Sichere Pillen

Bei der Neu- oder Wiederverwendung von bereits bestehenden technischen Anlagen und automatischen Systemen bei der Herstellung oder Distribution von Arzneimitteln sind Sicherheit und Technologietransfer mitunter eine herausfordernde Thematik. Hier muss nicht nur geprüft werden, ob die Anlage den geltenden Rechtsvorschriften innerhalb der Arzneimittelüberwachung entspricht, sondern auch, ob die Bedienersicherheit weiterhin und auch bei geänderten Anforderungen gewährleistet ist. Von Bert Brouwers, Consultant Technical Safety, Egemin Consulting NV, Zwijndrecht, Belgien

Ob eine technische Anlage, die Arzneimittel produziert, sicher oder nicht sicher ist, ist keine leicht zu beantwortende Frage, denn es müssen viele Aspekte berücksichtigt werden. So könnte eine Anlage unter dem Gesichtspunkt des Patientenrisikos zwar den GMP-Regeln (Good Manufacturing Practices) entsprechen und somit nachhaltig qualitativ sichere Arzneimittel produzieren, aber wie steht es mit der Bedienersicherheit? Diese Anforderungen an die Arbeitssicherheit, die geltenden Arbeitsschutzrechte sowie andere behördliche Auflagen müssen vom verantwortlichen Ingenieur ebenfalls berücksichtigt werden. Der rechtliche Aspekt wird besonders deutlich, wenn man eine Anlage von einem Schwesterunternehmen beispielsweise aus den USA nach Europa verlagern will. In diesem spezifischen Fall erfolgte die Inbetriebnahme einer Produktionsanlage in der Europäischen Union, die zuvor am US-Standort produzierte. Dabei muss diese Anlage neben den geltenden Vorschriften der USA auch den heute geltenden europäischen Rechtsvorschriften entsprechen. Gerade in der EU wurden in den letzten zwanzig Jahren die Vorstellungen im Bereich der Betriebssicherheit wesentlich geändert und weiterentwickelt. Es gibt nicht nur neue technische Möglichkeiten, sondern es sind auch neue Rechtsvorschriften in Kraft getreten, zum Beispiel im Rahmen der Explosionssicherheit oder anderen Vorschriften zur Arbeit mit gefährlichen Gütern und Gefahrstoffen. Egemin Automation schaute als prüfendes Unternehmen im ersten Schritt, welche Rechtsvorschriften im jeweiligen Land oder in der Region überhaupt anwendbar und zu berücksichtigen sind: Befinden sich eine oder mehrere Maschinen in der Anlage? Wird möglicherweise mit explosionsgefährlichen Produkten gearbeitet? Welche Dokumente sind noch vorhanden? Auf Grundlage welcher Vorschriften und Normen wurde die Anlage konzipiert? Im zweiten Schritt prüfte das Unternehmen, inwiefern die Anlage den heute geltenden Rechtsvorschriften entspricht und welche Änderungen nach den aktuellen Gesetzen und Anforderungen an der Anlage vorgenommen werden müssen. Da solche Änderungen meist sehr einschneidend im Hinblick auf die weitere Verwendung sein können und damit auch direkt auf die Investitionssicherheit wirken, ist es wichtig, dieses bereits schon bei Projektbeginn sorgfältig geprüft zu haben. Die Relevanz einer solchen Erstprüfung kann mitentscheidend für die Realisierung eines Projektes sein, da sie in den allermeisten Fällen eine Go- oder No-Go-Entscheidung ist. Ist es beispielsweise unmöglich, mit einer bereits bestehenden Anlage die jeweils herrschenden Sicherheitsregularien zu erfüllen, oder ist der Aufwand für die notwendigen Anpassungen zu groß, kann eine Umsetzung schon gleich am Anfang eines Projektes scheitern. Ein Neubau der Anlage am neuen Standort kann dann durchaus günstiger sein. Im letzten Schritt wurden nicht nur die notwendigen technischen Anpassungen vorgenommen, auch die Unterlagen und Dokumentationen zur Bestätigung der CE-Konformität mussten vollständig beigebracht werden. Insgesamt sorgte die strukturierte und zielgerichtete Herangehensweise an das Projekt dafür, dass mögliche Probleme rechtzeitig erkannt wurden und dass die Anlage am Ende nicht nur die Arzneimittel im Sinne der Zusammensetzung produziert, sondern dass diese Produktionsprozesse auch sicher für den Betreiber und die einzelnen Bediener sind.

Mensch und Umwelt schützen

Technische Sicherheit ist ein weites Feld, und es gibt vielfältige Möglichkeiten für Ingenieure, in diesem Bereich Karriere zu machen. Ob es um innerbetriebliche Sicherheit, die Sicherheit von Anlagen oder von Software und den Umgang mit gefährlichen Stoffen geht – überall müssen Vorschriften eingehalten und überprüft werden. Von Andy Fuchs, TÜV Rheinland

Eisenbahnunfall, Druckbehälterexplosion, Gebäudeeinsturz, Störung im Kraftwerk … Je spektakulärer der Störfall, desto lauter wird der Ruf nach strengeren Vorschriften. Jeder mit Technik vertraute Mensch weiß: Monokausale, auch vom Laien durchschaubare Zusammenhänge sind selten, unvorhersehbare Ereignisse und unerkannt gebliebene Einflüsse dagegen viel häufiger. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Vielmehr ist Sicherheit das Ergebnis einer Abwägung: Welche Gefährdungen müssen unbedingt vermieden werden, welches Restrisiko kann und darf Umwelt, Nutzern und Dritten zugemutet werden? Und Sicherheit ist nicht einfach da, Sicherheit muss erzeugt werden. Wenn Sicherheit in eine technische Einrichtung hineinkonzipiert, hineingeplant, hineinentwickelt und hineingebaut ist, dann muss sie bei der Nutzung dieser Einrichtung eingehalten, fortgesetzt und überwacht werden. Idee, Planung, Betrieb und Aufsicht bedingen einander. Das Unternehmen TÜV Rheinland steht für technische Sicherheit. Experten prüfen im Auftrag des Unternehmens technische Anlagen, Produkte und Dienstleistungen, begleiten Projekte und zertifizieren Prozesse für Unternehmen. Weltweit sind Mitarbeiter in zahlreichen Berufen und Branchen an 500 Standorten in einem Netz anerkannter Labore, Prüf- und Ausbildungszentren tätig, um Sicherheit zu gewährleisten. Doch was bedeutet technische Sicherheit eigentlich genau? Von technischen Systemen gehen Risiken für Mensch und Umwelt aus, diese gilt es beherrschbar zu machen. Technische Sicherheit wird zunehmend durch komplexe elektronische und IT-basierte Systeme realisiert, man kennt dies vom Antiblockiersystem und elektronischen Stabilitätsprogrammen im Auto. Auch die Sicherheit von Bahnsystemen, wie der Schutz vor Kollisionen, Entgleisungen und während der Fahrt öffnenden Türen, wird durch programmierbare, elektronische Systeme im Zusammenspiel mit mechanischen Komponenten, wie zum Beispiel einer Bremse, gewährleistet. Die Arbeit eines Ingenieurs im Bereich Bahntechnik bei TÜV Rheinland ist sehr abwechslungsreich, er arbeitet viel in fachübergreifenden, internationalen Teams. So prüft er zum Beispiel die Software für ein Bremssystem für einen chinesischen Hersteller oder berät seinen Kunden vor der Inbetriebnahme der Signaltechnik eines neuen ICEs. Bei einem Projekt mussten unsere Ingenieure eine fahrerlose Metro in Südamerika überwachen. Hier kamen die Fahrzeuge aus Korea, die Bremsen aus Deutschland und die Signaltechnik aus Frankreich. Manchmal werden Verkehrsunternehmen auch bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge beraten, oder es werden Unfallgutachten und Schadensgutachten erstellt. Hauptaufgabe von TÜV Rheinland ist es, Mensch und Umwelt vor möglichen negativen Auswirkungen von Technik zu schützen. Vielmehr soll Technik dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern. Dies wird durch die Einhaltung von technischen Standards gewährleistet, die in Gesetzen und Normen definiert sind. Hier ist TÜV Rheinland als Berater oder Gutachter tätig und vermittelt zwischen Technik, Mensch und Umwelt bei Herstellern, Betreibern, Behörden und Nutzern. Darüber hinaus arbeiten Ingenieure an der Weiterentwicklung von technischen Standards und Systemen mit und prüfen bei der Entwicklung von Komponenten und Systemen die Unterlagen zu Prozessen und Design. Einen großen Bereich nimmt die Auditierung ein, das heißt die Bewertung von Prozessen und Abläufen. Hier werden Entwickler und ihre Chefs in strukturierten Interviews befragt und anhand von Nachweisen wird überprüft, ob nach den Regeln der Technik entwickelt wird. In der Projektarbeit Kundenkontakte zu pflegen und weiterzuentwickeln, sind natürlich unabdingbare Voraussetzungen. Im Bereich der funktionalen Sicherheit von Bahntechnik ist für uns ein breites Spektrum an Absolventen interessant: Neben Maschinenbauern und Verkehrstechnikern werden auch Elektroingenieure, Physiker, Energietechniker und Nachrichtentechniker eingesetzt. Diese müssen nicht nur fachlich kompetent sein, sondern auch interkulturelle Fähigkeiten besitzen, beispielsweise sollten sie mehrere Sprachen sprechen. Natürlich sollten sie auch über sogenannte Soft Skills verfügen. Denn als Ingenieur, der für Sicherheit zuständig ist, ist die Zusammenarbeit mit Kollegen, Teammitgliedern und Kunden an der Tagesordnung. Deshalb sind Menschenkenntnis sowie Interesse für die Zusammenarbeit mit Menschen, großes Verantwortungsbewusstsein und ein Faible für Sicherheit und Qualität ein Muss. Außerdem sollte man als Sicherheitsingenieur Spaß an „Murphys Gesetz“ haben und es gern provozieren. Das bedeutet: Es muss Bewerbern Spaß machen, nach dem Haar in der Suppe zu suchen und es zu finden. Im Bereich technische Sicherheit haben Hochschulabsolventen vom ersten Tag an unter Anleitung eines erfahrenen Mentors Bezug zur Praxis. Sie profitieren somit vom großen Erfahrungsschatz eines Kollegen. Im Verlauf der Karriere gibt es eine breite Auswahl an persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Es ist möglich, sich fachlich zu spezialisieren oder sich in Richtung Projektleitung, Akquisition und Management zu orientieren. Und es gilt: Ein Ingenieur muss immer am Puls der Zeit sein, was die Technologie betrifft.

Murphys Gesetz

Edward Aloysius Murphy jr. war ein US-amerikanischer Ingenieur. Die von ihm formulierte Lebensweisheit machte ursprünglich eine Aussage über menschliches Versagen beziehungsweise über Fehlerquellen in komplexen Systemen und lautete: „Wenn es zwei oder mehr Wege gibt, etwas zu erledigen, und einer davon kann in einer Katastrophe enden, so wird jemand diesen Weg wählen.“ Anlass dieses Ausspruchs war ein schiefgegangenes Experiment. Die bekanntere Fassung: „Alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“, stammt gar nicht von Murphy, sondern wird einem gewissen Finagle zugeschrieben. Der ist jedoch keine reale Person, sondern eine Figur aus den Ringwelt-Romanen von Larry Niven. Es gibt unzählige Persiflagen von Murphys Gesetz. In ihnen geht es meist um Widrigkeiten des Alltags. Beispiele dafür sind: Brot fällt immer auf die Marmeladenseite. Was du suchst, findest du immer an dem Platz, an dem du zuletzt nachschaust. Man steht immer in der längsten Schlange. Hier geht es eher darum, dass die Welt sich offenbar gegen einen verschworen hat und immer das ungünstigste Ereignis eintritt. Quelle: www.wissenschaft-im-dialog.de

Gelebte Globalisierung

Tagesordnungspunkt: Gelebte Globalisierung Verteiler: Angehende Ingenieure CC: Absolventen aller ingenieurwissenschaftlicher Fachrichtungen Ort: Baden-Württemberg und die ganze Welt Datum: im März 2013 Aufgezeichnet von: Meike Nachtwey „Die globale Welt muss unser Zuhause sein. Denn Vertrauen braucht persönlichen Kontakt und Nähe“, ist Dr. Manfred Wittenstein, Vorstandsvorsitzender der Wittenstein AG, überzeugt. Deshalb rief er das Projekt „Pioniere auf der Walz“ ins Leben, das einer mittelalterlichen Tradition den Geist der neuzeitlichen Globalisierung einhaucht. „Das Projekt ist ein wesentliches Element, um als global handelndes Unternehmen zu wachsen“, so der Vorsitzende. Seit Ende 2011 sammeln Auszubildende und Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) als „Pioniere auf der Walz“ nach Abschluss ihres Studiums in Ländern ihrer Wahl außergewöhnliche Arbeits-, Lebens- und Auslandserfahrungen. Mit wenigen Vorgaben stellen sie sich selbst eine Aufgabe und organisieren ihren Aufenthalt in einem fremden Land, ehe sie dann im Anschluss wieder im beziehungsweise für das Unternehmen arbeiten. Die Walz bezieht sich traditionell auf die Wanderschaft von Gesellen, die einer Zunft angehörten, nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit. Sie sollten vor allem neue Arbeitspraktiken, Lebenserfahrung und fremde Orte kennenlernen. Im Zuge der Globalisierung ist es auch heute für die Entwicklung von Unternehmen, Mitarbeitern und Märkten wichtig, sich in fremden Kulturkreisen zurechtzufinden und sie zu verstehen. Ziel der Walz bei Wittenstein ist es daher, Erfahrungen zu machen, den Horizont zu erweitern, kulturelle und soziale Kompetenz zu fördern und die Persönlichkeit der Pioniere weiterzuentwickeln, damit sie sich selbst und das Unternehmen auf dem Weg zum global agierenden Mechatronik-Konzern voranbringen. Die Personalabteilung unterstützt die Walz: „Damit sich unsere Pioniere ganz auf Land und Leute konzentrieren können, bleibt das Beschäftigungsverhältnis mit uns bestehen“, erklärt Personalleiter Oliver Kössel. „Wir nehmen eine Fürsorgepflicht wahr, die weit über das monatliche Walz-Entgelt, die Übernahme von Spesen und die Abwicklung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern hinausgeht. Außerdem erhalten alle Pioniere auch ein Subventionspaket, indem wir den Flug, Impfungen, die Auslands-Krankenversicherung, das Visum und einen Gesundheitscheck übernehmen.“ Bisher kamen alle Pioniere mit wertvollen Auslandserfahrungen zurück. Sie erzählen von Unterschieden und Ähnlichkeiten, Problemen und Lösungen, Erfolgen und Niederlagen, aber vor allem von einem Erlebnis, das sie geprägt hat im Umgang mit Land, Leuten und Kulturen. Vor dem Hintergrund der Globalisierung ist es genau das, was die Walz laut Dr. Manfred Wittenstein erreichen soll: „Unser Unternehmen, aber auch die gesamte Gesellschaft, braucht einen neuen, unkomplizierten Umgang mit der Globalisierung. Die persönlichen Erfahrungen und der offene Blick der Pioniere auf die Welt wird ihnen und damit auch dem Unternehmen im Berufsalltag ungemein nützlich sein.“

Jung und erfolgreich bei: Fresenius Medical Care

Name: Eun-Koo Kim Position: Technischer Produktmanager Stadt: Bad Homburg Alter: 31 Jahre Studium: Maschinenbau mit Schwerpunkt Medizintechnik Abschlussjahr: 2010 Interessen: Sport, internationale Küche, Reisen Ziel: Führungsposition Mehr als zwei Millionen Menschen weltweit müssen sich aufgrund von chronischem Nierenversagen regelmäßig einer Dialysebehandlung unterziehen. Diesen Menschen eine bessere Therapie und eine angenehmere Behandlung zu ermöglichen, ist das Ziel meiner Arbeit. Als technischer Produktmanager für Hämodialysemaschinen bei Fresenius Medical Care arbeite ich in einem abwechslungsreichen Aufgabenfeld. Dazu gehört sowohl die Mitarbeit an spannenden Entwicklungsprojekten als auch an Projekten mit strategischer oder organisatorischer Ausrichtung. Beispielsweise untersuche ich, welche Anforderungen Neuentwicklungen an der Dialysemaschine im Hinblick auf Verfahrenstechnik und Gebrauchstauglichkeit erfüllen müssen. Auch das Testen sowohl im Labor als auch vor Ort in den Dialysekliniken in Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal gehört zu den Aufgaben eines technischen Produktmanagers. Ich wurde intensiv auf meine jetzige Tätigkeit vorbereitet und erhielt Stück für Stück mehr Verantwortung. Zudem gibt es eine Vielzahl von Angeboten, um mich neben dem fachlichen Knowhow auch kontinuierlich in Themen wie zum Beispiel Projektmanagement, Zeitund Selbstmanagement oder Konfliktmanagement weiterzubilden. Besonders gut gefällt mir, dass ich durch die starke Einbindung in den Entwicklungsprozess die Möglichkeit habe, ein Produkt aktiv mitzugestalten, welches dann weltweit eingesetzt wird. Die Tests in den Dialysekliniken führe ich auch außerhalb Deutschlands durch. Dadurch verstehe ich nicht nur die Anwender unserer Produkte besser; ich lerne auch neue Kulturen kennen und kann mir ein internationales Netzwerk aufbauen. Bereits während meines Maschinenbau- Studiums mit Schwerpunkt Medizintechnik an der RWTH Aachen wurde ich auf Fresenius Medical Care aufmerksam. Ich absolvierte ein Praktikum in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens und schrieb dort auch meine Diplomarbeit. Die Verknüpfung von Medizin und Technik, die zunehmende Bedeutung der Medizintechnik und das Arbeiten für das Wohl kranker Menschen waren für mich die ausschlaggebenden Gründe für die Wahl meines Studienschwerpunkts. Mittlerweile bin ich mehr als zwei Jahre im technischen Produktmanagement tätig. Mein Team hat mich von Anfang an herzlich aufgenommen und jederzeit unterstützt. Wir pflegen ein freundschaftliches Verhältnis, und auch privat werden gemeinsam Aktivitäten unternommen.

Interview mit Michael Braungart

Cradle-to-Cradle

Der Ansatz von Michael Braungart heißt: Wenn sich ein Produkt abgenutzt hat, leben alle seine Komponenten und Ressourcen in anderen Produkten weiter. Statt linear denkt der Chemiker und Verfahrenstechniker also in Zyklen – und glaubt, damit die Lösung für die Umweltproblematik gefunden zu haben. Weltweit findet sein Prinzip immer mehr Freunde. Auch in Unternehmen. Im Interview mit André Boße erklärt Braungart, warum seiner Meinung nach viele den Umweltschutz falsch verstehen und was er sich von jungen Ingenieuren erhofft.

Zur Person

Michael Braungart, 54 Jahre, ist promovierter Chemiker und Verfahrenstechniker. Parallel zum Studium wirkte er beim Aufbau der Abteilung Chemie bei Greenpeace Deutschland mit, 1987 gründete er das Umweltforschungsinstitut EPEA in Hamburg und entwickelte zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten und Designer William McDonough das Cradle-to-Cradle-Konzept: Statt von der Wiege bis zur Bahre (also von der Produktion bis zum Zustand als Müll) werden Produkte von der Wiege bis zur Wiege gedacht und bleiben nach der Nutzung Teil eines natürlichen oder technischen Kreislaufs. Neben zwei Büchern zu diesem Ansatz vertritt Michael Braungart das Prinzip bei vielen Vorträgen auf der ganzen Welt. Seit 2008 ist der dreifache Familienvater Professor für einen Cradle-to-Cradle-Studiengang in Rotterdam.
Herr Professor Braungart, wie intelligent produzieren und verwerten wir aktuell in Deutschland? Noch benutze ich in meinen Vorträgen Deutschland als Beispiel für ein Land, in dem es viele Manager und Techniker zwar gut meinen, dabei jedoch auf das falsche Pferd setzen. Man denkt nämlich hierzulande, man schützt die Umwelt, wenn man möglichst wenig zerstört. Fahre weniger Auto! Erzeuge weniger Müll! Verbrauche weniger Wasser! Klingt doch vernünftig. Aber wirklicher Schutz muss mehr sein, als nur darauf zu achten, Dinge etwas weniger zu zerstören. Die Deutschen sind in diesem „Wenigerschlecht- sein“-Management weltweit führend. Aber weniger schlecht ist nicht gut. Das Problem ist, dass wir in Deutschland viele Ingenieure und Manager haben, die sich blendend darauf verstehen, das bestehende System zu optimieren. Was verstehen Sie unter dem bestehenden System? In Deutschland denken noch zu viele, man könnte Umweltprobleme mit einer effizienten Müllverbrennungsanlage aus der Welt schaffen. Das Prinzip lautet: Von der Wiege bis zur Bahre. Sprich: Ein Produkt hat irgendwann das Ende seiner Lebenszeit erreicht, dann ist es Abfall. Natürlich gibt es in Deutschland ein Recycling- System. Doch dieses geht nicht weit genug. Wir müssen dahin kommen, dass wirklich alle Bestandteile eines Produkts endlos wiederverwertet werden können – und zwar ohne jegliche Qualitätseinbuße beim Produkt. Das Prinzip lautet dann: Von der Wiege bis zur Wiege. Oder auf Englisch „Cradle to Cradle“. Können Sie ein Beispiel für ein erfolgreiches Cradle-to-Cradle-Produkt nennen, an dessen Entwicklung Ingenieure einen großen Anteil haben? Die dänische Reederei Maersk baut riesige Containerschiffe, die ab 2015 komplett nach dem Cradle-to-Cradle- Prinzip entworfen werden. Das heißt: Alle Teile dieser 60 Tonnen schweren Frachter bestehen aus positivem Material. Aus Material, das keine Schadstoffe ans Meer abgibt und das am Ende der Nutzungsdauer des Schiffes in anderen Produkten weiterverwendet werden kann. Warum hat sich das „Cradle-to- Cradle“-Prinzip noch nicht auf weiter Ebene durchgesetzt? Weil der Dialog zwischen Ingenieuren und Naturwissenschaftlern auf der einen und Managern auf der anderen Seite noch deutlich intensiver werden muss – wobei die technischen Experten dann vor der Aufgabe stehen, aufzustehen und zu sagen: Was wir da über Jahre gemacht haben, ist falsch – auch, wenn es vielleicht auf den ersten Blick richtig erscheint.

Lesetipps

Michael Braungart/William McDonough: Einfach intelligent produzieren – Cradle to Cradle: Die Natur zeigt, wie wir die Dinge besser machen können. Berlin Verlag 2001. ISBN: 978-3833301834. 10,99 Euro Michael Braungart/William McDonough: Die nächste industrielle Revolution: Die Cradle to Cradle-Community. Europäische Verlagsanstalt 2011. ISBN 978-3863930059. 25 Euro.
Können Sie dafür Beispiele nennen? Auf den ersten Blick ist es eine gute Sache, wenn ein Hersteller von Küchenböden beginnt, PVC-Beläge zu recyceln, denn so sichern wir die Rohstoffbasis und verringern unsere CO2- Bilanz. Aber die Sache hat einen Haken: PVC war von Anfang an die falsche Wahl für einen Bodenbelag, denn er ist ein umwelt- und gesundheitsschädliches Polymer. Anstatt also weiterhin besser darin zu werden, das Falsche zu machen – nämlich recyclebare PVC-Böden zu entwickeln –, sollten wir Materialien verwenden, die nach der Nutzung in einem Teppich komplett für andere Produkte verwertet werden können. Ein zweites Beispiel: Autoreifen halten heute doppelt so lange wie vor einigen Jahren. Da denkt zunächst einmal jeder: „Ist doch klasse für die Umwelt.“ Sie werden aber viele gute Ingenieure und Naturwissenschaftler finden, die diese Entwicklung kritisch sehen, weil sie wissen, was in diesen Autoreifen drin ist. Für jeden Autoreifen werden bis zu 800 Chemikalien verwendet; 500 von denen dürften eigentlich nie in die Umwelt gelangen. Als die Reifen noch schneller auf die Halde wanderten, blieben sie im geschlossenen System. Heute, bei den längeren Nutzungszeiten, geraten sie aber an die Luft. Wir atmen diesen gesundheitsschädlichen Feinstaub ein, was vor allem bei Städtern höhere Zahlen von Bronchitiserkrankungen zur Folge hat. Beide Beispiele zeigen: Es muss einen engen Dialog zwischen technischen Experten und Managern geben, damit überhaupt erst einmal klar wird, welche Folgen Entscheidungen nach sich ziehen. Darf ein Ingenieurseinsteiger hoffen, mit seinem Wissen und seinem Willen zur Veränderung tatsächlich auf offene Ohren zu stoßen? Ja, denn wir haben nicht viel Zeit. Die Zerstörung der Natur passiert so schnell, dass wir jetzt Lernprozesse anstoßen müssen, um die Dinge sofort anders zu machen. Die junge Generation ist jetzt am Zug – und sie macht mir Hoffnung. Inwiefern? Junge Ingenieure möchten nicht an verwaschenen Konzepten oder halbgaren Lösungen beteiligt sein. Sie möchten stolz auf das sein, was sie tun. Sie möchten echte Innovationen auf den Weg bringen. Echte Qualität. Was zeichnet denn heute die Qualität eines Produktes aus? Wenn ich ein Produkt entwerfe, das – damit es sich rechnet – in Fabriken zusammengeschraubt werden muss, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, dann ist dieses Produkt nicht hochwertig. Auch ein Produkt, das zu großen Teilen aus schadstoffhaltigen Rohstoffen besteht, ist nicht hochwertig. Klar, so eine Produktion mag auf den ersten Blick effizient wirken. Aber schon morgen kann Ihnen die Sache um die Ohren fliegen, wenn nämlich jemand die lausigen Produktionsbedingungen oder die Schadstoffbelastungen herausfindet – und das Unternehmen dann dafür haften muss. In solchen Fällen zeigt sich schnell, dass die schlechte Qualität der Produkte für das Unternehmen zu einem echten Risikofaktor wird. Daher ist es heute so wichtig, dass Ingenieure in ihren Unternehmen darauf pochen, Qualität herzustellen. Darf ich jungen Ingenieuren an dieser Stelle noch zwei Dinge mit auf den Weg geben? Gerne. Erstens sollten sie damit aufhören, aus Marketinggründen bei Produkten von Lebenszyklen zu sprechen. Produkte leben nämlich nicht, wir nutzen sie. Zudem suggeriert dieser Begriff, dass es eines Tages mit dem Produkt zu Ende gehen wird – und damit eben auch alle seine Ressourcen den Weg von der Wiege bis zur Bahre gehen. Viel besser ist es, von der Nutzungszeit eines Produkts zu sprechen: Hat zum Beispiel eine Waschmaschine ihre Nutzungszeit überschritten, stehen ihre gesamten Komponenten bereit, in ein anderes Produkt einzugehen. Und zweitens sollten Ingenieure aufhören, von „nachhaltigen Innovationen“ zu reden. Das ist ein Widerspruch in sich: Innovationen können nicht nachhaltig sein – sonst wären sie nicht innovativ. Und überhaupt ist „Nachhaltigkeit“ in meinen Augen kein Ziel, für das man echte Leidenschaft entwickeln kann. Sagen Sie mal einem Bekannten, der Sie fragt, wie es Ihnen in Ihrer Beziehung geht: „Es läuft nachhaltig.“ Er wird sich eher Sorgen um Sie machen, als sich mit Ihnen zu freuen. Wie stellen Sie sich in Deutschland einen Umweltschutz vor, der seinem Namen gerecht wird? Wir sollten uns zunächst einmal andere Ziele setzen. Positive Ziele. Stattdessen arbeiten viele Städte und Unternehmen weiter darauf hin, klimaneutral zu sein. Man pflanzt die Anzahl der Bäume, die man am Ort A abgeholzt hat, am Ort B wieder ein; das Traumauto der Zukunft soll ein Fahrzeug sein, das null Emissionen erzeugt. Nur: Haben Sie schon einmal einen klimaneutralen Null-Emissions-Baum gesehen? Nein, denn jeder Baum kann mehr. Er ist klimapositiv. Sollen wir Menschen uns trotz unserer Intelligenz damit zufrieden geben, weniger zu können als ein Baum? Im ersten Schritt müssen wir uns also von unserer Bescheidenheit befreien. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass wir Menschen – und allen voran die Ingenieure – das Potenzial besitzen, Dinge herzustellen, die der Umwelt nutzen.

Videos zum Cradle-to-Cradle-Prinzip

„Cradle to Cradle“ in 90 Sekunden: Cradle-to-Cradle-Containerschiffe der Reederei Maersk: „Cradle-to-Cradle“-Ansatz beim Babyproduktehersteller Goodbaby:

„Ohne IT-Know-how geht es nicht“

Interview mit Prof. Wolfgang Wahlster

Wenn es um die Technik der Zukunft geht, ist in Deutschland Prof. Wolfgang Wahlster einer der ersten Ansprechpartner. Der renommierte Forscher im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) erläutert, wie sich die Jobprofile von Ingenieuren im Zuge des rasanten technischen Fortschritts ändern werden. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Prof. Wolfgang Wahlster, geboren am 2. Februar 1953 in Saarbrücken, ist einer der führenden deutschen Forscher auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Mitglied der Akademieklasse für Ingenieurwissenschaften der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften, die für die Vergabe der Nobelpreise für Chemie und Physik zuständig ist. 2001 wurde Wolfgang Wahlster, der an der Uni Saarbrücken lehrt, mit dem deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet.
Herr Professor Wahlster, die Zukunft der Technik ist digital, immer mehr Maschinen und Produkte werden mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattet sein. Was bedeutet das für die Ingenieure von morgen? Ohne Grundverständnis von Softwareund Internettechnologien wird ein Ingenieur in Zukunft seine Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Da immer mehr Alltagsgegenstände digital veredelt werden und ein Internet der Dinge und der Dienste in allen Wirtschaftszweigen entsteht, werden vermehrt Ingenieure aller Fachdisziplinen gesucht, die in enger Kooperation mit Informatikern intelligente Umgebungen entwickeln können. Was also mit Smartphones begann, setzt sich in allen Bereichen fort? Genau. Wir reden von der Smart Factory, dem Smart Home, dem Smart Car, dem Smart Grid und der Smart City. Um diese Dinge der Zukunft zu entwickeln, benötigen wir dringend eine neue Generation von Ingenieuren mit einem klaren Verständnis für Kommunikationsprotokolle, Softwarearchitekturen, Hard- und Software-Codesign, Sicherheitsarchitekturen und Verifikationsverfahren. Insbesondere brauchen wir mehr Ingenieure im Bereich des Maschinenbaus, die etwas von cyberphysischen Systemen verstehen. Wie „smart“ ist denn die Welt heute schon? Hat die Künstliche Intelligenz schon Einzug in die Massenmärkte gehalten? Oder ist vieles noch Zukunftsmusik? Der Durchbruch der Künstlichen Intelligenz im Alltag ist schon längst vollzogen. Ein Smartphone mit Sprachdialogsystem, Gesichtserkennung, Funktion zum Bildverstehen, intelligenter Musiksuche und personalisierter Navigation enthält geballte KI-Methoden – und das hat heute jeder Ingenieur in der Hosentasche. Aber auch ein modernes Auto oder Flugzeug wäre ohne KI heute nicht mehr zu betreiben: KI-Lösungen werden in komplexe Assistenzsysteme eingebettet.

Linktipp

Online-Akademie, die talentierten Ingenieuren Führungskräftekompetenzen vermittelt: www.softwarecampus.de
Inwieweit stehen Ingenieure vor der Aufgabe, schon während der Entwicklung zu überprüfen, ob eine KI-Innovation auf dem Markt bestehen kann? Kenntnisse im Bereich der Geschäftsmodellinnovation sind ohne Zweifel für einen erfolgreichen Ingenieur unerlässlich. Es ist möglich, dieses Knowhow im Verlauf der Karriere draufzusatteln, zum Beispiel über den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie acht Industrieunternehmen geförderten Software-Campus – einer Akademie, die den besten Ingenieuren die wichtige Führungskräftequalifizierung in wirtschaftsund praxisnahen Kursen vermittelt. Können Sie Forschungsfelder skizzieren, deren Ergebnisse für die Arbeit von Ingenieuren in der nahen Zukunft besonders wichtig sein werden? Das Internet der Dinge und cyber-physische Systeme sind in der kommenden Post-PC-Ära essenziell für alle Ingenieure. Aber auch auf dem Gebiet der intelligenten Benutzerschnittstellen hat die Forschung sehr große Fortschritte gemacht. Ob eine innovative Lösung Erfolg haben wird, hängt ganz entscheidend damit zusammen, wie einfach sie benutzbar ist. Die Ingenieure müssen daher den Menschen mit seinen kognitiven Fähigkeiten und Beschränkungen noch mehr in den Mittelpunkt ihres Systementwurfs rücken. Der Ingenieur arbeitet an der Technik der Zukunft. Wie aber sieht die Zukunft seines Berufs aus? Der technische Fortschritt ist rasant. Daher ist das lebenslange Lernen für den Ingenieur existenziell wichtig. Neue, zeitgemäße Formen des allgegenwärtigen Lernens über mobile Endgeräte, soziale Netzwerke für Ingenieurdisziplinen, globalisierte Online-Bildungsangebote von Spitzenwissenschaftlern in großer Dimension über „Massive Open Online Courses“ bis hin zum Lernen vor Ort durch Technologien der „Erweiterten Realität“ (AR) wie Google Glasses werden für den künftigen Ingenieur zum selbstverständlichen Handwerkszeug werden.

Vorwärts mit System

Die Elektronik der Zukunft verschwindet aus dem Blickfeld, verschmilzt mit Produkten und macht diese „intelligent“. Unternehmen suchen daher Ingenieure, die sich darauf verstehen, komplexe Systeme zu durchdenken, und keine Scheu vor anderen Branchen haben. Von André Boße

Erstens: Die Technik der Zukunft ist allgegenwärtig. Sie findet sich in allen Dingen. Auch dort, wo man sie am wenigsten erwartet: in Babykleidung oder auf Verpackungen, in Autoscheinwerfern oder Plastik. Zweitens: Die Technik der Zukunft ist digital, kommunikationsfreudig und intelligent. Sie sendet und erhält in einem fort Informationen, verarbeitet diese und trifft Entscheidungen – und zwar selbstständig und im Sinne der Nutzer. Drittens: Die Technik der Zukunft ist klein. Winzig klein. Das hat den Vorteil, dass allgegenwärtige Technik der Zukunft gar nicht auffällt. Sie ist einfach da und verrichtet ihren Dienst. So wie der Sauerstoff in der Luft. Diese drei Eigenschaften der Technik der Zukunft bedeuten für Ingenieure einen Paradigmenwechsel. In vielen Bereichen werden ausgelagerte Elektronikkomponenten kaum noch eine Rolle spielen. Stattdessen betritt die Technik Neuland: Sie verschmilzt mit den Anwendungen, wird eins mit den Produkten. Damit ist der Ingenieur von heute mehr denn je ein Pionier. Er wird zum Wegbereiter dafür, dass sich das, was technisch möglich ist, auch tatsächlich auf dem Markt durchsetzt. Das macht natürlich viel mehr Spaß, als tagein, tagaus Routinen abzuarbeiten. Davon, dass es dem Ingenieur eine Menge abverlangt, kann Harald Pötter erzählen. Der Maschinenbauer leitet beim Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) in Berlin das Applikationszentrum Smart System Integration. Er und seine Kollegen erforschen, wie es gelingen kann, Elektronik in Produkte und Anwendungen aus allen möglichen Branchen zu integrieren – und zwar so, dass der Nutzer sie nicht spürt und die Elektronik auch dann noch funktioniert, wenn es staubt oder heiß wird.

Wenig Platz, viel Leistung: 3D-Integration

Elektronische Komponenten werden immer kleiner und müssen immer mehr leisten. Das stellt besondere Herausforderungen an die Architektur dieser Mikrosysteme. Ein neuer Lösungsansatz ist die 3D-Integration: Verschiedene Halbleiterkomponenten werden stapelweise angeordnet. Das ist zwar technisch kompliziert, jedoch platzsparend und – dank kurzer Verbindungen – leistungsfördernd. >> Info-Clip zur innovativen 3D-Integration:
Dehnbare Elektronik Ein Beispiel aus dem Leben eines Feuerwehrmanns: Oft sind die Retter in der Not die Letzten, die mitbekommen, wenn sie nicht mehr können, wenn sie eine Pause vom Einsatz benötigen. Daher entwickeln die Forscher am Fraunhofer Institut IZM „intelligente Anzüge“ für Feuerwehrleute: Über verschiedene Sensoren erhalten diese Anzüge Informationen über den Belastungs- und Gesundheitszustand des Feuerwehrmannes. Ist dieser am Rand der Erschöpfung oder droht eine Gefahr, senden LEDs das Signal aus: „Holt mich hier raus!“ Es liegt auf der Hand, dass digitale Elektronik, die durch Mikrointegration mit einem Sicherheitsanzug verschmilzt, sehr robust sein muss. Sie muss zum Beispiel die Hitze des Feuers und die Bewegungen des Feuerwehrmannes aushalten. Bei seiner Arbeit behindern darf sie den Feuerwehrmann auf gar keinen Fall, dazu muss sie zu einhundert Prozent zuverlässig sein. „Normale Elektronik geht kaputt, wenn man sie dehnt“, sagt Harald Pötter. „Wir arbeiten daher an dehnbarer Elektronik, die in der Lage ist, Bewegungen zu erfassen.“ Dieses Prinzip sei dann zum Beispiel auch in Babykleidung anwendbar, die in der Lage ist, die Atmung des Säuglings zu überwachen. Die Technik der Zukunft zeichnet sich dadurch aus, dass sie genau dort zu finden ist, wo sie gebraucht wird. „Es ist noch gar nicht so lange her, da benötigte man für Computer noch einen eigenen Raum“, erzählt Harald Pötter. „Der nächste Schritt waren die Desktop- Computer auf und unter den Schreibtischen. Derzeit findet die Elektronik ihren Platz in den Jackentaschen, in Form von Smartphones. Doch das ist nicht Endstation, im nächsten Schritt wird der Computer mit der Jacke verschmelzen.“ Damit werde der ausgelagerte „Funktionsblock Elektronik“ mehr oder weniger verschwinden, die Elektronik geht in der Anwendung auf. Für Ingenieure ergeben sich daraus ganz neue Herausforderungen. „Am Fraunhofer Institut IZM verstehen wir uns als das Scharnier zwischen der Elektronik und der späteren Anwendung, zum Beispiel im Maschinenbau“, sagt der studierte Maschinenbauer Harald Pötter. Die Ingenieure entwickeln also nicht für den Elfenbeinturm, sondern gezielt für die spätere Anwendung. „Wir müssen daher in der Lage sein, die verschiedenen Sprachen zu sprechen: die der Technik, aber auch die der Anwender aus ganz unterschiedlichen Branchen.“ Soziologen verstehen lernen Harald Pötter erlebt sehr häufig, wie unterschiedlich Partner aus Bereichen wie der Medizin, der Biologie oder den Sozialwissenschaften an Aufgabenstellungen herangehen. Ein Soziologe zum Beispiel habe ein völlig anderes Verständnis von einem Problem und von kreativen Lösungen. Daher sein Rat an junge Ingenieure: die Rolle des Vermittlers übernehmen und Verständnis für die Andersartigkeit der Partner zeigen. Pötter: „Für Ingenieure ist es wichtig, die Unterschiede in den Fachsprachen und fachlichen Herangehensweisen verstehen zu können, aber auch verstehen zu wollen.“ Er empfiehlt Einsteigern daher dringend, offen und lernwillig in die Karriere einzusteigen – mit Blick auf andere Branchen, aber auch auf andere Abteilungen im eigenen Unternehmen. „Es gibt in Deutschland einen engen Schulterschluss von der Entwicklung bis hinunter in die Fertigung“, sagt Pötter, der glaubt, dass diese geringen Hierarchien Garanten dafür sind, dass Deutschland im Bereich Forschung & Entwicklung weltweit vorne mit dabei ist. „Einsteiger sollten mit daran arbeiten, dass diese kurzen Wege zwischen den Ebenen weiterhin bewahrt bleiben.“ Kurze Wege in die Fertigung und ein lebendiger Austausch mit Kunden aus anderen Branchen sind auch für die Ingenieure wichtig, die bei Bosch Packaging Technology an den Verpackungen der Zukunft arbeiten. Die Tochter des Bosch-Konzerns entwickelt hauptsächlich Verpackungen für die Nahrungsmittelindustrie und arbeitet daran, Verpackungen zu entwickeln, die mehr können, als ein Produkt zu schützen. „Verpackungen besitzen schon heute viele zusätzliche Funktionen“, sagt Dr. Bernd Wilke, Leiter der Technologieentwicklung. „Sie vermitteln Informationen über Datamatrix Codes oder RFID, also kleine Chips, die elektromagnetische Wellen aussenden.“ Durch diese Techniken ließe sich auf Verpackungen eine Vielzahl von Informationen hinterlegen. „Der Verbraucher liest zum Beispiel den Code ein und gelangt dadurch im Internet auf ein Informationsportal zu diesem Produkt.“ Umweltschutz motiviert Doch diese Informationen sind nur der erste Schritt: Vorstellbar sind intelligente Verpackungen, die in der Lage sein werden, das Mindesthaltbarkeitsdatum dynamisch angepasst an gewisse Rahmenbedingungen anzuzeigen. „Heute“, so Wilke, „gibt es nur ein aufgedrucktes Datum. In Zukunft könnte sich dieses Datum ändern, je nachdem, wie und wo das Produkt gelagert wird.“ Diese Entwicklung wäre ein wichtiger Beitrag, um die Menge an Nahrungsmitteln, die täglich grundlos in den Müll wandern, zu verkleinern. Bernd Wilke hat beobachtet, dass sich gerade die junge Generation von Zielen und Anreizen in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltschutz besonders motivieren lässt. „Ein Vorteil der jungen Generation ist dabei: Sie ist stark vernetzt und erhält Input von verschiedensten Seiten.“ Wenn in naher Zukunft Kleidung und Verpackungen intelligent sein werden, darf das Auto natürlich nicht fehlen. Schon heute sind viele Fahrzeuge rollende Elektronikwunder, in denen diverse elektronische Systeme das Fahren erleichtern und sicherer machen. Dass – unabhängig vom Antrieb – die Elektrisierung und Digitalisierung von Fahrzeugen noch weiter zunehmen wird, davon ist man beim Automobilzulieferer Hella überzeugt. Der Entwickler für Scheinwerfer und Elektronikkomponenten aus Lippstadt arbeitet daran, Scheinwerfer immer intelligenter zu machen. „Intelligente Scheinwerfer haben die Aufgabe, für den Fahrer für eine bestmögliche Ausleuchtung zu sorgen und gleichzeitig die anderen Verkehrsteilnehmer möglichst wenig in ihrer Sicht zu behindern“, sagt Dr. Carsten Wilks, Experte für Elektronikkomponenten. „Wir wollen also auf der einen Seite die Nacht zum Tag machen, dürfen aber auf der anderen Seite den Gegenverkehr oder Fußgänger nicht blenden.“ Das funktioniert über eine Reihe von Sensoren – von einer bildgebenden Kamera über einen Radar bis zu GPS-Sensoren. „Durch diese Quellen erhalten wir immer mehr Informationen darüber, wie die Umwelt rund um das Auto beschaffen ist“, so Wilks. Es geht nur mit Systemblick Für den Fahrer sind das deutlich zu viele Informationen, um sie beim Steuern des Fahrzeugs selber zu verarbeiten. Daher übernimmt diesen Job ein intelligentes System, das dem Fahrer assistiert. Wilks: „Der intelligente Scheinwerfer verarbeitet die sensorischen Informationen. Er kennt den weiteren Straßenverlauf, weiß, wann ein Auto entgegenkommt – und kann sein Licht dementsprechend steuern.“ Für die Ingenieure bei Hella ändert sich durch die Scheinwerfertechnik der Zukunft die Arbeit grundlegend. Früher waren die Lichtquellen vergleichsweise autarke Elemente in einem Fahrzeug. Intelligente Scheinwerfer werden dagegen Bestandteil eines intelligenten elektronischen Systems. „Dabei ist es entscheidend, dass jede Komponente in diesem System wirklich funktioniert. Sobald eine nicht mehr zuverlässig arbeitet, funktioniert das Gesamtsystem nicht mehr“, sagt Christian Schmidt, bei Hella Experte für Lichttechnik. „Daher muss jeder Ingenieur, der sich mit einem Teil des Systems befasst, unbedingt ein umfassendes Systemverständnis mitbringen, das weit über das eigene Produkt hinausgeht.“ Sonne entfernt Kratzer Auch von den Ingenieuren, die bei Bayer MaterialScience, einer Tochter des Leverkusener Chemieunternehmens, an der Technik der Zukunft mitarbeiten, wird ein breites Interesse verlangt. Das Unternehmen entwickelt intelligente Werkstoffe, die in der Autoindustrie oder der Unterhaltungselektronik zum Einsatz kommen. Zum Beispiel sogenannte künstliche Muskeln: Das sind hauchdünne Kunststoff-Folien, die sich bei der Stromzufuhr blitzschnell dehnen und wieder zusammenziehen – was bei modernen Computerspielen für ganz neue Action-Erlebnisse sorgt. Für Autos hat Bayer MaterialScience einen Lack entwickelt, der leichte Kratzer wie von selbst heilt: Erwärmt sich der Lack bei Sonnenschein, zieht sich die Oberfläche wieder spiegelglatt. „Besonders wichtig ist es für uns, Branchentrends genau zu verfolgen, um den aktuellen und künftigen Marktbedürfnissen mit innovativen Produkten und Lösungen zu entsprechen“, sagt Sprecher Stefan Paul Mechnig. Ingenieure, die im Unternehmen vor allem in der Anwendungsentwicklung sowie in der Prozessforschung benötigt werden, haben ausgezeichnete Karrierechancen, wenn sie dem Unternehmen dabei helfen, Marktpotenziale zu identifizieren. Dazu müssen sie neben fachlichem Knowhow auch eine Menge Cleverness mitbringen. Smarte Ingenieure sind in der smarten Technikwelt von morgen ohne Zweifel im Vorteil.

Smarte Zukunft – daran wird gerade gearbeitet:

  • Verpackungen, die je nach Lagerung Infos über den Zustand des Produkts geben
  • Babykleidung, die die Atmung des Säuglings kontrolliert
  • Arbeitskleidung, die die Sicherheit des Arbeitenden überwacht
  • Autos, die miteinander kommunizieren und daraufhin Routen, Tempo etc. anpassen
  • Autolack, der bei Sonnenschein selber Kratzer entfernt
  • Straßenbeleuchtungen, die nur dann angehen, wenn ihr Licht benötigt wird
  • Display-Tapeten, über die sich Elektrogeräte im Haushalt bedienen lassen
  • Kunststoffe, die bei Bedarf ihren Härtegrad ändern und sich selbst reparieren
  • Fahrzeuge, die autonom fahren (als erster US-Staat hat Nevada jetzt computergesteuerte Autos von Google, Conti und Audi zugelassen)
  • Haushaltsgeräte, die zuhören, verstehen – und tun, was man ihnen sagt

Grünes Business, gutes Business

cover-wirtschaftswissenschaften-1-13-startDie Wirtschaft denkt um. In allen Bereichen, in denen Wirtschaftswissenschaftler nach dem Studium gute Jobchancen vorfinden, hält grünes Denken Einzug – von der Produktion über Controlling, Vertrieb und Marketing bis hin zum Personalmanagement. Grün ist für die Unternehmen nicht länger nur die Farbe der Hoffnung. Erfolg haben Einsteiger, die hier Chancen für echte Innovationen erkennen, weiß unser Autor André Boße im neu erschienenen karriereführer wirtschaftswissenschaften.

Wirtschaftsrecht für Nicht-Juristen

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Neue Fernstudiengänge an der FH Schmalkalden Rechtliche Aspekte gewinnen für die Unternehmensführung mehr und mehr an Bedeutung. Ab dem Wintersemester 2013/14 können die Studiengänge „Recht der Unternehmenspraxis (LL.M.)“ und „Vertragsmanager (FH)“ an der thüringischen Hochschule belegt werden. Beide Studiengänge richten sich an Nichtjuristen mit erster Berufserfahrung und lassen sich durch die Kombination von Selbstlern- und Präsenzphasen sehr gut berufsbegleitend studieren. Die fachliche Kompetenz ist selbstverständlich auch gewährleistet: Die Fakultät für Wirtschaftsrecht gehört dem aktuellen CHE-Hochschulranking zufolge im Bereich »Reputation und Lehre« zur absoluten Spitzengruppe. Nähere Informationen über die neuen Studiengänge gibt es hier: www.fh-schmalkalden.de/Recht_der_Unternehmenspraxis.html www.fh-schmalkalden.de/Vertragsmanager.html Zum Hochschulprofil der Fachhochschule Schmalkalden, Zentrum für Weiterbildung.

Musteranschreiben

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Ein für alle Berufe geeignetes Musteranschreiben gibt es nicht. Designer müssen unkonventionellere Anschreiben verfassen als Buchhalter. Außerdem haben Personalverantwortliche natürlich in Punkto Anschreiben nicht alle die selbe Meinung. Dieser Leitfaden bietet zwar Formulierungen an, die Erfolg versprechen, er soll aber in erster Linie als Denkanstoß verstanden werden, der dabei hilft eigene Formulierungen zu entwickeln.

Inhalt:
  1. Allgemein
  2. Äußerer Aufbau
  3. Inhalt
  4. Text-Einleitung
  5. Der zweite Absatz
  6. Ein bis zwei weitere Absätze
  7. Gehalt
  8. Kündigungsfrist/frühester Eintritt
  9. Sonstiges
  10. Schlussfloskel
  11. Bewerbungsphilosophie
  12. Zusammenfassung

1. Musteranschreiben: Allgemeine Informationen

Äußerlich Seriöser Geschäftsbrief. Das Anschreiben muss schlicht aussehen und sollte in der Regel keine PC-Spielereien mit Bildern, Farben, ausgefallenen Schriftarten, Grafikelementen oder fettgedruckten Wörtern innerhalb des Textes enthalten. Inhaltlich Das Ziel, sich von der Masse der Mitbewerber abzuheben, ist legitim, aber der Weg führt über die bereits erbrachten herausragenden Leistungen (in den Bereichen Studium, Examen, Zeugnisse, Arbeitserfolge, Fachqualifikation, Arbeitserfolge, Aufstiegskurve), nicht über herausragende „Leistungen“ im Moment der Formulierung. Wenn man sich nicht gerade als Werbetexter bewirbt, formuliert man am besten schlicht und sachlich (keine Witzchen oder gekünstelte Darstellungen, keine Fremdwörter, die nicht absolut sicher beherrscht werden). Denn der Personalverantwortliche ist gewiss ein Profi und liest ständig Bewerbungen. Er weiß, dass der größte Teil davon (bis zu 90 Prozent) ungeeignet ist. Er will die für ihn relevanten Informationen schnell und einfach aufnehmen. Dafür hat er pro Anschreiben nur ein paar Sekunden Zeit.

2. Äußerer Aufbau des Musteranschreibens

Grundregel: möglichst mit nur einer Seite auskommen – aber dieses Prinzip nicht „zu Tode reiten“. Wenn mehr gesagt werden muss, sind 2 Seiten besser als eine, auf der durch „Textquetschung“ ein häßliches Bild entsteht. Interessenten, die sich auf einen Job bewerben, auf den sich möglicherweise einige hundert Menschen melden (z. B. bei großen Konzernen oder in Branchen, die nur eine geringe Anzahl an Fachkräften sucht) sollten eher mit einer Seite auskommen als beispielsweise Führungskräfte, die mehr Erklärungsbedarf haben, und sich sehr gezielt um eine explizit ausgeschriebene Position bewerben:
  • Weißes Papier
  • Oben Absender mit Anschrift, Telefon, E-Mail etc. entweder auf dem PC erstellt oder als Briefpapier gedruckt (letzteres bei Führungspositionen generell besser, aber nicht entscheidend)
  • Name und Anschrift des Empfängers so auf das Papier bringen, dass bei einer Faltung des Bogens in drei Drittel diese Anschrift durch das Fenster eines Fensterumschlags DIN A lang problemlos lesbar wäre (diesen Textblock nicht höher setzen, um mehr Text auf die Seite zu bekommen)
Achtung: nie einen Fehler bei Namen und Adressen machen!

3. Inhalt eines Musteranschreibens

Betreff Steht über der Anrede, hier ist ausnahmsweise ein fetterer Schriftgrad empfehlenswert. Aber: Zeile einfach hinschreiben, man setzt nichts davor (weder „Betreff“ noch „Betr.:“) Beispiel: „Bewerbung um die Position Konstrukteur Massenprodukte, Ihre Anzeige am 12.01.2018 in der Süddeutschen Zeitung“ Diese Angabe erleichtert der Poststelle das Sortieren und die Personalabteilung kann die Bewerbung dem richtigen Fall zuordnen. Anrede Sofern in der Stellenanzeige ein Name genannt wird, schreiben Sie diese Person auch direkt an. Verwenden sie ansonsten die Anrede: „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder „Guten Tag, sehr geehrte …“. „Hallo, Frau …“ ist eher Umgangssprache und daher nicht zu empfehlen. Nach der Anrede steht zwingend ein Komma! Achtung: Sofern das erste Wort des nächsten Satzes dies zulässt, wird nach dem Komma hinter der Anrede mit kleinem Anfangsbuchstaben gestartet.

4. Text-Einleitung

Ungeübten fällt besonders der Anfang schwer, deshalb hier eine Empfehlung für einen kurzen, harmlosen Satz ,dem der Leser ebenso wenig Aufmerksamkeit schenken wird wie den „freundlichen Grüßen“ am Schluss: Beispiel: „die ausgeschriebene Position interessiert mich sehr“ , alternativ: „Ihre Anzeige hat mein besonderes Interesse gefunden“ oder „gern sende ich Ihnen meine Bewerbung um diese Position“ o. ä. Der Aussagewert solcher Floskeln geht gegen null – aber Sie sind jetzt „drin“ im Text und haben nichts wirklich falsch gemacht. Ein Briefanfang mit „ich“ gilt in der Regel als nicht geglückt – fangen Sie auch keinesfalls mehrere weitere Absätze damit an („Ichbezogenheit“).

5. Der zweite Absatz

Ziel des Anschreibens ist es, sich durch Präsentation ausgewählter Informationen für den Personalverantwortlichen so interessant zu machen, dass er sich aufmerksam und mit großen Erwartungen den „Rest“ der Bewerbungsmappe anschaut. Hauptträger der entsprechenden Fakten soll dieser Absatz sein. Achtung: 90 Prozent der Bewerbungen auf eine Position erweisen sich als ungeeignet. Wenn Sie sich also für die Stelle eignen, sollten Sie es deutlich sagen – das ist absolut nicht selbstverständlich! Der Personalverantwortliche rechnet immer damit, dass auch Ihre Bewerbung eine von den 90 Prozent ungeeigneten Zuschriften ist. Zeigen Sie ihm, dass dies nicht zutrifft. Falsch sind pauschale Aussagen, Sie passten exakt zum Job, erfüllten „alle Anforderungen“ o. ä. Das glaubt niemand und das stimmt natürlich auch nie. Positives Beispiel: Ausgeschrieben wird in der Stellenanzeige ein Gruppenleiter Produktionsplanung (große Serien), gesucht wird ein FH-Ingenieur, Alter: Ende 20 bis Mitte 30, er soll Erfahrungen mit PPS-Systemen haben, Serienfertigungen kennen und sehr gut Englisch sprechen. Der zweite Absatz des Anschreibens könnte hier lauten: „Ich bin Dipl.-Ing. (FH), 31 Jahre alt und seit fünf Jahren in der Arbeitsvorbereitung eines Großserienherstellers tätig. Dort arbeite ich ständig mit einem PPS-System, zusätzlich betreue ich die … Die englische Sprache wende ich nahezu täglich in Wort und Schrift an, sie ist Arbeitssprache im Konzern.“ Fazit: Der Bewerber ist auf den ersten Blick interessant – er passt voll ins Bild. Eine Abweichung vom Anforderungsprofil ist meist erlaubt, bei zweien oder mehr ist die Bewerbung meist aussichtslos. Das Prinzip lautet also: Scheinbar rein zufällig passt das, was der Bewerber ebenso scheinbar „einfach so“ über sich erzählt, sehr gut zum Aufgabenbereich und auch zum Anforderungsprofil. In Wirklichkeit hat der Kandidat seine Schilderung genau auf den Anzeigentext ausgerichtet und zugesehen, dass die zentralen „Reizwörter“ daraus in seiner scheinbar so einfach nur die Tatsachen berichtenden Schilderung unübersehbar vorkommen.

6. Ein bis zwei weitere Absätze

Jetzt haben Sie Gelegenheit, weitere positive Aussagen über sich zu machen, wobei Sie sich – getreu dem Motto „seriöser Geschäftsbrief“ – vor allzu plumpem Eigenlob hüten sollten. Aber hier ist Raum für erzielte Sacherfolge („Die Arbeit in dem von mir geleiteten Projekt führte zu einer Halbierung der Ausschussquote“), für Hinweise auf spezielle, halbwegs zur angestrebten Stelle passende Fachqualifikationen und auf erfolgreich durchgeführte Weiterbildungsmaßnahmen, wenn Sie im Sinne der Anzeige interessant sind. „Weiche“ Anforderungskriterien der Stellenanzeige (solche, die man weder messen, noch beweisen kann, wie beispielsweise „dynamisch“, „engagiert“ etc.) ignoriert man am besten. Wird einer dieser Punkte im Inserat als besonders wichtig herausgestellt, geht man trotzdem vorsichtig damit um. Beispiel: Die Anzeige sagt: „Da hier zwei Abteilungen zusammengelegt werden und die Personalstärke anschließend um ein Drittel zu reduzieren ist, sind Führungsstärke, Stehvermögen und Durchsetzungskraft erforderlich.“ Man erkennt: Das ist nicht nur so dahingesagt, diese Eigenschaften sind hier tatsächlich erfolgsentscheidend. Man schreibt nicht: „Ich bin führungs- und durchsetzungsstark“, auch nicht: „Ich zeichne mich durch … aus.“ Das ist plumpes und unbeweisbares Eigenlob. Besser klingt: „Ich war maßgeblich an der Restrukturierung unseres Bereiches beteiligt. Diese Aufgabe erforderte ausgeprägte Führungsstärke und konnte erfolgreich gelöst werden.“ Aber auch dies wäre ein schlichtes, gutes Argument: „Ich führe seit mehreren Jahren erfolgreich etwa 150 Mitarbeiter unterschiedlicher Ausbildungs- und Alterskategorien sowie Staatsangehörigkeiten.“ Das Wechselmotiv Jeder potenzielle Arbeitgeber will wissen, warum der Bewerber vom jetzigen Unternehmen (so vorhanden) weg will. Die Frage, warum er unbedingt diesen Job anstrebt, ist schon weniger wichtig: Die Antwort darauf verleitet zu schwülstigen Lobhudeleien über die Zielfirma – bei Aufstiegspositionen erklärt sich das fast schon von selbst. Wenn dieser Absatz ganz fehlt, könnten Fragen offen bleiben („Was will der hier? Hat der eigentlich im Inserat gelesen, dass …? Da ist doch für ihn gar kein Fortschritt erkennbar!“). Positives Beispiel 1: „Unser Unternehmen wurde verkauft, jetzt stehen umfassende Restrukturierungen an. Mein Geschäftsbereich wird dann nicht mehr zur Kernkompetenz gehören, seine Zukunft ist ungewiss. An der ausgeschriebenen Position reizen mich ganz besonders die komplexen Projektaufgaben, in denen ich eine interessante Herausforderung sehe. Meine bisherigen Tätigkeiten haben mich darauf gut vorbereitet.“ Positives Beispiel 2: „Die geschilderten Aufgaben reizen mich fachlich sehr. Ich könnte viele meiner Erfahrungen einbringen und mich gleichzeitig in neue, besonders anspruchsvolle Gebiete einarbeiten.“ Positives Beispiel 3: „Die ausgeschriebene Position wäre für mich der folgerichtige nächste Schritt in meiner Laufbahnplanung. Entsprechende Aufstiegsmöglichkeiten gibt es bei meinem Arbeitgeber derzeit nicht.“ Sonderfall Berufseinsteiger: Dass jetzt ein Job gesucht werden muss, muss nicht extra begründet werden, der Hinweis auf den bevorstehenden Studienabschluss (im zweiten Absatz) reicht da völlig aus. Es sollte jedoch erkennbar werden, dass diese Bewerbung gezielt auf diese Position gerichtet ist (sofern sie in einer Anzeige umschrieben wurde). Beispiel: „Die dargestellte Tätigkeit im Versuchsbereich reizt mich besonders. Ich könnte dort nicht nur Teile meines erworbenen theoretischen Wissens anwenden, sondern auch meine ausgeprägten praktischen Fähigkeiten einsetzen.“ – dann sieht man, dass Sie die Anzeige zumindest vollständig gelesen haben, was gerade bei Anfängern nicht selbstverständlich ist. Sonderfall Arbeitslosigkeit: Eine Begründung in der Bewerbung ist ebenso überflüssig, aber was an der Zielposition reizt, sollte deutlich werden.

7. Gehalt

Jeder Bewerbungsempfänger möchte wissen, was der Bewerber „kostet“, er könnte ja auch die Möglichkeiten der Position überfordern. Problemlos, da es meistens im Vorstellungsgespräch ohnehin abgefragt wird, ist – unabhängig vom Anzeigentext – die kommentarlose Angabe des letzten Brutto-Jahreseinkommens. Eine Aufteilung in fixe und variable Bezüge muss dabei nicht vorgenommen werden. Ersatzweise (auch in Kombination denkbar; bei Berufseinsteigern die einzig mögliche Aussage) ist die Angabe des gewünschten Einkommens natürlich erlaubt. Beispiel: „Mein Einkommen beträgt ca. 90.000,- EUR/Jahr zuzüglich Dienstwagen.“ Dabei kann man hinzufügen: „…, entscheidend für mich ist jedoch die Aufgabenstellung.“ Damit deuten Sie eine diffuse, Sie nicht konkret verpflichtende Toleranzbereitschaft an.
Weitere Informationen zum Thema Gehalt finden Sie hier. Einen Gehaltsrechner gibt es bei unserem Partner Jobware: www.jobware.de/Gehaltsrechner.html

8. Kündigungsfrist/frühester Eintritt

Auch diese Information hätte der Empfänger gern. Wenn die Kündigungsfrist zu lange ist, kann die Bewerbung an dieser Frage scheitern (zu später Einstiegstermin). Beispiel: „Meine Kündigungsfrist beträgt vier Wochen zum Monatsende.“ Oder: „Ich könnte sofort eintreten.“ Bei längeren Kündigungsfristen wäre ein Zusatz schön (falls zu verantworten): „… sechs Wochen zum Quartalsende, ich gehe jedoch von der Möglichkeit einer deutlichen Verkürzung in Absprache mit meinem aktuellen Arbeitgeber aus.“ Hinweis: Gehalt und Kündigungsfrist sollten in einem Absatz zusammengefasst werden.

9. Sonstiges

Empfehlenswert ist ein Absatz mit dem Hinweis: „Ich bin unbegrenzt mobil“ oder „Ein Umzug nach Bad Reichenhall ist problemlos möglich“. Das beruhigt den Leser (Anmerkung: Es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass ein Akademiker, der sich in Bad Reichenhall bewirbt, auch dorthin zieht). Dann kann dort als zweiter Satz stehen: „Zu einem Vorstellungsgespräch stehe ich gern zur Verfügung.“ Das ist zwar sowieso selbstverständlich, beruhigt aber den Absender, das gesagt zu haben. Abzuraten ist von komplizierten Hinweise zum ohnehin selbstverständlichen Verfahren wie: „In einem Gespräch möchte auch ich herausfinden, ob wir zusammenpassen.“ Sonderfall Berater-Anzeige Tun Sie einfach so, als wäre die ausgeschriebene Position in seinem Hause angesiedelt oder als wäre er das suchende Unternehmen. Das vereinfacht die Sache ungemein. Sonst müssten Sie ständig von „Ihrem Klienten“ reden, was die Formulierungen unnötig kompliziert macht. Der Berater steckt das locker weg.

10. Schlussfloskel

„Mit freundlichen Grüßen“ , dann darunter unbedingt unterschreiben (nicht vergessen!).

11. Bewerbungsphilosophie

Verfassen Sie das Anschreiben als wollten Sie die Position um jeden Preis haben, obwohl Sie ja eigentlich noch viel zu wenig darüber wissen. Das ist systemimmanent, nehmen Sie es hin und schreiben Sie auf keinen Fall: „… bin ich ja erst in der Vorinformationsphase. Später werde ich dann entscheiden, ob ich mich tatsächlich bewerbe.“

12. Zusammenfassung

Nun besteht unser Anschreiben aus dem harmlosen Einleitungssatz, dem entscheidenden zweiten Absatz zu Ihrer „passenden“ Qualifikation, einigen Ausführungen zu sonstigen Fähigkeiten, Angaben zur Wechselmotivation, Informationen zum Einkommen und Eintrittstermin sowie einem Standard-Schlusssatz. Kein Hexenwerk, nicht wahr? Wenn jetzt noch eine Frage auftaucht, beantworten Sie sich die mit Logik und Ihrem gesundem Menschenverstand. Und am besten schreiben Sie wie man spricht. Es sei denn, …
Anmerkung: Dieser Beitrag erschien leicht abgewandelt als Beitrag von Heiko Mell im Rahmen seiner Serie „Karriereberatung“ in den VDI nachrichten. Heiko Mell, Jahrgang 1942, ist Wirtschaftsingenieur sowie Gesellschafter und Geschäftsführer der MMC (MMC Sexauer & Mell Unternehmens- und Personalberatung). Vielen Managern und Bewerbern ist er aus diversen Publikationen, Zeitungsserien, Vorträgen und Vorlesungen bekannt. Mehr Informationen zum Thema Anschreiben. Unser Kompaktkurs Bewerbung leistet kompetente Hilfestellung für die einfache und erfolgreiche Bewerbung.

karriereführer frauen in führungspositionen 2013.2014

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Wo Frauen jetzt am Zug sind – Einsteigerinnen profitieren vom Wandel

Aufbruch. 2013 ist für viele Unternehmen das Jahr des personellen Umbruchs. Das selbstgesteckte Ziel: mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Wird ja auch Zeit. Wir zeigen auf, wie die Unternehmen das erreichen wollen, und wie ambitionierte Frauen jetzt ihre Karriere angehen sollten. Außerdem haben wir nachgefragt, wer die „gläserne Decke“ entsorgt, die viele Frauen im mittleren Management stoppt und daran hindert, nach ganz oben zu kommen. Ziele vor Augen Frauen, die am Anfang der Karriereleiter stehen und hoch hinaus wollen, sollten darauf achten, welche Unternehmen weiblichen Nachwuchs besonders fördern. „Gegen Schubladendenken verstoßen“ Anke Domscheit-Berg erklärt im Interview, wie sie Einsteigerinnen coacht und auf die Hürden der Arbeitswelt vorbereitet.

Top-Manager:

Interview mit Andrea Puschmann, Personalmanagerin bei Ford Deutschland Im Interview erklärt die dreifache Mutter, dass sich Familie und Erfolg im Beruf miteinander vereinbaren lassen.

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Mein Bewerbungsgespräch bei: Continental

Projekt

Hör mir zu! Paul Johannes Baumgartner über die Macht der weiblichen Stimme. Blickpunkt: Pionierinnen Teil zwei einer Reihe bemerkenswerter Frauen.

Aufsteigen

Neugier macht erfolgreich „In den Wurzeln liegt die Kraft“ Interview mit Dr. Petra Urban. Freundliche Umwege statt Blumen Coach Petra Motte zeigt, wie man im Ausland Fettnäpfchen vermeidet. Was macht eigentlich eine Feelgood-Managerin, Frau Bethge? Magdalena Bethge erklärt die Aufgaben einer Feelgood-Managerin bei Jimdo.

Help!

Comeback der Masche Zwei Diplom-Designerinnen mit ihrem Projekt „Alte Liebe“

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Sabine Asgodom, Managementtrainerin und Buchautorin

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Allianz Daimler AG Kaufland Mainova AG Microsoft Deutschland GmbH RWE AG THOST Projektmanagement GmbH

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Der Entrepreneurs Club IQB JOBWARE TALENTS – Die Jobmesse

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E-Paper karriereführer frauen in führungspositionen 2013.2014 Download karriereführer frauen in führungspositionen 2013.2014 (ca. 7 MB) karriereführer frauen in führungspositionen 2013.2014 in der Kiosk-App für das iPad karriereführer frauen in führungspositionen 2013.2014 in der Kiosk-App für Android

karriereführer wirtschaftswissenschaften 1.2013

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Grünes Business, gutes Business – Unternehmen setzen auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit

Sinnvoll. Die drei großen Vorteile nachhaltiger Geschäfte: Es entstehen Produkte, die erstens der Umwelt guttun, zweitens von Kunden mit gutem Gewissen konsumiert werden und drittens dafür sorgen, dass die Mitarbeiter im Unternehmen gerne zur Arbeit kommen, weil sie in ihrer Tätigkeit einen Sinn erkennen. Kein Wunder also, dass dem Green Business die Zukunft gehört – mit besten Aussichten für Einsteiger, die erkennen, worauf es beim Thema Nachhaltigkeit wirklich ankommt. Weil es besser ist Nachhaltiges und ökologisches Denken in Unternehmen. Jetzt anders wirtschaften Interview mit Dr. Andreas Weber. „Wir haben nicht viel Zeit“ Interview mit Professor Michael Braungart.

Top-Manager:

Interview mit Dr. Anselm Grün, Benediktinermönch und Manager

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Mein Bewerbungsgespräch bei: Bayer

Aufsteigen

Was macht eigentlich ein Biltroller, Herr Erichsen?

Special: Start-ups

Start-ups als Karrierechance Expansion mit Herzblut Von der Teilzeitkraft zur Geschäftsleitung. Schöpferische Zerstörer gesucht Interview mit Professor Günter Faltin.

Help!

„Spendet Bücher – wir bauen daraus Schulen“ Projekt: Bücher Börse Köln.

Projekt

Mut zur Lücke Erfahrungen sammeln dank GapYear.

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Bettina Cramer, Moderatorin, Buchautorin und Produzentin

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ALDI GmbH & Co. KG Allianz Bertelsmann SE & Co. KGaA Deloitte Hays AG HFH • Hamburger Fern-Hochschule Kaufland Lidl Personaldienstleistung GmbH & Co. KG

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Der Entrepreneurs Club IQB JOBWARE Organisationsforum Wirtschaftskongress e.V. (OFW) TALENTS – Die Jobmesse

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