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Technologie zur Entlastung bei Massenverfahren

„Massenverfahrens- Assistent mithilfe von KI“, kurz MAKI – das ist der Name eines bundesweit einzigartigen KI-Projekts, das vom Niedersächsischen Justizministerium initiiert wurde. Das Tool soll Richterinnen und Richtern mithilfe modernster Technologie dabei helfen, gleichgelagerte Verfahren, insbesondere Massenverfahren, effektiver zu bearbeiten. Die Entwicklung von MAKI orientiert sich damit eng an den Bedürfnissen der Richterinnen und Richter, die durch Massenverfahren in den vergangenen Jahren erheblich belastet waren.

Zur Person

Gesine Irskens, Foto: Angelika Zwick
Gesine Irskens, Foto: Angelika Zwick

Gesine Irskens ist seit 2010 als Richterin in der niedersächsischen Justiz tätig. Seit 2019 ist sie Referatsteilleiterin im IT-Referat des Niedersächsischen Justizministeriums.

Massenverfahren haben verschiedene Besonderheiten. Eine ist, dass zu bestimmten Sachverhalten nahezu wortgleiche Klagen eingereicht werden, bei denen lediglich die klagende Person (ggf. noch ein Datum und die Klageforderung) geändert wurde. Die Richterinnen und Richter wünschen sich in diesen Fällen, dass ein System die eingehende Klage automatisiert der richtigen Fallgruppe zuordnet und die in der Vergangenheit gesprochenen Urteile, Beschlusse oder Verfügungen als hilfreiches Entscheidungsmuster präsentiert.

Gerade bei gleichlautenden Klageschriften, die leicht bis zu 300 Seiten umfassen, ist die Ähnlichkeit nur mit viel Arbeit festzustellen. Das System erkennt die Ähnlichkeit, weist aber auch auf Unterschiede zu bisherigen Klagen hin. Entscheidet sich der Richter das Muster heranzuziehen, passt das System das Musterurteil automatisch an die Daten der aktuellen Klage an – es individualisiert die Entscheidung. Das heißt: Die bisher händische Arbeit – Pflege von Fallgruppen, Sammeln der jeweiligen (aktuellsten) Musterurteile und dann das Individualisieren der Musterurteile (aus Klägerin wird Kläger, Kaufvertragsdatum wird angepasst etc.) – soll durch das System übernommen werden.

Ein konkretes Beispiel

Richter H. öffnet ein von ihm zu bearbeitendes Verfahren. Ein neuer Schriftsatz ist eingegangen. Das System analysiert im Hintergrund den Verfahrensbestand von Richter H., erkennt Ähnlichkeiten zu anderen Verfahren und weist darauf hin. Richter H. kann sich die anderen Akten ansehen und entscheiden, die Akte den ähnlichen Verfahren hinzuzufügen. Diese Ähnlichkeitsanalyse führt auch dazu, dass Richter H. seine bisherigen Entscheidungen in ähnlichen Konstellationen als Muster angezeigt werden.

Liegen bereits Klage und Klageerwiderung vor, könnte das System – bei ähnlichen Konstellationen in der Vergangenheit, z. B. einem Verfahren wegen Verstoßes gegen die DSGVO oder wegen Verspätung eines Fluges – die in anderen Verfahren getroffenen Entscheidungen präsentieren: Wählt Richter H. ein vorgeschlagenes Muster – Beschluss, Verfügung oder Urteil – aus, nimmt das System die relevanten Anpassungen und Individualisierungen vor. Dafür muss der Anwender dem System für jedes Muster prototypisch einmalig zeigen, wo sich die anzupassenden Informationen in einer Akte finden (können), damit das System den Kontext lernt (sog. One-Shot-Annotation). In einem letzten Schritt wird Richter H. dann auf relevante Unterschiede zu dem ähnlichen Verfahren, dem das Entscheidungsmuster entstammt, hingewiesen.

Da Massenverfahren oftmals sehr umfangreich sind, ist dies hilfreich, damit keine neuen Argumente oder Anträge übersehen werden. Im Projektfokus steht auch die Erprobung verschiedener Large Language Models, die über einen sogenannten Switch in der elektronischen Akte ausgewählt und für z. B. Zusammenfassungen genutzt werden können.

Einsatzbereiche und Einsatzstart

Das Tool kann in allen Rechtsgebieten und auch für alle Dienste eingesetzt werden. Die Extraktion der für die Entscheidung wesentlichen Informationen kann das System vornehmen und einen Musterbeschluss vorbereiten, der dann aber immer durch einen Menschen geprüft und verantwortet wird. Die Tests des Systems sollen 2024 abgeschlossen werden.

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