Der Transformationsexperte Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick im Interview

Als wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie beschäftigt sich Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick mit der Frage, wie sich die Transformation in eine nachhaltigere Welt gestalten lässt. Eine Schlüsselposition nehmen dabei die Ingenieur*innen mit ihrer technischen Lösungskompetenz ein. Denn ohne diese würde die Umsetzung der Konzepte nicht funktionieren. Die Fragen stellte André Boße

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick studierte Chemie- und Verfahrenstechnik an der Uni Dortmund und promovierte in Stuttgart im Bereich der Energietechnik und Energiewirtschaft. 1993 kam er ans Wuppertal Institut, wo er bis 2006 in verschiedenen Positionen tätig war und unter anderem die Forschungsgruppe „Zukünftige Energie- und Mobilitätsstrukturen“ leitete. Ab 2006 war er Vizepräsident des Instituts, seit 2008 ist er außerplanmäßiger Professor des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften – Schumpeter School of Business and Economics an der Bergischen Universität Wuppertal. Im Januar 2020 übernahm Fischedick den Posten als wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. Er berät die Europäische Union, die Bundes- und die Landesregierung, ist Mitglied in vielen wissenschaftlichen Gremien und Leitautor im Weltklimarat.
Herr Prof. Fischedick, ich habe auf YouTube ein elf Jahre altes Video- Interview gefunden, aufgenommen kurz nach den Ereignissen in Fukushima. Ihre Aussage damals, sinngemäß: Jetzt beginnt sie, die Transformation der Energieversorgung. Wie sieht heute Ihr Fazit aus: Startete damals tatsächlich die Energiewende? Das ist eine berechtigte Frage. Ich würde aber schon sagen, dass der Transformationsprozess damals startete, weil 2011 wegweisende politische Entscheidungen getroffen wurden. Es gab die Ausstiegsbeschlüsse aus der Atomkraft. Unter dem Druck, handeln zu müssen, wurde mehr oder weniger über Nacht nicht nur die Vorstellung der damaligen Regierung einer Laufzeitverlängerung fallengelassen, sondern ein klarer Fahrplan für die Stilllegung der Kernkraftwerke fest vorgegeben. Hiermit wurde nicht nur Risikovorsorge getroffen, sondern ein lange schwelender Grundsatzkonflikt in der Energiepolitik befriedet. Dazu hatte Deutschland damals bereits vergleichsweise ambitionierte Klimaziele formuliert: Es ging 2011 zwar noch nicht um Treibhausgasneutralität, also nicht um eine Minderung von 100 Prozent, aber immerhin schon um 80 Prozent. Entscheidend war nun, dass diese Ziele vor dem Hintergrund des Atomausstiegs nicht aufgeweicht worden sind, das war eine gute Entwicklung. Wo hat es gehakt? Es hätte zum Beispiel einen gesellschaftlichen Diskurs darüber gebraucht, welche Art von Energie man statt Kohle, die aus Klimaschutzgründen schon damals als Auslaufmodell feststand, und statt Atom haben möchte. Diese Debatte hat in der Breite und mit der notwendigen Ehrlichkeit nicht stattgefunden. Man hat das Thema eher laufenlassen, nach dem Motto: „Es ist ausreichend, Ziele zu setzen – der Rest findet sich schon.“ Tat er aber nicht. Genau. Zwar sind wir bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien zumindest im Bereich der Stromerzeugung substanziell vorangekommen, beim Thema Energieeffizienz ist das aber nicht der Fall. Kurz: Man hat sich hohe Ziele gesetzt, es aber an Steuerungsinstrumenten vermissen lassen, um diese auch zu erreichen. Sie sprachen vom Druck, handeln zu müssen: Vor elf Jahren hat Fukushima die Energiewende eingeleitet, jetzt sorgen der Angriffskrieg von Russland in der Ukraine und seine Folgen dafür, dass die Frage nach einer nachhaltigen Energie eine ganz neue Dynamik erhält. Warum brauchen wir immer den Schock, um ins Handeln zu kommen? Die Menschen und auch die Politik reagieren im Normalfall besonders stark auf unmittelbare Gefährdung. Ein Atom-GAU war eine solche, wobei die Katastrophe in Fukushima recht schnell wieder in Vergessenheit geriet, weil der Mensch dazu neigt, Gefahren, die nicht mehr unmittelbar sind, zu verdrängen. Der Krieg auf europäischem Boden ist nun aber eine neue unmittelbare Gefährdung. Es wird offenkundig, dass sich energiepolitische Gewissheiten, die über Jahrzehnte Gültigkeit hatten, plötzlich auflösen. Und der Klimawandel? Der ist in der Wahrnehmung vieler noch keine unmittelbare Gefährdung in der Breite. Dies scheint sich aber gerade zu ändern, nicht zuletzt aufgrund der Starkregenfälle im vergangenen Jahr und der Dürre und Hitze in diesem Sommer. Die Waldbrände finden nicht mehr nur wie üblich in den USA oder in Australien statt, sondern in Italien und Frankreich, also dort, wo wir Urlaub machen. Sie sind aber auch in Brandenburg, verbunden mit sinkenden Grundwasserspiegeln und Flüssen mit historischem Niedrigwasser. Ich denke schon, dass diese Unmittelbarkeit zum entscheidenden Booster für den Klimaschutz werden wird. Dies gilt auch für die Lehren, die wir aus dem Krieg in der Ukraine ziehen müssen. Die Vorteile liegen ja auf der Hand: Jede Form von erneuerbarer Energie und Energieeffizienz stärkt nicht nur den Klimaschutz, sondern ist auch ein Schritt in eine verbesserte Versorgungssicherheit und in Richtung Unabhängigkeit von anderen Staaten.
Ich muss mich fragen, ob eine Lösung, die ich entwickelt habe, an anderer Stelle zu negativen Folgen führen kann.
Was muss passieren, damit der Booster zündet? Neben der bereits erwähnten gesellschaftspolitischen Debatte liegt ein großes Problem in den langen Planungsund Genehmigungszeiten und in fehlender vorausschauender Planung. Nehmen Sie die Flüssiggas-Terminals, die gerade entstehen: Es wäre sehr sinnvoll, sie so zu konstruieren, dass sie später problemlos zu Wasserstoff-Terminals umgebaut werden können. Das Flüssiggas brauchen wir jetzt, aber Wasserstoff ist die Energieform der Zukunft, hierfür müssen wir die Grundlagen schaffen. Was wir also jetzt brauchen, ist kein Aktionismus, sondern einen systemischen Wandel. Welche Rolle können Ingenieurinnen und Ingenieure hier spielen? Es gibt in meinen Augen vier Akteursgruppen, die jetzt eine entscheidende Rolle einnehmen und die Transformationsprozesse voranbringen. Es braucht mutige politische Entscheidungsträger, die trotz aller Unsicherheiten ganz klare Vorgaben machen und notwendige Konditionen formulieren, so wie das Beispiel von gerade: Flüsiggas-Terminals ja, aber nur, wenn sie in einigen Jahren auch fit für Wasserstoff sein werden. Gefordert ist auch die Wissenschaft, um Konzepte und Lösungsstrategien zu entwickeln. Die Welt mit ihren Herausforderungen ist komplexer geworden, Wissenschaft kann hier helfen, Orientierungswissen bereitzustellen. Dann geht es auf die Umsetzungsebene, wo es zunächst einmal auf das Handwerk ankommt: Wir sehen schon jetzt, dass die Fachkräfte fehlen, um die Lösungen, die es bereits gibt, auch in der Breite umzusetzen, zum Beispiel im Bereich der Heizungssysteme oder Gebäudesanierungen. Gefragt sind aber natürlich auch und gerade die Ingenieure, denn sie besitzen die für die komplexe Gemengelage wichtige Lösungskompetenz. Es braucht heute mehr und mehr sektorübergreifende Systemlösungen, das ist ebenso eine Herausforderung, der sich Ingenieure stellen müssen, wie etwa der Umgang mit immer mehr radikalen statt primär inkrementellen Verbesserungen. Was bedeutet das konkret? Es kommt darauf an, das große Ganze im Blick zu haben und Wechselwirkungen mitzudenken. Das heißt, sich zum Beispiel zu fragen, ob eine Lösung, die ich entwickelt habe, an anderer Stelle zu negativen Folgen führen kann. Oder wie es gelingen kann, mit einer technischen Lösung zwei, drei positive Synergieeffekte zu gestalten. Auf diese Systemlösungskompetenz kommt es bei Ingenieuren heute mehr denn je an. Zusammen mit dem Handwerk ist das Ingenieurwesen der Berufszweig, der uns als Gesellschaft überhaupt die Chance gibt, die Erkenntnisse der Wissenschaft sowie die Entscheidungen der Politik umzusetzen. Auf neudeutsch würde man sagen: Handwerk und Ingenieurwesen sind die Enabler der Energiewende.
Es braucht eine gehörige Portion Pioniergeist, denn für die Transformationsprozesse, in denen wir uns befinden, existieren keine Blaupausen.
Ist diese Lösungskompetenz der Ingenieurinnen und Ingenieure in Ihren Augen gegeben? Es gibt da schon einen gewissen Nachholbedarf. Was an vielen Universitäten noch fehlt, ist die Beschreibung der breiteren Landschaft. Neue Techniken betten sich in Landschaften ein, die sich außerordentlich schnell verändern, zum Beispiel durch die Digitalisierung, einen der Megatrends der Gegenwart. Oder durch Konsumtrends wie Vegetarismus oder Veganismus sowie nachhaltiges Shoppingverhalten. Oder auch durch die vielen Risikofaktoren, die sich kaum im Vorfeld bestimmen lassen. Nehmen Sie den Krieg in der Ukraine: Er dreht die Welt mal eben von links auf rechts. Ich denke, es ist in vielen Ingenieurstudiengängen noch nicht genügend angekommen, dass sich die Lösungen heute in einem sich sehr schnell verändernden Umfeld bewähren müssen. Und noch ein zweiter Punkt ist wichtig: Ingenieure arbeiten heute an Embedded Technologies, also Technologien, die nicht nur in den ökonomischen Rahmen eingebettet sind, sondern auch in den politischen, gesellschaftlichen und institutionellen. Die beste technische Lösung bringt nichts, wenn sie nicht gesellschaftlich akzeptiert wird, wenn die Politik ihr einen Riegel vorschiebt oder die Infrastruktur nicht gegeben ist. Es ist nicht so, dass diese Aspekte an den Unis gar nicht gelehrt werden. Aber ich denke, dass es hier noch Luft nach oben gibt. Diese übergeordneten Fähigkeiten sind es, die Ingenieure wirklich benötigen, die aber den Berufszweig gleichzeitig auch so interessant machen. Wie lassen sich diese vermitteln? Das Studium muss deutlich interdisziplinärer und der Blick über technologische Aspekte deutlich ausgeweitet werden. Zudem braucht es eine gehörige Portion Pioniergeist, denn für die Transformationsprozesse, in denen wir uns befinden, existieren keine Blaupausen. Es geht aufgrund der Vielschichtigkeit der Herausforderungen darum, Synergien zu suchen, Konflikte zu verhindern oder, falls dies nicht möglich ist, offen zu verhandeln – und vor allem Lösungen zu entwickeln, die eine gewisse Flexibilität besitzen. Stichwort Resilienz: Eine technische Lösung ist dann zeitgemäß, wenn sie in der Lage ist, sich immer wieder an neue Gegebenheiten anzupassen.

Zum Wuppertal Institut

Das Wuppertal Institut versteht sich als führender internationaler Thinktank für eine wirkungs- und anwendungsorientierte Nachhaltigkeitsforschung. Im Fokus der Arbeiten steht die Gestaltung von Transformationsprozessen hin zu einer klimagerechten und ressourcenleichten Welt. Übergeordnetes Ziel der Institutsarbeit ist es, einen Beitrag zur Einhaltung der planetaren Grenzen zu leisten. Dafür stellt das Institut, wie es auf der Homepage heißt, Zukunftswissen bereit, das Ziel-, System- und Transformationswissen bündelt. www.wupperinst.org

Kuratiert

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Digitaler Infotag #StudyGreenEnergy

Hochschulen mit technischen Studiengängen aus dem Bereich Erneuerbare Energien haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und informieren über Studienangebote im deutschsprachigen Raum. Die digitale Informationsveranstaltung #StudyGreenEnergy fand bereits zweimal statt und soll 2023 wiederholt werden. Referent*innen geben Tipps zu den Voraussetzungen für ein Studium und Ausblicke auf Karrieremöglichkeiten als Ingenieur*in mit dem Schwerpunkt Umwelt- und Klimaschutz. Die Teilnehmenden können in digitalen Meetings mit den Hochschulen in Kontakt treten oder an virtuellen Labor-Führungen teilnehmen. Bei der ersten Veranstaltung im Frühjahr 2022 hatten sich bis zu 300 Interessierte zugeschaltet.

Biosensor für Kampf gegen Antibiotikaresistenz

Aufgrund von Resistenzen helfen viele Antibiotika bei Krankheiten nicht mehr. Die Doktorandin Hatice Ceren Ates vom FIT Freiburger Zentrum für interaktive Werkstoffe und bioinspirierte Technologien und Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) hat nun einen elektrochemischen Multiplex- Biosensor zur zeitlichen Überwachung von Antibiotika entwickelt, der mit verschiedenen Körperflüssigkeiten arbeiten kann – beispielsweise mit Blut-, Plasma-, Urin-, Speichel- oder Atemgasproben. Das Ziel ist, die Medikamentenkonzentration im Blut des Patienten innerhalb eines bestimmten therapeutischen Bereichs zu halten. Eine schwierige Aufgabe, da dieser Bereich von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ist. Für ihre Erfindung wurde die Chemieingenieurin, die bereits ihren Masterabschluss in Mikro- und Nanotechnologie mit Auszeichnung abgeschlossen hat, mit dem mit 5000 Euro dotierten Klee-Preis ausgezeichnet. Quelle: Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE

Neuer Masterstudiengang „User Experience Management & Design“

Zentral bei allen Digitalisierungsmaßnahmen ist die Benutzerperspektive und das Schaffen einer guten User-Experience (UX). Daher hat die PFH Private Hochschule Göttingen den Masterstudiengang „User Experience Management & Design“ entwickelt. In drei Semestern erlernen die Studierenden praxisorientiert das Management und Design digitaler Produkte und Services – von der Geschäftsidee über die Entwicklung bis zur Vermarktung eines fertigen digitalen Produkts oder Services. Vermittelt werden interdisziplinäre Kenntnisse aus Management, Psychologie und Technologie, denn die Gestaltung nutzerorientierter digitaler Services wird zu einer immer komplexeren Aufgabe.

Quantentechnologie sucht Talente

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Der Markt für Quantentechnologien wächst rasant, ihre wirtschaftliche Relevanz steigt. Dabei gibt es Einsatzmöglichkeiten in fast allen Branchen. Doch Expert*innen sind rar und werden dringend gesucht. Von Christoph Berger

Die Investitionssummen in Quantentechnologien steigen weiter. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert. Laut dem Quantum Technology Monitor der Unternehmensberatung McKinsey & Company hat sich die Finanzierung von Quanten-Start-ups von 700 Millionen US-Dollar im Jahr 2020 auf über 1,4 Milliarden US-Dollar in 2021 mehr als verdoppelt. Unter den drei Quantentechnologien verzeichneten die Quantensensorik und Quantenkommunikation im zweiten Halbjahr 2021 die höchsten Finanzierungszuwächse. Im Bereich Quanten Computing wurden mit insgesamt drei Milliarden US-Dollar seit 2011 jedoch nach wie vor die meisten finanziellen Mittel investiert. Darüber hinaus sind hier mit 228 Akteuren die meisten Unternehmen aktiv. Eine Analyse zum Ursprung der Investitionen zeigt, dass vor allem private Investoren aktiv sind. Der weltweit größte Anteil entfällt dabei nach wie vor auf US-Unternehmen, gefolgt von Großbritannien (17 %) und Kanada (14 %). Ziel der Investitionen sind vorrangig etablierte Start-ups. Was den Einsatz öffentlicher Mittel betrifft, übertrifft China alle anderen Länder. Die angekündigten Investitionen der Volksrepublik betragen mehr als das Doppelte der Investitionen der Regierungen der Europäischen Union (15,3 Milliarden US-Dollar gegenüber 7,2 Milliarden US-Dollar) und achtmal mehr als die Investitionen der US-Regierung (1,9 Milliarden US-Dollar). Innerhalb der EU entfällt der größte Teil der angekündigten öffentlichen Mittel für die Entwicklung von Quantentechnologien auf Deutschland (41 %), gefolgt von Frankreich (29 %).

Schnelligkeit, Sicherheit und Genauigkeit

Der mit der Technologie verbundene Reiz ist zum einen deren Schnelligkeit: Quantencomputer versprechen in Zukunft exponentiell schneller zu sein als aktuelle Großrechner oder Server. Doch dies ist nicht der einzige Vorteil. Während Quantenkommunikation im Kern eine sicherere Übertragung von Quanteninformationen verspricht, handelt es sich bei Quantum Sensing um eine neue Generation von Sensoren. Diese können Messungen verschiedener Größen – zum Beispiel Schwerkraft, Zeit, Elektromagnetismus – durchführen und sensibler messen als klassische Sensoren, heißt es von Seiten der Unternehmensberatung.

Buchtipp

Cover Chancen und Risiken von QuantentechnologienIn diesem Buch teilen führende Vertreter aus Industrie und Forschung ihre Erfahrungen und Empfehlungen zur wirtschaftlichen Nutzbarmachung der Quantentechnologien. Verständlich geschrieben erklären sie, was Quantentechnologie ist, beleuchten aktuelle industrielle Anwendungen und ordnen die Herausforderungen für eine wirtschaftliche Nutzung ein. Alissa Wilms, Florian Neukart (Hrsg.): Chancen und Risiken von Quantentechnologien. Springer Gabler 2022, 54,99 Euro
Laut den Analysten werden die ersten Profiteure der rasanten Quantentechnologie- Entwicklung voraussichtlich die Pharma-, Chemie-, Automobil- und Finanzindustrie sein. Im Jahr 2035 könnten diese Branchen Wertschöpfungspotenziale in Höhe von fast 700 Milliarden US-Dollar erzielen. Langfristig würden Quantentechnologien für Finanzdienstleistungen und Biowissenschaften die wertvollsten Anwendungsfälle entwickeln. „Quantentechnologien haben das Potenzial, einige der schwierigsten globalen Herausforderungen zu lösen – von der bahnbrechenden Verkürzung der Arzneimittelentwicklungszeiten bis zur Begrenzung der globalen Erwärmung“, sagt Niko Mohr, Partner im Düsseldorf Büro von McKinsey und globaler Leiter des Bereichs für Quantentechnologien. Das Capgemini Research Institute hat in seiner Studie „Quantum technologies: How to prepare your organization for a quantum advantage now“ ermittelt, dass weltweit fast jedes vierte Unternehmen an der Nutzung von Quantentechnologien arbeitet oder plant, dies zu tun. Die Firmen rechnen mit mindestens einer größeren kommerziellen Anwendung innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre.

Herausforderung Talentsuche

Doch um diese Potenziale zu heben, braucht es die dafür ausgebildeten Expert*innen. Allerdings offenbaren die Analysen von McKinsey eine erhebliche Talentlücke. Demnach würden die universitären Kapazitäten nur etwa einem Drittel der derzeitigen Nachfrage entsprechen: Im Dezember 2021 habe es weltweit 851 offene Stellen für Quanten- Jobs gegeben, denen jedoch nur rund 290 jährliche Hochschulabsolvent* innen gegenüberstehen, die für diese Stellen infrage kommen könnten. Dabei verfüge die EU im globalen Vergleich derzeit noch über die höchste Konzentration von Quantentechnologie- Talenten. Hier kommen laut der Analyse 231 Talente auf eine Millionen Einwohner. In Großbritannien liege der Wert bei 169, in den Vereinigten Staaten bei 126 und in China bei 33. Die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot könnte nach Einschätzung des Beratungshauses potenziell durch Weiterbildungsprogramme geschlossen werden. So gebe es rund 350.000 Absolvent* innen aus Studiengängen wie Biochemie, Chemie, Elektronik und Chemieingenieurwesen, Informations- und Kommunikationstechnologie, Mathematik, Statistik und Physik, die über Wissen verfügen, das gezielt weiterentwickelt werden könnte. „Wenn wir in Deutschland und Europa Technologieführerschaft erlangen wollen, müssen wir eine Kultur geschaffen, die rasche technologische Fortschritte und den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Talentpools begünstigt. Diese Kultur muss durch das öffentliche Bildungssystem und Weiterbildungsmaßnahmen von Unternehmen vollumfassend gestützt werden“, sagt Niko Mohr. Wie wichtig eine solche Kultur ist, betonte auch Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder im Rahmen der Ergebnis-Veröffentlichung einer repräsentativen Befragung von Unternehmen aller Branchen zum Einsatz von Quantencomputern: „Quanten Computing ist eine der wichtigsten Grundlagentechnologien. Nachdem Deutschland in der traditionellen IT den Anschluss an die USA und China verloren hatte, bietet Quanten Computing die Chance auf einen echten Neuanfang. In der Quantentechnologie sind alle wieder zurück auf Start, und diese einmalige Chance muss Deutschland nutzen.“

Quantencomputer: Funktionsweise und Anwendungen

Telegramm – Neues aus der Welt der Nachhaltigkeit

Lebensmittel drucken

Foto: Fotolia/Panuwat
Foto: Fotolia/Panuwat
Jährlich landen rund ein Drittel aller produzierten Lebensmittel auf dem Müll. Dagegen will die niederländische Industriedesignerin und Lebensmitteltechnologin Elzelinde van Doleweerd vorgehen. Sie hat einen 3D-Drucker entwickelt, mit dem aus Lebensmittelresten neue Produkte zum Verzehr entstehen. Altes Brot, Gemüse, Schalen oder gekochter Reis werden zu einer Masse verarbeitet. Der 3D-Drucker macht daraus, zusammen mit Kräutern und Gewürzen, neues ansehnliches Essen. Elzelinde van Doleweerd berät mit ihrem Start-up Upprinting Food Restaurantmanager und Köche, welche Lebensmittelabfälle in ihrer Küche wiederaufbereitet werden können.

Hanfleder statt Tierleder

Foto: Fotolia/Satoshi Kikyo
Foto: Fotolia/Satoshi Kikyo
Wer kein Leder will, greift oft zu Kunstleder. Dies besteht allerdings aus Plastik und ist daher schädlich für die Umwelt. Das Darmstädter Start-up Revoltec, eine Ausgründung der TU Darmstadt, hat nun eine Alternative entwickelt: Lovr sieht aus wie Leder, fühlt sich an wie Leder, wird aber aus übriggebliebenen Materialien aus der Hanfproduktion hergestellt. Es ist recycelbar und biologisch abbaubar. Lovr ist die Abkürzung für „lederähnlich, ohne Plastik, vegan, reststoffbasiert“. Noch ist das Produkt nicht auf dem Markt. Die Gründer planen derzeit den Schritt vom Labor in die Industrie.

Mineralölfreie Hydraulikflüssigkeiten

Foto: Fotolia/Skiffcha
Foto: Fotolia/Skiffcha
Die Stahl-, Aluminium- und Kupferindustrie setzt häufig Hydraulikanlagen ein, die mit umweltschädlichem Hydrauliköl laufen. Der Kamener Mittelständler„Fluid Competence“ hat eine umweltfreundliche Alternative entwickelt: Seine mineralölfreien Hydraulikflüssigkeiten sind in 28 Tagen bis zu 99 Prozent biologisch abgebaut. Die Mischung der Flüssigkeiten ist ein Betriebsgeheimnis, Wasser und Polymere sind auf jeden Fall enthalten. Die neuen Hydraulikflüssigkeiten sind auch besser für die Maschinen, so dass sie länger wartungsfrei laufen. Auch das belastet die Umwelt weniger.

Whisky im Tank

Foto: Fotolia/Iryna
Foto: Fotolia/Iryna
Die schottische Whiskybrennerei Glenfiddich nutzt seit einiger Zeit Destillerie-Abfälle als Treibstoff für ihre Lkw. Das Getreide, das im Mälzprozess übrigbleibt, wird zur Herstellung von Kraftstoff verwendet. Die Brennerei hat bereits drei Lkw umgerüstet. Sie fahren nun statt mit Flüssigerdgas mit dem auf Whiskyabfällen basierenden Biogas. Die gesamte schottische Whisky- Industrie will bis 2040 emissionsfrei werden.

Greenwashing: Grüne Werbelügen

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So manche Nachhaltigkeitsversprechen, die Hersteller geben, entpuppen sich als leere Worthülsen. „Greenwashing“ nennt es sich, wenn Unternehmen sich selber „grüner“ darstellen, als sie wirklich sind. IT-Ingenieur Dominik Sothmann, Gründer der Flip GmbH, beschreibt in einem Gastbeitrag, wie man Greenwashing erkennt und was man dagegen tun kann.

Fünf Arten von Greenwashing-Methoden – oder Kombinationen daraus – sind bekannt:
  1. Produkte werden als umweltfreundlich oder nachhaltig beworben, ohne dass es Belege dafür gibt. Es ist also einfach eine Behauptung.
  2. Unternehmen entwerfen eigene Öko-Siegel, deren Kriterien sie selber festlegen.
  3. Es werden leere, häufig übergroße Versprechungen für die Zukunft gemacht. Einen Plan zur Erreichung dieser Ziele gibt es aber häufig nicht.
  4. Ein Produkt wird im Ganzen als nachhaltig beworben, obwohl nur ein Teilaspekt davon nachhaltig ist.
  5. Es werden Probleme – und oft Lösungen dafür – dargestellt, die es gar nicht gibt, weil es dagegen bereits Gesetze gibt.
Ein frühes Beispiel für Greenwashing ist der Ökostrom: Die ersten Angebote nach der Liberalisierung des Strommarktes wurden in der Branche noch belächelt. Doch irgendwann erkannten die Energieunternehmen, dass es viele Menschen gibt, denen ökologische Stromprodukte wichtig sind. Auf einmal schossen neue grüne Marken wie Pilze aus dem Boden. Schon damals hatten die Verbraucher*innen das Nachsehen. Denn ob es sich bei dem angebotenen Ökostrom um Marken großer Ölkonzerne handelte, die nun nicht gerade Vorreiter in Sachen Ökologie sind, oder nicht, war in der Außendarstellung meistens nicht zu erkennen. Warum handeln Hersteller oft so intransparent gegenüber ihren Kund*innen und machen falsche Aussagen? Der Nachhaltigkeitsmarkt ist keine kleine Nische mehr, sondern ein sehr relevanter Markt, der stetig wächst. Das haben auch Unternehmen erkannt und versuchen, mit nachhaltigen Versprechen neue Zielgruppen zu erreichen. Einigen Unternehmen ist es dabei ziemlich egal, dass hinter Nachhaltigkeit mehr als ein wirtschaftlich attraktiver Markt steht.
Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten.
Das Problem beim Greenwashing: Die Konsument*innen werden hinters Licht geführt und belogen. Es ist nahezu unmöglich, als Verbraucher*in selber festzustellen, ob man hereingelegt wird oder nicht. Das ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass es Millionen von Verbraucher*innen in Deutschland gibt, die bewusst mit ihrem Konsum zu mehr Nachhaltigkeit beitragen wollen. Wenn sie auf Greenwashing hereinfallen, bewirken sie genau das Gegenteil von dem, was sie beabsichtigen. Zudem leiden auch die wirklich nachhaltigen Unternehmen darunter, denn sie können sich bei der Außendarstellung ihrer Lösungen wenig von den Greenwashing- Unternehmen differenzieren. Greenwashing schadet also der Green Economy im Ganzen. Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten. Es muss also auf verschiedenen Ebenen etwas passieren, um dagegen anzugehen. Die EU-Kommission will beispielsweise eine Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken ändern und Greenwashing auf eine sogenannte schwarze Liste setzen. Auf deren Basis könnten Verbraucher*innen grüne Werbelügen anzeigen.

Verdachtsfälle einreichen

Wir haben die Firma Flip gegründet, um Greenwashing aktiv zu entlarven und „echten“ grünen Lösungen zusätzliche Sichtbarkeit zu geben. Dazu recherchieren für uns Journalist* innen investigativ, in Einzelfällen teilweise über Wochen. Die Ergebnisse veröffentlichen wir kostenlos auf unserer Website www.letsflip.de und auf Instagram. Verbraucher*innen können auch Verdachtsfälle oder Recherchewünsche an uns senden. Unser Ziel ist, Konsumgelder an die Stellen umzuleiten, an denen sie wirklich eine positive Auswirkung haben. So schwächen wir die Trittbrettfahrer und stärken echte Überzeugungstäter im Nachhaltigkeitsmarkt. Neben unseren Recherchen, die für Transparenz und Aufklärung sorgen, arbeiten wir derzeit an einem E-Commerce- Marktplatz mit Greenwashing- Filter. So stellen wir sicher, dass jeder bei uns greenwashing-frei einkaufen kann. Darüber hinaus wollen wir in unserem Shop erklären, was die spezifischen Herausforderungen bei der Produktion innerhalb jeder Branche sind und wie die jeweiligen Anbieter damit bei ihren Produkten umgehen. Außerdem haben wir das Sneaker- Experiment (www.sneaker-experiment. de) als Fortsetzung unserer Sneakerjagd gestartet. Mit der Sneakerjagd hatten wir Ende 2021 rund 10 Millionen Menschen erreicht. Wir haben alte Sneaker von Prominenten mit GPS-Trackern verwanzt und auf verschiedenen Wegen entsorgt. Die getrackten Sneaker führten uns unter anderem bis auf illegale Mülldeponien in Kenia. Wir konnten damit zeigen, dass alte Sneaker oft in Afrika die Umwelt vermüllen und die großen Hersteller sich um das Problem nicht kümmern. Jetzt im Sneaker-Experiment gehen wir der Frage nach: Kann man einen Schuh entwickeln, der dabei hilft, dieses Müllproblem zu lösen? Geplant ist dafür, ein Crowdfunding zu starten, nachdem wir mit unseren Projektpartnern die Machbarkeit sichergestellt haben.

Tipp des Greenwashing-Experten:

Was können angehende Ingenieur*innen tun, um Greenwashing beim eigenen Arbeitgeber zu erkennen? Grundsätzlich sollte man immer kritisch nachfragen und prüfen, ob Kernaussagen des Unternehmens zum Thema Nachhaltigkeit auch gelebt werden oder einfach nur Worthülsen sind, die modern klingen. Bei Letzterem sollte man stutzig werden und für sich persönlich abwägen, wie man damit umgeht.

Von Menschen für Menschen

Was machen eigentlich Medizintechniker*innen? Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft von der TU Berlin und bei der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik im Fachausschuss „Aus- und Weiterbildung – Biomedizinische Technik im Studium“ gibt einen Überblick über die Einsatzbereiche und Aufgaben.

Für die Medizintechnik gibt es keine technisch definierte Abgrenzung des Fachgebietes, denn jede Technologie, die einen Nutzen in der Medizin hat, kann zur Medizintechnik werden. In der Entwicklung medizintechnischer Geräte sind neben den Medizintechnikingenieur* innen Ingenieur*innen der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Automatisierungs-, Regelungs- und Verfahrenstechnik, aber auch Absolvent*innen aus Informatik und Naturwissenschaft wie Physik, Biologie, Chemie und natürlich Medizin beschäftigt. Sie setzen sich gemeinsam und interdisziplinär mit spannenden Problemen an der Grenze ihrer jeweiligen Fachgebiete auseinander. Eine besondere Herausforderung ist dabei die direkte Wechselwirkung technischer Geräte mit dem menschlichen Körper, der als lebendes System über eine eigene „Regelung“ verfügt und auf jeden Eingriff reagiert. Es müssen also beabsichtigte Effekte erreicht, aber auch unerwünschte Reaktionen auf technische Eingriffe vermieden werden. Das Fachgebiet der Medizintechnik ist ungeheuer breit. Es reicht von einfachen Medizinprodukten wie chirurgischen Scheren und Skalpellen über komplexe Instrumente für minimal invasive Operationen, Gelenkimplantate, Herzschrittmacher, Herzklappenprothesen, Blutdruckmessgeräte, Dialysemaschinen, Operationstische, Beatmungs- und Narkosegeräte, Orthesen, Rollstühle, Gliedmaßenprothesen und Laborgeräte zur Blutuntersuchung bis zu diagnostisch eingesetzten Großgeräten wie Computer- und Magnetresonanztomographen. Die Digitalisierung verändert die Medizintechnik zunehmend. Systeme werden vernetzt, Daten zusammengeführt, auch um Algorithmen der künstlichen Intelligenz anzuwenden.

Erfolgreiche Branchenentwicklung

Die Medizintechnik entwickelt sich rasant weiter. Sie erlaubt immer frühere und sicherere Diagnosen, die eine erfolgreichere Behandlung bewirken. Technische Geräte und Instrumente ermöglichen zunehmend Eingriffe mit immer geringerer Belastung der Patient* innen. Die Unterstützung der Rehabilitation mit technischen Hilfsmitteln führt zu einer früheren und besseren Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen in ihr familiäres und berufliches Umfeld. Als Ergebnis werden Menschen immer älter, haben aber leider in höheren Lebensjahren auch einen steigenden Behandlungsbedarf. So macht sich die technisch unterstützte Medizin im Interesse eines möglichst langen und gesunden Lebens selbst immer notwendiger. Dies ist neben der Innovationskraft der Branche ein wesentlicher Grund für die überaus erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung der Medizintechnik.

Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik

Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE (VDE DGBMT) ist die größte wissenschaftlich-technische Fachgesellschaft der Medizintechnik in Deutschland. Sie wurde 1961 in Frankfurt am Main gegründet. Die DGBMT im VDE vernetzt Expert*innen aus allen Bereichen der Technikanwendungen in Biologie und Medizin. Mit rund 2000 Mitgliedern und 23 Fachgremien deckt sie das gesamte Themenspektrum der biomedizinischen Technik ab.
Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT) im VDE ergab, dass der Anteil der Ingenieur*innen in der Medizintechnikindustrie mit Abschlüssen in der (Bio-)Medizintechnik in Unternehmen bis 100 Mitarbeitende bei 39 Prozent beziehungsweise in größeren Unternehmen bei 21 Prozent auf Rang eins lag. Es werden eher Generalisten als Spezialisten gebraucht. Sie sind in der Industrie hauptsächlich in der Forschung und Entwicklung, im Qualitätsmanagement und anwendungsorientierten Produktmanagement tätig.

Wichtigste Tätigkeitsbereiche

In Kliniken ergab sich, verglichen mit den Unternehmen, ein völlig anderes Bild. Hier lagen die wichtigsten Tätigkeitsbereiche der Ingenieur*innen in der Krankenhausbetriebstechnik und Medizintechnik (45,7 Prozent) und im Bereich medizinische Informationssysteme/ Informationstechnik (30,1 Prozent). 54 Prozent sind Absolvent*innen von (Bio-) Medizintechnikstudiengängen, 12,9 Prozent von Informatikstudiengängen, 11,1 Prozent von Elektrotechnik-/Informationstechnikstudiengängen und 10,1 Prozent von Maschinenbaustudiengängen. Ein weiterer Frageblock der DGBMT-Umfrage betraf die Kriterien, nach denen über die Eignung eines neu einzustellenden Mitarbeitenden für eine Ingenieurstelle in der Medizintechnikbranche entschieden wird. Erwartungsgemäß steht in der Klinik und in den Unternehmen der Studiengang beziehungsweise die Studienrichtung an erster Stelle. Praktika werden bei beiden Arbeitgebern sehr gern gesehen. Der Notenspiegel ist in den Unternehmen wichtiger als in der Klinik. Als eher unwichtig wurden die Bildungseinrichtung und der Grad des Abschlusses eingestuft. Auch die Studiendauer spielt eine sehr untergeordnete Rolle. Unter den Kriterien bei der Einstellung steht an erster Stelle der persönliche Eindruck, gefolgt von der Beherrschung von Softskills und Sprachkenntnissen. Zusammenfassend kann die Medizintechnik, die von Menschen für Menschen entwickelt wird, als besonders spannende und zukunftssichere Ingenieurdisziplin eingestuft werden. Auch Absolvent*innen anderer Ingenieurstudiengänge können hier ein Tätigkeitsfeld finden, für das sie sich begeistern können. Neben einer guten Bezahlung und einem sicheren Arbeitsplatz motivieren das Privileg und das Glücksgefühl, Gutes zu tun.

Ingenieurmangel hemmt Energiewende

Die sinkenden Zahlen der Absolvent*innen vor allem in der Elektrotechnik machen der Energiebranche Sorgen. Von Sabine Olschner

Auf der Hannover Messe im Mai diesen Jahres gaben die Technologieorganisation VDE, der GreenTEC Campus und der Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastrukturen (BSKI) bekannt, dass die komplette Energiewende – also die Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien – innerhalb von wenigen Jahren möglich sei. Voraussetzung: Es finden sich genügend Investoren und Fachkräfte. An Ersterem zweifeln VDE, GreenTEC Campus und BSKI nicht, an Letzterem schon. Um die Energiewende in Gänze zu vollziehen, bedarf es dringend Fachkräfte im Bereich Energietechnik, IT, Maschinenbau und Informatik. Während die Informatik aufgrund „hipper Themen“ wie Künstliche Intelligenz oder Big Data immer größeren Zulauf erhält, sinken die Zahlen in der Elektrotechnik und im Maschinenbau. Vor allem in der Elektrotechnik nimmt die Kluft zwischen der erfolgreichen Ausbildung von Studierenden und dem steigenden Bedarf dramatische Ausmaße an. Zu diesem Ergebnis kommt die VDE Studie „Arbeitsmarkt 2022“. Fakt ist, dass analog zum Trend des software-driven engineering der Anteil der Hardware als wichtiger integraler Bestandteil wächst. Software arbeitet ohne Highend-Hardware nicht. Es brauche einen Imagewechsel in der Elektrotechnik, so die VDE-Studie, um mehr Schülerinnen und Schüler für ein Studium zu ermuntern. Gleichzeitig muss die Mathekompetenz in den Gymnasien gesteigert werden, die Abbruchquote sei mit über 50 Prozent in der Elektrotechnik zu hoch. Fachkräftemangel ist auch aus einem anderen Grund problematisch: Mit der Energiewende steigt der Digitalisierungsgrad. Mit der größer werdenden Anzahl dezentraler Strukturen nimmt damit auch die Gefahr für Disruptionen zu. Vor allem Windparks bieten Hackern Angriffsfläche. Gibt es zu wenig Fachkräfte, steigt die Gefahr der Cyberangriffe, die zum Beispiel ganze Windparks außer Betrieb setzen und als Folge zu Blackouts führen. Vor allem Kommunen seien kritische Infrastrukturen, sagen die drei Organisationen, da sie für die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung zuständig sind, inklusive Krankenhäuser, Wasser- und Stadtwerke. Hier müsse innerhalb der Kommunen ein Sicherheitsnetzwerk aufgebaut werden, um eine zentralisierte Abwehrstrategie zu entwickeln. Und dafür bedarf es Personal. Um die regionale und lokale Energieversorgung zusätzlich zu schützen und Investoren sowie Versicherern Sicherheit zu geben, legen VDE, die Unternehmen der Energiewirtschaft und das Bundeswirtschaftsministerium derzeit die technischen Eckpunkte und die daraus resultierenden Standards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik fest.

Katrin Bartel, Projektleiterin bei Ladegrün!

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Hi, ich bin Katrin. Am liebsten gehe ich vor der Arbeit eine Runde joggen, wenn ich nicht meine Tochter zur Kita bringe oder eine Yogastunde unterrichte. Ich habe in Aachen, Indien und Berlin Maschinenbau und Verfahrenstechnik studiert und plane seit meinem Jobeinstieg Ladeinfrastrukturen für Elektroautos. Heute bin ich bei einem Traumarbeitgeber, in einem coolen Team mit viel Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum. Später will ich auf einem Roadtrip durch Deutschland mit einem eigenen Elektroauto nur noch bei Ladegrün!-Ladestationen laden. Aufgezeichnet von Sabine Olschner

Während meines Bachelorstudiums Maschinenbau mit Vertiefung Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen hatte ich noch gar nichts mit Elektromobilität zu tun. Erst bei meiner Masterarbeit an der Technischen Universität Berlin über die dezentrale Stromversorgung in Japan kam ich mit dem Thema in Kontakt. Ich lernte die Geschäftsführerin des Reiner Lemoine Instituts in Berlin kennen, das zu Erneuerbaren Energien forscht. Das Institut suchte jemanden, der Elektromobilitätskonzepte für Kommunen erstellt, also habe ich mich nach dem Abschluss meines Masterstudiums dort beworben. Ich habe für Städte, Kommunen und Unternehmen Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge geplant. Nach ein paar Jahren gründeten wir aus dem Institut heraus die Spin-off Localiser RLI GmbH, die die Ladeinfrastrukturplanung automatisiert. Die Anfänge des Unternehmens liefen allerdings schleppend, sodass ich während meiner Elternzeit meinen Job verlor. Ich musste mich also nach einer Alternative umsehen und landete im Verkehrsministerium. Auch hier beschäftigte ich mich mit Ladeinfrastruktur, begleitete Förderprogramme und setzte neue auf. Auch wenn die Arbeit interessant war, fühlte ich mich im ministerialen Arbeitsumfeld nicht wohl und wollte wieder zurück zu mehr ingenieurtechnischen Inhalten. Ich lehnte die Verbeamtung ab und kündigte ohne neuen Arbeitsvertrag. Zum Glück, denn sonst wäre ich nicht bei Ladegrün! gelandet, einer Genossenschaft, die 2021 erste Mitarbeitende suchte. Ladegrün! wurde von den drei Ökostromanbietern Naturstrom, EWS Elektrizitätswerke Schönau und Green Planet Energy, ehemals Greenpeace Energy, gegründet. Ziel ist es, zertifizierten Ökostrom an Ladesäulen anzubieten – in Unternehmen, Parkhäusern, Wohnkomplexen und im öffentlichen Raum auf Parkflächen, in außerstädtischen Lade-Hubs oder direkt am Straßenrand als bedarfsgerechte Lösung für Städte und Kommunen. Mittlerweile sind wir rund 20 Mitarbeitende, und ich habe im September die Teamleitung für das Projektmanagement übernommen.

Neues aus der Elektromobilität

Katrin Bartels Tipps für alle, die sich für Elektromobilität interessieren: Der E-Mobility -Podcast CleanElectric. Es geht dort um strombetriebene Fahrund Flugzeuge, Ladeinfrastrukturen und -technologien – aktuelle wie zukünftige.   Der tägliche Newsletter von electrive.net, dem Branchendienst für Elektromobilität in Europa und darüber hinaus.
Da wir alle remote arbeiten, treffen wir uns jeden Morgen 15 Minuten online, um uns gegenseitig abzuholen. Ansonsten bin ich als Projektmanagerin vor Ort oder digital im Austausch mit den Kund*innen und Dienstleistern zur Besprechung der notwendigen Schritte beim Ladestationsaufbau. Lange Zeit lag auch der Vertrieb und die Kundenberatung beim Projektmanagement, was nun vom Vertriebsteam übernommen wird. Wird ein Projekt umgesetzt, kaufen wir die Hardware ein und koordinieren die Dienstleister. Als Projektmanagerin bin ich häufig, zusammen mit den Elektrofachkräften und Tiefbauunternehmen, auf Baustellen zu finden. Zu den größten Herausforderungen meines Jobs gehören auf alle Fälle lange Lieferzeiten bei der Hardware und lange Wartezeiten bei Genehmigungsprozessen oder Fördermittelvergaben. Außerdem macht uns die Knappheit der Fachkräfte für die Baustellen zu schaffen. Das Maschinenbaustudium vermittelte mir für den Arbeitsbereich Elektromobilität rückblickend die Grundlagen im technischen Verständnis, analytischen und prozessorientierten Denken sowie im Bereich der Elektrotechnik. Ich habe ein paar Weiterbildungen gemacht und das meiste durch Learning-by-doing bei der Projektarbeit gelernt. Für das Verständnis unserer Branche hilft es auf jeden Fall, selber Elektroauto zu fahren und Ladestationen in der Praxis auszutesten. Über verschiedene Online-Angebote (siehe links) kann man gut den Markt beobachten und ein Gefühl dafür bekommen, was gerade wichtig ist. Wer ebenfalls im Bereich Elektromobilität arbeiten will, sollte grundsätzlich Interesse an dem Thema haben. Wie an meinem Lebenslauf zu sehen ist, muss man nicht unbedingt Elektrotechnik studiert haben. Auch meine Kolleg*innen haben die unterschiedlichsten Studienhintergründe. Mich hat die Motivation, etwas zu verändern, zur Elektromobilität geführt. Ich kann an neuen Entwicklungen mitarbeiten und schätze die Vielfalt, die das Thema mit sich bringt. Der Markt ist enorm dynamisch, und ich finde es spannend zu sehen, wie sich die Ladeinfrastrukturlandschaft entwickelt. Es macht Spaß, aus ingenieurtechnischer und umweltfreundlicher Sicht sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Denn auch das gehört zum spannenden Thema der Elektromobilität: Elektrisch fahren ist erst dann richtig nachhaltig, wenn der geladene Strom aus erneuerbaren Energien stammt.  

Interview mit Marc Andre Schüler: Von der Sonne geladen

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Fahrzeuge, die autark mit Solarenergie fahren: Vision oder bereits Wirklichkeit? Marc Andre Schüler, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Modultechnologie für fahrzeugintegrierte Photovoltaik am Fraunhofer- Institut für Solare Energiesysteme ISE, berichtet über den Stand der Dinge. Die Fragen stellte Sabine Olschner

Marc Andre Schüler, Foto: Conny Ehm
Gibt es bereits Autos, die mit Hilfe einer eigenen Photovoltaik-Anlage fahren? Toyota und Hyundai produzieren bereits Serienfahrzeuge, bei denen Solardächer optional verfügbar sind. Diese erbringen aber bisher nur eine relativ geringe Leistung im Bereich zwischen 200 und 300 Watt. Auch der Prototyp „Vision EQXX“ von Mercedes besitzt ein Solardach. Die Energie wird in der Batterie zwischengespeichert und kann auch zum Antrieb genutzt werden, wird aber in der Realität eher für zusätzliche Aggregate verwendet, etwa zur Kühlung. Des Weiteren hat das Start-up Lightyear kürzlich den „Lightyear 0“ vorgestellt, der nächstes Jahr vom Band laufen soll. Auch Sono Motors hat ein Modell entwickelt, den „Sion“. Beide Fahrzeuge haben Solarmodule in der kompletten Außenhaut des Fahrzeugs, nicht nur auf dem Dach. Dadurch können sie mehr Leistung generieren. Es gibt also bereits erste Autos mit fahrzeugintegrierter Photovoltaik. Sind die Techniken vergleichbar? Der Unterschied liegt vor allem in der Solarzelltechnologie. Lightyear benutzt zum Beispiel rückkontaktierte Zellen, auch IBC-Zellen genannt, die zwar teuer, aber sehr effizient sind und einen hohen Solarertrag generieren. Beim Hyundai Sonata werden monokristalline Solarzellen, der heutige Stand der Technik, verarbeitet. Diese sind weniger effizient, aber dafür günstiger und weniger aufwendig in der Produktion. Ein weiterer Unterschied besteht in der Einkapselung der Zellen: Man kann sie zum Beispiel in ein Glaspanoramadach integrieren. Das Glas schützt die Zellen sehr gut vor Feuchtigkeit, UV-Strahlung und mechanischen Einflüssen. Sono Motors setzt auf leichtere Materialien und kapselt die Zellen in Polycarbonat ein. Eine Herausforderung ist hier die thermische Ausdehnung, woran unter anderem auch unser Institut in Kooperation forscht. Wenn wir hier erfolgreich sind, hat diese Lösung einen hohen Rückgewinnungswert. Lightyear verwendet ein Dünnglas zum Verkapseln. Das ist deutlich leichter als ein Standardglas, muss aber mechanisch stabilisiert werden. Darüber hinaus gibt es Unterschiede in der elektrischen Anbindung: Für Lkw oder Busse nutzen manche Start-ups semiflexible Solarmodule, die sich auf die Außenhaut des Fahrzeugs aufkleben lassen und die 12-Volt-Batterie speisen. Daraus kann zum Beispiel das Bordsystem betrieben werden, was auch die Lichtmaschine schont und den Dieselverbrauch senkt. Fahrzeuge wie der Lightyear 0 oder der Sion hingegen möchten die Energie auch zum Fahren nutzen und müssen sie daher in das Hochvoltsystem des Fahrzeugs einspeisen. Das heißt: Allein mit Solartechnik lässt sich ein Auto bislang nicht fahren? Für die meisten genannten Beispiele ist das richtig. Lightyear nutzt ein Photovol taik-System, das bereits einen Großteil der Energie für den Antrieb liefert. Auch das US-amerikanische Unternehmen Aptera hat ein sehr effizientes Fahrzeug entwickelt, das einen Großteil der benötigten Energie aus Solarzellen generiert. Natürlich unterscheidet sich die Leistung je nach Jahreszeit, im Winter muss bei allen Fahrzeugen der Elektromotor hinzugeschaltet werden. Auch an unserem Institut haben wir das Dach eines 18-Tonnen-Lkws mit einer PV-Anlage versehen. Über das Jahr gesehen spart man da auf jeden Fall eine ganze Menge Kilowattstunden an Ladeleistung ein. Wie wird sich die fahrzeugintegrierte Photovoltaik Ihrer Ansicht nach weiterentwickeln? Einige Autohersteller forschen derzeit zum Thema „Bidirektionales Laden“. Hier kann ein Elektrofahrzeug mit einer großen Hochvolt-Batterie dazu genutzt werden, als Energiespeicher das Netz zu stabilisieren. Über die Wallbox kann das Fahrzeug dann mit Energie be- oder entladen werden. Solch ein bidirektionales Ladesystem kann mit einem fahrzeugintegrierten Photovoltaik-System ergänzt werden. Ein weiterer Zukunftsausblick: Statt monokristalline Lithium-Zellen zu nutzen, könnte man Tandem-Technologien einsetzen, die zwei oder mehr Teilbereiche des Lichtspektrums einfangen. Solche Technologien sind allerdings noch nicht marktreif, auch das Fraunhofer ISE forscht noch daran. Sollten sie sich durchsetzen, könnte man auf kleinerer Fläche mehr Energie generieren und Solarmodule verstärkt auch auf Autos einsetzen. Wo liegen die größten Herausforderungen? Zum einen ist die Politik gefragt. Wird es in Zukunft Vergünstigungen für Solar Electric Vehicles, kurz SEV, geben? Zum anderen sind die Steuerkreise der einzel nen Automobilhersteller unterschiedlich. Das bringt Probleme für die einzelnen Photovoltaik-Ausstatter, die ihre Leistung auf die Batterie speisen wollen. Hier müssten die Steuerkreise standardisiert werden, damit dies flächendeckend funktioniert. Große OEM sind auf jeden Fall interessiert an dem Thema. Bei den oben genannten Tandem-Technologien braucht es noch Forschung auf der Materialebene, um die Langlebigkeit des Systems zu gewährleisten. Welche Art von Ingenieur*innen braucht es, um die Technologien weiterzuentwickeln? Die unterschiedlichsten Fachrichtungen sind gefragt. Auch am ISE sind wir sehr interdisziplinär aufgestellt, von Biologie und Chemie bis zu Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik. Wer sich auf erneuerbare Energien und regenerative Energiesysteme spezialisiert hat, ist ebenfalls nah am Thema. Woran forscht das ISE derzeit auf diesem Gebiet? Unter anderem führen wir Fahrzeuganalysen für Automobilhersteller durch. Anhand der Fahrzeuggeometrie können wir die Leistungen von integrierten Photovoltaik- Anlagen berechnen. Intern forschen wir daran, Photovoltaik-Module für diesen Bereich immer leichter und effizienter zu gestalten. Wären die solarbetriebenen Fahrzeuge die Lösung für alle Mobilitätsprobleme? Ich denke, dass wir künftig neu denken müssen. Warum sollten Fahrzeuge, die die meiste Zeit ungenutzt herumstehen, nicht dazu beitragen, unser Energiesystem zu unterstützen? Der Ansatz des bidirektionalen Ladens ist also ein spannendes Thema, das wir weiterverfolgen sollten. Um CO2 zu reduzieren, braucht es aber noch viel mehr Sharing-Konzepte für den Individualverkehr. Im Nutzfahrzeugsektor und im öffentlichen Verkehr kann fahrzeugintegrierte Photovoltaik einen Beitrag dazu leisten, CO2 zu reduzieren. Dabei steht fahrzeugintegrierte Photovoltaik nicht im Wettbewerb zu anderen Anwendungen, sondern ist als Ergänzung zu sehen.

Ideen-Coaching: Kultur-, Buch- und Linktipps

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Graffiti mit Hochdruckreiniger

Foto: Bernd Nörig
Foto: Bernd Nörig
„Umgekehrte Graffiti“ nennt sich die Kunst von Klaus Dauven aus Kreuzau in der Eifel. Statt Wände mit Farbe zu besprühen, bearbeitet er sie mit Hochdruckreinigern. Mit Hilfe der Geräte zeichnet Dauven scherenschnittartige Motive in vorher schmutzige Oberflächen – zum Beispiel auf Staumauern, Brücken oder Wände. Der Künstler gilt als Pionier der „Reverse Graffiti“. Sein neues und bislang größtes Werk ist ein Waldmotiv auf einer Staumauer im französischen Vouglans. Er und sein achtköpfiges Team setzten 2500 Lasermesspunkte, bevor sie mit der Arbeit beginnen konnten. Manche Werke bleiben mehrere Jahre bestehen, andere verschwinden schnell wieder unter neuem Schmutz und Patina.

Upcycling in Schulen

Zwölf junge Menschen (und ein Hund) haben sich als Save Nature Group zusammengetan und das Kunststoff-Recycling-Mobil ins Leben gerufen. Die Pädagog*innen und Ingenieur*innen der Thüringer Naturschutzorganisation gehen in Schulen, um den Teilnehmenden mit ihrer mobilen Recyclingsmaschine auf interaktive Weise einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoff und unserer Umwelt nahezubringen. Die Schüler*innen lernen Verfahren zum Recycling und zur Mülltrennung kennen und Kunststoffe zu unterscheiden. Anschließend sammeln alle gemeinsam Müll auf dem Schulhof und gestalten daraus Neues – ganz im Sinne des Upcycling.

Karrieremythen entlarvt

Cover Eines TagesDer Chef ist ein mieser Typ, das Unternehmen rücksichtslos, und für eine Beförderung braucht man das „richtige“ Vitamin B. Ist das wirklich so? Diese und andere Karrieremythen entlarven die Topmanagement-Beraterinnen Dorothea Assig und Dorothee Echter in ihrem neuen Buch „Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!“. Sie haben zahlreiche Menschen dabei unterstützt, die Ursachen für ihren Karrierestillstand zu finden. Meistens haben sich kleine Rückschläge zu handfesten Karrieremythen verhärtet. Assig und Echter zeigen in ihrem Buch, wie aus Karrieremythen Karrierestrategien werden. Dorothea Assig und Dorothee Echter: „Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!“: Wie Karrieremythen Ihren Erfolg blockieren und Sie dennoch weiterkommen. Ariston Verlag 2022. 20 Euro

Mit der Astronautin ins Musik-All

Foto: www.marekbeier.de
Foto: www.marekbeier.de
Fördert Klavierspielen die Intelligenz? Warum ist Singen gut fürs Immunsystem? Kann man das absolute Gehör trainieren? Und wie klang eigentlich der Urknall? Die Astrophysikerin Suzanna Randall, die gerade für ihren ersten Aufenthalt im All trainiert, ist auch ein leidenschaftlicher Musik-Fan und erforscht nun wissenschaftllich die Welt der Klänge. In ihrem Podcast „Kosmos Musik“ mit Suzanna Randall befragt sie Expert*innen aus Hirnforschung, Medizin, Archäologie, Soziologie, Psychologie und Philosophie zu den großen Rätseln der Musik und den neuesten Forschungen auf diesem Gebiet.

Methangas ernten

Methan, Kohlendioxid und Stickstoff gehören zu den natürlichen Treibhausgasen, die für die Klimaveränderung verantwortlich sind. Um den Ausstoß des schädlichen Methans zu verringern, hat das Labor für Wasser und Umwelt (LWU) an der Technischen Hochschule Köln einen Prototyp zur Methangasernte aus Stauseen weiterentwickelt. Getestet wurde er auf der Wuppervorsperre in Hückeswagen im Bergischen Land. Die Anlage zur Methangasernte wirbelt das Sediment am Gewässergrund mithilfe von Hochdruckdüsen auf und leitet es über eine Tauchpumpe in einen Gasabscheider auf einer Arbeitsplattform. Auf der Arbeitsplattform messen die Forscher*innen die Gasmenge, die Zusammensetzung und die Menge des verlagerten Sediments. Quelle: Technische Hochschule Köln

Die Welt der Technik in 100 Objekten

Cover Die Welt der TechnikWas uns ein Mikroskop aus dem 17. Jahrhundert über den Aufbruch in eine neue Zeit berichten kann, wie auf der Pariser Weltausstellung von 1900 gezeigte Teerfarbstoffe die Entstehung der modernen Malerei beeinflussten und was eine aus alten Safttüten gefertigte Umhängetasche über das Anthropozän verrät: All das beschreibt der Generaldirektor des Deutschen Museums, Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl, in seinem reich bebilderten Buch „Die Welt der Technik in 100 Objekten“. Jedes Objekt wird auf mehreren Ebenen vorgestellt: was zu seiner Erfindung führte; für welche Zeit es geschaffen wurde; wie es die Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit und nicht zuletzt diese Wirklichkeit selbst verändert hat; wie sein Lebenslauf aussah und schließlich auch, auf welchen Wegen es in das Deutsche Museum fand. Wolfgang M. Heckl: Die Welt der Technik in 100 Objekten. C.H. Beck Verlag 2022. 39,95 Euro

Das letzte Wort hat Theodor Golditchuk, Gründer von buycycle

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Die drei Ingenieurabsolventen Florian Senoner, Jonas Jäger und Theodor Golditchuk (von links) haben nach ihrem Hochschulabschluss und einigen Jahren in der Unternehmensberatung buycycle gegründet, einen Online-Marktplatz für gebrauchte Mountainbikes, Rennräder und Gravel Bikes. Sabine Olschner sprach mit Theodor Golditchuk über die Gründungsphase des Münchener Unternehmens.

Wie kamt Ihr auf die Idee, Euch selbstständig zu machen? Wir drei kennen uns über das Rennradfahren und haben für unser Hobby neue Rennräder gesucht. Auf den Kleinanzeigenportalen gab es zwar eine Menge gute Angebote, aber es blieben viele Fragen offen: Was muss man beim Online-Kauf von gebrauchten Rennrädern beachten? Wie erkenne ich aus der Ferne, ob das Rad in Ordnung ist? Wie kommt das gewünschte Rennrad aus einem anderen Bundesland zu mir? Wir haben gemerkt: Das Potenzial des Gebraucht-Fahrrad-Marktes ist riesig, aber die Abwicklung für teure Räder funktioniert einfach nicht richtig. Die Situation war zudem günstig: Neue Rennräder sind bei den Händlern seit Corona-Zeiten kaum noch zu bekommen, daher boomt der Handel mit Gebrauchträdern. Das war der letzte Schubs, den wir gebraucht haben, um durchzustarten. Vor einem Jahr haben wir also einen Marktplatz für gebrauchte, Rennräder, Gravel Bikes – also geländegängige Fahrräder – und Mountainbikes gegründet. Wir bringen Käufer und Verkäufer zusammen, kümmern uns um die Versandabwicklung, den Geldfluss und eventuelle Rückabwicklungen. Außerdem bieten wir optional einen Werkstatt-Check für die Räder an, und wir bereiten alte Räder auf und verkaufen diese selber. Wie hat Euch das Ingenieurstudium und die Arbeit bei der Unternehmensberatung beim Sprung in die Selbstständigkeit geholfen? Wir haben gelernt, wie man strukturiert und effizient Probleme angeht. Und das auch bei Themen, in denen man noch keine langjährige Expertise hat. Wie lief die Startfinanzierung für Euer Unternehmen? Wir hatten für den Anfang etwas eigenes Startkapital angespart. Außerdem haben wir einen Förderkredit der KfW-Bank mit besonders günstigen Konditionen für Unternehmensgründer in Anspruch genommen. Allerdings haben wir den Anspruch, der führende Marktplatz für gebrauchte Fahrräder in Europa zu werden. Daher wollen wir noch schneller wachsen und mehr professionelle Services anbieten. Also haben wir externe Investoren an Bord geholt, mit denen wir uns auch fachlich austauschen können. Wo habt Ihr Euch als Ingenieure die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse angeeignet? Ich habe im Master den Schwerpunkt auf Wirtschaftsthemen gelegt. Und bei der Arbeit in der Unternehmensberatung haben wir alle auch viel kaufmännisches Wissen erlernt. Alles andere geschieht durch Learning-by-doing im eigenen Unternehmen. Im Internet gibt es unendlich viele Informationsquellen, darüber haben wir uns vieles selber beigebracht. Außerdem haben wir uns von Anfang an einen Mentorenkreis aufgebaut, mit dem wir uns austauschen. Zu unseren Mentoren zählen unter anderem E-Commerce- und Finanzierungsexperten. An der Universität München haben wir zudem an einem Start-up-Accelerator teilgenommen, bei dem man Mentoren als Ansprechpartner hat, Kurse besucht und einen Coworking-Space nutzen kann. Das Angebot für angehende Gründer ist in München grundsätzlich sehr gut. Was ist Euer Tipp für Ingenieurstudierende, die ebenfalls gründen wollen? Der wichtigste Schritt: Man muss sich trauen. Vor allem, wenn man schon ein festes Einkommen und damit eine gewisse Sicherheit hat, ist es oft nicht so leicht, das aufzugeben. Ich sage mir: Egal, ob buycycle erfolgreich wird oder nicht – das erste Jahr war für mich so lehrreich, dass ich es auf keinen Fall missen möchte. Mein zweiter Tipp: Wenn man eine gute Idee für ein eigenes Unternehmen hat, sollte man nicht zu stark an dieser ersten Idee festhalten, sondern offen dafür sein, sie auch anzupassen und weiterzuentwickeln.

E-Paper karriereführer ärzte 2022.2023 – Digitale Chancen: Trends im Gesundheitswesen

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