Interview mit Regina Först

0


Wie ein roter Faden zieht sich die Mode durch ihre Vita, obwohl sie mit dem Jahrmarkt der Eitelkeiten nichts am Hut hat. Nach einer Lehre in einem feinen Modehaus studiert sie Textilbetriebswirtschaft und steigt steil auf. Die junge Filial- und Personalleiterin managed, powert, rast – verheddert sich und entwickelt Ihr Leben neu. Wer ist diese Frau, die Menschen zum Strahlen bringt? Sie zunächst mit ihrer inneren Schönheit vertraut macht, um dann die äußere Hülle auf überraschend stimmige Weise hinzuzufügen? Regina Först plauderte für uns aus dem Näh-Kästchen: Über Wege, Irrwege und glückliche Fügungen und darüber wie sie aus ihrem Lebenslauf eine Lebensaufgabe machte.

Von Viola Strüder

Allein unter Kaschmir-Ziegen
Regina Först kommt gerade mit ihren Kindern vom Reiten und hat es sich mit einer Tasse Tee gemütlich gemacht. Auf dem elterlichen Bauernhof mit Pferdezucht lebt sie, liebt die Weite des Nordens, die Menschen, die Möwen, die Nähe zum Meer. Wir unterhalten uns über die Anfänge ihres Berufsweges. „Ich wurde in eine Lehre gesteckt, zu der ich keine Lust hatte. Das exquisite Modehaus in Kiel, die Menschen dort und ich passten einfach nicht zusammen“, sprudelt es aus ihr heraus. Und doch baute die gelernte Einzelhandelskauffrau auf ihrer Ausbildung auf, studierte am Lehrinstitut des deutschen Textilhandels, bei den so genannten „Texern“ in Nagold bei Stuttgart. – Und wieder passte es nicht wirklich.

Faible oder Label?
„Mir war egal, welche Marke ich trug“, sagt die damals Label-Lose, „aber plötzlich stellte ich fest, wie ich mich von meinem Umfeld beeinflussen ließ, von den Kommilitonen mit ihren teuren Klamotten, ihrem Schmuck und dem Styling“. Dem Reiz der Marke erlegen, schuftete auch sie, um ein bestimmtes Teil eines Herstellers zu besitzen, mit dem Etikett einer selbst gewählten Etikette zu entsprechen. „Aber die Heilung kam bald“, sagt sie im Rückblick. Die Ausbildereignungsprüfung machte ihr großen Spaß, Schulungen, Seminare. „Dass Menschen mein zentrales Berufs- und Lebensthema werden, spürte ich hier.“

Auch Texer sind keine Hexer
„Wer in Nagold studiert hat, dem eilte damals in der Branche der Ruf voraus, er verdoppele den Umsatz. Der Erwartungsdruck ist riesig und der Jobwechsel im ersten Jahr entsprechend hoch.“ Die heute 43-Jährige machte ebenfalls diese Erfahrung. Dann aber bewirbt sich die diplomierte Textil-Betriebswirtin 1981 bei H&M. „Ich fand es toll, dass – egal, was man vorzuweisen hatte – alle an der Basis anfingen: als Verkäufer.“ Innerhalb von einem Vierteljahr ist sie Filialleiterin und Merchandiserin und bleibt drei Jahre „mit viel Spaß an der Sache“.

Eine Weg-Marke
1984 geht sie zurück nach Kiel, startet bei „New Yorker“. Weniger als zehn Filialen zählte das Unternehmen als sie begann, 90 als sie es 1989 verließ. Zunächst arbeitete sie als Verkaufsleiterin, hatte freie Hand. Später, als Personalleiterin, war sie zuständig für 700 Mitarbeiter und kam der eigenen Bestimmung näher. „Menschen zu begleiten, die sich anfangs unter ihren Möglichkeiten verkauften, ihnen bei ihrer Entwicklung zu helfen – in diesem Thema war ich zu Hause.“ Die Weg-Marke wurde zum Scheide-Weg. Als Macherin war sie voll in ihrem Element. „Hier noch eine Überstunde und da ein Wochenende reingehängt, fröhlich-dynamische zehn bis zwölf Stunden am Tag. Das Gefühl, den Job zu brauchen, um sich selbst wahrzunehmen. Das war wie eine Sucht.“ Von der heutigen Regina Först mit einem Satz ad acta gelegt: „Ich habe mich selbst verloren, mich nur über Leistung definiert.“

Interview mit Kristina Flügel

0

Die rationale Entscheiderin. Als Leiterin der Bereiche Personalbetreuung und Resourcing bei der Deutschen Bank weiß Kristina Flügel sehr genau, was ein Finanzexperte heute leisten muss, um in einem großen Bankenkonzern Karriere machen zu können. Im Interview verrät sie ihre Strategie für große Karriereschritte und erklärt, warum Allgemeinbildung eine oft vernachlässigte, aber wichtige Kompetenz ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Kristina Flügel studierte von 1988 bis 1995 Betriebswirtschaftslehre, Anglistik und Italianistik an den Universitäten in Gießen, dem schottischen Stirling sowie dem italienischen Verona. Im Laufe des Studiums absolvierte sie zudem diverse Praktika im In- und Ausland. Ab 1995 arbeitete sie knapp zwei Jahre in Tokio als Deutschlehrerin am Goethe-Institut.

1997 stieg Kristina Flügel als Trainee bei der Deutschen Bank ein und arbeitete anschließend in verschiedenen Positionen im Bereich Human Resources, unter anderem als Recruiter, Personalbetreuerin und -entwicklerin, regionale Personalleiterin, HR Business Partner und Projektleiterin. Seit 2003 ist Kristina Flügel Leiterin Personalbetreuung/Resourcing Deutschland. In ihrer Freizeit ist sie sportlich aktiv und reist, wann immer es die Zeit erlaubt, nach Italien.

Frau Flügel, Sie begannen bei der Deutschen Bank 1997 als Trainee und arbeiten seitdem ununterbrochen für das Unternehmen. Was ist der Grund für diese Treue?
Dafür gibt es viele Gründe. Ganz wichtig für meine Arbeitszufriedenheit in den vergangenen 14 Jahren war, dass mir bereits sehr früh Verantwortung übertragen wurde, schon während meiner Traineezeit. Mindestens genauso entscheidend ist, dass im Laufe der Jahre immer wieder neue und spannende Aufgaben und Projekte auf meinen Tisch kamen. Ich konnte und kann mir auf diesem Weg neue Themen erarbeiten und eigene Ideen einbringen.

Verantwortung zu tragen ist nicht immer einfach. Haben Sie diesen Aspekt immer positiv wahrgenommen?
Grundsätzlich ja, aber natürlich gab es auch Situationen, als ich bei einem Karriereschritt mit neuer Führungsverantwortung dachte: Du meine Güte, das ist aber ein ganz schön dickes Brett, das du hier zu bohren hast. Letztlich haben aber immer die positiven Einflüsse des Umfelds überwogen, sodass ich mich nie überfordert fühlte.

Welche Einflüsse meinen Sie konkret?
Ich wusste, dass mich im Unternehmen meine jeweilige Führungskraft unterstützen wird. Wichtig für mich war auch, dass schon bei der Vorbereitung auf den neuen Job Personen – etwa ein Mentor – mit Rat und Tat zur Stelle waren. Bei Bedarf kommt auch ein Coach zum Einsatz.

Was ist Ihre persönliche Strategie, wenn Sie sich auf Karriereschritte vorbereiten?
Ich bin ein sehr rationaler Mensch. Wenn ich im Beruf eine Chance ergreife, schaue ich mir vorher genau an, auf welche neue Aufgabe ich treffen werde, welche Erwartungen in mich gesetzt werden und welche Ziele ich erreichen muss. Wenn Sie so wollen, spiele ich eine Auftragsklärung durch, wie man sie aus dem Projektmanagement kennt. In meiner Karriere gab es durchaus Momente, in denen ich zu dem Schluss kam, dass eine neue Aufgabe noch zu früh kommt, weil ich mit meiner alten Verantwortung noch nicht abgeschlossen hatte.

Als Leiterin Resourcing Deutschland sind Sie heute verantwortlich dafür, dass Einsteiger einen ähnlich guten Start wie Sie erleben. Welche Maßnahmen helfen dabei?
Neue Mitarbeiter, die bei uns als Trainees einsteigen, werden in den ersten zwölf Monaten intensiv im Haus eingeführt und begleitet. Ein wichtiger Baustein des Einstiegs ist unser sogenanntes „Global Induction Program“ in London, bei dem Einsteiger aus allen Ländern die Bank und ihre Produkte kennenlernen. Auf dem Programm stehen aber auch ein Tag, an dem sich die Einsteiger gemeinsam bei einem sozialen Projekt engagieren, sowie das Kennenlernen anderer Trainees und Mitarbeiter. Wir stellen fest, dass aus diesen Kontakten für die Einsteiger im Laufe ihrer Karriere ein verlässliches Netzwerk wächst. Zurück im jeweiligen Land durchlaufen die Trainees dann ein Rotationsprogramm, in dessen Verlauf sie noch einmal unterschiedliche Felder ihres Arbeitsbereichs kennenlernen, bevor sie schließlich ihre erste Platzierung in der Deutschen Bank bekommen.

Welche Eigenschaften muss ein Einsteiger für eine Karriere bei Ihnen mitbringen?
Sie oder er muss nicht nur leistungsbereit sein, sondern auch Spaß an der Arbeit im Team haben. Das ist unerlässlich, und zwar in allen Bereichen – vom Privatkundengeschäft bis zum Investmentbanking. In einem Unternehmen wie dem unseren kann der Einzelne – wie gut er auch sein mag – heute nur noch bedingt erfolgreich sein. Wer denkt, wir ließen uns besonders von Einzelkämpfern überzeugen, die ihre Ellenbogen ausfahren, liegt falsch, denn erfolgreich gearbeitet wird eigentlich immer in Teams – mal in einem Raum, mal grenzüberschreitend oder sogar weltumspannend mit modernen Kommunikationsmitteln. Zudem muss jeder Einsteiger zu unserer Unternehmenskultur passen. Wir haben bei uns aktuell den Slogan „Agile minds see more“ – auf Deutsch: Ein wacher Verstand sieht mehr. Meine These ist: Bei uns haben diejenigen Menschen nachhaltigen Erfolg, die immer wieder Interesse für Neues zeigen und über den Tellerrand hinausschauen. Und zwar nicht, weil man es ihnen aus Karrieregründen nahelegt, sondern aus eigenem Antrieb.

Um die Besten der Besten zu rekrutieren, führen Sie Talente schon während des Studiums oder sogar schon in der Schulzeit an Ihr Haus heran. Hat man als ambitionierter Absolvent, der bislang noch keinen Kontakt zu Ihnen hatte, überhaupt noch Chancen?
Unbedingt. Wir lassen keine Möglichkeit aus, um hervorragende neue Mitarbeiter zu gewinnen. Auch wer sich ohne vorherige Erfahrungen in unserem Haus bewirbt und uns überzeugt, wird zu Vorstellungsgesprächen oder Auswahltagen eingeladen.

Neben den fachlichen Qualifikationen: Welche Skills werden in Ihren Augen immer wichtiger, um Sie zu überzeugen?
Neben der Internationalität und einer Affinität zu IT und den neuen Medien gehört in meinen Augen eine gute Allgemeinbildung dazu. Das wird häufig unterschätzt, und längst nicht jeder bringt sie in gewünschtem Maße mit.

Ganz banal gefragt: Warum reicht es nicht aus, wenn man ein Experte auf seinem Fachgebiet ist?
Weil nur der seine Kunden wirklich versteht, der sein betriebswirtschaftliches Wissen in ein breites Verständnis von Politik, Wirtschaft und auch Kultur einbetten kann. Ein Beratungsgespräch zum Beispiel zur Wertpapieranlage kann heute nicht geführt werden, ohne auch über gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends zu reden. Das kann der Berater nur mit fundiertem Allgemeinwissen, zumal wenn ihm sehr vermögende und selber gut ausgebildete Kunden gegenübersitzen. Nicht zuletzt gehört zum Kundenkontakt eben auch Smalltalk, und den kann nur halten, wer auch bei Theater, Musik oder Literatur wenigstens ein bisschen mitreden kann.

Zum Abschluss: Welches oft gehegte Vorurteil über die Bankenbranche ist in Ihren Augen völlig falsch?
Dass man in der Branche nur steife und konservative Menschen antrifft. Ich komme in meinem Job mit vielen Menschen aus dem Business in Kontakt und kann sagen: Es geht viel bunter zu, als man denkt.

Zum Unternehmen

Die Deutsche Bank ist eine weltweit aktive Investmentbank mit einem starken Privatkundengeschäft. Neben den Kernmärkten in Deutschland und Europa wächst die Bank verstärkt in Nordamerika, Asien und anderen Märkten. Sie hat in mehr als 3000 Niederlassungen in weltweit 74 Ländern mehr als 100.000 Mitarbeiter. Als Konzern gliedert sich die Bank in die Bereiche Corporate and Investment Bank, Private Clients and Asset Management sowie Corporate Investments.

Gegründet wurde die Deutsche Bank 1870. Seitdem entwickelte sie sich durch Fusionen und Übernahmen zu einer Groß- und Universalbank. Vorstandsvorsitzender ist seit 2002 Josef Ackermann. Im Jahr 2010 erwirtschaftete das Unternehmen – trotz der kostspieligen Übernahme der Postbank – einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro nach Steuern.

Interview mit Kristina Flügel als PDF ansehen

Interview mit Franz-Peter Falke

0

Franz-Peter Falke führt die Falke Gruppe seit 1990 zusammen mit seinem Cousin Paul. Im karriereführer spricht er über die nötige Passion, die junge Absolventen mitbringen müssen, um erfolgreich ins Textilgewerbe einzusteigen. Er erklärt, was einen guten Unternehmer ausmacht und unterstreicht die Wichtigkeit des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft. Die Fragen stellte Sonja Weiher

Zur Person Franz-Peter Falke

Franz-Peter Falke wurde 1951 in Schmallenberg im Sauerland geboren. An sein Wirtschafts- und Sozialwissenschaftsstudium in St. Gallen, das von 1969 bis 1973 dauerte, schloss sich ein einjähriges Studium an der Textilfachschule in Reutlingen an. Von 1975 bis 1979 war Falke Assistent der Geschäftsführung bei Dr. Oetker, bevor er 1980 als Geschäftsführer zu Falke Fashion in Schmallenberg wechselte.

Seit 1990 ist Falke geschäftsführender Gesellschafter der Falke Gruppe. Außerdem ist er Präsident des Deutschen Markenverbandes und Vorstandsmitglied Gesamtverband Textil und Mode. Falke wird in vierter Generation von der Familie geführt.

Herr Falke, es ist kurz nach 9 Uhr. Was haben Sie heute Morgen gemacht, bevor Sie ins Büro kamen?
Aufgestanden, Kaffee getrunken – wie jeder andere auch.

Also gehen Sie nicht gleich morgens Joggen. Ist Sport für Sie ein wichtiger Ausgleich zum Beruf?
Absolut. In erster Linie Gymnastik.

Woraus beziehen Sie Inspiration für Ihre Arbeit?
Durch mein Interesse an unterschiedlichen Kulturen, der Kunst im Allgemeinen und meinem Wunsch, einen kleinen Beitrag zu leisten, unser Leben etwas schöner und lebenswerter zu machen. Wir sind sehr viel international unterwegs. Dort suchen wir und werden häufig fündig.

Sie haben in Südafrika auch einen Weinberg, oder?
Wir haben dort vor allem ein großes Unternehmen. Nebenbei habe ich dort noch ein kleines Weingut.

Und wie lange geht Ihr heutiger Arbeitstag?
Sicherlich bis 21.30 Uhr.

Was zeichnet in Ihren Augen einen guten Unternehmer aus?
Seine Persönlichkeit. Leidenschaft für seinen Beruf, für seine Produkte, die Freude, etwas gestalten zu können, die Offenheit und Neugierde, neues zu generieren, Verantwortungsbewußtsein und der Auftrag zur Menschenführung im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich ist ein Unternehmen kein abstraktes Gebilde, sondern setzt sich aus Mitmenschen zusammen.

Haben wir von diesem Typus Unternehmer genügende in Deutschland?
Leider immer weniger. Das liegt auch an unserer Ausbildung hin zu immer größerem Spezialistentum. Ein Unternehmen in seiner Gesamtheit zu verstehen ist für mich Grundvoraussetzung, es erfolgreich zu führen. Das geht nicht aus einer reinen Spezialistendenke heraus.

Bundesweit Kurzarbeit, Entlassungen, Insolvenzen: Wie stark hat Falke die aktuelle Wirtschaftskrise bislang erwischt?
Ohne arrogant klingen zu wollen: Im Moment warten wir noch auf die Krise. Wir sind nach wie vor gut aufgestellt. Aber wenn die negativen Prognosen eintreten, dann wird sicherlich im zweiten Halbjahr auch das Konsumverhalten darunter leiden. Und dann werden auch wir das spüren.

Während die großen Firmen mit Skandalen oder katastrophalen Pleiten Schlagzeilen machen, hört man vom Mittelstand wenig. Hält er unsere Wirtschaft ohne viel Getöse am Laufen?
So pauschal kann man das nicht sagen. Wenn man etwa die vielen mittelständischen Zuliefererbetriebe sieht, die unmittelbar abhängig sind von den großen Automobilkonzernen, dann sind die sehr betroffen. Zu hoffen, der Mittelstand kommt aus der Krise ungeschoren davon, ist gefährlich. Aber die mittelständischen Unternehmen sind häufig sehr innovativ und flexibel. Sie denken langfristiger und nachhaltiger; sie sind nicht von kurzfristigen Quartalsberichten betrieben. In den Familienunternehmen zählt viel stärker Kontinuität – und sicher gehen diese auch vorsichtiger ans Wirtschaften heran.

Für große Firmen wie Opel schmiedet die Bundesregierung Rettungspläne oder hilft sogar ganzen Branchen wie den Autobauern indirekt mit Milliarden durch die Abwrackprämie. Empfinden Sie das als ungerecht?
Wenn man soziale Marktwirtschaft ernst nimmt und deren Kern, den Wettbewerb, befürwortet, dann ist das, was gerade passiert, nicht im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.

Knapp die Hälfte Ihrer rund 2500 Falke-Mitarbeiter sind in Deutschland tätig. Wie viel Prozent ihrer Produktion werden hier gefertigt?
Wir sind Exoten in der Textilbranche: Unser Inlandsanteil in der Produktion liegt über 50%.

Warum?
Weil Unternehmenserfolg auf vielen unterschiedlichen Faktoren beruht und nicht ausschließlich auf Standortkosten reduziert werden kann.

Strümpfe sind nach wie vor Falkes Kerngeschäft. Wollen Sie künftig die Bereiche Strickbekleidung und Sport ausweiten oder eher zurückfahren?
Ausweiten. Wir verstehen uns als Anbieter und Hersteller moderner Kleidung und Accessoires, nicht als reiner Strumpfstricker.

Auf der Falke-Homepage werben Sie mit einem ungewöhnlichen Argument um qualifizierte Mitarbeiter: Mit Lebensart. Welche Art von Menschen wollen Sie damit an ihr Unternehmen im Sauerland binden?
Menschen mit einer Passion für die Produkte, für Mode und Kultur im weiteren Sinne. Mode ist Teil der Kultur. Wenn wir uns als Modeunternehmen definieren, dann sind wir auch Teil der Kultur. Und dann brauchen wir Menschen, die in dieser Welt, in dieser Kultur zuhause sind.

Sie selbst haben im schweizerischen St. Gallen studiert. Was sollten Hochschulabsolventen für den Einstieg in ein Unternehmen mitbringen?
Entscheidend in meinem Studium war, dass wir schon damals, Ende der 60er Jahre, viel über Systemtheorie und Kybernetik gelernt haben. Unternehmen sind als Systeme zu sehen. Dieses Denken sollten junge Menschen verinnerlicht haben.

Und wenn Sie heute Absolventen erleben, die sich bei Falke bewerben, was bringen diese an Rüstzeug aus der Universität mit?
In vielen Disziplinen sind sie sehr leistungsfähig. Was mir aber häufig fehlt, ist der systemische Denkansatz. Die Persönlichkeitsentwicklung kommt eher zu kurz, ebenso der internationale Aspekt. Um Kulturen verstehen zu können, reicht es nicht, in andere Länder zu reisen. Man muss Kulturen eher erfühlen, als rational erfassen. Business hat viel mit Emotion zu tun.

Kann das eine Universität leisten?
Sie kann Anregungen geben, das Interesse und die Eigeninitiative müssen von den Studierenden kommen.

Wie kann ein Bewerber Ihr Interesse wecken?
In erster Linie natürlich durch Fachkenntnis. Und durch ein intensives Gespräch, in dem die Persönlichkeit und die Passion für den Beruf deutlich werden.

Führen Sie diese Gespräche selbst?
Einen großen Teil.

Und welche Perspektiven bietet Falke qualifizierten Uni-Absolventen?
Ein überaus spannendes Unternehmen mit faszinierenden Produkten in dem dynamischen Umfeld von Mode und Kultur. Das wirklich spannende ist, in einem Markenunternehmen mitzuarbeiten und dessen Wachstum mit zu gestalten: Die Faszination der Marke Falke.

2008 hat Falke erstmals einen Designpreis in Kooperation mit der Berliner Universität der Künste ausgeschrieben. Wie wichtig sind die Impulse aus den eingereichten Entwürfen für das Unternehmen?
Wir leben von der Innovation und motivieren Leute, sich ungewöhnlichen Ideen zu stellen.

Als Präsident des Markenverbandes und Mitglied im Beirat für Mittelstandsfragen beim Bundeswirtschaftsministerium engagieren Sie sich auch über das Unternehmen Falke hinaus. Was zeichnet aus Ihrer Sicht den deutschen Mittelstand aus?
Passion und Nachhaltigkeit.

Und als Arbeitgeber?
Verlässlichkeit.

Von der Strickerei ihres Vorfahren Franz Falke-Rohe bis zum heutigen Unternehmen, das sich nicht zuletzt mit dem Erwerb der Markenrechte von Burlington fest im Hochqualitätsbereich der Textilbranche etabliert hat, gelang in rund 100 Jahren ein Quantensprung. Wo sehen Sie Falke in 10, wo vielleicht in 50 Jahren?
Auf jeden Fall nach wie vor mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Wir wollen in Zukunft mehr denn je ein internationales Mode- und Bekleidungsunternehmen werden. Mit Kooperationen von Falke mit Designern wie Hussein Chalayan, der Falke-Kaschmir-Strümpfe zu Schuhen verarbeitete, oder Fotografen wie zuletzt dem Koreaner Koichiro Doi, die stilbildende Kampagnen schaffen, sind sie weit weg von dem langweiligen Image, das Strümpfe bei vielen haben. (lacht)

Wie will Falke wahrgenommen werden?
Diese Dinge sind ja nicht neu. Auch die vorhergehende Generation hat sich nie in erster Linie als Strumpfstricker verstanden, sondern immer als Teil der Modewelt. Falke war erster Lizenznehmer von Designern wie Dior, Armani oder Kenzo – lange bevor die überhaupt bekannt waren. Das gleiche gilt für die Fotografen. Für uns ist Kunst ein existentielles Lebenselexier. Unser Anspruch ist „moderne Bekleidung für moderne Menschen“ zu machen.

Was ist in Bezug auf Strümpfe für Sie der größte Fauxpas?
Strümpfe sind ein modisches Accessoire, kein Gebrauchsprodukt. Um komplett gut angezogen zu sein, gehören die passenden Strümpfe einfach dazu. Das wird zu unserem Leidwesen häufig noch unterschätzt.

Zum Unternehmen

1895 wurde die Falke KGaA als Strickerei gegründet. Aus „Falke Garne“ entwickelte sich bis 1946 das Markenzeichen „Falke“, mit der unverkennbaren Wort-Bild-Verknüpfung, die seit 1950 als Marke geschützt ist. 1958 entstand Falke Feinstrumpf, ein Unternehmen, das seit 1974 auch international aufgestellt ist, mit Standorten in Portugal, Ungarn und Südafrika. 1994 erhielt das Unternehmen den Umweltschutzpreis in der Kategorie „umweltverträgliche Produkte“. 2007 folgte der Designpreis für die Sportpullover-Reihe Active Sports. Falke hat 2007 mit seinen weltweit 2500 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von circa 195,5 Millionen Euro erwirtschaftet. Zum 1. April 2008 erwarb Falke die Markenrechte an der Marke Burlington.
Offizielle FALKE Website

Interview mit Prof. Eve-Marie Engels

0

Eve-Marie Engels ist Professorin für Ethik in den Biowissenschaften in der Fakultät für Biologie der Eberhard Karls Universität Tübingen. Sie hat Philosophie und Biologie studiert und ist unter anderem Mitglied des Nationalen Ethikrates der Bundesrepublik Deutschland. Über ihre Arbeit und die Herausforderungen der Biotechnologie an ihr Fach sprach sie mit dem karriereführer. von Robert Piterek

Frau Engels, warum hat die Uni Tübingen eine Philosophin für den Lehrstuhl Bioethik ausgesucht?
Prof. Eve-Marie EngelsIch habe sowohl in meiner Doktorarbeit „Die Teleologie des Lebendigen“ als auch in meiner Habilitationsschrift zur „Evolutionären Erkenntnistheorie“ Themen aufgegriffen, die für die Philosophie der Biowissenschaften generell von zentraler Bedeutung sind. Parallel dazu beschäftigte ich mich als wissenschaftliche. Assistentin an einem philosophischen Institut stets mit Fragen der Bioethik und der Moralphilosophie. Dass die Wahl auf mich fiel, hat wohl auch damit zu tun, dass ich neben der Ethik ein Standbein in der Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte der Biologie habe und nach meiner Promotion in Philosophie einige Semester Biologie studiert habe.

Welche Philosophen haben Sie besonders beeinflusst?
Das kann ich nicht an bestimmten Personen, wie Aristoteles oder Kant, festmachen, so wichtig diese für mich sein mögen. Mich haben stets Fragestellungen beschäftigt. Mit einer einseitigen Orientierung an einem oder einigen wenigen Philosophen kommt man heute nicht weiter. Die Themen sind zu komplex. Es ist notwendig, das Beste aus verschiedenen Positionen aufzugreifen.

Wie sieht ein Arbeitstag an der Uni Tübingen aus?
Interfakultäre Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)Ich führe Vorlesungen, Seminare und Doktorandenkolloquien durch, betreue Studierende, erledige an meinem Lehrstuhl die laufenden Arbeiten und leite das Interfakultäre Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Uni Tübingen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat dem IZEW kürzlich ein Graduiertenkolleg „Bioethik“ bewilligt, das im Januar 2004 seine Arbeit aufnehmen wird. Eine meiner Aufgaben wird es sein, das Kolleg zu leiten und die DoktorandInnen und Postdocs zu betreuen. Darüber hinaus wirke ich an Studien zur Technikfolgenabschätzung mit und engagiere mich im Nationalen Ethikrat und anderen Kommissionen.

Was versprechen Sie sich von dem Graduiertenkolleg „Bioethik“?
In der traditionellen Ausbildung an den Universitäten ist kein interdisziplinäres Arbeiten vorgesehen. Die klassische Einteilung in fachspezifische Ressorts besteht hier noch. Allein mit dem Wissen eines Fachbereichs kann man komplexe Fragen aber nicht beantworten. Man muss bei der Stammzellendiskussion beispielsweise erst einmal klären, was ein Embryo im biologischen Sinne ist. Hinzu kommen noch die rechtlichen und sozialen Aspekte, um hier nur einige zu nennen. Die Teilnehmer des Graduiertenkollegs sollen interdisziplinäre Kompetenzen erwerben. Deshalb erwarten wir von Teilnehmern, die z.B. eine Dissertation über die ethischen Aspekte der Neurowissenschaften schreiben, dass sie neben dem Erwerb ethischer Kompetenzen ein Praktikum im Bereich der Medizinischen Psychologie besuchen.

Sie haben den ersten bioethischen Lehrstuhl in Deutschland. Wird der Bioethik in Deutschland genug Bedeutung beigemessen?
Mehr und mehr. Ich kann mich vor Anfragen für Vorträge und Interviews kaum retten. Auch seitens nationaler und internationaler Ethik-Gremien gibt es eine starke Nachfrage. Zudem wird der Bioethik heute im Vorfeld der Einführung neuer Technologien eine wachsende Bedeutung beigemessen. Bioethik hinkt nicht mehr hinterher, was man ihr lange vorwarf, sondern die ethischen, sozialen und rechtlichen Implikationen und Folgen von Biotechnik werden vorher abgeschätzt.

Werden künftig mehr Bioethiker benötigt?
Bestimmt! Mehr Lehrstühle wird es aber wegen der Sparnot der Universitäten voraussichtlich nicht geben.

Sie erwähnten gerade schon die Stammzellendebatte: Embryonale Stammzellen (ES-Zellen) dürfen aus dem Ausland importiert, aber nicht in Deutschland gewonnen werden, weil das Embryonenschutzgesetz die Tötung von Embryonen untersagt. Für die importierten ES-Zellen wurden aber Embryonen getötet. Ist das Gesetz ethisch vertretbar?
Das Gesetz ist ein Kompromiss. Es hat Vor- und Nachteile. Die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates hat die Politik beeinflusst. Es gibt bereits etablierte ES-Zelllinien im Ausland, für die keine Embryonen mehr getötet werden. Nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen und mit Billigung einer Ethikkommission können diese Stammzelllinien importiert werden. Der Kompromiss bestand darin, dass man einerseits die Tür für die ES-Zellforschung offen halten und andererseits die Strenge des Embryonenschutzgesetzes aufrechterhalten wollte.

Offenbar wollte man im weltweiten Forschungswettbewerb nicht außen vor bleiben.
Ja, aber es ging nicht nur um den Wettbewerb. Beim Nationalen Ethikrat stand die Hoffnung auf das Heilungspotenzial im Vordergrund. Auch die Befürworter des Imports embryonaler Stammzellen waren der Meinung, dass ökonomische Gründe hintan gestellt werden müssten, wenn der Import ethisch nicht vertreten werden könnte. Die Ökonomie hatte nicht den Vorrang vor ethischen Erwägungen.

Glauben Sie, dass die Bioethik ausreichenden Schutz vor Fehlern in den neuen naturwissenschaftlichen Forschungsbereichen bietet?
Was heißt Fehler?

Francis Fukuyama hat beispielsweise in seinem Buch „Das Ende des Menschen“ vor einer unvorsichtigen Haltung gegenüber dem Fortschritt in der Biotechnologie gewarnt. Er schreibt, dass Neuropharmaka beispielsweise zu einem Verlust menschlicher Identität und Persönlichkeit führen könnten.
Die Bioethik muss sich mit den Herausforderungen der Biotechnologie kritisch auseinandersetzen und als Frühwarnsystem fungieren. Doch die Bioethik ist kein Monopol von Akademikern oder Ethikkommissionen. Sie muss zum persönlichen Anliegen aller Menschen werden. Bioethische Fragen sollten in einem öffentlichen Dialog diskutiert werden. Wenn dies Fukuyamas Zielsetzung ist, kann ich sie nur begrüßen.

Werden Sie uns warnen, wenn uns der „Verlust des Menschseins“ droht?
Ja selbstverständlich! Für mich beinhaltet Menschsein Freiheit und nicht Manipulation. Ich möchte weiterhin selbst über mich und mein Handeln entscheiden, und andere sollen das auch können.

Interview mit Otmar Ehrl

0

Diplom-Wirtschaftsingenieur Otmar Ehrl ist Geschäftsführer und Creative Director der führenden deutschen Querdenker-Agentur ICCOM International GmbH und Leiter der Deutschen Experten-Akademie. Im Interview spricht er darüber, wie wichtig neue Ideen und das Durchbrechen verkrusteter Normen für die Zukunft sind.

Zur Person

Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) Otmar Ehrl (Jahrgang 1969) ist Vizepräsident des Verbandes Deutscher Wirtschaftsingenieure (VWI) e.V. und Geschäftsführer und Inhaber der ICCOM International GmbH.
www.iccom.de
Seit 1995 organisiert er den Deutschen Wirtschaftsingenieurtag auf dem sich führende Entscheider und Experten zu einem interdisziplinären Austausch treffen.
www.dewit.de

Herr Ehrl, welchen Beitrag leisten Querdenker für Wirtschaft und Gesellschaft?
Querdenker sind diejenigen, die Fortschritt überhaupt erst möglich machen, da sie den Mut haben manifestiertes Wissen anzuzweifeln. Sie sind bereit für ihre Überzeugung Opfer zu bringen und gegen das Establishment zu kämpfen. Ein Beispiel für gesellschaftliche Querdenker sind zum Beispiel die Suffragetten in England. Ihr Aufbegehren hat die Emanzipation der Frau in Europa überhaupt erst möglich gemacht. Und auch in der Wirtschaft profitieren Unternehmen und Führungskräfte von den Ideen alter und neuer Querdenker, die Stagnation durchbrechen und Raum für neue Denkansätze und unterschiedliche Perspektiven geben.

Querdenker wurden schon immer auch als Quertreiber empfunden. Sogar Genies und Neuerer wie der Wissenschaftler Nikolaus Kopernikus oder der Theologe Martin Luther kämpften mit den Vorurteilen ihrer Zeitgenossen. Was ist die Motivation des Querdenkers und wie kann er sich in der heutigen Zeit durchsetzen?
Der Querdenker ist von dem Ziel getrieben, die Schwächen eines Systems aufzudecken und zu verändern. Dabei steht niemals sein persönlicher Profit im Vordergrund, sondern die Realisierung seiner Vision. Der Weg dorthin ist meist sehr unkonventionell, manchmal ein wenig verrückt. Erfolgsdruck oder andere „weltliche“ Einschränkungen interessieren ihn erst einmal gar nicht. Eine solche Einstellung trifft bei vielen Menschen auf Misstrauen, sogar Neid. Um also die eigenen Ziele weiter zu verfolgen, bleibt – wie auch den Querdenkern der vergangenen Zeiten – den heutigen Ideen-Schaffern nichts anderes übrig, als eine feste Überzeugung und eine gehörige Portion Sturheit an den Tag zu legen.

Wie unterscheiden Sie den Querdenker vom Querulanten?
Es gibt Menschen, die anders denken, nur um aufzufallen und im Mittelpunkt zu stehen. Ihr Trotz gegen bestehende Regeln entspringt allein dem konkreten Ziel, Herausforderungen und Anstrengung zu meiden und mit möglichst geringem Aufwand größtmögliche Ziele zu erreichen. Daher sind ihre Ideen auch meistens plötzliche Einfälle, die nur kurzfristige Veränderungen bringen. Die höchste Priorität ist die Anerkennung durch die Umwelt und die persönliche finanzielle Bereicherung.

… und der Querdenker?
Seine Ideen sind kein Produkt eines Augenblicks, sondern Gedanken, die auf langen, sorgfältigen Überlegungen beruhen. Erst wenn ein Konzept wirklich ausgereift ist und der Querdenker mit voller Überzeugung dahintersteht, stellt er sich damit der Öffentlichkeit. Er kämpft mit all seinem Hab und Gut für seine Überzeugung. Gelenkt wird der echte Querdenker dabei von sehr starken ethischen und moralischen Grundsätzen.

Welches Beispiel für Querdenkertum hat sie am meisten beeindruckt?
Besonders beeindruckt hat mich das Lebenswerk von Nikola Tesla. Seine Forschung zum Thema Energiegewinnung war bahnbrechend und ganz im Zeichen des Querdenkertums. Leider ist er auch ein gutes Beispiel dafür, dass Veränderungen, vor allem in den vergangenen Jahrhunderten, mit großer Skepsis betrachtet wurden. Für den Wissenschaftler ging dies sogar so weit, dass er aus der Gesellschaft verstoßen wurde und seine kostbaren Aufzeichnungen durch einen Brandanschlag vollkommen vernichtet wurden. Für seine Idee hat er sich wirtschaftlich vollkommen ruiniert, war bereit sein Leben aufs Spiel zu setzen und hat nie aufgegeben. Glücklicherweise sind die Reaktionen auf neue Theorien heute nicht mehr so drastisch, dennoch flackert von Zeit zu Zeit die Angst vor Veränderung in den Menschen auf.

Der amerikanische Komponist John Cage sagte einmal: „Ich kann nicht verstehen, warum sich die Menschen vor neuen Ideen fürchten. Mir machen die alten Angst.“ Für wie wichtig halten Sie klassische Denkmuster und Traditionen in Unternehmen?
Traditionelle Werte sind immer wichtig, da sie Stabilität und Kontinuität bedeuten. Das gilt für unsere Gesellschaft ebenso wie für Unternehmen. Doch wenn Traditionen nur noch aus Bequemlichkeit und Angst vor Veränderung verteidigt werden, können Sie großen Schaden anrichten. Sogar große, traditionsreiche Familienunternehmen sind an dieser fehlenden Mobilität schon gescheitert.

Der globalisierte Markt erfordert völlig neue Handlungsweisen. Wie können sich heutige Unternehmen an diese Veränderungen anpassen?
Natürlich bedeutet dies zunächst eine große Herausforderung. Tiefgreifende Veränderungen erfordern in jedem Unternehmen Zeit und Geduld. Oft muss man mit starren Hierarchien und langen Entscheidungsprozessen kämpfen. Doch immer mehr Unternehmen sind zu der wichtigen Erkenntnis gelangt, dass die Zeit für neue Ideen und Strukturen reif ist. Leider gibt es keine allgemein gültigen Lösungsvorschläge, wie man dem globalen Markt erfolgreich begegnet. Doch ein offener Umgang mit ungewöhnlichen Konzepten, kann ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Welche Rolle spielen Querdenker beim wirtschaftlichen Wandel?
Querdenker sind nicht nur eine Quelle für innovatives Potenzial, sie können auch helfen, den Geist der anderen für Veränderungen zu öffnen. Anders, als viele glauben, ist es dabei nicht das Wichtigste die richtigen Antworten zu finden, sondern erst einmal die richtigen Fragen zu stellen und den viel zitierten Blick über den Tellerrand zu wagen. Für Führungskräfte und Entscheider bedeutet dies jedoch nicht nur, querdenkende Mitarbeiter zu haben, sondern vor allem selbst die Perspektive zu wechseln und zum Beispiel mit Außenstehenden ein Problem zu diskutieren. Personen, die nicht direkt involviert sind, können oft Situationen objektiver beurteilen. Nicht immer folgen darauf Lösungen, aber in vielen Fällen nützliche Denkanstöße.

Was kann eine Führungskraft von einem Querdenker lernen?
Von Führungskräften wird ein sehr hohes Maß an Flexibilität und Ideenreichtum verlangt. Die Gedankenfreiheit des Querdenkers, ist da sicherlich eine Inspiration, denn wer die Fähigkeit hat, ein Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, sich von konventionellen Denkrastern zu befreien, findet meist bessere, nachhaltigere Lösungen. Führungskräfte unterstehen einer großen Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und auch dem eigenen Unternehmen. Dennoch hilft es manchmal, die Fesseln des täglichen Trotts zu lösen.

Der Manager und Querdenker Hans Pestalozzi stieg plötzlich aus seinem Beruf aus und verzichtete auf ein hohes Einkommen, um seine Vision zu realisieren. Was tun Sie, um erfolgreich quer zu denken?
Nicht immer muss man komplett „aussteigen“, um seine Vision zu verwirklichen. Veränderungen – und sind sie noch so klein -können eine ganze Welle der Innovation mit sich bringen. Auch wer in der Welt der Wirtschaft und Wissenschaft bleibt und querdenkt, kann eine Menge erreichen. Wenn Sie zum Beispiel durch ständige neue Ideen Ihren Kunden so inspirieren, dass auch dieser anfängt, ein wenig quer zu denken, dann eröffnen sich plötzlich ganz neue Möglichkeiten.

Der Querdenker kann also auch erfolgreicher Geschäftsmann sein?
Auch das ist möglich. Eine herausragende Idee, die Menschen begeistert, führt langfristig auch zum Erfolg. Auch die Definition des Querdenkers hat sich mit der Zeit verändert. Es ist nicht mehr nur der grübelnde Wissenschaftler gemeint, sondern eine Lebenseinstellung, die in jedem Beruf in jeder Branche angewendet werden kann. Sie soll den Menschen die Augen öffnen für Ungewohntes und neuen Raum für Kreativität und Innovation schaffen.

Wirtschaftsingenieure sind Ihrer Meinung nach prädestiniert zum Querdenken?
Eine der wichtigsten Vorrausetzungen für das Querdenken ist Interdisziplinarität und die Fähigkeit aus einem bestimmten Kontext ausbrechen zu können, um ein Problem oder auch ein Konzept aus einer anderen Perspektive zu sehen. Der Wirtschaftsingenieur ist interdisziplinärer Denker aus Leidenschaft. Schließlich befasst er sich jeden Tag mit der Herausforderung, wirtschaftliche und technologische Themen zusammenzuführen und aus ihnen innovatives Potenzial für die Zukunft zu schaffen. Dazu gehört es manchmal auch traditionelle Ideen über Bord zu werfen und dort Lösungen zu suchen, wo niemand glaubt, sie zu finden.

Haben Sie ein spezielles Motto, das Sie antreibt?
Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann.

Interview mit Dr. Imeyen Ebong

0

Nach einigen Jahren in der Bankenbranche wechselte Dr. Imeyen Ebong ins Consulting – ein Schritt, den er nicht bereut hat. Vom Einstieg als Berater hat er sich zielstrebig zum Partner hochgearbeitet. Mit Sabine Olschner sprach er über Wandelfähigkeit, Karriere und Konkurrenz in der Beraterwelt.

Zur Person

Dr. Imeyen Ebong, 41 Jahre, gehört seit Januar 2005 zum Partnerkreis von Bain & Company in München. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Telekommunikationssektor, der Konsumgüterindustrie sowie auf Organisationsfragen.

1997 wechselte er aus dem Bankensektor, wo er unter anderem bei der Bayern LB gearbeitet hat, zu Bain & Company. Als Consultant hat er zahlreiche Projekte in der Private Equity- Branche, im Telekommunikationsbereich und bei führenden Konsumgüterherstellern verantwortet.

Imeyen Ebong studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg und promovierte im Fach Wirtschaftssoziologie. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Zu seinen Hobbys gehören Literatur und Bergwandern in den nahen Alpen.

Sie haben mit BWL ein klassisches Studienfach für die Consultingbranche gewählt. Welche Rolle spielt die Studienrichtung tatsächlich?
Wir bei Bain schauen auf jeden Fall auf das Studienfach. Am liebsten sind uns BWL- und VWL-Absolventen sowie Wirtschaftsingenieure aber auch Wirtschaftsinformatiker, Ingenieurwissenschaftler, Naturwissenschaftler, Mediziner, Juristen und in Ausnahmefällen auch Geisteswissenschaftler. Diese müssen allerdings nachweisen, dass sie sich für wirtschaftliche Themen und Beratung interessieren. Eine Zeitlang haben wir propagiert, dass das Studienfach bei den Bewerbern keine Rolle spielt. Wir mussten aber feststellen, dass es für die Einsteiger ohne Basiswissen in Wirtschaftsthemen schwierig war.

Welche Bedeutung hat ein Doktortitel in der Beratung?
Es macht überhaupt keinen Unterschied, ob man einen Doktor hat oder nicht. Ich selber habe promoviert, weil ich in den Bankenbereich wollte, wo die Promotion eine größere Rolle spielt. In der Beratung steigt man mit einem Doktor zwar eine Stufe höher ein, in der Regel als Berater statt als Juniorberater. Aber Juniorberater erhalten auch die Gelegenheit, nach zwei Jahren eine bezahlte Auszeit zu nehmen, um, wenn sie möchten, zu promovieren, einen MBA zu machen oder sich anderweitig weiterzubilden.

Nach mehreren Jahren in der Bank sind Sie in die Beratung gewechselt. Was hat Sie an der Consultingbranche gereizt?
Nach fünf intensiven, lehrreichen Jahren in der Bankenbranche war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich etwas Neues beginnen, neue Themen kennen lernen wollte. Die Beratung bot mir die Chance, sehr schnell viele verschiedene Branchen kennen zu lernen und mich selbst schnell weiterzuentwickeln.

Können Sie angehenden Consultants empfehlen, ebenfalls erst Erfahrung in einer Industriebranche zu sammeln, bevor sie in die Beratung gehen?
Die Erfahrung aus anderen Branchen kann hilfreich sein, wenn sie von kurzer Dauer ist, also rund zwei bis fünf Jahre. Danach ist ein Wechsel schwierig, weil zum einen die persönliche Wandelfähigkeit nachlässt, zum anderen weil der Abstand der Qualifikation zu den erfahrenen Beraterkollegen zu groß wird. Wenn jemand Berater werden möchte, sollte er also so früh wie möglich in die Consultingbranche einsteigen.

Der umgekehrte Weg – erst die Beratung, dann die Industrie – wird häufiger gegangen …
Ja, nach zwei bis fünf Jahren gehen viele in die Industrie, häufig in ein Kundenunternehmen. Wer aber glaubt, ein bis zwei Jahre Beratung qualifizieren automatisch für eine steile Karriere in jedem Unternehmen, der wird sich schwer tun. Denen rate ich, direkt in einem Unternehmen einzusteigen, um dort mit ihrer ganzen Energie vorankommen. Ich meine, grundsätzlich sollten Studenten vor ihrem Abschluss in sich gehen und auf der Basis von Praktika entscheiden, was sie wirklich machen wollen – und den Berufseinstieg weniger als Probierphase sehen. Ich würde es heute, da ich die Beraterbranche kenne, auch anders machen.

Ihre Beratungsschwerpunkte liegen abseits vom Bankensektor. Wie schnell können sich Berater in neue Branchen einarbeiten?
Das ist am Anfang sehr einfach, weil man bewusst über alle Branchen hinweg eingesetzt wird. Später erwarten Kunden dann einen Gesprächspartner, der ihre Themen und ihre Herausforderungen genau kennt. Dieses Know-how erwirbt man sich erst nach mehrjähriger Erfahrung mit einer Branche. Jeder Berater muss im Laufe der Zeit seine Themen entdecken und sie dann auch pflegen und vorantreiben.

Sie sind mit 39 Jahren zum Partner von Bain ernannt worden. Ist das ein typisches Alter?
Grundsätzlich spielt das Alter bei dieser Entscheidung keine Rolle. Allerdings verlangt die Partnerrolle natürlich eine gewisse Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit Kunden und bei der Lösung schwieriger strategischer Fragestellungen, die man erst über die Zeit sammelt. Vom Einstieg in die Beratung bis zur Partnerschaft vergehen im Schnitt acht bis zehn Jahre. Wer es bis dahin nicht geschafft hat, verlässt meist die Firma. Beratung ist nämlich ein extrem kompetitives Business …

Also das klassische „Up or Out“ – aufsteigen oder gehen?
Das „Up or Out“ gehört einfach zur Beraterbranche, dessen muss man sich als Einsteiger bewusst sein. Viele lassen sich davon abschrecken. Nicht alle wollen sich halbjährlich einer vollständigen Bewertung unterziehen, die unter Umständen auch negativ ausfallen kann.

Was müssen junge Berater leisten, um Partner zu werden?
Sie müssen wiederholt den Beweis erbringen, dass sie für große Unternehmen schwierige Probleme lösen und neue Kunden akquirieren können. Am Ende des Tages müssen Partner ihre Teams und sich tragen können. Damit ist jeder ein eigenständiges, kleines Profit Center. Darüber hinaus müssen Partner von ihren Teams geschätzt werden und in der Lage sein, ihre Mitarbeiter ohne unnötigen Druck zu Höchstleistungen zu motivieren. Und nicht zuletzt muss man als Person in die bestehende Partnergruppe hineinpassen.

Sie haben drei Kinder. Ist die Beraterbranche eher familienfreundlich oder -feindlich?
Die Arbeit in der Beratung ist sicherlich eine größere Herausforderung für ein geregeltes Familienleben als ein klassischer Acht-Stunden-Job, das lässt sich nicht schönreden. Das liegt an mehreren Faktoren: Die Unternehmen, für die wir arbeiten, werden immer anspruchsvoller, die Beratung damit immer komplexer. Das bedeutet, wir müssen härter und länger arbeiten. Dies lässt sich relativ schwer mit einem idealtypischen Familienbild verbinden. Aber für junge, ambitionierte Menschen, die etwas erreichen wollen, wäre die Situation nicht viel anders, wenn sie in einem Großunternehmen arbeiten würden. Daher heißt das Motto gar nicht mehr so sehr: Beratung oder nicht Beratung, sondern Karriere oder nicht Karriere.

Zum Unternehmen

Mit weltweit 3200 Mitarbeitern in 33 Büros in 21 Ländern zählt Bain & Company zu den großen, global operierenden Strategieberatungen. Im deutschsprachigen Raum arbeiten über 350 Mitarbeiter in den Büros in München, Düsseldorf und Zürich. Die Eröffnung weiterer Büros ist geplant.

1973 in Boston/USA gegründet, gilt Bain als Pionier der ergebnisorientierten, umsetzungsnahen Strategieberatung in allen relevanten Industrie- und Dienstleistungszweigen. Darüber hinaus ist Bain in Europa führend in der Beratung von Private Equity Unternehmen.

Die Stärke der Bain-Berater liegt in der Verbindung von Strategieentwicklung und deren Umsetzung. Zusammen mit den Klienten arbeiten die Berater darauf hin, den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Dafür akzeptiert Bain auch erfolgsabhängige Honorare.

Interview mit Stefan Dräger

0

Stefan Dräger ist nicht nur ein erfolgreicher Manager, sondern auch ein ehrgeiziger Ingenieur, der sich nicht vor Herausforderungen drückt. Wenn alle bloß vom Elektroauto reden, baut er eins. Mit dem gleichen Ehrgeiz stellt er sich seinen Aufgaben als Manager des Lübecker Familienunternehmens. Im Interview mit dem karriereführer sprach er über die Leitung eines Familienunternehmens, darüber, wie er in seine Rolle als Manager hineinwuchs und über private und berufliche Herausforderungen. Die Fragen stellte Meike Nachtwey.

Zur Person

Stefan Dräger wurde 1963 in Lübeck geboren. Zum Studium der Elektrotechnik und Nachrichtentechnik ging er 1984 nach Stuttgart. Nach seinem Studium blieb er zunächst im süddeutschen Raum und arbeitete als beratender Ingenieur für Prozesstechnik. Anfang der Neunziger-Jahre trat er ins Familienunternehmen ein. Er ging zunächst für zwei Jahre in die USA, wo er den Vertrieb für Gaswarnsysteme bei National Dräger aufbaute. 1995, zurück in Lübeck, begann er seine Laufbahn zur Führungskraft, indem er verschiedene Abteilungen leitete und 2003 in den Vorstand gewählt wurde. Zwei Jahre später übernahm er den Vorstandsvorsitz von seinem Onkel Theo Dräger. Er ist damit der sechste Dräger, der diesen Posten innehat. Stefan Dräger lebt mit seiner Familie in Lübeck.

Herr Dräger, was halten Sie eigentlich von den Buddenbrooks?
Den neuen Film habe ich noch nicht gesehen, den Roman habe ich allerdings sehr gerne gelesen, schließlich ist er ja auch sehr heimatnah für mich. Ähnlichkeiten mit damals lebenden Personen sollen ja ausgeschlossen sein (lacht).

Das Unternehmen Dräger wird bereits in der fünften Generation von einem Familienmitglied geführt. Wie schafft man das heutzutage überhaupt bei einem börsennotierten Unternehmen?
Dafür braucht man natürlich einen gewissen Ehrgeiz, das Unternehmen innerhalb der Familie zu halten und dennoch profitabel zu führen. Das heißt, dass der Geschäftsführer, in diesem Fall ich selbst, viele unterschiedliche Tätigkeiten ausüben muss – außerhalb und auch innerhalb des eigenen Unternehmens – und sich so die Qualifikation erarbeitet, die einem objektiven Vergleich mit anderen Kandidaten standhält. Natürlich muss ich mich selbst ständig fragen, ob ich wirklich der beste Kandidat bin. Wirklich zufrieden bin ich nur dann, wenn ich noch höher qualifiziert bin als die anderen. Das ist ein hoher Anspruch und kann eine große Belastung sein. Aber auch daran kann man sich gewöhnen.

Wird nach Ihnen wieder ein Herr Dräger – oder vielleicht sogar eine Frau Dräger – Ihren Job machen?
Das Ziel ist natürlich, dass nach Möglichkeit meine Kinder nachrücken, wenn sie die Qualifikation haben und die Verantwortung übernehmen wollen. Ob das mein Sohn oder meine Tochter wird, ist eigentlich egal. Jungen und Mädchen sind gleich gut geeignet.

Sie sind Vater von drei Kindern. Wie bringen Sie die alleinige Leitung eines Unternehmens mit über 10.000 Mitarbeitern und Ihre Familie unter einen Hut?
Das ist immer eine Frage der Planung und der Prioritäten, denn die Zeit ist natürlich begrenzt, ein Abwägen von dringlich und wichtig. Den Kindern etwas von mir mitzugeben, so dass das oben genannte Ziel erreicht werden kann, das braucht natürlich Zeit, aber es ist immens wichtig.

Sie haben selbst eine Ausbildung zum Diplomingenieur für Elektro- und Nachrichtentechnik absolviert und zunächst auch als Ingenieur gearbeitet. Wie fanden Sie die Umstellung auf eine Führungsrolle?
Das ist natürlich erst einmal eine Umstellung, aber ich bin ja bei Dräger sehr behutsam an das Unternehmen herangeführt worden. Bevor ich in den Vorstand kam, war ich bereits elf Jahre weltweit in unterschiedlichen Funktionen im Unternehmen tätig gewesen. Da habe ich natürlich die Unternehmensstrukturen, die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Menschen kennengelernt. Es war also mehr eine stetige Zunahme an Verantwortung. Man wird ja nicht von einem auf den anderen Tag zum Manager. Inzwischen habe ich in meiner heutigen Rolle enorm viel mit Menschen zu tun; das möchte ich gar nicht mehr missen.

Bevor Sie in das Familienunternehmen eingestiegen sind, haben Sie für diverse andere Unternehmen gearbeitet. Was haben Sie dort als Angestellter für Ihre heutige Position gelernt?
Ich habe als beratender Ingenieur in vielen Projekten gearbeitet. Das waren immer wieder neue Aufgabenstellungen für neue Kunden mit neuen Kollegen. Erfolgsfaktor war dabei weniger die Technik als vielmehr die Definition von Schnittstellen.

Inwiefern spielt Ihre technische Ausbildung heute überhaupt noch eine Rolle in Ihrem Arbeitsalltag?
Eigentlich spielt sie leider keine so große Rolle mehr, aber sie hat dennoch den Vorteil, dass ich auf Augenhöhe mit unseren Ingenieuren diskutieren kann. Davon gibt es nun einmal eine ganze Menge im Unternehmen. So verstehe ich nicht nur, worum es technisch geht, sondern kann mich auch in die spezifische Denkweise und Arbeitssituation versetzen.

Fehlt Ihnen das technische Arbeiten manchmal?
Ja, das fehlt mir tatsächlich ab und zu. Aber dafür habe ich ein entsprechendes Haus gebaut, in dem ich die gesamte Regel- und Steuerungstechnik selbst entwickelt habe.

Im Managermagazin war zu lesen, dass Sie ein selbstgebautes Elektroauto fahren. Was hat Sie dazu veranlasst, ein eigenes Elektroauto zu bauen?
Ganz einfach: Wie heute immer noch, haben die Autohersteller schon vor 20 Jahren – und so alt ist mein Fahrzeug jetzt schon – immer nur von Elektroautos geredet, aber nicht geliefert. Damit wollte ich mich nicht abfinden. Da habe ich mir eben selbst eins gebaut.

Brauchen Sie immer neue Herausforderungen?
Ja. Sowohl privat als auch im Job. Herausforderungen machen den Arbeitstag und das Leben überhaupt immer wieder spannend.

Was wird Ihre nächste Herausforderung sein?
Meine Nachfolgeregelung (lacht).

Wussten Sie schon zu Beginn Ihres Studiums, dass Sie eines Tages das Familienunternehmen führen würden?
Gewusst habe ich es nicht, aber geahnt. Und vorstellen konnte ich es mir schon.

Wie unterscheidet sich eine Karriere wie die Ihre von der eines anderen Managers?
Gibt es überhaupt vergleichbare Karrieren? Ich glaube nicht. Jeder Mensch muss schließlich seinen eigenen Weg gehen, einen eigenen Stil entwickeln. Es gibt viele verschiedene Wege zum Glücklichsein, und wenige sichere Wege zum Unglücklichsein.

Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Erfolg bedeutet Zufriedenheit. Die Frage ist allerdings, was man selbst als Erfolg bereit ist zu verbuchen.

Sie sind sehr jung zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen. Mussten Sie lernen, sich durchzubeißen?
Ja, das Lernen hört nie auf.

Sie haben eine ganze Weile im Ausland, in Kanada und den USA, gearbeitet. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt, was Sie in Deutschland nicht hätten lernen können?
Ich habe gelernt, welchen Unterschied die Ausrichtung der Achse der Waschmaschinentrommel machen kann. Das ist nicht nur ein technischer Unterschied, das ist einfach eine Kulturfrage. Für uns übersetzt heißt das, ein Produkt, das wir für den einen Markt entwickeln, auch wenn es höchsten Ansprüchen genügt, muss deswegen nicht für jedes andere Land der Welt genauso einsetzbar sein. Wir müssen uns an unsere Märkte und die unterschiedlichen Kulturen anpassen – oder anders gesagt, darauf einlassen können, um global erfolgreich zu sein. Deswegen empfehle ich jungen Menschen immer, eine Zeit lang im Ausland zu studieren oder zu arbeiten. Das kann für die Karriere, aber auch für die persönliche Entwicklung nur von Vorteil sein. Je früher man einen Auslandsaufenthalt erlebt, desto besser. Die Globalisierung der Welt fordert diese Offenheit für andere Kulturen.

Worauf achten Sie außerdem noch, wenn Sie einen Hochschulabsolventen bei Dräger einstellen?
Jemand, der bei Dräger arbeiten möchte, muss verstehen, was wir machen. Dräger macht Technik für das Leben. Das ist unsere Motivation und bedeutet die Kombination von Technologie- und Applikationswissen. Um beispielsweise ein Beatmungsgerät mit unserem Anspruch an Therapiequalität zu entwickeln, muss ich neben meinem Ingenieurverstand auch detailliert wissen, wie eine Lunge funktioniert. Das erfordert also eine gewisse Hingabe und Offenheit, sich in fachfremde Gebiete einzudenken. Neben diesem Verständnis muss der brennende Wunsch, sich sinnvollen Aufgaben zu stellen, vorhanden sein. Denn bei uns macht die Arbeit Sinn. Unsere Produkte schützen, unterstützen und retten Leben. Unsere Mitarbeiter müssen daher auch ein ganz bestimmtes Potenzial haben. Sie müssen die Wichtigkeit ihrer Arbeit erkennen und über soziale Stärken verfügen. Der eiskalte Managertyp passt definitiv nicht zu uns.

Haben Sie noch einen Karrieretipp für unsere Leser?
Ja: Auch wenn Sie oft im Detail arbeiten, sollten Sie versuchen, den Blick auch für globale Belange zu bekommen. Das Verstehen der Gesamtzusammenhänge ist nämlich auch für die Detailarbeit äußerst wichtig. Die kann nur dann gut werden, wenn allen das große Ganze klar ist.

Zum Unternehmen

Das Lübecker Unternehmen „Drägerwerk Verwaltungs AG“, das nun schon in der fünften Generation als Familienunternehmen geführt wird, existiert 2009 genau seit 120 Jahren. Bereits im Gründungsjahr meldete der Laden- und Werkstattbetrieb „Dräger und Gerling“, wie er in den ersten drei Jahren seines Bestehens hieß, das erste Patent an. Mit der Einführung eines Inhalations-Narkoseapparats 1904 bereitete Dräger nicht nur den Weg für die moderne Narkosetechnik, sondern sicherte auch seinen festen Platz in der Medizintechnik. Neben dieser ist der Unternehmensbereich Sicherheitstechnik das andere Standbein des Unternehmens. Bereits 1907, also vor über hundert Jahren, begann Dräger, sich international auszurichten und gründete eine Tochtergesellschaft in den USA. Heute ist das Unternehmen in 190 Ländern der Erde vertreten und betreibt in mehr als 40 Ländern Vertriebs- und Servicegesellschaften.

Interview mit Titus Dittmann

0

Titus Dittmann hat vor 30 Jahren das Skateboard in Deutschland populär gemacht. Heute findet der Geschäftsführer der Titus GmbH mit Sitz in Münster zwar nicht mehr so viel Zeit, selbst zu fahren. Aber beim Sport geht er noch immer an seine Grenzen. Was diese Erfahrungen ihm als Unternehmer bringen, darüber unterhielt er sich mit Bettina Blaß.

Zur Person Titus Dittmann

Titus Dittmann, Geschäftsführer der Titus GmbH mit Sitz in Münster, wurde im Dezember 1948 geboren. Er studierte Geographie und Sport auf Lehramt. Während seines Referendariats gründete er eine Schülersportgemeinschaft Skateboard. Sein zweites Staatsexamen widmete er 1980 dem Thema „Skateboarding im Schulsportunterricht?“. Zeitgleich begann er, Skateboards aus den USA zu importieren, um seine Schüler damit zu versorgen. Daraus entstand im Laufe der Zeit seine GmbH.

1993 gründete Dittmann den Verein zur Förderung der Jugendkultur, der ohne öffentliche Förderung aktive Jugendarbeit leistet. 2001 erhielt er den Wirtschaftspreis der Stadt Münster. Im gleichen Jahr gewann er den Wettbewerb Entrepreneur des Jahres in der Kategorie Handel. 2008 feierte er seinen 60. Geburtstag und sein 30. Unternehmensjubiläum. Dittmann ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

Man nennt Sie „Lord of the Board“. Wie finden Sie das?
Mir gefällt das. Das klingt cool. Und nicht so anmaßend wie Skateboard-Papst.

Aber sie sind doch so etwas ähnliches wie ein Skateboard-Papst, oder?
Naja, ich habe vor 30 Jahren das Skateboardfahren für mich entdeckt. Und seither setze ich einen Großteil meiner Energie in und für diese Szene ein. Ich habe zum Beispiel auch Skateboard- Weltmeisterschaften organisiert.

Woher kommt Ihre Leidenschaft für diesen Sport?
Das war Liebe auf den ersten Blick. Ich hielt zunächst nicht viel vom Skateboardfahren, weil das in den Medien immer als eine Art Kinderspielzeug beschrieben wurde. Ich dachte, das sei so ein vorübergehender Trend wie die Hulahup-Reifen, die man damals ja auch hatte. Dann habe ich 1977 in Münster den ersten Skateboarder live gesehen. Und ich war fasziniert. Ich habe sofort erkannt, welche Power hinter diesem Sportgerät steckt. Ich fragte den Typ, ob ich es mal testen dürfe. Und fiel dann natürlich erst einmal auf die Schnauze.

Aber Sie haben weitergemacht…
Ja, ich habe weitergemacht. Mein nächster Weg hat mich direkt ins Kaufhaus geführt. Dort habe ich so ein buntes Plastikboard gekauft. Und dann habe ich geübt. Wie alle Anfänger bin ich x-mal gestürzt – und jedes Mal wieder aufgestanden. Skateboarder lassen sich nicht unterkriegen. Was ich da gelernt habe, davon habe ich übrigens im Wirtschaftsleben profitiert.

Wann und wo?
Wir wollten an die Börse. Aber das hat nicht geklappt. Anfang 2005 steckten wir in einer sehr harten Krise. Da bin ich halt aufgestanden, habe das Victory- Zeichen gemacht – und habe weitergeackert.

Wie ist Ihre Firma heute aufgestellt?
Nach einem knallharten Sanierungskurs haben wir jetzt noch 85 Mitarbeiter, zwei Premiumflächen, vier Outlets und 28 Franchiseläden sowie den Versandhandel.

Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Franchisenehmer aus?
Sie müssen glaubwürdig sein. Am Liebsten sind uns aktive Skateboarder mit einem Verständnis für Zahlen.

Warum haben Sie sich für das Franchisesystem entschieden?
Es ist ein sinnvolles Instrument für Unternehmen, die wachsen wollen, aber selbst nicht liquide genug dafür sind. Mit einem richtigen Filialsystem kann man bei 30 Shops schnell den Überblick verlieren. Das Risiko ist größer. Wir kombinieren Franchising mit eigenen Läden, das ist für uns eine super Alternative.

Welche Nachteile hat das System?
Man hat natürlich weniger zu sagen, als wenn es die eigenen Läden wären. Und nicht immer sind die Ideen der Franchisenehmer konform mit meinen Ideen. Aber irgendwie ist das wie in der Schule: Da finden auch nicht alle den gleichen Lehrer toll.

War es denn immer Ihr Ziel, Unternehmer zu werden?
Überhaupt nicht. Ich habe 1968 Abitur gemacht. Und mich hat diese Zeit stark geprägt. Unternehmer waren für mich damals der Abschaum der Gesellschaft. Aber dann kreuzte besagtes Skateboard meinen Weg. 1978, als ich schon als Referendar arbeitete, fragten meine Schüler, ob ich nicht eine Schülersportgemeinschaft für Skateboarder initiieren könnte. Da besorgte ich ihnen eben Skateboards aus den USA. Das sprach sich herum. Und plötzlich war das eine Flut und ich brauchte einen Gewerbeschein. Den besorgte sich dann zunächst meine Frau, weil ich als Lehrer das ja nicht durfte. Naja, und plötzlich war ich mitten drin im Unternehmertum.

Was ist Ihr Tipp für Jung-Unternehmer?
Man muss schon eine gewisse Leidenschaft mitbringen. Vor allem, wenn man ein Unternehmen von null aufbaut. Gründer müssen sich dessen bewusst sein, dass man dabei Kompromisse eingehen muss. Ein Unternehmer hat nicht nur Erfolge, und sein Leben ist nicht immer angenehm. In ganz schlimmen Zeiten kann die Lebensqualität auch auf unterstes Niveau fallen. Dann bleibt einem nicht viel mehr Geld, als vom Staat zur Sicherung des Lebens vorgesehen ist. Aber wer Unternehmer wird, der sollte auch nicht nur an die Kohle denken.

Wie hat sich Ihre Branche in den letzten 30 Jahren gewandelt?
Damals bekamen die großen Unternehmen keinen Fuß in die Tür. Heute ist das anders: Denn nicht jeder, der mit Skateboardern sympathisiert, fährt auch selbst. Und wer nicht selbst fährt, sich aber für die Mode der Skateboarder begeistert, der legt nicht so viel Wert auf Authentizität wie die Hardcorescene. Hinzu kommt: Viele kleine Marken werden von den großen aufgekauft. Der Markt ist also härter geworden. Aber darin liegt auch eine Chance für Unternehmen wie uns: Denn wir haben uns einen Namen erarbeitet, und unsere Produkte sind gut. Das wissen die Käufer zu schätzen.

Wie oft fahren Sie Skateboard?
Nicht mehr so oft wie ich möchte. Ich stehe oft drauf, beispielsweise, wenn ich nachdenke. Aber fahren – höchstens noch einmal die Woche, um beim Bäcker Brötchen zu holen.

Gibt es noch andere Sportarten in Ihrem Leben?
Klar, ich habe viel ausprobiert. Drachenfliegen, Snowboarden, Skyskateboarden – dabei springt man mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug und hat ein Skateboard unter den Füßen. Heute fahre ich gerne Autorennen – mit meinem Sohn übrigens. Ich brauche das Adrenalin, muss meine Grenzen austesten.

Ist das nicht gefährlich?
Der Volksmund sagt: Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um. Ich sage: Wer seine Grenzbereiche nicht bewusst erfährt, kommt in Lebensgefahr, wenn er zufällig in eine solche Grenzsituation gerät. Ich finde, es ist gesund, seine Grenzen auszutesten – und das in allen Lebensbereichen. In diesem Sinne habe ich übrigens auch meinen Sohn erzogen. Und ich finde, er ist ein ganz wohlgeratenes Bürschchen geworden.

Zum Unternehmen

Die Titus GmbH Münster ist das weltweit größte Einzelhandelssystem im Bereich Skateboard, Zubehör und Streetwear. Die Vertriebskanäle agieren stark vernetzt: 28 Franchisepartner, vier Factory Outlets, Katalog und Online-Shop bedienen die jugendlichen Kunden in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland. Das Portal www.titus.de wurde 1997 eröffnet und verzeichnet monatlich rund 18 Millionen Pageimpressions. Thematische Medien und Events runden das Portfolio ab.
Nach Turbulenzen in den Jahren 2004 bis 2006, einem geplatzten Börsengang und intensiven Umstrukturierungen, entwickelt sich das Unternehmen jetzt wieder positiv. Im Jahr 2007 lag der Gruppenumsatz der Titus-Aktivitäten mit rund 85 Mitarbeitern bei 40 Millionen Euro.

Interview mit Dr. Andreas Dietzel

0

Andreas Dietzel führt die Geschäfte der deutschen Dependance von Clifford Chance, einer der weltweit größten Wirtschaftskanzleien. Doch von Stress keine Spur: Der gebürtige Badener berichtet mit Ruhe und Witz, wie es ihm gelang, schon nach drei Jahren Partner in der Sozietät zu werden und warum für ihn heitere Gelassenheit eine wichtige Fähigkeit für eine erfolgreiche Karriere ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Andreas Dietzel, geboren am 14. Juni 1959 in Lörrach, studierte Rechtswissenschaften in Freiburg und Genf und legte 1991 seine Promotion ab. Seine Zulassung als Rechtsanwalt erhielt er 1988. Dietzel arbeitete zwei Jahre lang in Teilzeit als Anwalt in einer Freiburger Kanzlei für Zivilrecht, bevor er 1990 zu Pünder, Volhard Weber & Axster, später Clifford Chance, wechselte.

Dort ist er seit 1993 Partner. 2002 wurde er Leiter des Bereichs Corporate in Deutschland, und er leitet seit 2010 die globale „Sector Focus Group Industrials“ der Sozietät. Im Oktober 2010 übernahm er die Geschäftsführung der deutschen Clifford Chance Partnerschaftsgesellschaft. Die Arbeitsschwerpunkte des Wirtschaftsjuristen sind die Beratung national und international tätiger Unternehmen, Umstrukturierungen und M&A-Transaktionen.

Herr Dietzel, Sie haben 1990 Ihre Karriere als Anwalt begonnen und sind schon 1993 zum Partner aufgestiegen. Was war Ihre größte Trumpfkarte für diesen schnellen Karriereschritt?
Bevor ich zu Clifford Chance kam, hatte ich bereits zwei Jahre lang parallel zu meiner Dissertation in Teilzeit als Rechtsanwalt in einer kleinen Zivilrechtskanzlei in Freiburg gearbeitet. Ich war also nicht mehr ganz grün hinter den Ohren. Als ich dann bei Pünder, Volhard, Weber & Axster, später Clifford Chance, begann, war gerade die Mauer gefallen. Die Kanzlei hatte zahlreiche große Mandate, und ich hatte das Glück, gleich bei vielen mitarbeiten zu können. Dadurch kam ich mit Kollegen aus diversen Arbeitsbereichen in Kontakt, sodass ich gleich ein weites Netzwerk aufbauen konnte. Außerdem bekam ich die Gelegenheit, ein großes Unternehmen in der Rechtsabteilung zu unterstützen. Das klingt heute banal, war damals aber sehr ungewöhnlich. Meine Trumpfkarten waren sicherlich Flexibilität, Mut und eine besondere Einsatzfreude.

Was ist Ihre Empfehlung für Einsteiger in die Branche: Sollte man dem Ziel, möglichst schnell Partner in einer Kanzlei zu werden, alles unterordnen?
Zunächst einmal: Man sollte niemals alles seinem beruflichen Ziel unterordnen. Wer als Einsteiger das Ziel hat, möglichst schnell Partner in einer größeren Sozietät zu werden, muss sich darauf einstellen, ganz besonderen Anforderungen gerecht zu werden. Er muss viel Zeit investieren und eine ungewöhnlich große Leistungsbereitschaft zeigen.

Gibt es denn attraktive Alternativen zum klassischen Modell der Partnerschaft?
Wir haben bei Clifford Chance vor einigen Jahren den Status des sogenannten Counsel eingeführt. Das sind zum einen Kollegen, die so hochspezialisiert sind, dass sich eine Partnerschaft wirtschaftlich nicht tragen würde. Die gehobene Position des Counsel nehmen aber zum anderen auch erfahrene Associates als Zwischenstation ein – entweder, um von dort aus gezielt die Partnerschaft anzuvisieren, sie als Sprungbrett für eine Karriere bei einer anderen Sozietät zu nutzen oder aber, um in die Rechtsabteilung eines Unternehmens zu wechseln. Gerade dieser Wechsel in die Industrie ist gegenwärtig ein Trend: Viele jüngere Kollegen nutzen ihre Tätigkeit bei Clifford Chance, um gutes Rüstzeug zu bekommen, und verbessern damit ihre Karrierechancen bei Unternehmen.

Wie beurteilen Sie diesen Trend?
Ich respektiere die verschiedenen Karrieremodelle. Ich freue mich, wenn jemand sich vornimmt, es bei uns zu schaffen, und viel dafür tut. Ich akzeptiere aber auch, wenn jemand nach einer Zeit sagt, er wolle lieber in die Rechtsabteilung eines Unternehmens wechseln. Zumal ein solcher Kontakt direkt in ein Unternehmen auch für uns sehr hilfreich sein kann.

Sie sind jetzt seit 17 Jahren Partner und seit vergangenem Jahr sogar Managing Partner bei Clifford Chance. Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?
Ich glaube, es ist eine Typfrage, wie man mit seinen Herausforderungen umgeht. Mir gelingt es, Druck mit einer heiteren Gelassenheit zu begegnen. Ich kann mich schnell und gut erholen und habe viele Interessen abseits des Berufes, die ich bewahre und pflege. Zudem trete ich allen Anforderungen immer sehr positiv entgegen. Mein Motto lautet: Ein Tag, an dem man im Büro nicht gelacht hat, ist ein verlorener Tag.

Über was lachen Sie denn im Büro am liebsten?
Über mich selbst. Eine Quelle der Heiterkeit ist aber auch, wenn jemand am Umgang mit der deutschen Sprache scheitert und das zu ungewollter Komik führt.

Wie wichtig ist für Sie die Kommunikation mit einem Mandanten außerhalb der fachlichen Ebene? Ist gekonnter Small Talk eine wichtige Fähigkeit?
Ja, wobei der Rechtsanwalt als Berater eines Unternehmens sehr genau darauf achten muss, welche Kommunikation angemessen ist. Es gibt Vertreter von Mandanten, die es sehr kühl und geschäftsmäßig mögen, anderen ist auch an bunteren Themen gelegen. Darauf reagiert man als Berater – wobei ich den Begriff Small Talk eigentlich nicht mag. Da besteht oft die Gefahr einer oberflächlichen und inhaltslosen Unterhaltung. Ich finde es passender, miteinander ein persönliches Wort zu wechseln. Oder über Themen zu reden, bei denen man weiß, dass das Gegenüber daran ein besonderes Interesse hat.

Über welche Themen sollte auch ein Einsteiger ein wenig Bescheid wissen?
Man sollte etwa bei kulturellen Themen wie Literatur, Oper oder Kunst nicht ganz unwissend sein.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, gab es einen Punkt, an dem Sie weit weg vom Bild einer geradlinigen Laufbahn waren?
Am weitesten weg war ich wohl ganz am Anfang, als ich in Freiburg in einer allgemeinen Zivilrechtskanzlei mitarbeitete. Da habe ich so ziemlich alles gemacht, inklusive Familienrecht. Diese Anstellung macht mich bei Clifford Chance vermutlich zu einem Exoten, denn die meisten Partner und Associates kennen nur das Arbeiten in einer großen Wirtschaftskanzlei. Aber ich möchte diese Zeit auch nicht missen, zumal ich damals als Familienrechtler einige beinahe filmreife Erlebnisse hatte, über die ich heute noch schmunzeln kann.

Ist es für Jura-Absolventen mit dem Karriereziel Großkanzlei sinnvoll, wie Sie zunächst einmal als Anwalt an der Graswurzel Erfahrungen zu sammeln?
Es ist sicher nicht verkehrt, aber nicht zwingend. Was ich jedem Einsteiger in eine Wirtschaftskanzlei raten möchte, ist, sich nicht zu früh so zu positionieren, dass er sich damit einengt. Es ist nicht sinnvoll, sich zu früh auf das Expertentum zu konzentrieren. Man sollte vielmehr darauf achten, immer auch eine Reihe verwandter Spezialgebiete abzudecken.

Zum Unternehmen

Die globale Sozietät Clifford Chance hat ihren Hauptsitz in London und gehört – was die Zahl der beschäftigten Anwälte sowie den Umsatz betrifft – in die Top Ten der weltweit größten Kanzleien. Aktuell arbeiten für Clifford Chance rund 3200 Rechtsberater in 29 Büros in 20 Ländern. Der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr lag bei 1,353 Milliarden Euro.

In Deutschland betreibt die Sozietät Büros in Düsseldorf, Frankfurt am Main und Berlin und beschäftigt mehr als 350 Volljuristen. Die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Rechtsberatung liegen auf den Gebieten Gesellschaftsrecht und M&A, Bankwesen und Kapitalmärkte, Steuern, Immobilien, Prozessführung und Streitbeilegung, Restrukturierung und Insolvenz, Arbeitsrecht, geistiges Eigentum sowie Kartellrecht.

Interview mit Dr. Andreas Dietzel als PDF ansehen

Interview mit Dr. Rudolf Colm

0

Er spricht drei Sprachen und gern mit den Händen – Dr. Rudolf Colm: geboren in Italien, österreichischer Pass, Berufssitz Asien, Stammsitz Stuttgart. Als Geschäftsführer von Bosch ist er verantwortlich für die Region Asien-Pazifik. Im karriereführer spricht er über den Wachstumsmotor China, interkulturelle Offenheit und Karrierechancen deutscher Nachwuchskräfte. [Dr. Rudolf Colm war bis zu seinem Ruhestand Ende 2012 Geschäftsführer von Bosch. Aus dieser Zeit stammt dieses Interview.]

Zur Person

Dr. Rudolf Colm, Foto: Bosch
Dr. Rudolf Colm, Foto: Bosch

Rudolf Colm wurde 1952 in Mailand geboren, wo er an der Universität Bocconi Volkswirtschaft studierte und zum Dr. rer. oec. pol. promovierte. 1976 startete er seine berufliche Karriere bei Pirelli in Mailand als Referent für strategische Planung und volkswirtschaftliche Analysen. Von 1980 bis 1983 leitete Colm die Abteilung Planung und Kontrolle, Finanzen bei der AEG Telefunken in Mailand.

Seit 1983 war er bei der Robert Bosch- Gruppe, zunächst als Abteilungsleiter in Italien, dann in verschiedenen anderen Funktionen, seit Januar 2004 als Mitglied der Geschäftsführung. Er koordinierte die Aktivitäten in der Asien- Pazifik-Region sowie die Zentralbereiche Einkauf/Logistik und Versicherungen. Zudem war er bis zu seinem Ruhestand Ende 2012 verantwortlich für die Regionalgesellschaft von Bosch in Italien.

Der Volkswirt spricht Italienisch, Deutsch und Englisch. Er ist verheiratet und hat ein Kind.

China ist wirtschaftlich stark im Kommen. Müssen Studenten von heute chinesische Sprachen und Umgangsformen beherrschen, um für den Arbeitsmarkt von morgen gerüstet zu sein?
Chinesisch ist kein Muss. Wer aber im Job viel mit China zu tun hat, sollte sich eingehend mit den Gepflogenheiten im Land beschäftigen. Es hilft, kulturelle Unterschiede besser zu verstehen, um erfolgreicher zu arbeiten. Wer sich zusätzlich nach einer gewissen Zeit im Land einen Basis-Wortschatz aneignet, zeigt Initiative und setzt bei den lokalen Kollegen das richtige Signal.

Wie halten Sie dies in Ihrem Haus?
Bei Bosch bereiten wir Mitarbeiter, die für Projekte oder auch längere Einsätze ins Ausland gehen, in interkulturellen Seminaren und Sprach-Crash-Kursen vor. Sie können sich bei einer Besuchsreise vorab schon mal im Land informieren und erhalten dabei auch Hilfestellung von ihren Kollegen vor Ort.

Wie kann ein Absolvent testen, ob er für die Zusammenarbeit mit chinesischen Geschäftspartnern geeignet ist?
Interkulturelle Offenheit, Neugierde und eine gewisse Grundaffinität zur Kultur und zu den Menschen in China sind Voraussetzung. Wer diese nicht mitbringt, wird wenig Erfolg haben. Zusätzlich braucht man natürlich Sozialkompetenz und die Bereitschaft, sich an das neue Umfeld anzupassen. Eine solche Offenheit und Lernbereitschaft belohnen die Menschen im Land in der Regel mit Vertrauen und Gastfreundschaft. Wichtig ist auch die Fähigkeit zuzuhören. Jemand, der meint, er habe für alles im Voraus schon eine Antwort, wird in China manche Enttäuschung erleben.

Welche Rolle spielt China für die deutsche Wirtschaft?
Die Wachstumsdynamik in China hält weiter an. Das Reich der Mitte hat in den vergangenen drei Jahren rund 150 Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen aus dem Ausland auf sich gezogen und besitzt weiterhin von allen Weltregionen das größte Entwicklungspotenzial. An diesen Investitionen hat bisher Deutschland von allen europäischen Ländern am stärksten partizipiert. Deutsche Unternehmen werden auch am weiteren Wachstum stark teilhaben.

Was bedeutet das für Bosch?
Auch bei Bosch werden wir weiterhin gezielt unsere Chancen nutzen – und zwar in allen Geschäftsfeldern. Dabei hilft, dass wir auf eine langjährige Geschichte im Reich der Mitte zurückblicken können. Als wir 1909 unsere erste Handelsniederlassung gegründet haben, war von Globalisierung noch keine Rede. Heute ist China eines der Kernländer für unser Geschäft in der ganzen Region Asien-Pazifik. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren die Anzahl unserer Fertigungsstandorte in China von zehn auf zwanzig verdoppelt und wollen dort weiter investieren.

Wie wird sich die deutsch-chinesische Beziehung entwickeln?
Wir erwarten, dass sich die beiden Länder zunehmend wirtschaftlich verflechten. In einem gesunden Wettbewerb werden davon alle profitieren können. Deutsche Firmen erschließen derzeit mit Investitionen in China und mit dem Aufbau lokaler Fertigungen neue Märkte, aber auch chinesische Unternehmen werden ihre Chancen in Europa suchen und nutzen. Wir bei Bosch wollen am überdurchschnittlichen Wachstum in China teilhaben, denn unsere Innovationspolitik ist auf Ressourcen- und Umweltschonung ausgerichtet und stimmt mit den Zielen der chinesischen Umweltbehörde überein.

Wie wird sich die Zusammenarbeit mit China auf deutsche Berufseinsteiger und angehende Führungskräfte auswirken?
Mit einer zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung werden auch die geschäftlichen Kontakte in allen Branchen und auf allen Unternehmensebenen zunehmen. Diese Entwicklung wird besondere Chancen für Mitarbeiter bieten, die interkulturelle Kompetenz und Offenheit für andere Kulturen mitbringen und bereits früh Auslandserfahrung gesammelt haben. In China sind besonders Berufseinsteiger mit solidem technischen Know-how gefragt, die schon in jungen Jahren bereit sind, Verantwortung und Führungsaufgaben zu übernehmen. Die Entfernung von Deutschland,die Dynamik des Marktes und der Bedarf, Produkte und Marketingkonzepte an lokale Gegebenheiten anzupassen, erfordern vor allem von jungen Mitarbeitern viel Initiative und Verantwortungsbereitschaft.

Welche Art von Führungskraft ist für diese Aufgabe geeignet?
Führungskräfte müssen beweisen, dass sie auch eine Gruppe von Mitarbeitern aus unterschiedlichsten Kulturen effektiv leiten und Unterschiede nicht als Hindernis, sondern als Mehrwert begreifen können. Dazu brauchen sie unter anderem ein entsprechendes Fingerspitzengefühl – die so genannten Soft Skills, die das Fachwissen ergänzen müssen.

Auf welche anderen Länder sollte man schon heute sein Augenmerk legen?
Auf jeden Fall auf Indien. Dieses Land wird besonders als Fertigungs- und Dienstleistungsstandort, aber auch als Absatzmarkt für deutsche Unternehmen stark an Bedeutung gewinnen.

Welche Sprachen sollten angehende Berufseinsteiger für den Weltmarkt beherrschen?
Wer international arbeiten will, für den ist fließendes Englisch in Wort und Schrift ein klares Muss. Daran führt kein Weg vorbei. Darüber hinaus ist es von großem Vorteil, mindestens eine weitere Fremdsprache zu beherrschen. Gleichzeitig sollten Berufseinsteiger interkulturelle Kompetenzen aufbauen. Beides lässt sich übrigens am besten in den jeweiligen Ländern selbst erlernen.

Was muss man beherzigen, wenn man es wie Sie in die erste Führungsebene eines Unternehmens schaffen will?
Erforderlich sind breit angelegte Erfahrungen in mindestens zwei Funktionsbereichen, internationale Expertise, permanente Fortbildung, hartes und zielgerichtetes Arbeiten – und ein Quäntchen Glück.

Haben Sie sich während Ihrer Ausbildung außeruniversitär engagiert?
Während meiner Studienzeit war ich dank meiner Doppelsprachigkeit für zahlreiche Unternehmen international als Dolmetscher sehr aktiv und habe mir damit auch mein Studium zum Teil finanziert. Arbeit und Weiterbildung waren für mich immer die oberste Maxime und sind es auch heute noch.

Interview mit Alain Caparros

0

Geboren ist er in Frankreich, gearbeitet hat er in seinem Heimatland, in der Schweiz und in Österreich. Seit 2006 ist Alain Caparros Vorstandsvorsitzender der Rewe Group in Köln und verantwortet unter anderem die Einheiten Discount, National/International und Vollsortiment Ausland. Im karriereführer sprach er über die Faszination Handel, die Veränderungen der Branche und den 1. FC Köln.
Die Fragen stellte Sabine Olschner, aus karriereführer handel Ausgabe 2007.2008

Zur Person Alain Caparros

Alain Caparros, Foto: Rewe Group

Alain Caparros, geboren im September 1956 in Tiaret, ist seit Ende 2006 Vorstandsvorsitzender der Rewe Group. Vorher war er Mitglied des Vorstands der Rewe-Zentral und der Rewe-Zentralfinanz in Köln.

Nach dem BWL-Studium in Saarbrücken und Metz begann der gebürtige Franzose 1981 seine berufliche Laufbahn beim Kosmetikkonzern Yves Rocher, wo er zunächst in verschiedenen Funktionen in Deutschland, der Schweiz und Österreich tätig war. Ab 1991 verantwortete er als Vizepräsident in Paris Strategie und Entwicklung der Gruppe national und international.

1994 wechselte Caparros zum europäischen Discount-Marktführer Aldi und wurde Generaldirektor von Aldi Frankreich. 1999 übernahm er als Vorstandsvorsitzender von Aldis Service Plus ASP die Verantwortung für das in Frankreich führende Unternehmen in der Gastronomie-Belieferung.

Wie wird sich der Handel in den nächsten Jahren verändern?
Der Handel war immer eine dynamische Branche und wird sich auch künftig mit hohem Tempo weiterentwickeln. Maßstab sind die Veränderungen im Konsumverhalten. Hier spielen die bevorstehenden demografischen Veränderungen eine große Rolle: Die Gesamtbevölkerung schrumpft, die Menschen werden älter und weniger mobil. Der Trend zu Ein-Personen-Haushalten hält an. Die Macht der Konsumenten nimmt zu. Fehlverhalten des Handels wird sehr schnell abgestraft. Als einer der führenden Lebensmittelhändler müssen wir uns in einem sich noch verschärfenden Wettbewerb mit unserem klassischen, stationären Vertriebsformen und mit der Entwicklung neuer Vertriebsstrategien darauf einstellen. Die Konzentration wird sowohl im Handel als auch bei den Herstellern zunehmen. Zur Internationalisierung gibt es keine Alternative.

Was bedeutet das für Hochschulabsolventen, die in der Handelsbranche Fuß fassen wollen?
Der Handel bietet durch seine Komplexität, den Wettbewerbsdruck und den Zwang zur absoluten Kundenorientierung breitgefächerte Entwicklungschancen. Wie in der Automobilindustrie heißt es heute auch hier: „ Just-in-Time“. Hochschulabsolventen sollten daher vernetzt und analytisch denken und handeln können, das ist eine unabdingbare Voraussetzung. Aus diesem Grund haben bei uns Quereinsteiger sehr gute Chancen. Ein Unternehmen wie die Rewe Group benötigt nicht nur Volkswirte, Juristen oder Betriebswirtschaftler. Wir wollen junge Menschen mit Phantasie und Kreativität. Denn eines gilt heute wie vor hundert Jahren: Ein Händler braucht Kopf, Herz und Bauch.

Warum hat die Branche eigentlich bei Nachwuchskräften noch immer einen recht schlechten Ruf?
Weil der Lebensmittelhandel nicht in großen Werbeanzeigen suggeriert, ein Lebensgefühl zu verkaufen – so wie zum Beispiel die Auto- oder die Chemieindustrie. Der jedem bekannte „tägliche Einkauf“ speist immer noch das Vorurteil, der Handel biete ausschließlich die Perspektive, Tag aus Tag ein an der Kasse zu sitzen oder Regale einzuräumen. Im Handel zu arbeiten bedeutet natürlich sehr viel mehr. Doch die mit Hochtechnologie hinterlegten Prozessketten sind für die Kunden nicht gleich sichtbar. Auch nicht die Internationalisierung. So ist die Rewe Group bereits in 14 Ländern aktiv. Wir können internationale Karrieren mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit, Gestaltungsspielraum und Verantwortung bieten. Wer bei uns hart arbeitet, der kommt rasch vorwärts.

Sie legen bei der Rewe Group großen Wert auf eigenverantwortliches Handeln und unternehmerische Selbstständigkeit. Was bedeutet das konkret für Mitarbeiter und auch Berufseinsteiger?
Die genossenschaftliche Tradition der 1927 gegründeten Rewe Group hat über die Jahrzehnte zu einer Kultur der (Eigen)Verantwortung geführt. (Eigen)Verantwortung gegenüber der gestellten Aufgabe, aber auch gegenüber dem gesamten Unternehmen. Egoistische Karrieristen, die nur auf die nächste Stufe der Aufstiegsleiter blicken sind bei uns falsch.

Welche Tipps können Sie karriereorientierten Hochschulabsolventen geben, die es wie Sie in die oberste Führungsebene schaffen wollen?
Es ist unerlässlich, sich bereits im Studium konkrete Ziele zu stecken und diese auch beim Berufseinstieg konsequent zu verfolgen. Im Handel gehört dazu, sich zunächst Basis-Know-how über die Branche – also in den Märkten, am Point of Sale – anzueignen. Denn auf diesem Wissen bauen sämtliche späteren Tätigkeiten bis hin in die oberen Führungspositionen auf.

Sie haben schon auf diversen führenden Positionen im europäischen Ausland gearbeitet. Welche Voraussetzungen muss man Ihrer Meinung nach für eine Auslandskarriere erfüllen?
In allererster Linie muss man bereit sein, sich mit der Kultur des Landes auseinanderzusetzen. Natürlich sind auch gute Fremdsprachenkenntnisse im internationalen Lebensmittelhandel unerlässlich. Vor dem Hintergrund meiner Biographie kann ich nur raten, Auslandserfahrung durch Praktika oder Auslandssemester zu sammeln sowie neugierig auf andere Kulturen zu sein.

Welche Länder werden für Rewe in Zukunft attraktiv sein?
Die Rewe Group wird in den kommenden Jahren ihre Expansion vor allem in Süd- und Osteuropa konsequent fortsetzen. Die aufstrebenden Volkswirtschaften in diesen Regionen sind sehr interessante Wachstumsmärkte, die allerdings auch hart umkämpft sind.

Werden sich dort auch Chancen für Hochschulabsolventen ergeben?
Grundsätzlich ja. Allerdings achten wir stark darauf, dass die Führungsmannschaft im jeweiligen Land zu einem großen Teil aus Managern besteht, die aus dem Land kommen. Nur durch dieses länderspezifische Wissen sind wir nah genug an unseren Kunden in ganz Europa.

Seit 1994 sind Sie im Lebensmittel-Handel tätig. Warum fasziniert Sie gerade dieser Handelssektor?
Weil wir mit unseren Lebensmitteln ganz dicht am Kunden sind. Wir liefern einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität. Wir müssen uns täglich neu darauf einstellen, unsere Kunden in ihrer millionenfachen Verschiedenheit erneut für uns zu gewinnen. Da ist kein Tag so wie der andere. Was kann es Spannenderes geben?

Zu guter Letzt: Rewe ist neuer Hauptsponsor des 1. FC Köln. Fußball und Handel – wo liegen die Gemeinsamkeiten?
Sowohl im Handel als auch im Fußball ist die Mannschaft der Star. Das heißt nicht, dass es nicht auch Solisten und Individualisten gibt, doch ganz gleich, welche Rolle man spielt, man dient dem großen Ganzen. Und außerdem: der FC gehört genauso zu Köln wie der Dom oder die Rewe Group. Das ist auch ein Stück Verantwortung für das gesellschaftliche Umfeld des eigenen Standortes.

Interview mit Dr. Michael Büttner

0

Als Leiter der Strategieberatung Zentraleuropa bei Capgemini lebt Dr. Michael Büttner aus dem Koffer. Mit dem karriereführer sprach der 46-jährige Österreicher über den Traumberuf Berater, das hohe Tempo in der Branche und die notwendige Gelassenheit. Die Fragen stellte Kathrin Baier.

Zur Person

Dr. Michael Büttner, 46 Jahre, studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität in Wien, während seiner Promotion arbeitete er dort als Assistent. Nach seiner Promotion war er bei der Creditanstalt-Bankverein in Wien und bei Degussa in Frankfurt als Vorstandsassistent tätig und leitete dort die strategische Planung für den Geschäftsbereich Industrie- und Feinchemikalien. Von 1990 bis 1992 hat er bei Roland Berger & Partner als Projektleiter den Bereich der umsetzungsorientierten Strategieberatung mit aufgebaut. Danach war er bei Capgemini, damals noch Gemini Consulting München, für große internationale Transformationsprojekte verantwortlich. 1997 baute er das Geschäft in Österreich für Gemini Consulting auf. Nach dem Merger von Gemini Consulting, Capgemini und Ernst & Young übernahm er 2002 die Leitung der Strategieberatung für Zentraleuropa. Der Österreicher ist verheiratet und hat drei Söhne.

Herr Dr. Büttner, was macht ein Strategieberater bei Capgemini?
Er entwickelt im Team mit seinen Kollegen und dem Kunden ein Konzept und begleitet den Kunden bei der Umsetzung, das heißt bei den operativen Änderungen im Unternehmen. Wichtig ist uns bei jedem Projekt die partnerschaftliche und enge Zusammenarbeit mit dem Kunden – nur so kann die Umsetzung eines Programms funktionieren.

Sind Sie eher Berater oder Verkäufer?
Ich fühle mich als Berater. Im Berufsalltag bin ich jedoch sehr stark mit der Kundenakquisition beschäftigt. Im operativen Geschäft arbeite ich zu rund 40 Prozent.

Wo liegen Ihre Branchenschwerpunkte bei der Strategieberatung?
Wir beraten vorwiegend private und öffentliche Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau – auch ich komme aus diesem Bereich. Dazu kommen Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie und Finanzdienstleister. Im Markt gibt es die Tendenz, dass Dienstleistungsunternehmen immer mehr Beratungsleistungen nachfragen.

Beraten Sie Unternehmen speziell für die Expansion in bestimmte Länder?
Wir begleiten Kunden beim Markteintritt in Osteuropa und China. Sie verlagern ihre Produktion immer weiter nach Osten, Dienstleistungen geben sie nach Indien. So outsourcen unsere Kunden zum Beispiel Controlling- und Programmierarbeiten. Sie bei diesen Prozessen zu beraten, ist für mich eine völlig neue Herausforderung.

Thema Neueinstellungen 2006: Wie viele neue Strategieberater suchen Sie?
Wir wollen 45 Strategieberater einstellen, die wir händeringend suchen. Im gesamten Beratungsbereich, also der Managementberatung, suchen wir weitere 150 Berater, ebenfalls händeringend. Die Geschäfte laufen gut. Aber wir wollen bei den Bewerbern keine Abstriche machen, und die Industrie ist heute bei hochqualifizierten Leuten für uns ein großer Konkurrent.

Aus welchen Fachrichtungen suchen Sie Absolventen und Young Professionals?
Capgemini sucht vor allem Kaufleute und Wirtschaftsingenieure. Bewerber mit Berufserfahrung sollten in der Großindustrie gearbeitet haben, da Capgemini fast ausschließlich große Unternehmen als Kunden hat.

Was müssen die künftigen Capgemini-Strategieberater mitbringen?
Sie müssen eine Bandbreite an Kommunikationsstilen beherrschen, das heißt zum Beispiel sowohl mit Vorständen als auch mit Mitarbeitern aus der Produktion reden können. Sie müssen Team- und Begeisterungsfähigkeit sowie ein gewisses Maß an Pragmatismus mitbringen. Ganz wichtig ist Capgemini, dass unsere Berater in entscheidenden Situationen gegenüber unseren Kunden Zurückhaltung an den Tag legen. In meinen Augen sind Bewerber heute weniger ausdauernd und widerstandsfähig als früher. Auch bei Umgangsformen sind junge Leute heute teilweise nachlässiger. Eigenschaften und Verhaltensweisen, an denen man bis Mitte 30 durchaus noch arbeiten kann, was wir bei Capgemini unterstützen.

Haben sich die Anforderungen an den Berater in den vergangenen Jahren geändert?
Das Wissen in der Industrie wird immer spezieller, so dass es heute nicht mehr möglich ist, von Projekt zu Projekt zu springen. Unsere Berater müssen am Puls von Technologie-Entwicklungen bleiben.

Was bieten Sie den Bewerbern?
Im firmeneigenen Institut erhalten unsere „Neuen“ eine achtwöchige Ausbildung: vom Präsentations-, über das Methoden- bis zum Marktanalysentraining. Danach übernehmen sie sehr schnell Projekt- und Führungsverantwortung. Jeder Berater lernt viel von seinen Kollegen – über alle Hierarchien hinweg. Er lernt viele Unternehmen intensiv kennen, da er bei jedem Projekt vier bis fünf Tage pro Woche vor Ort beim Kunden ist, und er knüpft viele internationale Kontakte, da er europaweit und auch in den USA oder in China tätig ist.

Thema Work-Life-Balance und 5-4-3-Regelung: Welche Kehrseiten hat die Beratertätigkeit?
Ein Berater arbeitet fünf Tage pro Woche, in der Regel vier Tage beim Kunden und am Freitag in seinem Büro. So empfehlen wir unseren Mitarbeitern, an dem Ort zu leben, an dem ihr Büro ist. Sie verbringen dann im günstigen Fall nur drei Nächte nicht zu Hause. Das Tempo in der Beraterbranche ist enorm hoch, man lernt dort schneller als in anderen Branchen, und die Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich. Die Kehrseite ist, dass man sehr angestrengt ist und die Gefahr besteht, „sozial zu denaturieren“. Mein Rezept lautet daher: investieren, investieren, investieren. Das heißt Freundschaften aktiv pflegen und bewusst Auszeiten mit Familie und Freunden nehmen.

Wie sind Sie zu Capgemini gekommen?
Von 1990 bis 1992 habe ich bei Roland Berger & Partner als Projektleiter den Bereich der umsetzungsorientierten Strategieberatung mit aufgebaut. Ein Headhunter hat mich auf Grund dieser Qualifikation zu Capgemini, damals noch Gemini Consulting, geholt. Dort war ich dann von Wien aus für die Bereiche Marketing & Sales sowie Sanierungen verantwortlich und habe große und internationale Strategieprogramme in Europa und Afrika geleitet. Im Jahr 2001 – kurze Zeit nach dem Merger von Gemini Consulting in die Cap Gemini Ernst & Young Consulting, 2004 umfirmiert zu Capgemini – habe ich die Leitung der Strategieberatung für Zentraleuropa übernommen.

Was hat Ihnen geholfen, Karriere zu machen?
Ich mache fachlich gute Dinge mit einer gewissen Gelassenheit, also ohne verbissen zu kämpfen. Ich denke, diese Kombination hilft mir, meinen Weg zu gehen.

Wie sehen Ihre weiteren beruflichen Ziele aus?
Ich habe Lust, auf Grund des Erfolges in der Strategieberatung während der vergangenen vier Jahre mehr Verantwortung innerhalb der Gruppe zu übernehmen. Was mich dabei vor allem antreibt, ist, den Typus von Berater zu finden, den wir für unser Geschäft brauchen.

Sie sind nicht nur Doktor der Betriebswirtschaft, sondern auch studierter Forstwirt und Sprengmeister. Wie sind Sie zu diesen Ausbildungen gekommen?
An der Universität für Bodenkultur in Wien habe ich nebenher studiert – aus Spaß und weil ich eine hohe Affinität zum Wald habe. Das Sprengen, zum Beispiel von Bäumen, hat mir auch große Freude gemacht. Etwas Praktisches zu tun, war für mich der Antrieb.

Was ist Ihr persönliches Lebensmotto?
Nicht alles so tierisch ernst zu nehmen.

Dazwischengefunkt

Welchen anderen Beruf könnten Sie sich vorstellen?
Chef eines mittelständischen Produktionsbetriebs – eines „Hidden Champion“

Was wollten Sie am Start Ihres Berufslebens?
Eine führende Position in einem internationalen Industriekonzern

Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Ich bin ein offener und ehrlicher Mensch. Und ich habe Freude an den Sachen, die ich mache.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an anderen Menschen?
Offenheit

Was dulden Sie auf keinen Fall?
Lügen und Taktieren

Was ist Ihnen sehr unangenehm?
Es ist mir noch heute unangenehm, persönliches Verhalten meiner Mitarbeiter zu beurteilen.

Was entschuldigen Sie sofort?
Eingestandene Fehler

Was nehmen Sie unbedingt auf eine Reise mit?
Meine Laufschuhe

Wo möchten Sie am liebsten leben?
In meiner Heimatstadt Wien

Wo tanken Sie Energie auf?
Zu Hause bei meiner Familie und bei einer jährlichen Regenerationswoche

Was war Ihr größter Flop?
Am Anfang meiner Beratungszeit hat mir ein Kunde das klare Feedback gegeben, dass die Zusammenarbeit mit mir nicht funktioniert.

Und Ihr größtes Erfolgserlebnis?
Die Strategieberatung von Capgemini zu ihrem heutigen Erfolg zu führen