Im Takt bleiben

Haben Sie heute schon gesungen? Wenn ja: herzlichen Glückwunsch. Sie haben damit Körper und Seele Gutes getan. Denn Gesang ist ein Heilmittel. Er fördert die Gesundheit, mindert Stress und wird sogar in vielen Therapien eingesetzt. Von Dr. Christian Lehmann, Musikwissenschaftler und Biologe

iPod, Stereoanlage und Kaufhausbeschallung: Unsere Alltagsbeziehung zur Musik ist eher eine passive. Doch es gibt gute Gründe, selbst musikalisch aktiv zu werden. Singen steigert das Wohlbefinden, schafft soziale Kontakte, hält Stimme und Geist fit und stärkt sogar das Immunsystem. „Musik brauche ich zum Abschalten.“ Wenn wir in diesem Zusammenhang von Musik sprechen, meinen wir etwas, was es erst seit kurzer Zeit gibt: ein professionell hergestelltes Produkt zum Hören und Mitnehmen. Unsere eigentliche Beziehung zu Melodie und Rhythmus jedoch wurzelt viel tiefer. Vor wenigen Jahren fand ein Archäologenteam in einer schwäbischen Höhle Bruchstücke einer Flöte, aus einem Vogelknochen geschnitzt und rund 35.000 Jahre alt. Unsere Vorfahren spielten also längst Flöte, als sie den Ackerbau oder das Rad erfanden. Gut möglich, dass musische Betätigung in unserer Geschichte so etwas wie ein Sprungbrett für Erfindergeist und Innovation war.
In seinem Buch Der genetische Notenschlüssel erklärt Christian Lehmann anschaulich, was Musik mit Biologie zu tun hat, warum wir bei manchen Liedern eine Gänsehaut bekommen, wie die moderne Medizin sich die Wirkungen der Musik zunutze macht und vieles mehr. Christian Lehmann: Der genetische Notenschlüssel. Herbig 2010. ISBN 978-3776626469. 19,95 Euro
Das kostengünstigste und zugleich gesündeste Musikinstrument tragen wir immer bei uns: die Stimme. Wer singt, steigert nicht nur das psychische Wohlbefinden, sondern verbessert auch die Sauerstoffversorgung von Körper und Gehirn. Eine Langzeitstudie der Uni Frankfurt zeigte, dass Schulkinder, die verstärkt musizieren, auch in anderen Fächern ihre Leistungen steigern und besser miteinander auskommen. Nicht genug damit: Chorsingen stärkt die Immunabwehr und baut Stresshormone ab. Fazit aller einschlägigen Erkenntnisse: Selbermachen ist besser als Hören, und gemeinsam ist besser als allein – sowohl im Hinblick auf positive „Nebenwirkungen“ wie auf das subjektive Empfinden. Wenn wir gemeinsam „im Takt“ sind und den Zusammenklang mit anderen Stimmen wahrnehmen, kommt über die Ausschüttung von Glückshormonen ein körpereigenes Selbstbelohnungssystem in Gang und motiviert uns, gemeinsam bei der Sache zu bleiben. Genügend Gründe also gerade für Berufstätige, den iPod gegen eine Chormappe einzutauschen – wenigstens ab und zu. Doch wo findet man Gelegenheit zum Singen außerhalb der Dusche – und welche Voraussetzungen muss man mitbringen? Entgegen manchen Befürchtungen wird in den meisten Laienchören weder Vorsingen noch perfektes Notenlesen verlangt. Chorsänger müssen nicht über Superstar-Qualitäten verfügen, sondern auf ihre natürliche Musikalität vertrauen und Lust darauf haben, sich mit ihrer Stimme auszudrücken – was auch im Beruf hilfreich ist. In Deutschland gibt es schätzungsweise rund 50.000 Jugend-, Männer-, Frauen-, Kirchen-, Jazz- und klassische Chöre, in denen zwei bis drei Millionen Menschen singen. Einige Firmen und Institutionen haben sogar eigene Chöre gegründet. So gibt es nicht nur Polizeichöre (und -orchester), sondern auch einen Lufthansa-Chor und einen Mitarbeiterchor der Bayerischen Staatsbibliothek. In vielen Betrieben werden für einen bestimmten Anlass – zum Beispiel für die Weihnachtsfeier – Projektchöre auf die Beine gestellt. In den Proben steht die Abteilungsleiterin neben der Volontärin, denn beide singen die gleiche Stimme. Statusdifferenzen sind hier aufgehoben, denn die Aufgabenverteilung richtet sich allein nach der Stimmlage. Gespräche zwischen Mitarbeitern verschiedener Abteilungen ergeben sich von selbst – ein Projekt, das so manche teambildende Maßnahme überflüssig machen kann. Oft hört man den Einwand: „Ich kann nicht singen.“ Doch so wie wir (fast) alle laufen und sprechen können, besitzen wir auch ein musikalisches Gehör. Angeborene oder erworbene Störungen sind selten. Die häufigste Schwierigkeit besteht in mangelnder Übung. Unsere Stimme setzen wir im Alltag nur in einem sehr begrenzten Tonumfang ein. Es lohnt sich, sie zu trainieren: Singen ist Fitnesstraining für die Stimme, schafft nicht nur Ausgleich zum Arbeitsalltag, sondern fördert die Entfaltung der ganzen Persönlichkeit. Wie kommt der Mensch zur Musik? Lange bevor Babys Worte verstehen, horchen sie auf Melodien und auf den Klang der Stimme. Intuitiv singen Mütter in allen Erdteilen ihren Kindern Wiegenlieder vor. Unser Gehirn ist für die Verarbeitung von Melodie und Rhythmus speziell ausgerüstet. Musikalität gehört zur „biologischen Serienausstattung“ des Menschen – mit existenziellen Funktionen: Diese erkennen wir etwa im Fußballstadion, wenn Fans spontan zu einem Chor werden. Musik ist ein Stoff, aus dem emotionale Bande geknüpft werden. Er festigt die lebenswichtige Bindung zwischen Mutter und Baby ebenso wie den Zusammenhalt einer Gruppe, die „im Takt“ nicht nur Bewegungen, sondern auch Gefühle und Ziele synchronisiert. Höchstwahrscheinlich ist der Mensch ein guter Teamarbeiter geworden, weil er Rhythmusgefühl besitzt und in der Lage ist, Misstöne von Harmonie zu unterschieden. Es wird deutlich: Wir sind nicht nur als Hörer, sondern auch als Musiker geboren – ein Gedanke, der in einer Umwelt, die uns an vielen Orten Musik als Hintergrundgeräusch aufnötigt, neue Bedeutung erlangt.

Blickrichtung Gesang:

www.musiktherapie.de www.deutscher-chorverband.de www.singende-krankenhaeuser.de Dorothee von Moreau (Hrsg): Musiktherapie in der präventiven Arbeit. Reichert 2012. ISBN 978-3895008689. 18,00 Euro

Gesund essen: Bloß kein Stress!

Gutes Essen ist ein wichtiger Faktor für alle, die in Balance bleiben wollen: Es hält fit, leistungsfähig und gut in Form. Aber wer ein stressiges Arbeitsleben hat, kann auf zusätzlichen Stress in Sachen Essen und Trinken vermutlich gut verzichten. Das Motto lautet also: Gesund und mit Genuss essen. Geht das überhaupt? Es geht! Von Ulrike Gonder, Ernährungswissenschaftlerin und Autorin

Ulrike Gonder ist Diplom-Ökotrophologin. Sie arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin, Referentin und Dozentin und hat zahlreiche Bücher geschrieben. Eine Übersicht über ihre Veröffentlichungen sowie Infos und Artikel finden Sie auf ihrer Website www.ernaehrgesund.de und bei Facebook unter www.facebook.com/Ernaehrung.kontrovers.
„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ heißt es in einem Opernlibretto von 1690 – mittlerweile ist daraus ein bekanntes Sprichwort geworden. Und die Ernährungswissenschaft bestätigt: Es stimmt. Essen entspannt. Die gütige Natur hat das Essen mit Lustgefühlen gekoppelt, die dafür sorgen, dass wir es immer wieder tun. Zur Entspannung kommt die Aktivierung der Belohnungszentren in unserem Hirn, die besonders auf süß und fettig stehen. Dass in stressigen und frustrierenden Zeiten vermehrt zur Schokolade gegriffen wird, erklärt sich damit von selbst. Doch wollten wir nicht auch gesund essen? Wer kleine Mengen Süßes oder Salziges knabbert, braucht sich nicht zu sorgen. Das ist völlig in Ordnung. Wer jedoch von Schokolade, Gummibärchen, Rosinenschnecken, Pizza oder Chips lebt, versorgt seinen Körper nicht gut. Selbst wenn die Kalorienbilanz stimmt, kommen damit zu wenige wichtige Nährstoffe rein: zu wenige Magnesium, ein Mineralstoff, der bei Stress vermehrt verbraucht wird. Zu wenig Eiweiß, das die nötigen Bausteine für stimmungsaufhellende und leistungsfördernde Botenstoffe liefert. Zu wenig hochwertige Fette, die unser Hirn zur Signalverarbeitung braucht. Um es kurz zu machen: Vor allem bei hoher Arbeitsbelastung sollte die Nährstoffversorgung exzellent sein. Lebensmittel, die besonders viele Nährstoffe enthalten, sind nicht etwa nur Gemüse, Salate und Obst, sondern auch Fisch, Fleisch, Nüsse, Eier, Milch und Milchprodukte, Butter und gute Öle. Ideal ist es, täglich drei Handvoll Gemüse und Salat, zubereitet mit gutem Öl, zwei Handvoll Obst und zu jeder Mahlzeit eine Portion Eiweiß in Form von Fisch, Fleisch, Eiern, Käse oder Nüssen zu essen. Das ist die Basis für nährstoffreiche Mahlzeiten. Alles, was dazu kommt, sind „Luxuskalorien“. Und bitte das Wassertrinken nicht vergessen, es ist die einfachste und billigste Maßnahme gegen Kopfschmerzen und Leistungseinbußen. Wer Glück hat, kann dort, wo er arbeitet, eine gute Kantine besuchen. Kommt nach dem Mittagessen die „Fressnarkose“, hat man zu üppig gegessen. Dann kann es hilfreich sein, weniger Nudeln, Kartoffeln, Reis, Knödel und Pudding zu essen und dafür mehr Gemüse, Milchprodukte oder Obst zu nehmen. Wem das Kantinenessen nicht schmeckt, der sollte sich etwas Leckeres von zu Hause oder unterwegs mitbringen und sich ein ruhiges Plätzchen zum Essen suchen. Denn vor dem PC Verschlungenes rauscht an den Geschmackspapillen fast unerkannt vorbei. Man merkt auch nicht richtig, wann und ob man satt ist. Schublade Nüsse, Studentenfutter, Eiweißriegel oder Eiweißpulver für einen schnellen Drink liegen. Diese „Notlösungen“ sind allemal besser als Weingummis oder Kekse. Sie sind nahrhafter und nährstoffreicher, sättigen besser und länger und sind doch ebenso schnell gefuttert. Sein Gemüse kann man dann auch abends noch essen, denn es ist egal, ob abends oder mittags warm gegessen wird. Zum Abendessen passt dann auch ein Glas Wein oder Bier. Alkoholisches entspannt, die Kunst liegt jedoch gerade hier im Maßhalten. Viele Studien haben gezeigt, dass maßvoller Genuss mit einer besseren Herz- und Gefäßgesundheit einhergeht. Maßvoll bedeutet für Männer eine Alkoholmenge, wie sie etwa in 0,2 bis 0,4 Litern Wein steckt, und für Frauen entsprechend 0,1 bis 0,2 Liter Wein. Mehr ist schädlich, auch das ist gut untersucht. Und wem der Stress bereits den Blutdruck in die Höhe getrieben hat, muss ganz besonders aufpassen und weniger trinken. Übrigens ist Alkohol kein gutes Schlafmittel. Er mag beim Einschlafen helfen, stört aber das Durchschlafen und damit einen der besten Stresskiller, den wir haben: einen erholsamen Nachtschlaf. Wer morgens keinen Bissen runterbekommt, sollte wenigstens etwas Nahrhaftes trinken, also einen Kakao, ein Milchmixgetränk, ein paar Instanthaferflocken mit Saft oder einen Smoothie. Außerdem ist es wichtig, etwas Nahrhaftes zur Hand zu haben, wenn der Hunger dann zuschlägt, sonst wird man unleidlich. Womit wir beim Thema Planung wären: Wer weiß, dass stressige Zeiten kommen, sollte vorher einkaufen gehen und sich Kühl- und Tiefkühlschrank vollpacken: mit Gemüse, Obst und Fisch, Milchprodukten und Selbstgekochtem. Auch gute Fertigprodukte sind sinnvoll, wenn sie aus Grundnahrungsmitteln hergestellt sind und ohne Aromen und Geschmacksverstärker auskommen – und die eine oder andere Pizza ist auch in Ordnung. Übrigens ist Stress ein schlechter Begleiter bei Tisch: Ein gestresster Körper ist hormonell auf Flucht oder Kampf eingestellt, wie soll er da eine Mahlzeit verdauen? Stresshormone blockieren die Verdauung und sorgen dafür, dass die Muskeln gut mit Energie und Sauerstoff versorgt werden. Deswegen ist körperliche Bewegung ideal zum Stressabbau, es ist die effektivste und natürlichste Antistressmaßnahme. Also: Erst einmal eine Runde um den Block marschieren oder beim Sport abreagieren und dann in Ruhe essen – mit Genuss und ohne schlechtes Gewissen.

Buchtipps

Industriell hergestellte Lebensmittel sind häufig vollgepackt mit Zusatzstoffen. Hans-Ulrich Grimm erklärt, was das für unsere Gesundheit bedeutet und worauf Verbraucher achten sollten. Hans-Ulrich Grimm: Die Ernährungslüge. Wie uns die Lebensmittelindustrie um den Verstand bringt. Knaur 2011. ISBN 978-3426783931. 9,99 Euro   Als Allgemeinarzt kennt Dr. Gunter Frank die vielfältigen Probleme, die viele Menschen mit ihrem Gewicht haben. In seinem Buch setzt er dem Ernährungsstress ein Ende. Seine These: Am gesündesten und am besten für die Figur ist es, das zu essen, worauf man am meisten Appetit hat. Gunter Frank: Lizenz zum Essen. Stressfrei essen, Gewichtssorgen vergessen. Piper 2009. ISBN 978-3492253703. 9,99 Euro www.lizenz-zum-essen.de   Christian Rach ist Koch, Coach, Restauranttester und Buchautor. In seinem neuesten Kochbuch hat er Rezepte für eine gesunde und ausgewogene Ernährung zusammengestellt. Auf seiner Internetseite und bei Facebook unter „Rach getestet“ leistet er zusammen mit dem SGS Institut Fresenius einen Beitrag zu gesünderer Ernährung und hilft Verbrauchern bei der Auswahl hochwertiger Lebensmittel. http://christianrach.de Christian Rach: Besser: Besser essen. Edel 2011. ISBN 978-3841901354. 19,99 Euro

Auf der Suche nach dem Gleichgewicht

Work-Life-Balance ist keinesfalls nur ein Thema für vom Burnout bedrohte Top-Manager oder Väter und Mütter. Untersuchungen zeigen, dass das Thema in den Fokus von Berufseinsteigern gerückt ist. Sie möchten ihre Arbeit und ihr Leben selbst gestalten, und dafür bieten Unternehmen mittlerweile die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Personaler und Coachs raten Einsteigern, sich früh klarzumachen, was ihnen wirklich wichtig ist – und diese Themen dann offen anzusprechen. Von André Boße

Was Karriere ist? Von Beginn an gutes Geld verdienen und schnell nach oben kommen – dorthin, wo es noch mehr Geld gibt. Eine provozierende Antwort? Vor allem eine überholte Antwort, denn für die junge Generation steht Karriere vielfach für etwas anderes. Das Beratungsunternehmen Universum hat im zweiten Halbjahr 2011 rund 7000 Professionals mit Hochschulabschluss nach ihren wichtigsten Karrierezielen gefragt. Mit weitem Abstand die meisten Nennungen erhielt der Aspekt „eine ausgewogene Work-Life-Balance haben“ (60 Prozent). Auf Platz zwei mit 49 Prozent: „intellektuell herausgefordert sein“. Klassische Aufsteigerziele erhielten dagegen deutlich weniger Zustimmung: Der Punkt „Führungskraft in leitender Position werden“ wurde von 34 Prozent der Befragten genannt, „Technischer oder Fachexperte sein“ lediglich von 17 Prozent. Mit Blick auf die Young Professionals, also auf Fachkräfte unter 40 Jahren und mit weniger als acht Jahren Berufserfahrung, spricht Stefan Lake, Country Manager Deutschland bei Universum, von einem klaren Trend bei den Karrierepräferenzen: „Parallel zu den Steigerungen bei Work-Life-Balance und der intellektuellen Herausforderung nimmt die Relevanz der eigenen Funktion im Unternehmen ab. Solange Young Professionals das Verhältnis zwischen Arbeit und Privatem ausgewogen sehen und vor herausfordernde, abwechslungsreiche Aufgaben gestellt werden, ist es den Befragten weniger wichtig, ob sie eine Führungsposition innehaben oder eine fachliche Laufbahn einschlagen.“

Buchtipp

Stress und Burnout werden leider oft undifferenziert zum Bedrohungsszenario erklärt in der Familie, in der Schule aber vor allem in der Arbeitswelt. Der Neurobiologe Bernd Hufnagl plädiert für mehr Geduld und Achtsamkeit in der Hektik des Alltags. Bernd Hufnagl Besser fix als fertig: Hirngerecht arbeiten in der Welt des Multitasking. Molden Verlag 2014. ISBN 978-3854853312. 22,99 Euro
Die Studie liefert ein Ergebnis mit großer Schlagkraft. Die junge Generation stellt die eigene Persönlichkeit vor die aufstiegsorientierte Laufbahn. Einschränkungen in der Lebensqualität zugunsten guter Gehälter und einflussreicher Posten sind nicht mehr akzeptabel. Der Weg nach oben? Ja, aber nur, wenn die persönliche Entwicklung Schritt halten kann. Die junge Generation betrachtet berufliche Arbeit und privates Leben nicht als zwei gegensätzliche, unvereinbare Welten. Gewünscht sind daher Konzepte, die Arbeit und Leben zusammenfließen lassen – in eine ausgeglichene Work-Life-Balance, in der Top-Leistung für den Arbeitgeber genauso an der Tagesordnung steht wie flexible Arbeitszeiten, mobile Arbeitsorte und berufliche Auszeiten, um sich zu erholen oder sich der Familie zu widmen. Aber ist es nicht seltsam, dass schon Einsteiger eine gesunde Work-Life-Balance als Karriereziel Nummer eins betrachten? Sollten nicht Absolventen bei ihrem ersten Job das Privatleben zunächst einmal komplett hintanstellen und sich auf Leistung im Unternehmen fokussieren? „Nein, keineswegs“, findet Claudia Schlossberger, Personalbereichsleiterin beim Handelskonzern Metro. „Nachwuchskräfte hinterfragen zurecht kritisch einen ausschließlichen Fokus auf Arbeit und Karriere.“ Der Verantwortlichen für das Recruiting kommt es nicht verdächtig vor, wenn schon Einsteiger oder Young Professionals im Bewerbungsprozess sehr deutlich machen, dass für sie Work-Life-Balance ein wichtiges Thema ist. „Die gesellschaftlichen Werte haben sich verändert, und wenn junge Menschen heute schon beim Arbeitseintritt deutlich machen, dass sie auch Ziele außerhalb der Arbeitswelt verfolgen, sehen wir das positiv“, sagt sie – und weiß aus Erfahrung, das Selbstbewusstsein beim Thema Work-Life-Balance bedeutet, dass die Nachwuchskräfte im Unternehmen trotzdem mit hohem Engagement und Einsatzwillen glänzen. Der Vorteil dieser Mitarbeiter: Sie glänzen in der Regel länger als die, die sich ohne Rücksicht auf das persönliche Befinden auspowern. Leistung ist also auch für die Work-Lifesensible Generation weiterhin selbstverständlich – wenn das Gesamtpaket stimmt. Claudia Schlossberger hat beobachtet, dass topqualifizierte Absolventen im Bewerbungsprozess deutlich kritischere Fragen stellen als noch vor einigen Jahren. Sie wollen nicht nur wissen, wie die Möglichkeiten für flexible Arbeitszeiten oder Arbeiten im Home Office sind, sondern auch, wie das Unternehmen zu Nachhaltigkeit, Umweltschutz oder gesellschaftlicher Verantwortung steht. Auch diese Aspekte fließen in die Work-Life-Balance hinein, denn viele Nachwuchskräfte legen großen Wert darauf, dass ein Unternehmen, für das sie sich engagieren wollen, nachhaltig wirtschaftet und verantwortungsbewusst handelt. „Arbeitgeber sind daher gut beraten, zu all diesen Fragen das Gespräch anzubieten und sich kontinuierlich selbst kritisch auf den Prüfstand zu stellen“, sagt Claudia Schlossberger. Sie erwartet für die nahe Zukunft eine Arbeitswelt, in der Unternehmen noch mehr als heute vor der Aufgabe stehen, ihren Fachkräften möglichst großen individuellen Gestaltungsraum zu geben. „Die Arbeitswelt wird in zehn Jahren deutlich anders aussehen“, prognostiziert sie. „Mitarbeiter werden häufiger wechseln – ob innerhalb eines Unternehmens oder zu einem anderen Arbeitgeber.“ In dieser mobilen Arbeitswelt entsteht Loyalität nicht mehr durch langjährige Zugehörigkeit, sondern durch einen lebendigen und transparenten Austausch zwischen Unternehmen, Führungskräften und Mitarbeitern. Ein Einsteiger, dem besondere Aspekte der Work-Life-Balance wichtig sind, sollte diese daher direkt und offen ansprechen. Ein „zu früh“ gibt es bei diesen Themen nicht. Ein „zu spät“ jedoch sehr wohl. „Angesichts der steigenden Zahlen psychosozialer Erkrankungen – gerade auch bei Berufsanfängern – rate ich Einsteigern, von Beginn an auf eine gute Work-Life-Balance zu pochen“, sagt Birgit Wintermann, Expertin für Unternehmenskultur bei der Bertelsmann-Stiftung. Selbst in stark mitarbeiterorientierten Unternehmen könnten die Führungskräfte nicht in die Köpfe ihrer Mitarbeiter schauen. „Daher ist es wichtig, selbst seine Grenzen zu erkennen, diese nicht dauerhaft zu überschreiten und bei Bedarf das Gespräch mit dem Vorgesetzten zu suchen“, sagt Wintermann. Allerdings merkt sie an, dass die Nachricht, man wolle seine Arbeitszeit aus persönlichen Gründen einschränken, auch in fortschrittlichen Unternehmen keine Jubelszenen auslösen wird. „Kein Arbeitgeber hört es gerne, wenn ein Mitarbeiter weniger arbeiten möchte oder ein gewisses Arbeitspensum nicht schafft“, sagt Wintermann. Doch dies ist weder ein Grund dafür, das Bedürfnis zu verdrängen, noch, stur auf sein Recht zu pochen. „Ratsam ist es, sensibel zu sein und eigenverantwortlich Lösungsvorschläge mit ins Gespräch zu bringen“, sagt Birgit Wintermann. Denn am besten lässt sich eine Work-Life-Balance herstellen, wenn Unternehmen und Mitarbeiter gleichwertig daran beteiligt sind.

Mitarbeiterzufriedenheit als Unternehmensziel

Zwei Drittel aller Unternehmen und sogar fast drei Viertel der Großunternehmen ab 250 Beschäftigte haben ihre Führungskräfte explizit verpflichtet, die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiter zu verbessern. Das belegt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, die im Rahmen des Projekts Vitness durchgeführt wurde. Vor allem innovative und erfolgreiche Unternehmen bemühen sich darum, Mitarbeiter langfristig zu binden. Dazu gehören unter anderem Vertrauen in die Eigenverantwortung der Mitarbeiter, jährliche Mitarbeitergespräche sowie eine familienfreundliche und chancengerechte Personalpolitik.

GreenTec Awards 2014 verliehen

Aus Löwenzahn werden Autoreifen, Bienen finden ein neues Zuhause auf urbanen Balkonen – die GreenTec Awards zeichnen zum siebten Mal ökologisches und ökonomisches Engagement und den Einsatz von Umwelttechnologien aus.

Die GreenTec Awards sind nach Aussage der Veranstalter Europas größter Umwelt- und Wirtschaftspreis und werden einmal jährlich für Umweltengagement und grüne Umwelttechnologien verliehen. Bereits im vergangenen Jahr kam ich aus dem Staunen über so viel ökologische Innovation nicht mehr hinaus. Auch in diesem Jahr staune ich – nicht nur über Löwenzahnreifen und Balkonbienen. So geht beispielsweise Mitte des Jahres in Schwerin ein 5-Megawatt-Großspeicher ans Netz, der die Schwankungen bei der Einspeisung von regenerativen Energien aus Wind- und Sonnenkraft ausgleichen wird. Diese Technologie zeigt, dass Batterieparks Kohlekraftwerke überflüssig machen können, sofern genug Wind- und Sonnenstrom da ist. Die Younicos AG hat hierfür den ersten Preis in der Kategorie Energie erhalten. Und wenn ich künftig zur Sojamilchpackung greife, muss ich nicht mehr ein so arg schlechtes Gewissen haben: Die Saperatec GmbH hat ein Verfahren entwickelt, mit speziell entwickelten Mikroemulsionen Verbundmaterialien aufzutrennen. So lassen sich die Rohstoffe unter anderem aus Getränkekartons einzeln wiedergewinnen und -verwerten. Die Preisträger 2014 in der Kategorie Recycling & Ressourcen folgen damit dem Cradle-to-Cradle-Ansatz von Prof. Michael Braungart, nach dem alle Komponenten und Ressourcen eines Produkts in anderen Produkten weiterleben. Andere tolle Ideen, die nominiert waren, widmen sich der Meerwasserentsalzung zur Trinkwassergewinnung, gedruckten Solarzellen aus Papier und dem Einsatz von elektromobilen Fahrzeugen bei der Flugzeugabfertigung auf dem Frankfurter Flughafen. Das Stöbern in den gut ein Dutzend Kategorien macht riesigen Spaß, man sollte jedoch etwas Zeit mitbringen.

Mit Liebe zum Leben lebt es sich besser

Wenn Humor und Tiefsinn, Lebensfreude und -erfahrung zu einem Radio-Gespräch zusammenfinden, sind die Zutaten für eine inspirierende Sendung bereitet. Die Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Annelie Keil wird zu Gast sein bei Prof. Hubertus Meyer-Burckhardt, der wie immer am ersten Sonntag des Monats auf NDR Info zum Radio-Format „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“ einlädt.

Meyer-Burckhardts Frauengeschichten mit Annelie Keil, 04.05.2014, 16:05 Uhr NDR-Info
Annelie Keil war vor 40 Jahren eine der ersten Professorinnen an der damals neu gegründeten Universität in Bremen. Bis heute widmet sie sich Themen, die vielen Menschen Angst machen: Lebenskrisen, Depressionen oder Fragen der Palliativ-Medizin. Sie ist in der Hospiz-Bewegung engagiert und versprüht Humor und Lebensfreude. Für Annelie Keil ist das kein Widerspruch. Ihr Motto lautet: Ohne Liebe zum Leben können wir nicht leben! Als wunderbare und kompetente Interviewpartnerin stand sie dem karriereführer mehrfach zur Verfügung. Zu ihren Kernthemen Gesundheitswissenschaft und Krankenforschung in Biografie und Lebenswelt hat Annelie Keil mehrere Bücher verfasst, und sie war Expertin in der NDR-Fernsehsendung „Gesundheitswerkstatt“. Und dann ist da noch der kongeniale Gastgeber Hubertus Meyer-Burckhardt, auch er schon vielfach in unseren Publikationen, der seiner Kreativität immer wieder ein neues Spielfeld zu bieten weiß. Viele kennen den Grimme-Preisträger sicher als Gastgeber der NDR Talk Show zusammen mit Barbara Schöneberger. Im Radio hat er nun seit Kurzem seine eigene Sendung.

Ein Lehr- und Lernfilm über Annelie Keil

Geht doch! Wie wir werden, wer wir sind und nicht bleiben. Biografische Antworten auf Fragen des Lebens. Ein Film von Heide Nullmeyer und Ronald Wedekind, Oktober 2013. Filmlänge: 66 Minuten. 16 Euro. Die DVD kann bestellt werden unter www.anneliekeil.de/dvd.

Buch-Tipp

Unser Leben ist ein fortwährender Prozess der Wandlung, unvorhersagbar und voller Überraschungen. Zwischen Chaos und Ordnung, Anpassung und Widerstand, Freiheit und Abhängigkeit sind wir ohne Navigator in der Fremde unterwegs und herausgefordert, eine einzigartige biografische Welt zu gestalten, die unseren Namen trägt. Das Buch erzählt von geglückten und gescheiterten Versuchen, inmitten der konkreten Lebenswelt die eigene Person und ihre Biografie zu erfinden. Und wie es gelingen kann, sich trotz Bruchstellen und Krisen immer wieder neu mit dem Leben zu verabreden, sich selbst auf die Spur zu kommen und der eigenen Kraft, Lebenskompetenz und Fantasie zu vertrauen. Annelie Keil: Auf brüchigem Boden Land gewinnen. Biografische Antworten auf Krankheit und Krisen. Kösel 2011. ISBN 978-3466309078. 17,99 Euro

EY (Ernst & Young)

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Unternehmensgeschichte
Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“.

Tätigkeitsbereiche
Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung

Anzahl der Standorte in Deutschland
22

Anzahl der Standorte weltweit
Weltweit in 150 Ländern (Internationale Ernst & Young-Organisation)

Bedarf an HochschulabsolventInnen
Zirka 1500 Berufseinsteiger im Fiskaljahr 2013/2014

Mitarbeiterförderung
EY verfügt über ein leistungsstarkes Personalentwicklungsprogramm. Es basiert auf den Säulen Lernen, Erfahrung und Coaching – unterstützt durch regelmäßiges Feedback eines persönlichen Counselors. Es eröffnet Ihnen eine Vielzahl an Möglichkeiten zur fachlichen, sowie persönlichen Weiterbildung.

Anforderungsprofil
Gute bis sehr gute Examensergebnisse, kurze Studiendauer, relevante, studienbegleitende Praktika (In-/Ausland) und/oder erste Berufserfahrung, gute Englisch- und EDV-Kenntnisse, überzeugendes Auftreten, ausgeprägte analytische und konzeptionelle Fähigkeiten, Mobilität, Teamfähigkeit, Flexibilität, Zielstrebigkeit, Eigeninitiative

Karriereaussichten
Einstieg als Assistant/Consultant/Trainee bis hin zum Partner

Angebote für StudentInnen
Praktika: möglich in allen Bereichen; Dauer mindestens sechs Wochen

Studien- und Diplomarbeiten: möglich nach vorherigem Praktikum

Einstiegsvergütung
Branchenüblich

Einstiegsprogramme
Training-on-the-Job in Verbindung mit intensivem Fach- und Persönlichkeitstraining;
Praktika & Direkteinstieg als Assistant in allen Fachbereichen;
Traineeprogramm AuditPLUS (Wirtschaftsprüfung);
Praktikantenentsendungsprogramm Set Sail

Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Ansprechpartner
Employer Branding & Recruitment / Human Resources GSA (Germany, Switzerland, Austria)

Anschrift
Mittlerer Pfad 15
70499 Stuttgart

Fon
06196 996-10005

E-Mail
karriere@de.ey.com

Internet
www.de.ey.com/karriere

karriereführer hochschulen 1.2014 work-life-balance

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Cover karriereführer hochschulen 1.2014 work-life-balance

Im Gleichgewicht – Work-Life-Balance wird immer wichtiger

Ausbalanciert. Physiker wissen: Ein System ist dann stabil, wenn so viel Kraft hineinfließt wie auch herausfließt. Auch der Mensch strebt in vielen Dingen nach Balance. Wir möchten etwas leisten, uns aber auch entspannen dürfen. Unternehmen erkennen, wie wichtig es ist, ihre Mitarbeiter bei der Suche nach Ausgewogenheit zu unterstützen. Absolventen treffen daher auf eine Arbeitswelt, in der Angebote zur Work-Life-Balance einen neuen Stellenwert haben.

Generali Deutschland Holding AG

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Branche
Versicherungen, Finanzdienstleistungen

Anzahl der Standorte
Standorte in mehr als 60 Ländern weltweit

Jahresumsatz
18,1 Mrd. Euro Beitragseinnahmen im Jahr 2013

Anzahl der MitarbeiterInnen
14.000 in Deutschland; 80.000 Mitarbeiter weltweit

Gesuchte Fachrichtungen
Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Mathematik, Wirtschaftsmathematik, Jura, Psychologie, Geistes- und Sozialwissenschaften

Einsatzmöglichkeiten
Alle Unternehmensbereiche

Einstiegsprogramme
Direkteinstieg, internationales Konzerntraineeprogramm, Traineeprogramme

Mögliche Einstiegstermine
Laufend

Auswahlverfahren
Interview, ggf. Assessment Center

Auslandstätigkeit
Im Rahmen unseres Internationalen Konzerntraineeprogramms möglich

Angebote für StudentInnen
Praktika, Diplomarbeiten, Werkstudententätigkeiten, Studentenförderprogramm GO!

Logo Generali Deutschland Holding AG

Ansprechpartner
Die Ansprechpartner der Konzernunternehmen finden Sie im Karriereportal unter karriere.generali-deutschland.de

Anschrift
Tunisstr 19-23
50667 Köln

Fon
Alle Kontaktdaten finden Sie unter karriere.generali-deutschland.de

Internet
karriere.generali-deutschland.de

Ayurveda statt Caipirinha

Meditieren in Bhutan, Pilgern auf dem Jakobsweg oder Freiwilligenarbeit in Brasilien: Die Suche nach Glück, Sinn und innerer Balance führt oftmals in die Ferne. Von Stefan Trees

Der Mensch ist ein Reisender. Das haben ihm seine nomadisierenden Vorfahren vermutlich in die Gene gelegt. Der Mensch ist aber auch ein Sinnsuchender. Der dreiwöchige Karibikurlaub ist vielleicht für die einen eine Belohnung für einen stressigen Alltag, doch vielen ist er nicht sinnstiftend genug. „Nicht der Ort als solcher ist das Ziel, sondern die Erfahrungen, die dort gemacht werden“, lautet daher einer der Trends, den das Zukunftsinstitut in seinem Tourismus-Report 2014 ausmacht. Gegen die Suche nach Erfahrungs- und Erkenntnisgewinn kommt das All-inclusive-Angebot an der Hotelbar demnach nicht mehr an. Der Caipirinha bekommt Konkurrenz durch Ayurveda und Co. Goethes Work-Life-Balance Schon lange vor der Tourismusindustrie wusste Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe, dass sich Erholung und innere Einkehr wunderbar vereinbaren lassen: Wenn eine Reise „zu gewissen Zeiten zerstreut, so führt sie uns zu anderen desto schneller auf uns selbst zurück“, schrieb der Vielreisende 1797 an seinen Dichterkollegen Schiller, eine Reise „belebt, berichtigt, belehrt und bildet“.

Blog: Die kommenden Tage

Auf https://www.karrierefuehrer.de/blog schreibt Stefan Trees über Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit, Führungskultur, gesellschaftliche Verantwortung und all das, was in den kommenden Tagen wichtig sein wird.
Goethes Erfahrung von Work-Life- Balance durch Reisen hat die Arbeits- und Organisationspsychologin Dr. Jessica de Bloom, Wissenschaftlerin an der Universität Tampere in Finnland, nun in einer Studie belegt. Ob sich ein Urlaub positiv auf Leib und Seele auswirkt, liegt demnach weniger an seiner Dauer als an der Häufigkeit. Ob Kurzurlaub oder dreiwöchiger Wanderurlaub: In jedem der untersuchten Urlaubssegmente stellte die Wissenschaftlerin vergleichbare Steigerungen von Gesundheit und Wohlbefinden fest. Jessica de Bloom sieht eine Parallele zum Schlaf: „Genauso wie Schlaf kann man Erholung nicht aufsparen. Ein langer Sommerurlaub reicht nicht aus, um ein ganzes Jahr an harter Arbeit und Überstunden zu kompensieren.“ Vielmehr sei regelmäßige Erholung wichtig, um auf Dauer gesund zu bleiben. Und: Urlaub ist gut für die Gesundheit und kann glücklich machen. Die Glücksforschung belegt: Menschen mit Sinn für Erfahrung und Erlebnis sind glücklicher als Menschen mit ausgeprägter materieller Weltsicht. Im Gegensatz zu materiellen Dingen „verschleißen Erlebnisse nicht“, sagt Jessica de Bloom. Vom Kuhstall in die Sauna Die Tourismusindustrie richtet sich allmählich auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kunden ein. „Was einmal als Nischenprodukt für eine Handvoll Spezialisten galt, gehört heute zu den rasch wachsenden Segmenten der Reiseindustrie“, unterstreicht Dr. Martin Buck, Direktor des Kompetenz-Centers Travel & Logistics der Messe Berlin, den Trend des nachhaltigen Reisens. Ökologische und soziale Aspekte werden hierbei immer wichtiger. Weil Reiseziele, die sich ohne Flugzeug erreichen lassen, den persönlichen CO2-Fußabdruck verkleinern, boomt beispielsweise der Agrotourismus in Europa: Urlaub auf dem Bauernhof, lange Zeit der Inbegriff der spießigen Jodelferien, ist heutzutage eine Kombination aus aktiver Erholung, Naturerlebnis, ländlicher Kultur und Wellness.
Foto: Fotolia/ Maygutyak
Foto: Fotolia/ Maygutyak
Bewusst reisen bedeutet aber auch Selbsterfahrung statt Konsum. Quer durch Europa führen mehrere Jakobswege bis in das nordwestspanische Santiago de Compostela. Pilger schätzen das Eintauchen in die Natur, die Begegnung mit der Bevölkerung, anderen Pilgern und sich selbst. Es gilt als ehrenwert, einem Pilger kostenlos Essen und eine Schlafstatt anzubieten. Wer nach den Strapazen des Wandertages wenigstens für die Nacht komfortabel gebettet sein möchte, kann auf die oft weniger ehrenwert eingepreisten Angebote des florierenden Gastgewerbes entlang der Jakobswege zurückgreifen.

Buchtipp

Für alle, die zu Hause bleiben, aber gedanklich unterwegs sein möchten: Christiane Schlüter: Der Jakobsweg für zu Hause. In 52 Schritten auf dem Weg zu mir selbst. Gräfe und Unzer 2012. ISBN 978-3833823527. 14,99 Euro
Wer sich traut, den geistigen Boden der Heimat zu verlassen, findet bei spezialisierten Anbietern Reisen zu Schamanen nach Peru oder spirituelle Wellness- Behandlungen in traditionellen Zentren Asiens. Der spirituelle Reisende, der im Sommerurlaub im indischen Ashram meditiert, ist dabei längst im Mainstream angekommen. Als Julia Roberts im Film „Eat Pray Love“, der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Elizabeth Gilbert, nach einjähriger Weltreise in Bali zu sich selbst fand, löste das eine Tourismuswelle Sinnsuchender nach Indonesien aus. Übernachten bei Freunden Reisen geht auch mit kleinem Budget, das zeigt der Trend zu günstigen Unterkünften, der im Kielwasser von Billigflügen und der Allwissenheit des Internets entsteht. Couchsurfer beispielsweise tauschen nur allzu gerne das Schokolädchen auf dem Kopfkissen gegen authentische Gastfreundschaft. Auf der Couchsurfing-Plattform sind sieben Millionen Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren registriert, die sich gegenseitig einen Schlafplatz in der eigenen Wohnung anbieten und sich über den Familienanschluss freuen. Auch beim „WWOOFen“ ist man mittendrin statt nur dabei. Das weltweite Netzwerk bringt Menschen zusammen, die einen naturverbundenen Lebensstil auf dem Land führen – oder kennenlernen wollen. Die Abkürzung steht für „World Wide Opportunities on Organic Farms“, und dahinter steht ein einfaches Prinzip – egal ob in Bangladesch, Brandenburg oder Brasilien, die Bedingungen sind überall gleich: Freiwillige helfen auf ökologischen Bauernhöfen und bekommen dafür Kost und Logis gratis.

Unterwegs Erfahrungen sammeln

Nachhaltiges und spirituelles Reisen www.neuewege.com www.renatour.de www.forumandersreisen.de Freiwillig mitarbeiten www.praktikawelten.de/freiwilligenarbeit-ausland www.freiwilligenarbeit.de www.travelworks.de www.wwoof.de Reisen mit Familienanschluss www.couchsurfing.org www.deutsch.hospitalityclub.org/indexdeu.htm

Was macht eigentlich eine Work-Life-Managerin, Frau Czipri?

Work-Life-Was? Obwohl das Thema Work-Life-Balance zurzeit in aller Munde ist, fällt es schwer, sich ein Bild von den Tätigkeiten eines Work-Life-Managers zu machen. Der Grund scheint plausibel: Es wird zwar viel über die Balance von Arbeits- und Privatleben geredet, aber kaum jemand kennt Manager, die sich speziell damit beschäftigen. Aufgezeichnet von Sven Heppes, BASF

Zur Person

Klaudia Czipri, 43 Jahre, Leiterin des Zentrums für Work-Life-Management bei BASF
Klaudia Czipri ist Leiterin des bundesweit ersten betrieblichen Zentrums für Work-Life-Management bei BASF. „Das ist eine ganz besondere Aufgabe. Das Zentrum ist für Mitarbeiter die zentrale Anlaufstelle rund um das Thema Work- Life-Management und in dieser Form einzigartig“, erklärt sie. Was steckt dahinter? LuMit heißt das Zentrum, wobei „Lu“ für Ludwigshafen steht, den Stammsitz des Unternehmens, und „Mit“ für Mitarbeiter, aber auch für Mitmachen und Miteinander. Im November 2013 wurde es eröffnet, der Konzern will seine Mitarbeiter dabei unterstützen, Berufs- und Privatleben besser zu vereinbaren. Zahlreiche Angebote werden unter einem Dach gebündelt und erweitert: eine Kinderkrippe „LuKids“, Unterstützung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Bereich Sport- und Gesundheitsförderung sowie eine Sozialberatung. Ein Expertennetzwerk bietet flexible Lösungen für unterschiedliche Lebenssituationen. Die Mitarbeiter profitieren dabei von kurzen Wegen, denn das Zentrum ist nur wenige Meter von dem Werksgelände entfernt. Konkret geht es für die Work-Life- Managerin und ihr Team darum, die vielfältigen Angebote des Zentrums zu etablieren und weiterzuentwickeln. Besonders gereizt hat Czipri dabei die Kombination aus konzeptionellen und Management-Tätigkeiten. „Zum einen bin ich für die inhaltliche Ausrichtung und Weiterentwicklung des Themas Work-Life-Management verantwortlich, zum anderen für die Steuerung und Koordination der Prozesse in einem riesigen Gebäudekomplex.“ Das Zentrum erstreckt sich auf einem rund 10.000 Quadratmeter großen Areal. Die Herausforderung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, kennt Klaudia Czipri sehr gut. Nach der Geburt ihrer Tochter vor sechs Jahren stand sie vor der Frage, wie es beruflich weitergeht. „Ich übernehme gerne verantwortungsvolle Aufgaben, und meine Familie ist mir ebenfalls sehr wichtig. Daher war ich froh, dass ich einen Platz in der unternehmenseigenen Kinderkrippe bekommen habe.“ Nun ist sie es, die Mitarbeiter auf dem Weg zu einer besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben unterstützt. Die studierte Psychologin stieg bereits 1997 bei BASF ein und arbeitete seitdem in unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern des Personalbereichs. Ihre jetzige Aufgabe übernahm sie im vergangenen Oktober, kurz vor der Eröffnung von LuMit. Eine arbeitsintensive Zeit, da alles ganz schnell gehen musste. Wo eben noch eine riesige Baustelle war, sollte wenige Wochen später die Eröffnungsfeier stattfinden. Die Punktlandung gelang. „In dieser Zeit hat auch meine eigene Work-Life-Balance etwas gelitten“, sagt Czipri schmunzelnd. „Doch es hat sich gelohnt und auch viel Spaß gemacht.“ Zukünftig will Czipri wieder mehr für ihre persönliche Balance tun und die Angebote im neuen Zentrum auch selbst nutzen. Ihr Büro befindet sich schließlich im gleichen Gebäude.

In Beziehung mit sich selbst

Antriebslosigkeit, innere Leere, Schlaflosigkeit – typische Symptome für einen Burnout, an dem immer mehr Menschen erkranken. Auch Berufseinsteiger kann es treffen, wenn sie sich mit dem Außen identifizieren statt mit sich selbst. In ihrem Gastbeitrag erklärt Dr. med. Mirriam Prieß, wodurch Burnouts wirklich verursacht werden und wie man sich davor schützen kann.

Dr. med. Mirriam Prieß, Foto: Martin Bieling
Dr. med. Mirriam Prieß, Foto: Martin Bieling

Über die Autorin

Dr. med. Mirriam Prieß hat Medizin studiert und im Fachbereich Psychosomatik promoviert. Sie war als Ärztin in einer psychosomatischen Fachklinik für die Behandlung von Ängsten, Depressionen und Burnout verantwortlich. Seit 2005 ist sie als Coach und Beraterin tätig, hält Schulungen und Vorträge. Ihr Spezialgebiet liegt im Konflikt und Stressmanagement mit dem Schwerpunkt Burnout-Prävention. www.mirriampriess.de
Medizinisch gesehen ist Burnout zunächst ein Ausdruck absoluter Erschöpfung. Diese zeigt sich in körperlichen Symptomen wie Abgeschlagenheit oder dem Gefühl, kurz vor einer Grippe zu stehen. Aber auch die emotionale Ebene ist davon betroffen. Menschen, die an Burnout leiden, fühlen sich innerlich leer und ausgelaugt. Dann kann schon das Einkaufen im Supermarkt zum Problem werden. Das wirkt sich natürlich schnell auf das Verhalten zur Umwelt aus – der völlige Rückzug aus dem Sozialleben ist meist die Folge. Stress ist nicht der einzige Faktor Die Krankheit entsteht niemals über Nacht, sondern ist ein Entwicklungsprozess. Immer mehr Menschen sind betroffen, und auch Berufseinsteiger sind gefährdet. Die Betroffenen halten oft bis zum Ende ihre Fassade aufrecht und gestehen auch sich selbst erst viel zu spät ein, dass sie eigentlich längst am Ende ihrer Kräfte sind. Auslöser ist meist eine belastende Situation, die die Betroffenen nicht bewältigen können. Das kann zum Beispiel der eigene Leistungsanspruch im Berufsleben sein. Aber auch innere Konflikte wie die Trennung vom Partner oder die Trauer um einen Verstorbenen spielen eine große Rolle. Lange dachte man, dass die Krankheit aufgrund von Überlastung und Stress entsteht. Aber Stress ist nicht der einzige Faktor, der zum Ausbrennen führt. Schließlich erkranken nicht alle, die unter Stress stehen, am Burnout-Syndrom. Menschen brennen nicht einfach aus, weil sie sich eine Zeitlang überfordert haben und vergessen haben, Grenzen zu ziehen. Die Ursache liegt woanders. Menschen brennen aus, weil sie die Beziehung zu sich selbst verloren haben. Weil sie ihr richtiges Maß nicht kennen, nicht wissen, wann sie Ja und wann sie Nein sagen müssen, weil sie ein Leben fern ihrer selbst führen. Wer die Beziehung zu sich selbst und damit auch den inneren Dialog verloren hat, hat die Grundlage für die Bewältigung von Konflikten verloren. Wer nicht im Dialog mit sich selber steht, kann auch mit seiner Umwelt nicht mehr in einen Dialog treten, da er seine Bedürfnisse weder erkennen noch vertreten kann. Im Berufsleben bedeutet das dann, dass man nicht mehr in der Lage ist, für das einzutreten, was man braucht und will. Der Dialog mit sich selbst und der Dialog mit der Umwelt ist deshalb Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben und damit auch für Leistungsfähigkeit.
Mirriam Prieß. Burnout kommt nicht nur von Stress: Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden. Südwest Verlag 2013. ISBN 978-3517088815. 16,99 Euro
Mit Vollgas in den neuen Job Jeder, der nicht mit sich im Dialog steht, ist gefährdet auszubrennen. Gefahr bei Berufseinsteigern besteht vor allem dann, wenn sie es jedem Recht machen und besonders gute Leistung erbringen wollen. Ohne es zu bemerken, gehen sie dann häufig über ihre eigenen Grenzen und überlasten sich enorm. Man kann aber immer nur so viel geben, wie möglich ist, und genau das muss man selber erkennen – in jedem Lebensbereich und in jeder Lebensphase. Diejenigen, die das nicht anerkennen, orientieren sich nicht an sich selbst, sondern an Idealvorstellungen. Sie setzen sich Ziele, die nicht realistisch sind. Dem Burnout vorbeugen heißt also zuerst zu lernen, auf sich selber zu hören. Dafür muss man die Beziehung zu sich aufnehmen und herausfinden, woran man persönlich erkennen kann, ob man im Gleichgewicht ist oder nicht. Nur wer die ersten Anzeichen einer inneren Störung erkennt, kann auch darauf reagieren und Lösungen finden. Auch Berufseinsteiger, die zu sehr darauf verbissen sind, sich zu beweisen, laufen Gefahr, sich zu verlieren und zu erschöpfen. Diejenigen, die ausbrennen, brennen häufig genau darüber aus: Sie fühlen sich unsicher und versuchen, ihr geringes Selbstwertgefühl zu kompensieren, indem sie sich beweisen. Es ist deshalb wichtig, seinen eigenen Wert unabhängig von beruflichem Erfolg zu erkennen. Denn wer Dinge tut, um sich zu beweisen, wird weniger Erfolg haben als derjenige, der die Dinge um seiner selbst willen tut, und das aus einem ganz pragmatischen Grund: Der Letztere hat weniger Angst zu scheitern und ist dadurch weniger blockiert. Dem Burnout vorbeugen heißt also auch herauszufinden, wer man selber ist, das heißt sich in seinem Wesen zu erkennen und zu leben. Nur wer wirklich er selbst ist, kann auch im neuen Job Vollgas geben. Gesundheit und Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass man nicht nur im Beruf zu seiner wahren Identität findet. Es gibt sechs zentrale Lebensbereiche im Leben eines Menschen: Partnerschaft und Familie, Beruf, Gesundheit, soziale Kontakte, Individualität und Hobbys, Glaube und Spiritualität. Wer gesund und glücklich leben möchte, muss für ein ausgeglichenes Leben in allen sechs Bereichen sorgen. Burnout-Prävention heißt deshalb auch, sich in seinem Alltag bewusst Zeit für sich selber einzuräumen, zum Beispiel für seine Hobbys. Jeder sollte sagen können: „Ich stehe in jedem Lebensbereich dort, wo ich stehen will. Das bin ich.“

Tipps von Mirriam Prieß

1. Machen Sie eine Bestandsaufnahme: Stehen Sie in jedem der sechs Lebensbereiche dort, wo Sie stehen wollen? Definieren Sie für sich, woran Sie erkennen können, dass das, was Sie tun, Ihnen auch tatsächlich entspricht und Sie mit sich im Dialog stehen. 2. Nicht nur der Job ist wichtig: Auf ein Gleichgewicht zwischen allen Lebensbereichen achten. 3. Jedem Konflikt geht eine Störung voraus: Lernen Sie, Störungen rechtzeitig anzusprechen, um so einen Konflikt gar nicht erst entstehen zu lassen. 4. Eigene Prioritäten setzen und den Alltag danach ausrichten. 5. Konflikte immer direkt ansprechen und versuchen, sie zu lösen. 6. Nicht zu viele Sachen gleichzeitig machen. 7. Pausen sind wichtig: Entspannungsphasen bewusst in den Alltag integrieren. 8. Auch Urlaub muss sein: regelmäßig Auszeiten nehmen. 9. Der Mensch ist, was er isst: Ausgewogen ernähren und die Vitamine nicht vergessen. 10. Auch unter der Woche ausreichend schlafen. 11. Lernen Sie, Nein zu sagen, nicht nur zu anderen, sondern auch zu sich selbst, das heißt, erkennen Sie Ihre Grenzen an. 12. Regelmäßig etwas tun, wobei man auf seine Kosten kommt. 13. Probleme nicht verdrängen, sondern sich Hilfe suchen. 14. Vertrauen ist gut – Selbstkontrolle ist besser: mit Freunden über die eigene Lebensführung reden.

„Uhren dressieren uns“

Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Prof. Dr. rer. pol. Karlheinz Geißler, geboren 1944 in der Oberpfalz, studierte Philosophie, Ökonomie und Pädagogik in München. Er arbeitete kurz als Lehrer, ging dann als Forscher und Dozent zurück an die Hochschule und ist seit 1975 Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr in München. Seit 2006 ist er emeritiert. Geißler ist Mitgründer der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik, Teilhaber des Zeitberatungsinstituts Timesandmore und Buchautor.
Herr Geißler, angenommen, ein Außerirdischer besucht unsere Erde und möchte von Ihnen wissen, was es mit der Zeit auf sich hat. Was wäre Ihre Antwort? Ich würde sagen: „Zeit ist das, was man auf der Erde nicht hat.“ Wobei Zeit eine irdische Vorstellung ist. Daher käme ein Außerirdischer überhaupt nicht auf die Idee, diese Frage zu stellen. Als Buchautor kennen Sie sicherlich Deadlines: Verlage geben Ihnen vor, bis wann sie spätestens das Manuskript benötigen. Wie gehen Sie mit solchen zeitlichen Vorschriften um? In den allermeisten Fällen mache ich generell keine terminlichen Vereinbarungen. Ich lasse mir ungern von außen vorgeben, wie schnell ich arbeiten soll. Glücklicherweise bin ich in der Situation, dass meine Verlage sich darauf einlassen. Generell vereinbare ich so wenige Termine wie möglich, weil ich weiß, dass man mich damit unter Zeitdruck setzen kann – und ich mich dann wiederum auch selbst unter Zeitdruck setze. Das versuche ich, im Vorfeld zu vermeiden. Meine Gesundheit dankt es mir genauso wie meine Familie, da Termine die Laune verderben. Man kann stundenlang über die Zeit als solche philosophieren. Andererseits treffen gerade Berufseinsteiger zu Beginn ihrer Karriere auf einen Zeitbegriff, der sehr stark mit ökonomischer Effizienz gekoppelt ist. Reden wir hier eigentlich von der gleichen Zeit? Nein, wir reden häufig nicht von der gleichen Zeit. Da der Mensch keinen Zeitsinn besitzt, kann er die Zeit nicht auf direktem Wege erleben und erfahren. Er kann die Zeit nicht „pur“ erfassen und ist daher darauf angewiesen, es auf indirekte Art zu tun. Das wiederum bedeutet, dass das, was die Menschen Zeit nennen, immer auch eine Sache der Vorstellung, der Vereinbarung und der Abmachung ist. Eine dieser Vorstellungen ist zum Beispiel, dass man Zeit in Geld verrechnen könne. Es ist eine sehr erfolgreiche, mittlerweile sogar zu erfolgreiche Vorstellung. Bei der Erziehung, Bildung und persönlichen Weiterentwicklung zum Beispiel funktioniert diese Gleichung nicht, bei der Produktion von Büchsenfleisch funktioniert sie. Kurzum: Die Vorstellung, Zeit sei Geld, ist für die Ökonomie ein Segen, für die Lebenswelten jenseits der Ökonomie zuweilen ein Fluch. Wie gelingt einem jungen Menschen zum Abschluss seines Studiums oder zu Beginn seiner Karriere ein erfolgreiches Zeitmanagement? Managen lässt sich nur jene Zeit, die sich in Geld verrechnen lässt. Um was es bei der Arbeit und beim Studium geht, ist die produktive Balance unterschiedlicher Zeitansprüche. Es geht also immer um die Koordination verschiedener Zeiten: Die Zeitansprüche der Organisation, die Zeitansprüche der Arbeitsaufgabe, die Zeitansprüche der eigenen Zeitnatur – das heißt unseres Körpers –, die Zeitansprüche der sozialen Mitwelt, also von Familie und Freunden, sowie die eigenen Zeitansprüche. Alle diese Ansprüche gilt es erstens zu erkennen und zweitens zu koordinieren. Wer Stress hat, neigt dazu, sich mit Uhren einzudecken, um möglichst keine Zeit zu verschwenden. Ist das eine wirksame Strategie? Uhren sind Zeitmessgeräte, mit denen wir Ordnung in unser Leben bringen wollen. Es handelt sich jedoch um eine Ordnung, die nicht unserer eigenen Zeitnatur entspricht. Wenn wir Stress empfinden, ermahnen wir uns mit Hilfe der Uhren, uns nicht an unseren Körperzeiten, sondern an der Zeit der Uhr auszurichten. Die Uhrzeit gestaltet ja auch den Ablauf unseres Alltags: Kinder müssen um 7.30 Uhr in der Schule sein – ob sie dann überhaupt lernfähig sind, fragt keiner. Das Gleiche gilt für feste Bürozeiten. Genau. Die vielen Uhren und Zeitangaben dressieren uns. Alle Bürokratien – und dazu zählt die Schule genauso wie viele Arbeitsplätze – sind handlungsstrategisch umgesetzte Uhrzeit. Der Mensch wird nicht pünktlich geboren, er wird pünktlich gemacht – und zwar sein Leben lang. Zeitmanagement ist daher nichts anderes als Erziehung zur Uhrzeit für Erwachsene. Von der Gleitzeit bis hin zum Sabbatical: Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern eine flexiblere Gestaltung der Zeit an. Verbessert sich das Verhältnis zur Zeit? Zweifelsohne sind Sabbaticals ein Fortschritt in der ökonomischen Zeitkultur. Ich wünschte mir aber eine größere Zeitvielfalt in den Betrieben, konkret: eine innerbetriebliche Pausenkultur, die auf die individuellen Bedürfnisse Rücksicht nimmt. Noch immer ist das Interesse in den Untenehmen gering, die Produktivität nicht beschleunigbarer Zeitformen – also Pausen, Wiederholungen, Warten oder das Gehen von Umwegen – zu erkennen und zu nutzen. Auch das Liegenlassen ist eine Produktivkraft. Hat nicht jeder schon einmal erlebt, dass sich nach der Rückkehr aus dem Urlaub drei Viertel der in dieser Zeit aufgelaufenen Mails bereits von selbst erledigt haben?

Buchtipp

Zuletzt erschienen: Karlheinz Geißler: Enthetzt euch! Weniger Tempo – mehr Zeit. Hirzel 2013. ISBN 978-3777623573. 19,80 Euro