ihre besten Leistungen zu erbringen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Markus Merk, Jahrgang 1962, gilt als einer der berühmtesten Schiedsrichter weltweit. 2012 wurde er zum „Weltschiedsrichter des Jahrzehnts“ gekürt, dreimal erhielt er die Auszeichnung „Weltschiedsrichter des Jahres“, siebenmal wurde er zum besten deutschen Schiedsrichter gewählt. Der Doktor der Zahnmedizin leitete 339 Matches der Fußball-Bundesliga. Er fungierte 2019 bis 2021 als stellvertretender Vorsitzender und Sprecher des Aufsichtsrats des 1. FC Kaiserslautern. Seit 2005 ist er als gefragter Referent unterwegs. Er hält Vorträge und gibt Management- Seminare zu Themen wie „Die sichere Entscheidung“, „Mit Leistung und Fairplay zum Erfolg“ oder „Persönlichkeit, ein steiniger, aber lohnender Weg“.

Herr Merk, Hand aufs Herz, wie waren die Nächte nach Spielen, in deren Verlauf Sie eine offensichtliche Fehlentscheidung getroffen hatten?
Das war natürlich schon bitter, zumal wir Schiedsrichter zu meiner aktiven Zeit noch nicht von Videoassistenten unterstützt wurden und klar war, dass diese Fehlentscheidungen abends von Millionen Menschen gesehen werden.

Dann hieß es: „Wie kann man das nicht gesehen haben?“
Genau, und da wir von außen keine Hilfe bekamen, lag die Entscheidung ausschließlich bei mir als Schiedsrichter. Lag man da tatsächlich falsch, dann war das schon unfassbar bitter. Schlaflose Nächte waren da keine Ausnahme, verbunden mit klarer und ehrlicher Selbstkritik.

Und am Morgen danach?
Aufstehen, raus in den Wald, laufen. Ich bin ein Ursportler und überzeugt davon, dass Bewegung hilft, um die Fehler so zu verarbeiten, dass sich aus Selbstkritik neues Selbstbewusstsein entwickelt. Nach dem Motto: „An diesem Fehler werde ich wachsen.“ Sowieso ist es gut, wenn einen der Alltag wieder einfängt. Ich habe damals ja noch als Zahnarzt gearbeitet, montags um 7 Uhr saßen die ersten Patienten im Stuhl, für die war diese Behandlung ein zentraler Termin ihrer Woche, und die wollten in dieser Situation alles andere als einen schlecht gelaunten Zahnarzt. Wobei die Patienten schnell gelernt haben, dass es nicht förderlich war, mich montagsmorgens auf eine eventuelle Fehlentscheidung anzusprechen.

Hatten Sie regelrecht Angst vor den Fernsehbildern, weil die Kamera unbarmherzig Fehler offenlegte?
Nein. Zunächst mal: Bei neun von zehn Spielen war meine Leistung als Schiedsrichter überhaupt kein Thema. Das eine von den zehn Spielen jedoch, bei dem es Gegenwind gab, das bleibt den Leuten in Erinnerung. Ich denke daher, es ist wichtig, dass Entscheider sich im Prozess der Selbstreflexion auch die positiven Situationen ins Gedächtnis rufen. Nicht, um sich selbst abzufeiern, sondern um sich selbst zu zeigen: Die Summe der Entscheidungen ist absolut positiv. Und zu Ihrer Frage mit den unbarmherzigen TV-Bildern im Fernsehen: Es war vor allem am Anfang in meiner Karriere häufig so, dass ich von der Aufklärung der strittigen Situationen durch die Bilder profitiert habe. Weil die Zeitlupe oft zeigte: Ich lag mit meiner Entscheidung eben doch richtig. Auch, wenn‘s auf dem Platz während des Spiels viel Kritik und Gegenwind gab. Wobei die Frage nach dem richtig oder falsch ja sehr differenziert zu betrachten ist.

In welcher Hinsicht?
Die Welt besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß, vieles spielt sich in Grauzonen ab. Nicht wenige Entscheidungen, die man im Laufe eines Spiels, aber auch im Arbeitsleben trifft, sind Abwägungen. Wichtig ist es, den gesamten Kontext zu betrachten: Welche Folgen bringt es mit sich, wenn ich mich so oder so entscheide? Und wie gelingt es mir, in dieser Grauzone eine für den Kontext bestmögliche Entscheidung zu treffen? Wobei zu diesem Kontext auch gehört, dass mein Job als Schiedsrichter ja nicht nur ist, regelkonform zu pfeifen. Ich habe auch die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass ein Spielfluss entsteht, der es wiederum den Spielern ermöglicht, ihr ganzes Können abzurufen.

Es darf auf dem Platz niemals der Eindruck entstehen, dass ich selbst an meiner Entscheidung zweifele. Denn sofort überträgt sich dieser Zweifel dann auf die Spieler – oder auch, analog in einem Unternehmen, auf die Teams, die ich berate oder führe.

Welche Skills benötigt man, um hier richtig zu liegen?
Das hat sicherlich mit Erfahrung zu tun, klar, aber auch mit Selbstsicherheit und Stabilität. Es darf auf dem Platz niemals der Eindruck entstehen, dass ich selbst an meiner Entscheidung zweifele. Denn sofort überträgt sich dieser Zweifel dann auf die Spieler – oder auch, analog in einem Unternehmen, auf die Teams, die ich berate oder führe.

Würden Sie sagen, dass ein Schiedsrichter die Aufgabe hat, ein Spiel zu führen, so, wie es eine Führungskraft in Unternehmensteams macht?
Ich betrachte die Rolle eines Schiedsrichters als die eines Spielmanagers. Jetzt fragen sich vielleicht einige: „Wieso Manager, es gibt doch ein Regelbuch, nach dem er Entscheidungen zu treffen hat?“ Stimmt, dieses Regelbuch ist die Grundlage. Es gibt mir Anweisungen für tatsachenbezogene Entscheidungen.

So, wie es in einem Unternehmen klar ist, dass ein Projekt deshalb durchgeführt wird, damit Umsätze erzielt werden.
Kann man so sagen. Die Frage, die sich daraus ergibt: Wie wird dieses Ziel erreicht? Sehen Sie, ich habe mir im Laufe meiner Karriere oft die Frage gestellt, wie es eigentlich kommt, dass ich unter den hunderttausenden Schiedsrichtern derjenige war, der drei Mal zum Besten auf der Welt gewählt wurde. Warum ich? Glück? Sicher auch. Bessere Regelkenntnisse? Es gibt allein unter den mehreren zehntausend Schiedsrichtern in Deutschland mindestsens mehrere hundert, die genau so gut wie ich entscheiden können: Elfmeter, ja oder nein? Da muss also mehr sein. Und hier kommen wir zum Managen oder auch Führen. Zum Management dazu gehört es, die klaren Schwarz- Weiß-Entscheidungen anzunehmen: Ich habe keine andere Wahl, als einem Spieler die gelbe Karte zu zeigen, wenn er sich nach einem Tor das Trikot über den Kopf zieht oder den Ball auf die Tribüne drischt. In sehr vielen weiteren Situationen besitze ich jedoch einen großen Spielraum, den ich nutzen kann, um das Spiel zu führen. Zentral ist dabei die Kommunikation mit den Spielern, insbesondere mit denen, die eine große Individualität mitgebracht haben.

Richtig zu entscheiden, heißt nicht nur, den Regeln entsprechend zu entscheiden, sondern dies auch glaubwürdig zu tun.

Die sogenannten Führungsspieler.
Genau, zu meiner Zeit waren das Akteure wie Luís Figo, David Beckham oder Zinédine Zidane: Das waren auf dem Platz die Multiplikatoren. Mit ihrer Aktion und Reaktion auf meine Entscheidungen prägen sie nicht nur ihr Team, sondern das gesamte Spiel und seine Atmosphäre. Also musste ich mit ihnen auf Augenhöhe stehen, musste ich mit ihnen kommunizieren, musste in eine Beziehung mit ihnen treten: Business to Business. Richtig zu entscheiden, heißt nicht nur, den Regeln entsprechend zu entscheiden, sondern dies auch glaubwürdig zu tun. Wobei ich dieses psychologische Element des Spielmanagements absolut geliebt habe. Ich hatte Spaß daran, den Spielern gegenüber loyal, zugänglich und berechenbar aufzutreten. Weil dadurch ein Kanal entsteht, den man nutzen kann, um das Spiel in seinem Sinne zu führen.

Wie entstehen glaubwürdige Entscheidungen?
Wenn man sie auf dem Platz oder auch in einem Projektteam nicht verkauft, sondern verkörpert. Damit der andere sich denkt: „Gut, ich sehe das zwar anders, aber in diesem Moment wirkt der Verantwortliche so überzeugend, dass ich ihm glaube.“ Genau so wichtig ist es, absolut berechenbar zu bleiben. Manchmal verlangt man ja von Schiedsrichtern, sie sollten auch mal beide Augen zudrücken.

Oder Fingerspitzengefühl zeigen.
Aber stellen Sie sich vor, Sie haben einen Projektleiter, der sich in einem Meeting so und in einem anderen so entscheidet, ohne erkenntlichen Grund. Es gibt nichts Schlimmeres, weil sich das Team nie sicher sein kann: Wie ist die verantwortliche Person heute drauf? Daher ist Konsequenz so wichtig. Eine Entscheidung ist immer eine Festlegung für oder gegen eine Tatsache: Elfmeter, ja oder nein. Gelbe Karte, ja oder nein. Die hohe Kunst ist es nun, sich festzulegen – und dabei alle mitzunehmen. Auch diejenigen, die mit meiner Entscheidung nicht einverstanden sind. So eine Überzeugungskraft fällt aber nicht vom Himmel, sie entsteht durch Erfahrungen. Weshalb es wichtig ist – für junge Schiedsrichter, aber auch für junge Manager oder Berater – diese Dinge schon früh zu üben, gerade in den ersten kleinen Teams, die man leitet. Ein Schiedsrichter fängt nicht in der Bundesliga an, sondern arbeitet sich über den Jugendfußball Saison für Saison weiter nach oben – und zwar vor allem, indem man sich persönlich weiterentwickelt. Ich habe selbst drei Kinder, die jeweils zwischen Studium und Berufsleben stehen, und wir reden zu Hause häufig darüber, wie es gelingen kann, diese Schritte zu gehen.

Zu welchen Schlüssen kommen sie als Familie?
Es ist nicht falsch, einen Traum zu haben. Den Willen zu haben, etwas zu erreichen. Zum Beispiel, ein Bundesligaspiel zu pfeifen. Oder ein Team zu führen und dabei Verantwortung zu besitzen. Man darf aber auch nicht ungeduldig sein: Es gibt keinen Schalter, den man nur umlegen muss – und schon ist man Bundesligaschiedsrichter. Es ist ein Prozess, und dem muss man sich stellen: selbstreflektiert und lernwillig, aber auch mit großer Begeisterung für die Sache.

Schiedsrichter-Karriere

Als jüngster Schiedsrichter pfiff Markus Merk 1993 bereits mit 31 Jahren das deutsche Pokalendspiel. 1997 leitete er das Endspiel des Europapokals der Pokalsieger, 2003 das Champions League-Finale zwischen dem AC Mailand und Juventus Turin. Als einziger deutscher Referee leitete er Spiele bei zwei Europameisterschaften, 2000 in Niederlande/Belgien sowie 2004 in Portugal; Höhepunkt war sein Einsatz im Finale Portugal gegen Griechenland. Ebenso war er als einziger deutscher Schiedsrichter bei den Weltmeisterschaften in Korea/Japan sowie 2006 in Deutschland aktiv. Zum letzten Mal stand er am 17. Mai 2008 in der Bundesliga bei der Begegnung Bayern München gegen Hertha BSC Berlin auf dem Platz. Für seine sportlichen und sozialen Leistungen wurde ihm 2005 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Kuratiert

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Master-Studiengang Sustainable & Digital Business Management

Ob die Anforderungen der Klimaneutralität, die wachsende Ressourcenknappheit oder der Druck der Verbraucher*innen hin zu nachhaltigeren Produkten: Unternehmen sind zunehmend gefordert, konventionelle betriebswirtschaftliche Verfahren auf ihre Nachhaltigkeit hin zu überprüfen und die unternehmerische Wertschöpfung neu auszurichten. Die damit einhergehende Transformation lässt keine Branche und keine Unternehmensfunktion aus. So ist verstärkt Personal gefragt, das die Herausforderungen, die der Klimawandel und die Digitalisierung hervorrufen, strategisch und ganzheitlich angeht. Hier setzt der Master-Studiengang „Sustainable & Digital Business Management“ der Fachhochschule Wedel an, der zum Wintersemester 2022/2023 startet. Er vermittelt Berufserfahrenen ebenso wie Absolvent*innen eines ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses das geforderte Wissen in den Bereichen nachhaltige Betriebswirtschaft, Technologie und IT.

Competence Center Audit Transformation (CCAT) gegründet

Im Oktober 2021 startete das von der Audicon GmbH gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften – mit dabei sind Bansbach, Ebner Stolz, Peters, Schönberger & Partner sowie die RSM GmbH – gegründete Kompetenzzentrum für die digitale Transformation der Wirtschaftsprüfung: das Competence Center Audit Transformation (CCAT). Im ersten gemeinsam durchgeführten Projekt geht es um die Unterstützung im Prüfungsprozess mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Stefan Groß, Partner bei Peters, Schönberger und Partner, wies im Kontext der Projektankündigung auf die Notwendigkeit hin, sich mit KI auseinanderzusetzen: „Wir riskieren den Fortbestand des Berufsstandes, wenn wir uns nicht jetzt mit Themen wie KI und insbesondere Machine Learning aktiv beschäftigen.“

Benötigte Skills von selbstständigen IT-Beratern

Welche Skills benötigen selbstständige IT-Berater*innen, um auf dem aktuellen Berufsmarkt zu bestehen? Der im Januar 2022 von freelancermap veröffentlichte Top-Skill-Radar liefert auf diese Fragestellung einen Überblick über Angebot und Nachfrage. Demnach haben bei den Programmiersprachen SQL und Java die Nase vorn. Wenn es um Softwarekenntnisse geht, hat SAP die Oberhand mit weitem Vorsprung gegenüber Azure und Windows. In punkto Fähigkeiten wird vor allem auf Beratung gesetzt. Darüber hinaus sind auch Skills wie Analyse, Support und Design gerne gesehen. Und nach der aktuellen Berufslage für IT-Berater*innen gefragt, sagt Thomas Maas, CEO von freelancermap, dass es für den Erfolg vor allem auf Spezialisierungen ankomme: „Wenn wir uns die IT-Berater anschauen, fällt auf, dass viele Profile ähnlich aufgestellt sind. Um hier herauszustechen, kommt es auf die Zusatz-Skills und die richtige Angabe dieser an. Wer beispielsweise SAP-Skills hat, sollte unbedingt Spezialisierungen wie FI oder SD angeben, um so seine Chancen zu erhöhen.“ Bei Fi und SD handelt es sich um SAP-Module.

Mit Servitization wettbewerbsfähig bleiben

Viele Branchen stehen im Zeitalter der Digitalisierung an einem Scheideweg. Immer wieder ist von disruptiven Zeiten die Rede. Am Beispiel des Maschinenbaus wird deutlich, in welch unterschiedliche Richtungen sich eine Branche zukünftig entwickeln kann. Und was helfen kann, wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum Beispiel: Servitization. Für die Beratungsunternehmen bedeutet die Entwicklung, ihre Kunden auf dem Weg in die Zukunft zu begleiten, ihnen klarzumachen, dass sich Industrien noch mehr als bisher verflechten. Die Projekte werden damit übergreifender, komplexer und internationaler. Von Christoph Berger

In der 2021 veröffentlichten Studie „Maschinenbau 2030“ zeichnet das Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte vier Zukunftsszenarien für den deutschen Maschinenbau und zeigt damit, in welche Richtungen sich die von Hidden Champions gespickte Branche entwickeln kann. Da ist zum einen das Szenario „Fragile Paradise“. In dem bleiben die von den Maschinenbauern entwickelten Produkte die beste Lösung für die Kunden. Und die Unternehmen behalten die Führungsrolle innerhalb ihrer Ökosysteme. Dabei sind Kundennähe und Kundenkenntnis die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Doch das System ist fragil, denn Standardmaschinen sorgen für starken Wettbewerb am Markt, Tech- Unternehmen versuchen, die Dominanz der Industrieunternehmen zu brechen und die asiatischen Wettbewerber bleiben eine ernstzunehmende Konkurrenz.

Im zweiten Szenario, „Success at the Price of Transformation“, setzen sich standardisierte Maschinen gegenüber Spezialmaschinen durch, wobei große Teile der dabei eingesetzten Software von den Maschinenbauern selbst entwickelt werden und nicht von den Tech-Unternehmen kommen. Die Branchenunternehmen werden so zu den unangefochtenen Marktführern der automatisierten Produktion und dominieren die Wertschöpfung in ihren Ökosystemen. Wobei der Wettbewerbsfaktor „Kundenkenntnis“ und „Kundenzugang“ zunehmend an Bedeutung gewinnt. Neue, standardisierte und modulare Maschinen ermöglichen den Kunden hierbei eine hoch effiziente und gleichzeitig flexible Produktion, die von breiten, nahtlosen Serviceangeboten unterstützt wird.

Zwar auch erfolgreich, doch nicht mehr von den Unternehmen der Branche geprägt, sieht die Zukunft für die Maschinenbauer im Szenario „Paradise Lost“ aus. In dem setzen sich die großen Tech-Konzerne mit ihrer Vision für das industrielle Internet der Dinge durch. Sie sind es, die führende B2B-Plattformen betreiben und die die Maschinenund Kundendaten exklusiv besitzen. Das führt dazu, dass sie es auch sind, die die Softwarestandards setzen und automatisierte Fertigungsprozesse optimieren. Die Maschinenbauunternehmen werden hier zu Technik-Zulieferern. Und im Szenario „Played by the Ecosystem“ steuert von den großen Software- Anbietern entwickelte Maschinen- Software mehr zur Wertschöpfung bei als die Maschine selbst. Hierbei kontrollieren die B2B-Plattform-Anbieter den Kundenzugang, sie sind es, die die Maschinendaten besitzen und kundenspezifische Software schreiben. Mit der Folge, dass die Maschinenbauer deutlich geringere Wertschöpfung erbringen.

Ändern der Perspektive

Der Maschinenbau muss weiterhin radikal auf Innovation setzen und die konkreten Kundenbedürfnisse dabei in den Mittelpunkt stellen.

Anhand aller vier beschriebenen Szenarien wird deutlich, welche ausschlaggebende Rolle die Digitalisierung, Daten, der Aufbau von Ökosystemen und ein direkter Kundenzugang spielen. Oliver Bendig, Partner bei Deloitte und für den Bereich Strategy & Business Design, sagte dazu in einem Interview: „Aus meiner Sicht ist Szenario D „Played by the Ecosystem“ die größte Herausforderung. In dieser Welt ist der deutschsprachige Maschinenbau weiterhin mit spezialisierten und hochinnovativen Maschinen erfolgreich – aber: Spezifikationen dieser Maschinen werden zunehmend durch Dritte festgelegt. Dies stellt eine deutliche Parallele zur Automobilindustrie dar: Bereits heute machen sich viele OEMs (Original Equipment Manufacturer) Sorgen, dass Google in einigen Jahren definiert, welches Auto gebaut werden soll – egal ob ein Stern, vier Ringe oder ein anderes Emblem auf der Kühlerhaube ist.“ Der Maschinenbau müsse daher weiterhin radikal auf Innovation setzen und die konkreten Kundenbedürfnisse dabei in den Mittelpunkt stellen.

Dass Wettbewerbsfähigkeit für die Branche nicht allein durch die Entwicklung des Next-Best-Produkts gehalten werden kann, sondern dass sich herstellende Unternehmen weiterentwickeln müssen, ist auch nach Ansicht von Markus Brandes essentiell. Der Senior Partner bei IBM Consulting im Bereich Digital Transformation Value Consulting Lead sagt: „Sich rein über Engineering und Manufactoring zu differenzieren, wird schwer.“ Er empfiehlt den Unternehmen daher, den Fokus von einer „Product-dominant-logic“ hin zu einer „Service-dominant-logic“ zu verändern, was als „Servitization“ bezeichnet wird. „Als herstellendes Unternehmen sollte man sich nicht nur auf das eigene Produkt konzentrieren, sondern sich überlegen, was die Kunden mit den Produkten eigentlich erreichen wollen“, erklärt er.

Legt man diese Methode streng aus, gibt es bei ihrer Anwendung überhaupt keine Produkte mehr, sondern alles ist ein Service, da Produkte an sich keinen Selbstwert haben – es sei denn, es sind Statussymbole. Doch auch bei dieser Neuausrichtung dürfte die Engineering- und Designexpertise nicht außer Acht gelassen werden, so Markus Brandes: „Das bedeutet, dass ich als herstellendes Unternehmen neben meinen Engineering- und Manufacturing-Fähigkeiten neues lernen muss. Drei Dinge stechen dabei heraus: User Experience Design, erweiterte Service-Fähigkeiten sowie die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells weg vom reinen Produktverkauf.“ Laut Markus Brandes könnten bei diesem Change die Tech-Konzerne als Vorbild genommen werden: „Da sie viel über uns wissen, können sie viel zielgerichtetere Angebote machen, die mich in meinen Aufgaben unterstützen.“

„Gerade die jüngere Zielgruppe will überhaupt nicht mehr permanent ein Auto zur Verfügung haben.“

Demnach könne auch „Servitization“ ohne die Digitalisierung nicht funktionieren – zum Beispiel Sensorik an den Maschinen zur Datenerhebung oder die konsequente Anwendung von datengetriebenen Entscheidungsprozessen. Und es brauche Industriedesigner in den Entwicklungsabteilungen, die die Frage stellen: „Was will der Kunde mit unserem Produkt eigentlich erreichen?“ Markus Brandes nennt aber auch Nicht-Tech-Unternehmen, die den Servitization-Gedanken zumindest in Teilen schon sehr gut umsetzen. Zum Beispiel Ikea, um dessen Produkte ein Ökosystem mit Services entstanden ist, die über den eigentlichen Produktverkauf hinausgehen und daher den Gesichtspunkt „erweiterte Servicefähigkeiten“ erfüllen: Es gibt Unternehmen, die die Möbel aufbauen oder eine Kreativszene, die aus den Produkten neue Nutzungsmöglichkeiten entwickelt. Ein anderes Beispiel ist Volkswagen, das Abo-Angebote für die ID.X Familie bietet. „Gerade die jüngere Zielgruppe will überhaupt nicht mehr permanent ein Auto zur Verfügung haben, die Abo- Modelle bieten ein „Rund-um-Sorglos“- Paket und mit Europcar hat sich VW die notwendigen Service-Fähigkeit dafür ins Haus geholt.“

Und, last but not least: Servitization bedient laut Markus Brandes auch den Nachhaltigkeitsgedanken, da sowohl die Hersteller als auch deren Kunden dem Druck ausgesetzt sind, weniger zu konsumieren bzw. zu verbrauchen. „So werden mit dem „Servitization“-Ansatz zwar weniger Produkte verkauft, dafür aber mehr komplementäre Services“, erklärt der Unternehmensberater. Außerdem bestehe der Anreiz, Maschinen komplett zu recyceln. Also: Win-win für alle. Und was bedeutet das für die Consulting- Unternehmen? Oliver Bendig von Deloitte sagt: „Mit dem Eintritt neuer Anbieter und Wettbewerber in den Maschinenbaumarkt werden Industriegrenzen mehr noch als bisher verschwimmen. Damit werden unsere Projekte übergreifender, komplexer und internationaler. Unser interdisziplinärer Ansatz kommt also voll zum Tragen.“