Wenn im Bauwesen die Rede von digitaler Transformation ist, dann wird die BIM-Methode (Building Information Modeling) als ein entscheidender Baustein für diesen Wandel genannt. Zu Recht, denn welche Technologien auch immer zum Einsatz kommen, die dabei generierten Daten werden in der Regel in einem Bauwerksdatenmodell, einem BIM-Modell, zusammengeführt. Doch für die Nachhaltigkeit braucht es nicht nur BIM, sondern Open-BIM. Von Christoph Berger, buildingSMART Deutschland
Im März 2024 veröffentlichten große Eisenbahninfrastrukturunternehmen aus Europa und Asien das Manifest „Applying IFC 4.3 for Rail“. Darin bekennen sie sich ausdrücklich zu nachhaltigem Handeln und stellen ihre besondere Verantwortung diesbezüglich heraus. Zugleich betonen sie, dass Nachhaltigkeit unmittelbar mit der digitalen Transformation verknüpft werden kann. Mit digitalen Technologien stünden Werkzeuge zur Verfügung, effektiver und effizienter zu werden – und damit auch nachhaltiger. Konkret fordern sie die Nutzung von IFC 4.3, einem im April 2024 von der International Organization for Standardization ISO und dem Europäischen Komitee für Normung CEN veröffentlichten Standard für die Methode Building Information Modeling, BIM.
Die nächsten Termine von buildingSMART Deutschland zu IFC und Open-BIM:
Juli 2024: buildingSMART-Tutorial:
„Wir sehen uns im BIM-Modell.“ – Open-BIM in der Wasserwirtschaft 25. Juli 2024: Open-BIM Essential: Qualitätsanforderungen an IFC-Daten
September 2024: buildingSMARTTutorial:
„Digitale Planungskoordination mittels IFC und BCF – Anwendungsfall digitale Schlitz- und Durchbruchskoordination
IFC – das Format für Open-BIM Doch um was handelt es sich eigentlich bei IFC? Die Abkürzung steht für Industry Foundation Classes, entwickelt von buildingSMART. Sie sind das primäre Datenmodell für Bauwerksmodelle, mit dem vor Jahrzehnten gestartet und das seitdem immer weiterentwickelt wurde – Datenmodelle, die auf dem Open- BIM-Gedanken basieren und somit softwareübergreifend angewendet werden können. Dabei geht es um den Austausch von Gebäudedaten zwischen verschiedenen Softwareanwendungen und über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg, also die Datenweitergabe von der Planung an die Bauausführung und später an die Betreiber. Der Standard regelt, wie die Datenstruktur für diesen Austausch aussieht und in welchen Beziehungen die darin enthaltenen Elemente stehen. So wird beispielsweise festgelegt, wo eine bestimmte Treppe in einem Bauwerk verortet ist. Weiterhin können die Objekteigenschaften wie Material, Gewicht und Kosten auf diese Weise im Modell hinterlegt werden.
Die Beziehungen und Elemente wurden bis zu IFC 4.3 vor allem im Hochbau genutzt: zum Beispiel in der hierarchischen Reihe Liegenschaft, Gebäude, Geschosse, Räume, Bauteile – inklusive deren Verortung. Es ging vorrangig um vertikal ausgerichtete Bauwerke. Doch im Bereich der Infrastruktur wird vor allem horizontal gearbeitet. Oder, wie es im Fachvokabular heißt: achsen-basiert. Dies trifft auf Straßen, Schiene und Brücken, den geotechnischen Bereich sowie auf Wasserstraßen und Wasserbauwerke zu. Zusammengefasst im Begriff „Trasse“. Bei den achsen-basierten Bauwerken kommt zu dem horizontalen Verlauf der 2D-Trasse demnach ein vertikaler 2D-Verlauf hinzu. Aus der Kombination ergibt sich dann schließlich der 3D-Trassenverlauf. Prinzipiell würden auch Tunnel noch dazugehören, doch die werden für sich bearbeitet, voraussichtlich dann mit IFC 4.4.
Verbindungen schaffen
Mit IFC 4.3 lassen sich außerdem verschiedene Bauwerke miteinander verknüpfen: Brücke mit Schiene zum Beispiel. So wird es möglich, Infrastrukturprojekte modellbasiert zu planen, die Daten an die bauausführenden Unternehmen zu übergeben, die sie dann wiederum an die Betreiber weiterreichen. Wobei im Optimalfall alle Beteiligten bereits zum Planungsstart eingebunden werden, um die bestmögliche Qualität für das Projekt zu erzielen und die Vorteile der modellbasierten Arbeitsmethode vollständig auszunutzen.
Denn die Vorteile der Open-BIM-Methode sind vielfältig: Die offene Definition eines Datenstandards verschafft allen Beteiligten die Möglichkeit, Daten zu interpretieren. Offene Datenstandards bieten als einzige Variante die Garantie, jederzeit Herr über die eigenen Daten zu bleiben, was sie zu einer echten Option für die Archivierung macht: Nicht ein Akteur legt fest, wie Daten auszutauschen sind, schließlich basiert die Open-BIM-Definition auf Zusammenarbeit und Konsens und schafft somit den für Innovationen so wichtigen Raum. Mit offenen Standards können Informationen und Daten jederzeit und entsprechend der Bedarfe ausgetauscht werden – es kommt zu keinen Abhängigkeiten von einzelnen Tools. Die eigenen digitalen Arbeitsabläufe lassen sich heute und in Zukunft kontrollieren.
Nicht ein Akteur legt fest, wie Daten auszutauschen sind, schließlich basiert die Open-BIM-Definition auf Zusammenarbeit und Konsens und schafft somit den für Innovationen so wichtigen Raum.
In Begriffen zusammengefasst: Interoperabilität, Konsistenz und Einheitlichkeit, Effizienz, Flexibilität und Zukunftssicherheit. Öffentliche Hand will Vorbild sein Inzwischen nimmt IFC eine nicht unwesentliche Rolle ein, der Standard wird von nahezu allen BIM-Programmen unterstützt. Und gerade auch für und wegen der öffentlichen Hand gewinnt er Schritt für Schritt an Bedeutung. In einigen Ländern ist der IFC-Standard bereits als verbindliches Austauschformat für Vergabe- und Genehmigungsverfahren etabliert. In Finnland dürfen öffentliche Verwaltungen für ihre Arbeit keine proprietären Datenmodellprodukte mehr verwenden, da diese für die langfristige Speicherung und Archivierung nicht geeignet sind. Das einzige Format, das vom Nationalen Archivamt des skandinavischen Landes für die Langzeitarchivierung genehmigt wurde, ist IFC 4.0. Ein weiteres Beispiel: In Dänemarks größtem Infrastrukturprojekt, dem Fehmarnbelt- Tunnel, wird mit Open-BIM gearbeitet.
Und auch im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung ist zu lesen: „Wir werden die Bau- und Immobilienwirtschaft sowie alle Ebenen der Verwaltung unterstützen, die Digitalisierung zu meistern, Open-BIM und einheitliche Schnittstellen/Standards umzusetzen. Der Bundesbau ist Vorbild bei der Digitalisierung und unseren bau-, wohnungs- und klimapolitischen Zielen.“
Für die Unterzeichner des zu Beginn erwähnten Manifests „Applying IFC 4.3 for Rail“ ist ebenfalls klar: Projekte müssen mit IFC 4.3 ausgeschrieben werden, der Standard muss in den Projekten Anwendung finden. So sei zum Beispiel die derzeitige Energiekrise nicht allein als Herausforderung, sondern auch als Chance für mehr Effizienz und Effektivität zu sehen. Diese Chance könnte gerade mit den Möglichkeiten, welche die digitale Transformation bietet, genutzt werden. Die Unterzeichner schreiben: „Unsere Vision ist es, eine moderne, effiziente und nachhaltige Eisenbahninfrastruktur zu schaffen, die den Bedürfnissen der Kunden und der Gesellschaft entspricht und auf offenen Datenstandards (wie IFC) und Building Information Modelling (BIM) basiert.“
Alexander Leschinsky ist Geschäftsführer von G&L Geißendörfer & Leschinsky. Er hat Informatik, Musikwissenschaft, Phonetik und Elektrotechnik studiert und gleich nach dem Studium gemeinsam mit Hans W. Geißendörfer, dem Vater der Kultserie Lindenstraße, G&L gegründet. Das Unternehmen hat als erstes in Deutschland TV-Programm im Internet gestreamt, heute entwickelt und betreibt es Lösungen zur Aufbereitung und Auslieferung von Medieninhalten – zum Beispiel überträgt G&L die Spiele der Fußballweltmeisterschaften live im Internet. Die Fragen stellte Kerstin Neurohr
Herr Leschinsky, Sie haben 1999 damit begonnen, das Radio- und Fernsehprogramm ins Internet zu bringen. Wie kam es dazu?
Ich hatte zwischen 1991 und 1996 in Köln die etwas exotische Kombination aus Systematischer Musikwissenschaft, Phonetik und Informatik auf Magister studiert und nebenher noch einige Semester Elektrotechnik an der Fernuni Hagen. Einer unserer Dozenten in Psychoakustik war der damalige Chefingenieur des WDR, Dr. Leo Danilenko, über den ich dann an ein Praktikum in der Abteilung Kommunikationstechnik des Senders kam, kurz nach dem Launch der ersten Internetauftritte. Anschließend bin ich parallel zum Abschluss meines Studiums bei der GFF Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion, die damals vor allem die ARD-Fernsehserie „Lindenstraße“ produzierte, als IT-Allrounder eingestiegen. Ich war zwischen AVID-Schnittsystemen, DATEV-Steuersoftware, Excel-Tabellen und Mailservern für alles zuständig, was irgendwie auch nur entfernt mit IT zu tun hatte.
Als ich eines Tages unter dem Schreibtisch einer Aufnahmeleiterin zwischen Hundehaaren Druckerkabel zog, gab das meinem Entschluss, etwas Neues zu machen, den letzten Schub. Herr Geißendörfer hat mir dann die Freiheit gelassen, zunächst auf mich allein gestellt eine Abteilung aufzubauen, die sich alleine auf die Übertragung von Radio und Fernsehen im Internet konzentriert – wobei das 1999 wegen der geringen Bandbreiten zunächst überwiegend Audioinhalte waren. Danach ging alles sehr schnell, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Direkt nach dem Studium waren Sie also IT-Leiter der Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion GmbH und haben eine eigene Abteilung aufgebaut. Was für ein Schritt! Wäre so etwas auch heute noch möglich?
Sicherlich gab es damals außerhalb reiner Informatik-Studiengänge nicht diese Breite, in der man sich heute im IT-Umfeld in Ausbildung und Studium auf die Berufswelt vorbereiten kann. Praktisch alle „IT-Leiter“ in den 90er Jahren waren mehr oder weniger Quereinsteiger. Heute gibt es praktisch zu jedem Bereich der IT Spezialangebote. Ich sehe aber, dass der Seiteneinstieg auch heute noch möglich ist. Firmen stellen ja nicht überwiegend nach Kenntnissen an, sondern nach Potential. Auch, wenn wir nicht andauernd Evolutionssprünge in der IT haben, hat das konkrete Wissen zu Technologien und Werkzeugen keine lange Halbwertszeit. Mit ausreichendem Engagement und der Bereitschaft, sich kontinuierlich fortzubilden, kann man auch heute noch exotische Berufswechsel wagen.
In den vergangenen 25 Jahren haben Sie das Streamingangebot verschiedener Fernsehsender kontinuierlich begleitet und mit ausgebaut. Was waren dabei die größten Herausforderungen und Meilensteine?
Wir waren nie an der Konzeption der Inhalte oder der Strukturierung der Mediatheken beteiligt. Unsere Aufgabe beschränkte sich auf eine technische Basisdienstleistung, die praktisch unsichtbar für den Verbraucher im Hintergrund geschieht. In den ersten Jahren war die größte Herausforderung, eine annehmbare Verfügbarkeit und Qualität zu gewährleisten. Die Übertragung von Live-Streams war immer schon aufwändiger als Video on-demand. Vor allem die großen internationalen Fußballturniere alle zwei Jahre stellten immer wieder neue Rekorde auf. Und weil beim Sport der Spaß ganz schnell aufhören kann, habe ich während der Übertragungen viele Jahre nur Dashboards, Diagramme, Metriken und Logs beobachtet. Mittlerweile sind die meisten technischen Fragen aber sehr gut beherrschbar. Der Fokus liegt heute auch wegen des gestiegenen Marktanteils der Streaming- Nutzung und den damit erhöhten Datenverkehrskosten verstärkt auf der Wirtschaftlichkeit der Angebote.
Technologie darf für mich nie Selbstzweck sein, man sollte sie immer in den Dienst übergeordneter Ziele stellen.
Und wie haben Sie es geschafft, mit den schnellen digitalen Entwicklungen Schritt zu halten?
Im Wesentlichen muss ich das auf pure Neugierde und technische Leidenschaft zurückführen. Technologie darf für mich nie Selbstzweck sein, man sollte sie immer in den Dienst übergeordneter Ziele stellen. Aber es hat für mich auch nach 25 Jahren immer noch denselben Reiz, etwas Neues auszuprobieren, zu versuchen, Funktionen mit Mehrwert zu schaffen, die Qualität zu steigern oder etwas radikal günstiger zu realisieren.
Worauf kommt es an, wenn man heute in die Branche einsteigen will?
Man sollte zumindest eine gewisse technische Basis haben, entweder im Broadcast-Bereich oder im IT-Sektor. Entscheidend ist dann die Bereitschaft, sich immer wieder neu in technische Themen einzuarbeiten, Spezifikationen zu lesen und selbst nachzuvollziehen, Dinge auszuprobieren und bis zur Betriebsbereitschaft zu optimieren. Neugierde, Beharrlichkeit und Zuverlässigkeit sind dabei natürlich auch Voraussetzung.
2022 haben Sie die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Welche Rolle spielt Diversity in Ihrem Unternehmen?
Für uns spielen Unterschiede hinsichtlich geographischer oder sozialer Herkunft, religiöser Ausrichtung, sexueller Orientierung, körperlicher Beeinträchtigung oder Alter keine Rolle. Für uns steht im Vordergrund, wie gut jemand auf einen Job passt und was für ein Potential wir sehen. Die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt war für uns dann die äußerlich sichtbare Dokumentation dieser Haltung.
Und für Sie persönlich – welche digitale Entwicklung, welches digitale Tool, welche digitale Errungenschaft ist für Sie unverzichtbar?
Aktuell sind das sicherlich die Large Language Models wie ChatGPT, die mir gerade bei der Einarbeitung in neue Themen enorm Zeit sparen. Ansonsten bin ich nach vielem Ausprobieren aber immer wieder zu den Basics zurückgekommen: einfache Texteditoren, Markdown, Unix-Kommandozeile, gelegentlich Programmierung in Python oder Golang. Und ohne mein Apple-Ökosystem wäre ich aufgeschmissen…
Kit Armstrong war das, was man ein Wunderkind nennt – auch, wenn er die Bezeichnung entschieden ablehnt: Als er neun Monate alt war, begann er zu sprechen, wenig später zu rechnen. Mit fünf Jahren entdeckte er das Komponieren und betrieb Mathematik auf Highschool-Niveau, mit Acht gab er sein erstes Konzert. Heute ist er ein international gefeierter Pianist, Organist und KI-Wissenschaftler mit eigenem Forschungsteam. Inge Kloepfer legt nun eine Biographie dieses Multitalents vor. Sie erzählt von ihren Erlebnissen mit Kit Armstrong und gibt verblüffende Einblicke in die Einsichten eins Superbegabten. Inge Kloepfer: Kit Armstrong. Metamorphosen eines Wunderkinds. Berlin Verlag 2024.
Digitale Führungen durchs Museum
Foto: Jens Nobe
Wer die spannenden Ausstellungen des Museum Folkwang erleben will, muss nicht unbedingt nach Essen reisen: Bei digitalen Führungen haben Interessierte die Möglichkeit, die Kunst von zu Hause aus zu genießen. Die Live-Führungen dauern 30 Minuten und finden über ein Videokonferenzportal statt. Anschließend ist Gelegenheit für Austausch mit den anderen Teilnehmer*innen. Infos und Links zur Teilnahme: www.museum-folkwang.de/de/digitale-fuehrungen
Für mehr Respekt im Netz
Für Lijana Kaggwa wurde der Traum von der Modelkarriere zum Alptraum: 2020 nahm sie an Germanys Next Top Model teil und wurde zur Zielscheibe von Hass im Netz. Sie und ihre Familie wurden bedroht und beschimpft. Sie stieg schließlich freiwillig im GNTM-Finale vor einem Millionenpublikum aus, um ein Zeichen gegen Cybermobbing zu setzen. Danach gründete sie ihren Verein „Love always wins“. Für ihr Buch ging sie auf Interviewreise durch Deutschland, sprach mit Betroffenen, Prominenten und Nichtprominenten, mit Psycholog*innen, Polizist*innen sowie Expert*innen über Cybermobbing. Verwoben mit ihrer persönlichen Geschichte kommen all diese Stimmen im Buch zu Wort. Lijana Kaggwa: „Du verdienst den Tod!“ Wie Cybermobbing Menschen und die Gesellschaft zerstört und wie wir wieder mehr Respekt ins Netz bringen. Komplett-Media 2023. 20,00 Euro
Deutscher Computerspielpreis für EVERSPACE 2
Der Deutsche Computerspielpreis 2024 geht nach … Hamburg! Das Weltraum-Spiel „EVERSPACE 2“ von ROCKFISH Games wurde mit dem Preis für das beste deutsche Spiel ausgezeichnet, der mit 100.000 Euro dotiert ist. EVERSPACE 2 ist ein rasanter Einzelspieler- Weltraumshooter für PC und Konsolen.
Wie soziale Herkunft über Karrierechancen entscheidet
„Auch ein Hartz-IV-Kind muss Dax-CEO werden können“, sagt Natalya Nepomnyashcha. Selbst soziale Aufsteigerin, erzählt sie in ihrem Buch offen von ihrem zähen Weg nach oben. Sie berichtet, wie sie aufgrund ihrer Hartz-IV-Herkunft immer wieder diskriminiert wurde – bis ihr nach vielen Jahren der Karrieredurchbruch gelang. Anhand ihrer eigenen Geschichte, von Fallbeispielen und der Lage in Unternehmen zeigt sie, wie Aufsteiger*innen in Unternehmen, Politik und Gesellschaft wirken können – und warum das gut für alle ist. Natalya Nepomnyashcha: Wir von unten. Wie soziale Herkunft über Karrierechancen entscheidet. Ullstein 2024. 19,99 €
Eine Woche hohne Smartphone
Zweieinhalb Stunden pro Tag nutzen die Deutschen im Schnitt ihr Smartphone, bei 18-jährigen sind es sogar neun Stunden – für viele geht ohne gar nichts mehr. Für eine arte-Doku haben nun Jugendliche einer 12. Klasse den Selbstversuch gewagt: Eine Woche ohne Smartphone, Tablet und Co. Kein Internet! Wie verändert sich dadurch das Leben der Jugendlichen, ihre Freundschaften, ihre Kommunikation und ihr Selbstbild? Das zeigt die halbstündige Doku, die bis April 2025 in der Arte-Mediathek abrufbar ist. Re: Eine Woche offline und zurück, 31 Minuten.
Science Fiction trifft auf Realität
In der sechsteiligen Podcast-Reihe der Bundeszentrale für politische Bildung werden Phänomene der digitalen Transformationen mit Expertinnen und Experten diskutiert. Wie verändert die Digitalisierung unsere Gesellschaft und welchen Einfluss hat Technik auf nahezu alle Bereiche unseres Lebens– ob Arbeit, Freizeit oder (politische) Meinungsbildung? Und wie können wir als Gesellschaft Einfluss auf Technologie nehmen und damit unsere Zukunft mitgestalten? Science Fiction trifft auf Realität, sechs Folgen, jeweils ca. eine Stunde.
Wer gewinnt das KI-Wettrennen?
Wer gewinnt den Kampf um die Vorherrschaft im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz – die USA, China oder Europa? Wer bestimmt über eine Technologie, von der die Zukunft der Menschheit geprägt sein wird? Der Dokumentarfilm stellt drei KI-Pioniere vor, die mit ihren Unternehmen Hoffnung erwecken und den Tech-Riesen den Kampf ansagen. Schlaue neue Welt – Das KI-Wettrennen, 89 Minuten.
Von: Pauline Bombeck | #SheTransformsIT Gesendet: 11.06.2024 An: Leser*innen des karriereführer Betreff: Frauen und Digitalisierung – das gehört zusammen!
Liebe Leser:innen,
Digitalisierung, IT & Tech sind vielfältig, bunt und voller Möglichkeiten! Hier kann man die digitale Zukunft aktiv mitgestalten und ist stets am Puls der Zeit. Dennoch ist die IT-Branche nach wie vor sehr männlich dominiert. Deutschlands Frauenanteil in der IT beträgt laut Bundesagentur für Arbeit traurige 18 Prozent.
Darum machen wir uns als Initiative #SheTransformsIT für mehr Frauen in der Digitalisierung stark. Als interdisziplinäres Bündnis aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft setzen wir uns dafür ein, die Rolle von Mädchen und Frauen im digitalen Wandel zu stärken. Die Politik muss den nötigen Rahmen dazu liefern, die Transformation selbst aber müssen wir als Gesellschaft vorantreiben. Was muss also passieren, um mehr Frauen in gestaltende Positionen der Digitalisierung zu bringen?
Unsere 10 Punkte für ein zukunftsfähiges Deutschland:
Frühkindliche digitale Förderung und Informatikunterricht in Schulen sollen Mädchen einen natürlichen Zugang zu digitalen Kompetenzen ermöglichen und Genderstereotypen überwinden.
Schulmaterialien sollen gendersensibel gestaltet, Modellprojekte gefördert und Lehrkräfte in digitalen Themen ausgebildet werden, um Mädchen bessere Chancen in der Digitalisierung zu bieten.
Interdisziplinäre Informatik-Studiengänge sollen ausgebaut und digitale Themen in alle Studiengänge integriert werden, zusätzlich zu gezielten Angeboten und Stipendien für Frauen in der IT.
Frühe Förderung von Frauen in digitalen Disziplinen und in der Wissenschaft sowie mehr Frauen in Informatikprofessuren und Forschungsförderung mit festen Frauenanteilen sind notwendig.
Unterstützung für Frauen in Digitaljobs während der Familienphase, flexible Arbeitsmodelle und hochwertige Kinderbetreuung müssen flächendeckend ausgebaut werden.
Die Sichtbarkeit von Digitalgründerinnen sollte erhöht und staatliche Förderung für Diversität in Startups sowie mehr Frauen in Venture Capital Fonds angestrebt werden.
Für Quereinsteigerinnen in die IT-Branche sind bessere Informations- und Finanzierungsangebote sowie Evaluation und Anpassung von Qualifizierungsprogrammen erforderlich.
Mehr Sichtbarkeit für Frauen in der Digitalisierung durch Medienpräsenz, Schutz vor Online-Anfeindungen und Abbau von Genderstereotypen in der Technikwerbung sind wichtig.
Der Einsatz von genderneutralen Kriterien bei der Vergabe digitaler Produkte und divers besetzte Gremien in der öffentlichen Hand sind notwendig.
Die Integration von Frauen in die Gestaltung der Digitalpolitik auf allen Ebenen und in allen Ressorts sind ebenso unabdingbar wie die Förderung von Digitalkompetenz und Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft.
Lasst uns gemeinsam dafür einsetzen, dass Frauen die Digitalisierung aktiv mitgestalten!
Univ.-Prof. Dr. Joachim Bauer war nach seinem Medizinstudium, parallel zu seiner klinischen Ausbildung, viele Jahre in der Forschung tätig, wofür er mit Preisen ausgezeichnet wurde. Er ist Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Psychiatrie und in beiden Fächern auch habilitiert. Bauer ist Autor viel beachteter Sachbücher und war lange Jahre erfolgreich an der Universität Freiburg tätig. Er lebt, forscht und arbeitet jetzt in Berlin. Die Fragen stellte André Boße
Herr Prof. Bauer, wie lässt sich die Sogwirkung, die von digitalen Geräten und insbesondere den Smartphones ausgeht, neurowissenschaftlich erklären?
Die Motivationssysteme des menschlichen Gehirns sind gierig auf soziale Beachtung und Anerkennung, entsprechend steuern sie unser Verhalten. Smartphones sind, selbst wenn sie keinen Ton von sich geben, eine Art Versprechen: Dass sich Leute melden, die etwas von mir wollen. Das Smartphone verspricht: Du bist wichtig und wirst gesehen. Die dadurch erzeugte Ablenkung ist derart stark, dass Testpersonen sich die Inhalte von gelesenen kurzen Texten nicht mehr so gut merken konnten, wenn während des Lesens ein Smartphone auf dem Tisch lag.
Wann wird diese Sogwirkung zu einem medizinischen Risiko?
Bevor sie zu einem medizinischen Risiko werden, gefährden sie die Qualität unserer zwischenmenschlichen Beziehungen. Ständig kann man beobachten, wie kleine Kinder versuchen, in Kontakt zu ihrer begleitenden erwachsenen Bezugsperson zu bekommen, diese aber nicht vom Handy wegkommt und dem Kind signalisiert: Es gibt Wichtigeres als Dich. Kinder können sich nicht wehren. Wenn wir ein solches Verhalten – man nennt das in der Forschung übrigens „Phubbing“ – anderen Erwachsenen zumuten, dann zeigen Studien, dass sich die entsprechenden Beziehungen verschlechtern. Das betrifft Paarbeziehungen genauso wie Beziehungen zu Kollegen. Ein medizinisches Risiko entsteht, wenn die Sogwirkung des Smartphones in Suchtverhalten umschlägt. Intensivnutzerinnen von Sozialen Medien erhöhen ihr Risiko für Angst und Depression, Intensivnutzer von Videospielen vernachlässigen ihr analoges Leben und bewegen sich zu wenig.
Joachim Bauers aktuelles Buch:
Realitätsverlust. Wie KI und virtuelle Welten von uns Besitz ergreifen – und die Menschlichkeit bedrohen. Heyne 2024. 22,00 Euro.
Wer optimistisch auf die KI blickt, sagt: Der Mensch bleibt am Hebel und kann mit Hilfe der generativen KI sein Leben effizienter denn je bestreiten. Was entgegnen Sie dieser utopischen Sicht?
Führende, sehr einflussreiche Leute in den Digitec-Konzernen und einige Philosophen vertreten eine neue Religion, die als „Transhumanismus“ bezeichnet wird. Dort wird die Meinung vertreten, dass der Mensch mit all seinen Schwächen ein Auslaufmodell sei. Unser krankheitsanfälliger und sterblicher Körper sei voller Fehler, die mit technischen Mitteln ausgemerzt werden müssten. Fragen der zwischenmenschlichen Empathie, der sozialen Fairness zwischen Schwachen und Starken, Fragen der Fürsorge für Kindern und der Liebe zwischen Menschen spielen im Transhumanismus keine Rolle. Technik ist dort alles.
Was bleibt vom Menschen, wenn er seiner „Menschlichkeit“ beraubt wird?
Zurück bleibt ein mit technischen Hilfsmitteln zu einem Halb-Mensch-halb Roboter „augmentiertes“, das heißt aufgerüstetes seelenloses Wesen.
Wie kann es gelingen, in digitale Welten in Social Media oder im Gaming die Kontrolle zu behalten?
Wir müssen die von den Digitec-Konzernen und Teilen der Medien betriebene Einschüchterung beenden, deren Ziel es ist, dass wir Menschen uns gegenüber den digitalen Systemen, insbesondere gegenüber KI minderwertig fühlen sollen. Digitale Produkte sind nichts Schlechtes, sie können uns assistieren. Damit wie sie – und nicht sie uns – beherrschen, müssen wir Regulierungen installieren, die sicherstellen, dass der Mensch die Kontrolle behält. Wir Menschen müssen wieder an uns glauben. Wir sind verletzliche, sterbliche Wesen, aber nur wir sind wirklich lebendig, nur wir können wirklich fühlen und lieben. Maschinen mit KI können nur simulieren, sie hätten Gefühle, sie haben sie aber nicht.
Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt für den Bereich Real Estate (Geschäftsfeld Elektro- und Gebäudetechnik) in Linden zu besetzen.
Einsatzort: DE 35440 Linden Hans-Böckler-Str. 4
Unser Angebot
Prüfung von
Brandmelde- und Alarmierungsanlagen
Anlagen der Sicherheitsstromversorgung und -beleuchtung
elektrischen Anlagen nach VdS Richtlinien sowie nach DGUV Vorschrift 3
explosionsgeschützten elektrischen Anlagen
Abnahme- und wiederkehrende Prüfungen gemäß aktuellem Baurecht sowie auf Basis einschlägiger Gesetze, Normen und Richtlinien
Erstellen von Gutachten über den sicherheitstechnischen Zustand von Anlagen in Industrie, Gewerbe und Sonderbauten
Fachliche Unterstützung in allen Bauphasen
Ihr Profil
Abgeschlossenes Studium der Fachrichtung Elektrotechnik oder einer vergleichbaren technischen Fachrichtung
Kundenorientierte Arbeitsweise mit sicherem Auftreten nach außen und Teamfähigkeit nach innen
Flexibilität, Einsatzfreude, Reisebereitschaft und Belastbarkeit
Fahrerlaubnis der Klasse B
Unsere Benefits
30 Tage Urlaub
Betriebliche Altersvorsorge
Bezuschussung Jobticket
Flexible Arbeitszeiten und Mobiles Arbeiten
Fort- und Weiterbildung
Gesundheitsmanagement
Kostenlose Kfz-Hauptuntersuchungen
Leistungen Familie & Beruf
Möglichkeit von Sabbaticals
Tarifliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld
Vermögenswirksame Leistungen
Zusätzliche bezahlte Freizeit
TÜV Hessen weiterhin auf der Überholspur!
Besonders in der aktuellen Situation schon an Morgen denken. TÜV Hessen Ihr zuverlässiger Karrierepartner – mit Sicherheit!
Der renommierte hessische Marktführer für Prüf- und Zertifizierungsleistungen wächst auch 2024 weiter. Unsere Marke ist ein Versprechen.
Der TÜV Hessen ist Garant für Sicherheit, Umweltschutz, Qualität und Marktfähigkeit von Fahrzeugen, Anlagen, Produkten und Dienstleistungen. Zudem bietet der TÜV Hessen besonders attraktive, neue Dienstleistungen an z.B. rund um die Zukunftsthemen IT-Sicherheit, Energieeffizienz und klimaschonender Mobilität für Geschäfts- und Privatkunden.
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*Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Personenbezogene Bezeichnungen beziehen sich auf Männer, Frauen und Divers in gleicher Weise.
Die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz schreiten rasend schnell voran. Mit der generativen KI macht die Technologie einen weiteren großen Sprung nach vorne. Die generative KI erschafft eigenständig neue Inhalte, die kaum von menschlichen Werken zu unterscheiden sind oder diese sogar übertreffen. Wie diese Entwicklung die Arbeitswelt verändern kann und wo immer mehr Unternehmen KI-Anwendungen in ihre Prozesse integrieren, beschreiben wir in der vorliegenden Ausgabe. Neben der künstlichen Intelligenz ist das zweite große Thema unserer Zeit die Decarbonisierung. René Haas erklärt im Top-Interview, wie sein Unternehmen NeoCarbon CO2 aus der Atmosphäre zieht und damit den Kampf gegen die Klimakrise aufnimmt. Unternehmen mit solch einem Purpose – also mit sinnvollen Geschäftsmodellen, die die Gesellschaft voranbringen – sind vor allem für die junge Generation attraktive Arbeitgeber.
Mit der generativen KI macht die künstliche Intelligenz einen weiteren großen Sprung nach vorne. Hinter dem Begriff stehen komplexe Systeme, die für technische Unternehmen enormen Nutzen erzeugen können. Konzerne investieren dafür Milliarden, es entstehen branchenübergreifende Kooperationen. Klar ist: Wer diesen Schritt verpasst, droht den Anschluss zu verlieren. Ein Essay von André Boße
Dass die künstliche Intelligenz kein Hype, sondern eine zentrale Zukunftstechnologe ist, zeigt die Studie „Künstliche Intelligenz aus Sicht von Unternehmen“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, kurz Fraunhofer IAO. Die Fragestellung der Untersuchung war der Stellenwert von KI-Lösungen in den Unternehmen. Studiengebiet war die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken, die laut Eigenbeschreibung stark von den technischen Branchen Automobil- und Elektroindustrie, Maschinen-, Stahl- und Anlagenbau sowie Mess-, Steuer- und Regelungstechnik geprägt wird. Kurz: Dieser Teil Deutschlands besitzt einen großen Bedarf an Ingenieur*innen. Für die Studie befragte das Fraunhofer IAO in einem ersten Schritt Menschen aus den Unternehmen mit ausgewiesener KI-Expertise, zusätzlich beantworteten die Firmen selbst einen Fragebogen.
Nächster Schritt: Eine KI, die erzeugt
Die zentralen Resultate der Studie: Künstliche Intelligenz wird von nahezu allen Unternehmen als „hochrelevantes Themenfeld“ wahrgenommen. Die Mehrzahl der Unternehmen beschäftigt sich aktiv mit der Frage, wie sie die Technologien für sich nutzen kann. Je stärker sich die Unternehmen mit dem Thema KI beschäftigen, desto höher schätzten die Befragten Nutzen und Mehrwert der Technologie ein. „Wesentliche Mehrwerte werden in der Beschleunigung von betrieblichen Abläufen und in der Realisierung von Kosten- und Effizienzvorteilen gesehen“, heißt es in der Studie. Diese Aspekte reduzieren Kosten, und dies sei ein Faktor, der beim Einsatz von KI immer mehr an Bedeutung gewinne: „Gerade bei kleineren Unternehmen stehen die Aktivitäten rund um KI unter einem hohen wirtschaftlichen Verwertungsdruck“, so die Studienautor*innen. Wobei die Unternehmen vor allem jenen KI-Anwendungen einen hohen betrieblichen Mehrwert zuschreiben, die das Thema der künstlichen Intelligenz auf die nächste Ebene stellen: Systeme mit generativer KI.
Foto: AdobeStock/spiral media
Global Lighthouse Network
Als „Leuchttürme“ werden Industrie-Unternehmen bezeichnet, die das große Potenzial der generativen KI erkannt haben und in den Einsatz bringen. Diese finden sich im Global Lighthouse Network zusammen, einer Initiative des World Economy Forums und der Unternehmensberatung McKinsey. „Oft bringen Unternehmen die generative KI in Bereiche, in denen Daten am unstrukturiertesten sind“, beschreibt Enno de Boer von McKinsey in einem Interview bei Springer Professional. „Dies ist oft vor- und nachgelagert der Fall, zum Beispiel in der Produktentwicklung, bei der Beschaffung und im Servicebereich.“ In der Produktion diene die Generative KI laut de Boer als „eine Art Abkürzung zu Anwendungsfällen, die die Produktivität der Mitarbeiter erhöhen, indem sie viele unstrukturierte Daten oder dokumentationsintensive Prozesse automatisieren“. Auf der Homepage des Global Lighthouse Networks findet sich eine Aufzählung der „Leuchttürme“ mit Praxisbeispielen.
Wo liegt der Unterschied zwischen der „normalen“ und der generativen KI? Benjamin Touati, Redakteur beim digitalen Wissensportal Technopedia, definiert in einem Beitrag generative KI als „Technologien, die in der Lage sind, eigenständig neue Inhalte zu erschaffen, die kaum von menschlichen Werken zu unterscheiden sind oder diese sogar übertreffen. Sie nutzt umfangreiche Datensätze, um Muster und Strukturen zu erlernen und daraus eigene Ergebnisse zu generieren.“ Den Unterschied zur klassischen KI beschreibt Touati folgendermaßen: „Während traditionelle KI-Systeme vor allem für die Analyse von Daten, Mustererkennung und die Vorhersage von Ergebnissen entwickelt wurden, zielt generative KI darauf ab, eigenständig neue, originelle Inhalte zu erschaffen, die auf erlernten Daten und Mustern basieren.“ Vereinfacht gesagt: Die klassische KI stellt den Ist-Zustand fest, damit der Mensch Verbesserungen erarbeiten kann, die generative KI erschafft daraus eigenständig Zukunftsszenerien. Für technische Unternehmen ist das hochinteressant: Die generative KI erkennt aus den Daten und Mustern nicht nur Probleme, sondern erzeugt auch Lösungen. Ein neues Geschäftsmodell zum Beispiel. Oder eine vollkommen neue Organisation von Produktionsprozessen oder Lieferketten.
Encoden, Decoden, Probleme entdecken
Das Aushängeschild der generativen KI ist weiterhin der von Open AI entwickelte Chatbot ChatGPT. Und das aus gutem Grund: Als Sprachmodell zeigt es niedrigschwellig auf, wie Mensch und KI miteinander kommunizieren und gemeinsam auf Ergebnisse kommen können. Ob beim Schreiben von Reden oder beim Erstellen von Grafiken: Auch in den Unternehmen wird ChatGPT häufig eingesetzt. Doch die Möglichkeiten, generative KI bei technischen Prozessen zu nutzen, gehen noch viel weiter. Ein Thema sind zum Beispiel variative Auto-Encoder – eine Form von künstlichen neurologischen KI-Netzwerken, die bei komplexen technischen Prozessen helfen, potenzielle Störungen nicht nur zu erkennen, sondern auch gleich neue Prozesse zu erschaffen.
Die Technik hinter variativen Auto-Encodern ist kompliziert, hier ein Erklärungsversuch: Auto-Encoder (also ohne den Zusatz variativ) können als traditionelle KI klassifiziert werden und sind schon länger im Einsatz. Die Funktionsweise: Das Modell komprimiert eine große und mehrdimensionale Menge der Eingangsdaten („encoding“), indem es diese auf weniger Dimensionen reduziert, um sie danach wieder in der ursprünglichen Größe zu bringen („decoding“). „Das Ziel besteht darin, den Rekonstruktionsfehler zwischen der ursprünglichen Eingabe und der dekodierten Ausgabe zu minimieren“, beschreibt das KI-Portal Data Basecamp diese Technik. Jede Anomalie, die das System entdeckt, ist ein Hinweis darauf, dass ein bestimmter Prozess nicht optimal verläuft. Dies kann in einem technischen Unternehmen zum Beispiel eine komplexe Produktionslinie im Maschinenbau sein: Die KI erkennt hier aus Daten ein Muster, das langfristig zu Problemen führt.
Generative KI erzeugt selbst Daten
Die generative KI besitzt eine enorme IT-Tiefe. Und die Komplexität der Anwendungen wird weiter steigen.
Die neuen Modelle – genannt variative Auto-Encoder (VAE) – fügen diesen Modellen nun die generative Komponente hinzu. Vereinfacht gesagt: Das Modell rekonstruiert nicht nur die ursprünglichen Eingangsdaten, um Anomalien aufzuzeigen, sondern ist auch in der Lage, auf Basis der Wahrscheinlichkeitsrechnung neue Daten zu generieren. Zum Beispiel optimierte Eingangsdaten, die Anomalien von Grund auf verhindern. Ein Maschinenbauunternehmen kann diese Technik zum Beispiel dafür nutzen, die Laufdauer von Anlagen zu verbessern: Die auf dem VAE-Verfahren basierende generative KI analysiert nicht nur Muster, die zu Problemen führen können. Sie erzeugt auch neue Daten, die dabei helfen, dass diese Probleme gar nicht erst auftreten. Zum Einsatz kommen VAE-Modelle auch, um von echten Menschen fiktive Bilder zu erschaffen, die deshalb so echt aussehen, weil das Verfahren beim Erzeugen von sich aus erkennt, welche Elemente bei den echten Bildern, mit denen das System gefüttert wird, „authentisch“ sind und welche das „echte“ Gesicht verfälschen, wie zum Beispiel eine ungewöhnliche Kameraperspektive oder ein unnatürlicher Gesichtsausdruck.
Foto: AdobeStock/Mehri
Generative KI in der Medizintechnik
Modelle der generativen KI sind überall dort gefragt, wo sich Daten kaum bis gar nicht standardisieren lassen. Dies ist zum Beispiel in der Medizintechnik der Fall, wo jede*r Patient*in höchst individuell ist. Zum Einsatz kommen Systeme zum Beispiel in der Tumorforschung, wo die generative KI früh erkennt, welche Ausmaße und Folgen ein bösartiger Tumor annehmen kann. So können individuelle Maßnahmen ergriffen werden. Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld ist die Orthopädie: Die optimale Beschaffenheit eines neuen Hüftgelenks zum Beispiel hängt auch davon ab, wie sich der oder die Patient*in im Alltag bewegt. Eine generative KI kann vorab beobachten, daraus Schlüsse ziehen und schließlich ein optimales individuelles Produkt erzeugen.
Die Erklärung von VAE-Modellen zeigt: Die generative KI besitzt eine enorme IT-Tiefe. Und die Komplexität der Anwendungen wird weiter steigen. Entsprechend kommt es für die technischen Unternehmen darauf an, sich so aufzustellen, dass sie bei diesen Themen nicht den Anschluss verlieren. Dafür ist es wichtig, sowohl im Unternehmen selbst KI-Know-how aufzubauen als auch die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern zu verstärken. Denn klar ist: Das Thema generative KI kann ein technisches Unternehmen allein nicht abdecken.
Nur zusammen geht‘s
Wer sich in der Branche umschaut, erkennt, dass die Zahl der Kooperationsprojekte steigt. Ende Februar 2024 zum Beispiel kündigten Bosch und Microsoft eine Kooperation für das Thema generative KI an. Schwerpunkt sei dabei die „Verbesserung automatisierter Fahrfunktionen“ mithilfe der generativen KI, wie es in einer Pressemitteilung von Bosch heißt. „Generative KI ist ein Innovationsbooster und kann die Industrie verändern, ähnlich wie die Erfindung des Computers“, wird Bosch Geschäftsführerin und Chief Digital Officer Dr. Tanja Rückert in der Pressemitteilung zitiert. Ein Treiber der Kooperation für die generative KI sei die Erkenntnis, dass die klassische KI schnell an ihre Grenzen stoße, wenn es darum gehe, Systeme für das automatisierte Fahren zu trainieren: „Aktuelle Fahrerassistenzsysteme können zwar bereits Personen, Tiere, Objekte und Fahrzeuge erkennen, doch schon in naher Zukunft könnten sie mithilfe generativer KI bestimmen, ob in der jeweiligen Situation ein Unfall droht“, heißt es in der Pressemeldung.
Generative KI trainiert Systeme für automatisiertes Fahren auf der Grundlage großer Datenmengen, aus denen verbesserte Erkenntnisse gezogen werden. So ließe sich beispielsweise ableiten, ob es sich bei einem Objekt auf der Fahrbahn um eine Plastiktüte oder beschädigte Fahrzeugteile handelt. „Mit dieser Information kann entweder eine direkte Kommunikation zum Fahrer aufgenommen werden – wie die Einblendung von Warnhinweisen –, oder es können entsprechende Fahrmanöver eingeleitet werden, wie eine Bremsung unter Einschalten des Warnblinkers“, skizziert Bosch in der Pressemitteilung die Möglichkeiten. Dass Microsoft beim Thema Generative KI in Deutschland viel Potenzial sieht, zeigt auch eine Meldung von Ende Februar: Der Konzern investiert in Deutschland drei Milliarden Euro, um das Thema voranzubringen.
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Hat die Generation Z ein generatives Problem?
Glaubt man dem Stereotyp, stürzt sich die Generation Z in den Unternehmen auf die Zukunftstechnologie KI, während die älteren Mitarbeitenden vorsichtige Skepsis an den Tag legen. Das Ergebnis einer amerikanischen Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young zeigt jedoch ein anderes Ergebnis: 1000 Voll- und Teilzeitbeschäftigte aus den USA nahmen an der Untersuchung teil. Auf die Frage, wer die Technologie am häufigsten im Job einsetzt, gaben 74 Prozent der Millennials (geboren zwischen 1981 und 1996) sowie 70 Prozent der Generation X (geboren zwischen 1965 und 1980) an, dass sie Werkzeuge wie ChatGPT verwendet haben. Der Anteil der Befragten der Generation Z (Jahrgänge 1997 bis 2005) lag lediglich bei 63 Prozent. Woran es liegt? Die Studienautor*innen sind der Ansicht, dass sich die Befragten der Generation Z weniger Nutzen von den KI-Lösungen versprechen, als es bei den älteren Generationen der Fall ist. Die Vermutung: Die Generation Z werde sich umorientieren, sobald sie der Meinung ist, die Technologie bringe sie in ihren beruflichen Feldern wirklich voran.
Weitere Kooperationen entstehen auch, um die großen Herausforderungen der Welt zu meistern. So fanden sich vor gut einem Jahr IBM und die NASA zusammen, um mithilfe von KI-Systemen Basismodelle zu entwickeln, „die es einfacher machen, riesige Datensätze nach neuen Erkenntnissen zu durchsuchen, um die Wissenschaft voranzubringen und uns bei der Anpassung an eine sich verändernde Umwelt zu helfen“, wie es in einer IBM-Pressemitteilung zum Start der Kooperation heißt. „Nicht nur die NASA wird davon profitieren, sondern auch andere Behörden und Organisationen“, wird Rahul Ramachandran, leitender Wissenschaftler am Marshall Space Flight Center der NASA, zitiert. „Wir hoffen, dass diese Modelle Informationen und Wissen für jedermann zugänglicher machen und die Menschen dazu ermutigen, Anwendungen zu entwickeln, die es einfacher machen, unsere Datensätze zu nutzen, um Entdeckungen und Entscheidungen auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu treffen.“
Unternehmen brauchen Expertise
Heißt es nun KI für jedermann – oder ist sie Thema für Spezialisten? Mutmaßlich stimmt beides. Wichtig wird sein, dass in den Unternehmen Strukturen geschaffen werden, die von Expert*innen (ob im Unternehmen oder außerhalb) durchschaut und zeitgleich von möglichst vielen Mitarbeitenden genutzt werden können. Was bedeutet, dass die Möglichkeiten der generativen KI weder in einem IT-Silo isoliert werden dürfen noch die Ingenieur*innen in den Unternehmen damit allein gelassen werden. „KI ist kein Thema, das sich auf die IT-Abteilung der Unternehmen beschränkt“, heißt es dazu in der Studie des Fraunhofer IAO. „Grundlegende Kenntnisse und ein allgemeines Verständnis werden in allen Unternehmensbereichen und über alle Unternehmensfunktionen hinweg benötigt.“
Noch liege der Fokus von Qualifizierungsanstrengungen auf der Ebene von operativ tätigen Fachkräften, kritisieren die Autor*innen der Studie: „Führungskräfte und andere Beschäftigungsgruppen werden nicht flächendeckend qualifiziert. Ein Drittel der Betriebe setzt keine Qualifizierungsmaßnahmen im Themenfeld KI um.“ Dies müsse sich ändern: Gefragt sind neben Kooperationen mit anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen „kleinteilige, schnelle und hochgradig praxisrelevante Weiterbildungsangebote, die es Beschäftigten ermöglichen, sich zu KI-Fachkräften weiterzuentwickeln, ohne dass die bisherige Tätigkeit und der operative Unternehmensbetrieb allzu stark beeinträchtigt werden“. Einfacher gesagt als getan? Nicht, wenn insbesondere die junge Generation ihr digitales Know-how und ihre Begeisterung für dieses Zukunftsthema einbringt. Um die eigene Position im Unternehmen zu stärken – und die Dynamik der Implementierung der generativen KI zu erhöhen. Denn wenn diese Technik tatsächlich der erhoffte Innovationsbooster ist, dann wird es schon in naher Zukunft ohne sie nicht mehr gehen.
Kleidungsstücke am Computer anprobieren
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Die Hochschule Hof arbeitet an einem Weg, wie künftig im Online-Shopping viele Rücksendungen eingespart werden könnten und das Einkaufserlebnis damit nachhaltiger wird. Im Projekt „TryOn@Home“ entwickeln die Forschenden einen Online-Demonstrator, mit dem es unter anderem möglich sein wird, neben farblich stimmigen und passend designten Kleidungsstücken auch die individuell passenden Kleidergrößen zu ermitteln. Der Demonstrator wird über eine multimodale Mensch-Maschine-Schnittstelle verfügen. Diese verwendet neben dem Kamerabild der Benutzer*innen auch Bilder der Artikel und Daten wie Artikelabmessungen, Personengrößen und unterschiedliche Posen. Dafür sucht und adaptiert die Forschungsgruppe geeignete Modelle generativer KI, mit denen multimodale Eingabedaten verarbeitet werden können. Anschließend werden die KI-Modelle so trainiert, dass eine realistische Einschätzung der Größe möglich ist. Die im Projekt entstehenden Modelle sollen als Open-Source-Software veröffentlicht werden, damit vor allem kleine und mittlere Unternehmen davon profitieren können.
Es ist mühsam, energie- und kostenintensiv, aber möglich: Mit dem von immer mehr Unternehmen eingesetzten Direct-Air-Capture-Verfahren (kurz: DAC) lässt sich CO₂ aus der Atmosphäre abscheiden. Das junge Berliner Unternehmen NeoCarbon hat diese Technik weitergedacht: Statt riesige Anlagen zu bauen, nutzt es die Infrastruktur von Kühltürmen in Fabriken, Shoppingmalls oder Bürogebäuden. Hier werden Luftströme und Abwärme freigesetzt, beides nutzt NeoCarbon, um CO₂ zu gewinnen. Im Interview erzählt Co-Gründer und CEO René Haas, welche Rolle das Direct-Air-Capture-Verfahren im Kampf gegen den Klimawandel spielt, was es mit einem „Bias to action“ auf sich hat und warum er jungen Ingenieur*innen rät, ins Risiko zu gehen. Die Fragen stellte André Boße
Zur Person
René Haas studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Dresden und Berlin sowie in Spanien und China. 2014 startete er seine Karriere bei Siemens im Projekt Management Support. Seit 2016 sammelte er Erfahrungen in der IT-Beratung sowie in Tech-Start-ups. Schwerpunkte waren hier Themen wie Teamrestrukturierung, strategisches Geschäftspartner-Management, Investor Relations und Internationalisierung. 2021 war er Mitgründer des Start-ups NeoCarbon.
Herr Haas, wäre der Kampf gegen die Klimakrise ohne die Methode des Direct Air Capture bereits verloren? Ich denke, DAC ist eine vielversprechende Technologie und laut aktueller Klima- Reports unabdingbar, um realistisch unter einer Erderwärmung zwischen 1,5 und 2 Grad zu bleiben. Dennoch würde ich den Kampf gegen die Klimakrise nicht verlorengeben, da es sich lohnt, jedes Zehntelgrad an Erwärmung aufzuhalten. Selbst wenn wir das 1,5-Grad-Ziel verfehlen, sollten wir als nächstes das Ziel definieren, so nah wie möglich an die 1,5 Grad heranzukommen. Wir sollten generell den Kopf nicht in den Sand stecken, aber klar ist auch: Der Kampf wäre signifikant härter ohne Direct Air Capture.
Was ist die größte Herausforderung, um mit diesem Verfahren CO₂ aus der Luft zu ziehen? CO₂ nimmt zwar einen riesigen Einfluss auf das globale Klima, aber nur eines von 2500 Molekülen in der Atmosphäre ist ein CO₂-Molekül. Die Hauptherausforderung liegt also darin, diese wenigen Moleküle herauszufiltern. Dafür ist sehr viel Energie notwendig, die wiederum aus erneuerbaren Quellen stammen sollte, damit nicht neue Emissionen entstehen. Ein weiteres Problem ist, dass die Menge an CO₂, die wir in die Atmosphäre einbringen, seit den 1960er-Jahren global explodiert und weiterhin sehr hoch ist. Die Menschheit hat in den vergangenen zwei, drei Jahren zwischen 36 und 38 Gigatonnen CO₂ emittiert, das ist eine unvorstellbar große Menge. Und auch weiterhin basieren große Teile unseres modernen Wirtschaftssystems auf günstiger fossiler Energie.
Was entgegnen Sie kritischen Stimmen, die sagen, Ihre Innovationen bedeuteten eine Einladung an die Menschheit, in Sachen CO₂-Ausstoß weiterzumachen wie bisher? Wenn man sich anschaut, wie technisch anspruchsvoll es ist, das CO₂ aus der Luft zu ziehen, sollte es diese Stimmen eigentlich gar nicht geben. Ich würde mir daher wünschen, dass die Menschheit viel schneller dekarbonisiert, als sie es gegenwärtig tut. In den vergangenen Dekaden ist diese Dekarbonisierung leider nicht schnell genug geschehen, daher sehe ich heute diese extreme Notwendigkeit, DAC in großen Skalen zu entwickeln. Das soll jedoch nicht als Ausrede verstanden werden.
Sondern eben als Notwendigkeit, um das Ziel noch erreichen zu können. Genau.
Was braucht ein Unternehmen wie Ihres, um Direct Air Capture erfolgreich durchzuführen? Wir konnten ein sehr starkes Team zusammenstellen und umgeben uns mit den richtigen Business Advisors. Die Herausforderung, der wir uns stellen, ist so komplex, dass man sie nur im Team mit fähigen Menschen lösen kann. Bei unserer Arbeit gestehen wir uns allerdings immer wieder ein, Fehler zu machen. Und zwar, um möglichst schnell vorwärtszukommen. Das ist wichtig, weil unser Technologieansatz komplett neuartig ist. Wir nutzen die bereits bestehende Infrastruktur von Kühltürmen. Unser Ansatz ist, ihre Abwärme zu nutzen, was Energie und damit Geld spart. Damit dies gelingt, benötigen wir ein sehr tiefgreifendes Verständnis für DAC-Systeme.
Ein Unternehmen zu gründen, ist eine permanente Herausforderung, und man sollte während des gesamten Prozesses auch sehr gut auf sich selbst achten – was einem nicht immer gelingen wird.
Von der technischen Idee bis zur Gründung des Unternehmens: Wo lag auf dieser Wegstrecke die größte Herausforderung? Man begegnet als Co-Founder mit seinem Team sehr viel Negativität, da gerade am Anfang externe Leute die Idee leicht zerreden können. Wichtig ist es, nie den Glauben in die eigenen Fähigkeiten zu verlieren und weiterzumachen. Wobei man das Feedback schon ernst nehmen sollte. Man muss sich nur bewusst entscheiden, wie man damit umgehen will. Ein Unternehmen zu gründen, ist eine permanente Herausforderung, und man sollte während des gesamten Prozesses auch sehr gut auf sich selbst achten – was einem nicht immer gelingen wird.
Vor der Gründung lag eine Zeit, in der Sie sich sehr viel Wissen angeeignet haben. Wo lag hier das Geheimnis, wie recherchiert man richtig? Wir haben immer sehr früh versucht, unsere Ideen mit Hilfe des Wissens von Experten zu validieren und immer direkt mit den global bestmöglichen Ansprechpartnern zu reden. Man wird hier naturgemäß sehr häufig abgewiesen, das sollte einen aber nicht weiter stören. Das Fundament, um in diese Gespräche mit Experten zu gehen, war das Lesen von Studien und Papers.
Welches Mindset benötigt man, um übers Wissen und Denken ins Handeln zu kommen, sprich in die Gründung, Forschung und Entwicklung? Mein Mitgründer und ich besitzen etwas, was unser erster Investor gerne als „Bias to action“ bezeichnet: Egal was ansteht – wir legen einfach los. Unsere ersten kleine Anlagen haben wir mit ein paar Tausend Euro gebaut, fast alle Komponenten kamen aus dem Baumarkt. Das ist nicht gerade Deep-Tech, aber wir haben damit sehr schnell gelernt. Auf die Gründung selbst habe ich mich allerdings intensiv und lange vorbereitet, da ich als Angestellter einige Jahre direkt mit einem erfolgreichen Gründer zusammengearbeitet habe. Von ihm habe ich viel gelernt.
Sie haben als Start-up-Unternehmen sehr viel Kapital generiert, zuletzt 3,2 Millionen Euro. Welchen Bezug haben Sie zu einer solchen Summe? Ich habe keinen persönlichen Bezug zu diesen Beträgen, da es nicht mein Geld ist. Es symbolisiert für mich das Vertrauen des Investors, dass wir eine Technologie entwickeln können, die das Potenzial hat, die Welt zu verändern. Das Geld eingesammelt zu haben, ist allerdings nur ein kleiner Schritt. Der viel größere Schritt ist es, die Technologie zu entwickeln und diese über ein solides Businessmodell in der physischen Welt zu skalieren. Unsere Anlagen „im Feld“ zu sehen – dazu habe ich einen sehr starken persönlichen Bezug. Das eingesammelte Kapital ermöglicht dies, und ich bin sehr dankbar, von unseren Investoren dieses Vertrauen bekommen zu haben.
Ihr Unternehmen besitzt einen eindeutigen Purpose. Wie wichtig ist dieser für die junge Generation? Purpose ist extrem wichtig, wir haben unglaublich tolle Bewerber, sowohl von ihrer Persönlichkeit als auch von ihrem technischen Verständnis her. Auch wir selbst als Gründer könnten wohl nie wieder in einem Unternehmen tätig sein, in dem ein solch starker Purpose nicht gegeben ist. Abseits davon ist es allerdings wichtig, sehr stark auf die Mitarbeiter zu achten. Es ist meiner Meinung nach nicht okay, ihnen einen Purpose zu geben und sie dann sich selbst zu überlassen. Das Thema mentale Gesundheit ist extrem wichtig, wobei die Kultur eines Unternehmens sehr stark von der Verantwortung der Gründer geprägt ist.
Wenn man sich für etwas mehr Risiko entscheidet, merkt man häufig, dass dieses Risiko gar nicht so groß ist.
Wo sehen Sie Ihre Technik in fünf Jahren? In fünf Jahren wollen wir mehrere große DAC-Anlagen im Einsatz haben, um damit global jährlich eine Millionen Tonnen CO₂ aus der Luft zu ziehen. Hierfür brauchen wir erstens die richtigen Skalierungspartner, die uns helfen, die Technologie weltweit auszurollen, und zweitens eine genügend große Finanzierungsstruktur.
Ihr Tipp an angehende Ingenieur*innen, die Lust haben, die Welt zu verbessern: Was sollten sie unbedingt tun – und was unbedingt vermeiden? Sie sollten sich ausprobieren und kalkuliert Risiken eingehen. Idealerweise lernt man von jemandem, der die Erfahrung, die man selbst machen möchte, bereits gemacht hat. Sprich, man sollte den richtigen Mentor finden. Vermeiden sollte man im Umkehrschluss, einen zu sicheren Weg zu gehen. Denn wenn man sich für etwas mehr Risiko entscheidet, merkt man häufig, dass dieses Risiko gar nicht so groß ist. Erst recht nicht, wenn man jung ist.
Zum Unternehmen
NeoCarbon steht für den Ansatz, aus einem technischen Problem eine Lösung abzuleiten. Immer wieder wurden die Gründer René Haas und Silvain Toromanoff mit der Tatsache konfrontiert, dass das Abscheiden von CO₂ aus der Luft sehr viel Energie und damit Geld kostet. Was also, so der Gedanke der Gründer, wenn wir das Verfahren dort durchführen, wo ungenutzte Energie anfällt? Die Innovation von NeoCarbon besteht darin, für die Prozesse die Abwärme und den Luftstrom von Kühltürmen von Fabriken, Shoppingmalls oder Bürogebäuden zu nutzen. Die Investoren glauben an die Idee: Bei einer Finanzierungsrunde sammelte das Start-up 3,2 Millionen Euro ein, wie NeoCarbon Anfang 2024 vermeldete.
Das Team von EduPin (Technische Universität München) sicherte sich bei der Digital Future Challenge DFC#4 den Sieg mit einem digitalen Ansteck-Pin für Kinder. Der Pin ermöglicht eine anonyme Aufzeichnung der Bewegungsdaten von Kindern. Er gibt ihnen Hilfestellungen im Verkehr und liefert gleichzeitig wichtige Informationen für eine datenbasierte und kindgerechte Verkehrsplanung in Kommunen. Die Digital Future Challenge wird ausgerichtet von der Initiative D21 und der Deloitte-Stiftung. Sie zielt darauf ab, nachhaltige und ethisch verantwortungsbewusste Lösungen für den Einsatz von KI zu finden. Insgesamt nahmen über 50 Studierendenteams aus ganz Deutschland teil.
Masterstudiengang Innovations- und Technologiemanagement
Der von der Wilhelm Büchner Hochschule angebotene Master-Fernstudiengang „Innovations- und Technologiemanagement“ wurde überarbeitet und wird nun mit zwei unterschiedlichen Profilen angeboten. Studieninteressierte können sich bei der Anmeldung entsprechend ihren Interessen und beruflichen Zukunftsplänen zwischen dem Profil „Anwendung“ und dem Profil „Forschung“ entscheiden. Der Master richtet sich an alle, die sich für das Thema Innovationen interessieren und Wandel, Wachstum und Wohlstand aktiv vorantreiben möchten. Absolvent*innen des Studiengangs können in den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen Fuß fassen und Zukunftsthemen wie „Smart City“ oder „Künstliche Intelligenz“ mit beeinflussen.
Neuer Studiengang: K I kombiniert mit Ingenieurwesen
AI Engineering heißt der neue Bachelor-Studiengang, der im Wintersemester 2023/24 gestartet ist. Er verbindet die künstliche Intelligenz (KI) mit den Ingenieurwissenschaften. Fünf Hochschulen in Sachsen-Anhalt sind an dem Projekt beteiligt: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Hochschule Anhalt, Hochschule Harz, Hochschule Magdeburg-Stendal und Hochschule Merseburg. Jede Hochschule hat ihren eigenen Schwerpunkt. Ab dem fünften Semester können sich Studierende auf ein Anwendungsfeld spezialisieren und wechseln dann von der Universität an eine der Partnerhochschulen.
Während die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz (KI) mit der Veröffentlichung von ChatGPT für die Allgemeinheit erst seit einiger Zeit so richtig wahrnehmbar sind, wird in der Industrie schon länger am KI-Einsatz gearbeitet – auch wenn viele Unternehmen dort ebenfalls noch am Anfang stehen. Doch manche Unternehmen sind schon weiter und haben unterschiedlichste KI-Anwendungen bereits in ihre Prozesse integriert. Von Christoph Berger
Auch wenn die meisten Unternehmen, 64 Prozent, noch am Anfang ihrer digitalen Transformation stehen und sich ihre digitalen Initiativen bisher nicht skalieren lassen, treffen die Autor*innen der PwC-Studie „Digital Factory Transformation Survey 2022“ eine klare Aussage: Die effektivsten Unternehmen implementieren eine ganze Reihe digitaler Technologien auf Werksebene, um die Flexibilität und Resilienz der Fertigung zu erhöhen und die Betriebskosten durch digitale Fertigung und Fabrikautomatisierung zu senken. Ein weiteres Ergebnis: Industrieunternehmen investieren weltweit jährlich über eine Billion Euro in digitale Transformationslösungen auf dem Weg zur Industrie 4.0.
Wie so eine Investition aussehen kann, lässt sich am Beispiel des schweizerischen Konzerns ABB beschreiben. Das Unternehmen eröffnete im Dezember 2022 in China eine vollständig automatisierte und flexible Roboterfabrik. In dem 67.000 Quadratmeter großen Produktions- und Forschungsstandort wird die physische und digitale Welt vereint, die Rede ist von einem digitalen Ökosystem für die Produktion. Zum Einsatz kommen darin virtuelle Planungs- und Produktionsmanagementsysteme, um die Leistung zu verbessern und die Produktivität durch die Erfassung und Analyse von Daten zu maximieren. Feste Montagelinien sucht man dort vergebens.
Zu finden sind stattdessen flexible, modulare Fertigungszellen, die digital vernetzt sind und von intelligenten, autonomen und mobilen Robotern bedient werden. KI-gestützte Robotersysteme übernehmen Aufgaben wie Schrauben, Montage und Materialhandhabung, sodass Mitarbeitende entlastet werden. Im angeschlossenen Forschungs- und Entwicklungszentrum des Standorts wird zudem an der weiteren Zukunft gearbeitet, an Innovationen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Software, darunter Technologien wie autonome Mobilität, digitale Zwillinge, maschinelle Bildverarbeitung und Low-Code-Programmiersoftware, um Roboter intelligenter, flexibler, sicherer und benutzerfreundlicher zu machen.
Für den Übergang in die Datenökonomie brauchen wir breite Datenkompetenzen: Expertinnen und Experten, die vielversprechende Anwendungsgebiete für KI identifizieren, solche, die Daten aufbereiten und KI-Systeme entwickeln und trainieren.
Die zunehmende Bedeutung von KI für die Industrie zeigte sich auch in einer eigens geschaffenen Plattform für künstliche Intelligenz auf der Hannover Messe 2023. In einer dazugehörigen Mitteilung wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass sich der KI-Einsatz in Industrie und Fertigung von anderen Branchen unterscheidet. Zwar sei ein Prototyp oft schnell entwickelt, die Herausforderung in industriellen KI-Projekten liege aber neben der Datengewinnung und deren Verarbeitung meist in der Integration der Anwendung in einer Anlage, Zelle, Fördertechnik, Produktionsstraße – KI Plug and Play funktioniere nur selten.
Einsatzmöglichkeiten für KI finden sich demnach viele. Doch bei all dem Potenzial gibt es eine weitere Herausforderung. Auf die wies Reinhard Ploss, Co-Vorsitzender der Plattform Lernende Systeme, im Rahmen des Digital-Gipfels im Dezember 2022 im Gespräch mit Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hin: „Für den Übergang in die Datenökonomie brauchen wir breite Datenkompetenzen: Expertinnen und Experten, die vielversprechende Anwendungsgebiete für KI identifizieren, solche, die Daten aufbereiten und KI-Systeme entwickeln und trainieren. Vergessen dürfen wir jedoch nicht, dass die Nutzer, die später mit KI-Systemen arbeiten, ein grundlegendes Verständnis haben sollten.“ Ein grundlegendes Verständnis von KI.