Kanzleiluft schnuppern Erste Einblicke in die Arbeitswelt

0

Jule Goldmann hat bereits während ihres Studiums angefangen, als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Kanzlei zu arbeiten. Wir haben sie nach ihren ersten Berufserfahrungen gefragt. Mit ihr sprach Dr. Marion Steinbach.

Zur Person

Jule Goldmann begann ihr Jurastudium 2017 in Osnabrück und wechselte nach dem Grundstudium an die Universität Münster. 2023 schloss sie dort ihr Erstes Staatsexamen mit dem Schwerpunkt Steuerrecht ab. Im Juni 2024 hat sie ihr Referendariat am Landgericht in Köln aufgenommen.

Nach welchen Kriterien haben Sie sich die Kanzlei ausgesucht, in der Sie gestartet sind?
Es hat mich vor allem gereizt, Großkanzleiluft zu schnuppern. Auf der JurStart – einer Karrieremesse an der Uni in Münster – habe ich mit vielen verschiedenen Kanzleivertretern gesprochen und mich dann für Görg entschieden. Angefangen habe ich dort im Bereich gewerblicher Rechtsschutz. Unter anderem die Bandbreite an verschiedenen Rechtsgebieten und die Unterstützung auch während der Ausbildung (bspw. durch ein Bildungsbudget) haben mich damals überzeugt. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass sich die verschiedenen Großkanzleien auf den ersten Blick nicht besonders voneinander unterscheiden. Die Unterschiede werden erst deutlich, wenn man dort arbeitet. Im Endeffekt hat bei Görg damals mein Bauchgefühl einfach gestimmt, was sich rückblickend als richtig erwiesen hat.

Wie haben Sie die erste Zeit in einer Kanzlei erlebt?
Ich weiß noch, wie ich an meinem ersten Tag vor dem eindrucksvollen Bürogebäude stand und mich dann auf den sieben Etagen und mit den neuen Eindrücken erstmal zurechtfinden musste. Da war ich zugegebenermaßen ganz schön aufgeregt und auch etwas eingeschüchtert. Das Gefühl ist aber bei der herzlichen Atmosphäre im Arbeitsalltag schnell verflogen.

Danach arbeiteten Sie in einer explizit technologieoffenen Kanzlei. Wie kam es dazu?
Nachdem ich das letzte Studienjahr mit einem Schwerpunkt im Bereich Steuerrecht abgeschlossen hatte, wollte ich dieses Gebiet auch praktisch kennenlernen und gleichzeitig nochmal eine neue Kanzlei. Bei YPOG hat mich u. a. das technologieoffene Konzept der Kanzlei angesprochen. Nach einem ersten Kennenlernen mit dem Team wusste ich, dass ich hier viel lernen und eine tolle Zeit haben kann.

Was waren die Unterschiede zwischen den beiden Kanzleien?
Der größte Unterschied ist das völlig andere Rechtsgebiet. Steuerrecht und gewerblicher Rechtsschutz insbesondere Markenrecht haben kaum Schnittstellen. Zudem hatten wir bei Görg als sehr kleines, spezialisiertes Team auch aufgrund der Ausgestaltung des Rechtsgebietes häufig mit ähnlichen Sachverhalten zu tun. Dadurch konnte ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin einen sehr guten Einblick bekommen und an den Mandaten intensiv mitarbeiten.

Das Steuerrecht ist meines Erachtens eins der umfangreichsten und komplexesten Rechtsgebiete. Bei YPOG arbeiten daher nicht nur Juristen, sondern u. a. auch Steuerberater und Betriebswirte eng zusammen. Das war für mich neu, aber auch bereichernd, weil man die Fälle nicht nur aus der juristischen Perspektive betrachtet. Durch die Arbeit in einem größeren, breit aufgestellten Team wurde ich quasi jeden Tag mit neuen Rechtsfragen in Bereichen konfrontiert, mit denen ich mich im Studium noch nie beschäftigt habe. Das ist sehr vielfältig und spannend.

Was war Ihre spannendste Aufgabe?
Ich durfte eine sehr komplexe Umstrukturierung begleiten und jeden Schritt intensiv mitverfolgen. Das hat sehr viel Arbeit im Detail erfordert und mir zugleich deutlich gemacht, dass auch die größten und kompliziertesten Projekte auf ganz allgemeinen juristischen Grundsätzen beruhen, die man uns im ersten Semester beigebracht hat. Zu sehen, dass Jura am Ende des Tages ein großes Puzzle ist und man sich im Berufsleben immer wieder an im Studium gelernten Basics orientieren kann und muss, finde ich sehr faszinierend.

Wir müssen reden!

0

Zwischen Boomern, Gen X und Gen Z herrscht oft Schweigen, schlimmstenfalls Unverständnis und Ablehnung, wenn es um Arbeit, Leistung und Karriere geht. Zu unterschiedlich scheinen die Haltungen zu Work und Life zu sein. Susanne Nickel ist den Ursachen hierfür auf den Grund gegangen. Ihr Buch „Verzogen. Verweichlicht. Verletzt. Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt“ ist innerhalb von kurzer Zeit zum Spiegel- Bestseller avanciert.

Zur Person

Susanne Nickel ist Rechtsanwältin, Wirtschaftsmediatorin, Management- Beraterin und Expertin für Arbeit und Wandel. Ihre Erfahrung sammelte sie in ihrer langjährigen Tätigkeit als Managerin und Beraterin in nationalen und internationalen Unternehmen und Konzernen. Viele Jahre war sie als Pressesprecherin und Rechtsexpertin im Fernsehen zu sehen.

Die Juristin Susanne Nickel ist Expertin für Arbeit und Wandel. Das prädestiniert sie, den Konflikten zwischen den Generationen auf den Grund zu gehen. Denn viele Unternehmen klagen über die Anspruchshaltung der Gen Z: Sie möchte sich selbst verwirklichen, selbstbestimmt und flexibel arbeiten, am liebsten vier Tage pro Woche, aber auch finanzielle Sicherheit. Wie passt das zusammen? „Selbstbestimmt zu arbeiten und die Arbeit selbst zu gestalten gibt der Gen Z das Gefühl der Sicherheit“, erklärt Susanne Nickel. Dass das Leistungsstreben bei der Gen Z negativ besetzt ist, hat wiederum mit deren Erfahrungen zu tun: „Die Gen Z hat erlebt, wie die Eltern – Boomer oder Angehörige der Gen X – alles für die Arbeit gegeben haben, um Anerkennung zu erhalten. Bis zum Burnout. Gen Z ist zwar auch leistungsbereit, aber nicht um jeden Preis.“

Dass die Gen Z Forderungen an die Arbeitgeber stellt, hat auch mit der Wirtschaftslage zu tun: „Die Gen Z ist sich ihres Marktwerts bewusst. Der Fachkräftemangel, aber auch der mediale Fokus auf die Gen Z spielen ihr in die Hände. Beides stärkt ihr Selbstbewusstsein zusätzlich.“ Ganz anders sind die Erfahrungen der Boomer und Gen X: Sie waren nach dem Studium oft erst mal arbeitslos, mussten dankbar sein für jeden Job, konnten keine Forderungen stellen. Dabei hätten sie sich auch mehr Flexibilität und mehr Selbstbestimmung bei der Arbeit gewünscht.

Der Weg: mehr Empathie

Susanne Nickel plädiert für mehr Generationenempathie: „Wir sollten in den Dialog gehen und uns aufeinander zu bewegen.“ Die Älteren sollten erkennen, was die Gen Z Gutes mitbringt, wie digitale Kompetenzen, Schnelligkeit, frische Ideen. Die Gen Z sollte sich erst einmal zurücknehmen, Grenzen erkennen und akzeptieren und den richtigen Zeitpunkt abpassen, um ihre Ideen einzubringen.

Auch die oft gehörte Klage, dass Gen Z keine Führungsverantwortung übernehmen möchte, hat Susanne Nickel analysiert: Abgelehnt werde nicht die Führungsverantwortung als solche, sondern die alten Führungsstrukturen: „Gen Z will gecoacht werden und möchte als Coach führen. Das jedoch klappt nicht immer. Wenn die Hütte brennt, kann ich nicht überlegen, wer den Schlauch am besten abrollt. Da muss ich löschen“, beschreibt Nickel anschaulich die Notwendigkeit, als Führungskraft Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen.

4 Tipps für Gen Z

Kommunikation ist für Susanne Nickel der Schlüssel für ein verständnisvolles und erfolgreiches Miteinander. Dabei meint Nickel die soziale, die zwischenmenschliche Kommunikation. Ihre Tipps:

  1. Nimm eine positive Haltung zur sozialen Kommunikation ein.
  2. Prüfe, wie gut deine Soft Skills sind.
  3. Lerne zuzuhören, um zu verstehen, und nicht zuzuhören, um zu antworten.
  4. Gehe mit Interesse auf andere Menschen zu und zeige Empathie. Schau genau hin, „gehe ein Stück in den Schuhen der anderen“ und versuche zu verstehen.

Gerade Juristinnen und Juristen legt sie diese Tipps ans Herz: Im Studium, so die Juristin, lernen Jurastudierende sich – auch kommunikativ – durchzusetzen. Sie lernen jedoch nicht, empathisch zuzuhören, bei einem Konflikt beide Seiten zu sehen und für beide (!) Seiten eine Lösung zu finden. Genau das sei jedoch der Weg zu einem erfolgreichen Miteinander der Generationen.

Cover Verzogen Verweichlicht Verletzt

Buchtipp

Verzogen. Verweichlicht. Verletzt. Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt. 208 Seiten. FinanzBuch Verlag 2024. 18,00 €.

Als Berufseinsteiger im Ausland arbeiten? Workation macht es möglich

0

Die Generation Z legt viel Wert auf flexibles Arbeiten. Da digitale Arbeitsprozesse mehr Optionen eröffnen, mobil zu arbeiten, auch im Ausland, bieten immer mehr Unternehmen und Kanzleien diese Möglichkeit an, um für Berufseinsteigende attraktiv zu sein. Eine davon ist die Workation. Ein Vorteil für Arbeitnehmende: Die Tätigkeit findet im Rahmen der Anstellung statt und alle rechtlichen Aspekte, die es dabei einzuhalten gilt, werden von Unternehmensseite aus geregelt. Das Unternehmen muss festlegen, was erlaubt ist, damit es aufenthalts-, arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlich nicht zu Problemen kommt. Das betrifft auch den Ort der Workation, denn ist sie auf den europäischen Raum begrenzt, sind die bürokratischen Hürden einfacher zu händeln.

Zur Person

Omer Dotou, Foto: BDAE Gruppe
Omer Dotou, Foto: BDAE Gruppe

Omer Dotou ist Leiter der Unternehmensberatung BDAE Consult GmbH, die sich auf die Beratung von Unternehmen und Organisationen spezialisiert hat, die Mitarbeitende im Ausland beschäftigen. Als Jurist und staatlich geprüfter Rentenberater verfügt er über langjährige Erfahrung im Bereich des über- und zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts. Er hat an Universitäten und Hochschulen in Lomé (Togo), Nancy (Frankreich), Reinfeld und Bielefeld studiert. Er ist außerdem ein gefragter Referent für zahlreiche Themen mit Bezug auf internationale Beschäftigung.

Warum ist es in Europa einfacher? In Europa sind in der Regel keine Arbeitserlaubnis und kein Visum nötig. Auch die soziale Absicherung kann relativ einfach von Arbeitgeberseite aus gewährleistet werden. Europäischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern ist es nämlich erlaubt, sich in der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz frei ohne Visum aufzuhalten und auch mit wenigen Einschränkungen erwerbstätig zu werden. Dort gibt es länderübergreifende einheitliche Rechtsgrundlagen und Verordnungen. Für sogenannte Drittstaaten gibt es diese länderübergreifenden Regelungen nicht. Somit können erste Hürden schon bei der entsprechenden Aufenthaltsgenehmigung entstehen. Folgen weitere Herausforderungen, etwa die Beantragung eines Arbeitsvisums, kann der bürokratische Aufwand für den Arbeitgeber zu hoch werden.

Wie lang kann eine Workation sein? Es ist empfehlenswert, die Workation auf eine maximale Dauer von 15 bis 60 Tage im Jahr zu beschränken, um rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden. Insgesamt dürfen die Aufenthalte pro Tätigkeitsstaat aus steuerrechtlicher Sicht nicht mehr als 183 Tage pro 12-Monats-Zeitraum umfassen. Auch Urlaubsaufenthalte und Wochenenden sind hierbei von Bedeutung.

Wichtig: die soziale Absicherung Eine Workation, so die Europäische Kommission, wird wie eine Entsendung betrachtet. Somit können Mitarbeitende in Deutschland versichert bleiben, wenn die entsprechenden Anforderungen erfüllt sind. Bei einer Workation innerhalb der EU, des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz wird die sogenannte A1-Bescheinigung benötigt. Sie sichert den Verbleib in der deutschen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und gilt für Aufenthalte bis maximal 24 Monate. Somit ist ein Arbeitnehmer von der ausländischen Sozialversicherungspflicht befreit und zahlt nicht doppelt.

Wird die Workation in einem Drittstaat außerhalb der EU gemacht, muss geprüft werden, ob es ein Sozialversicherungsabkommen mit dem jeweiligen Land gibt. Falls das nicht der Fall ist, könnte es zu einer doppelten Beitragspflicht kommen. Das ist etwa bei beliebten Zielen wie Bali oder Thailand der Fall, weshalb die meisten Arbeitgeber diese Staaten als potenzielle Workation-Ziele ausnehmen.

Stationen auf dem Weg ins Mittelalterliche Kriminalmuseum

Historia vero testis temporum … (Cicero, De oratore, II, 36) umschreibt eine meiner frühesten Leidenschaften, die Geschichte. Die Zweite wurzelte in der friedlichen Revolution (1989/90). Als Siebtklässler im Weimar der ehemaligen DDR erlebte ich hautnah die Wende von Planwirtschaft und Unfreiheit hin zu sozialer Marktwirtschaft und Rechtsstaat – beides fasziniert mich seitdem.

Zur Person

Dr. Markus Hirte, LL.M. ist Geschäftsführender Direktor des Mittelalterlichen Kriminalmuseums in Rothenburg ob der Tauber und Lehrbeauftragter an den Universitäten Augsburg und Jena.

Die Qual der Studienwahl nahmen mir die schlechten Jobaussichten für Historiker ab. Schnell merkte ich beim Jurastudium in Jena, eine der schönsten Unistädte schlechthin, dass sich Recht und Geschichte in der Rechtsgeschichte perfekt verbinden lassen. Gleichwohl ließ mich auch das Wirtschaftsrecht nicht los. Dank eines guten ersten Examens und Landesgraduiertenstipendiums konnte ich mich im mittelalterlichen Kirchenstrafrecht promovieren. Über 4.000 päpstliche Entscheidungen galt es aus dem Mittellatein zu übersetzen; Quellen, die mich oft genug staunend zurückließen ob der hohen juristischen Fertigkeit unserer Vorfahren im 13. Jahrhundert!

Zum Referendariat wollte ich indes „Wirtschaftsluft“ schnuppern und wechselte ins „Ländle“ (LG Heilbronn). Neben den Justiz-Stationen beeindruckten mich vor allem die Stationen in den beiden Stuttgarter Großkanzleien Gleiss Lutz und CMS Hasche Sigle, die bereits damals mit einem umfangreichen Referendar- Ausbildungsprogramm glänzten. Meine Entscheidung gegen eine Habilitation und für den Berufseinstieg bei CMS im Aktien- und Kapitalmarktrecht war erneut von Neugier getrieben, hatten mich doch im Gesellschaftsrecht bis dahin eher Personengesellschaften gereizt. Dank eines guten und engen Mentorings ging es dann auch gleich im ersten Jahr mit in Hauptversammlungen.

Neben Secondments in Berlin und London absolvierte ich im Abendstudium einen LL.M. mit Schwerpunkt Wirtschaft und Rechtsgeschichte. Noch ganz fokussiert auf die Partnerschaft, hörte ich von der vakant werdenden Stelle des Geschäftsführenden Direktors des Mittelalterlichen Kriminalmuseums in Rothenburg ob der Tauber, Europas bedeutendstem Rechtskundemuseum, mit zuletzt jährlich über 125.000 Gästen aus 125 Ländern, einem Bestand von gut 50.000 Exponaten und einer über 100-jährigen Geschichte. Gesucht wurde ein Volljurist und Rechtshistoriker mit starkem betriebswirtschaftlichen Verständnis, da sich das in der Rechtsform einer Stiftung öffentlichen Rechts betriebene Haus durch Eintrittsgelder tragen muss, also eher wie ein Unternehmen zu führen ist … insoweit ein Unikum im sonst stark defizitären Kulturbetrieb.

Den Wechsel zurück zur Geschichte könnte man als Sprung ins kalte Wasser bezeichnen, denn fast nahtlos ging es von meiner letzten Hauptversammlung (Delisting) zur ersten strafrechtshistorischen Fachtagung im Kriminalmuseum, der 9. Scharfrichtertagung. Besonders überraschte mich die Aufgabenvielfalt jenseits des reinen Tagesbetriebes, etwa Ausstellungskuration und Sammlungsausbau, Marketing und PR oder Networking und Wissenschaft sowie die Vielzahl der juristischen Themen auf meinem Schreibtisch, z. B. Vertrags-, Arbeits-, Handels-, Stiftungs-, Steuer-, Sachen-, Urheber-, Marken- und IT-Recht.

Besonders gewöhnungsbedürftig war anfangs der Sprung vom Schreibtisch vor die Kamera, ist doch das Haus eng vernetzt mit Funk und Fernsehen im In- und Ausland, von TerraX und ZDF-History bis nach Japan, Süd-Korea oder Taiwan; essenziell für neue Gästegruppen, um auch in 20 Jahren noch eines der beliebtesten Museen in Deutschland zu sein.

Meine drei Tipps an Studierende, Referendarinnen und Referendare:

  1. Enjoy the choice! Da der Mensch meist will, was er (schon) kennt … probiert euch aus … warum nicht eine Station oder ein Praktikum in Großkanzlei, Kriminalmuseum oder Ausland?
  2. Der leichte Weg ist meist der Holzweg! Wenn der Gedanke kommt „lieber nicht“, dann „erst recht“ … nur so verlasst ihr die Komfortzone und wachst.
  3. Beim „Hochschalten“ ruckelts! Nur wenige Studiengänge und Karrieren sind so hart wie die Juristerei: „Enttäuschungen“ oft unvermeidlich. Dass diese nicht das „Ende“ sind, zeigen unzählige erfolgreiche Jura-Viten bis hin in höchste Positionen in Justiz, Anwaltschaft, Wirtschaft und Staat … also „dranbleiben“.

 

 

Eintauchen

0

Erfahrungsaustausch und Wissensvermittlung

Martina Flade ist hauptberuflich Straf- und Jugendrichterin am Amtsgericht Chemnitz. Über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde sie mit ihrem Instagram-Account @frau_richter_in. Hierin erklärt sie ihren mittlerweile fast 48.000 Followern rechtliches Wissen und juristische Fragestellungen. Gemeinsam mit einer Kollegin, der Scheidungsanwältin Saskia Schlemmer, betreibt sie den Podcast Mrs.Right. Hierin sprechen die beiden über juristische Themen und Neuigkeiten, sie geben Jura-Studierenden Tipps, beleuchten Fragen, die vor allem Frauen interessieren und geben Einblicke in das Leben als berufstätige Mütter.

Juristische Hilfe im Vorabendprogramm

Seit September bietet das ZDF mit dem Format „Hab ich Recht? Drei Richter für alle Fälle“ ein neues Ratgeberformat. Die Juristen Anette Heiter, Helga Bischoff und Ronald Hinz setzen sich mit den Fällen aus dem Alltag auseinander, wie beispielsweise Identitätsdiebstahl im Internet, informieren über die Rechtslage und geben juristische Tipps „to go“.

Wenn ich das gewusst hätte

„Wie junge Anwältinnen ihre Karriere selbst sabotieren – und wie sie es besser machen können“, „Was mein größter Fehler als junge Anwältin war“, „Energie-Räuber: Gehen Sie auf die Suche“ oder „Kind und Kanzlei – ein Drahtseilakt“ – das sind einige der Titel, unter denen Dr. Julia Jonas auf LinkedIn ihr Wissen an Jura- Studierende und Absolventinnen und Absolventen weitergibt. Die Rechtsanwältin und Notarin erzählt erfrischend ehrlich und offen von ihren eigenen Erfahrungen. Dr. Julia Jonas ist zudem ausgebildeter Business Coach und Legal Coach und gibt ihren Leserinnen und Lesern praktische und umsetzbare Tipps für den Berufsalltag.

Justizministerium setzt auf digitale Kanäle

Mit „Recht verständlich“ und „… wie isset rechtlich?!“ unterhält das Justizministerium Nordrhein-Westfalen zwei Kanäle, um juristisches Wissen zielgruppengerecht aufbereitet zu präsentieren: Der Podcast „Recht verständlich“ greift rechtliche Themen aus dem Alltag auf – von außerordentlicher Kündigung über Cybergrooming bis hin zum Steuertransparenzgesetz. In der Filmreihe „… wie isset rechtlich?!“ wird die fiktive Familie Kampmann regelmäßig mit rechtlichen Problemen aus dem Alltag konfrontiert, zum Beispiel zum Nachlassrecht, zu Opferschutz oder Insolvenz und Ordnungswidrigkeit. Außerdem gibt es animierte Erklärvideos zu ausgewählten Themen wie Mediation, Sorgerecht oder Zeugen.

Schrift-Sätze – Kultur-, Buch- und Linktipps

0

Das Geheimnis des erfolgreichen Einsatzes von künstlicher Intelligenz

Cover KI-ExzellenzDr. Tawia Odoi ist Experte für KI-Implementierungen in Unternehmen. In seinem Buch erklärt er verständlich, was sich hinter der Technologie verbirgt und welche immensen Vorteile sie gegenüber herkömmlicher Software bietet. Damit mehr Menschen KI verstehen und bereit sind, sie anzuwenden zeigt er, welche transformative Macht der KI innewohnt und wie sie gewinnbringend integriert werden kann. Tawia Odoi. KI Exzellenz. Erfolgsfaktoren im Management jenseits des Hypes. 210 Seiten. Haufe-Verlag 2024. 29,99 €.

Franz Kafka zum Hundertsten

Cover Franz KafkaEr war Jurist, Wegbereiter der europäischen Moderne, Autor von düsteren, vieldeutigen Parabeln, die Vorbild waren für das Adjektiv kafkaesk, mit dem auf unergründliche Weise bedrohliche, alptraumartige Situationen umschrieben werden. Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Der Prozess“, „Die Verwandlung“, „Das Urteil“ und „Das Schloss“. Zu seinem runden Geburtstag gab und gibt es Theateraufführungen, Lesungen, Ausstellungen und Konzerte, eine Miniserie in der ARD, einen Kinofilm, Vorträge, Biografien und die Neuauflage „Franz Kafka. Die Erzählungen“ im Fischer-Verlag. Alle Termine und Informationen unter: https://kafka2024.de/
Der Fischer-Verlag hat dem Autor zudem eine eigene Seite gewidmet mit Informationen zu Vita und Werk: https://www.franzkafka.de/

Arbeitslust statt Arbeitsfrust

Cover ArbeitslustOft braucht es gar nicht viel, damit die Arbeit Freude macht. Jonas Höhn zeigt, worauf es ankommt: Flexibilität, Human Relations, Human Skills und Eigenverantwortung. Anhand von zahlreichen Beispielen zeigt er, wie eine moderne Unternehmenskultur gelingen kann. Jonas Höhn. Arbeitslust statt Frust. Gemeinsam zu mehr Wertschätzung, Verbundenheit und Produktivität. 232 Seiten. Gabal-Verlag 2024. 29,90 €.

Auf dem Laufenden bleiben

Cover-Die-Justizreporterinnen„Die Justizreporter*innen“ heißt der Jura-Podcast der ARD-Rechtsredaktion. Die Macher berichten direkt aus Karlsruhe von den wichtigsten Gerichtsentscheidungen am Bundesverfassungsgericht, am Bundesgerichtshof, dem EuGH und dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Kann sich Leistung heute noch lohnen?

Cover Erfolg ein moderner SelbstbetrugWir wünschen uns eine gesicherte Zukunft, strampeln dafür im Hamsterrad. Wir glauben: Wer sich anstrengt, kommt ans Ziel. Aber stimmt das noch? Erfolg und Leistung haben sich heute voneinander entkoppelt. Nicht selten entscheidet die Herkunft, eine Erbschaft oder der Zufall über den eigenen Platz in der Gesellschaft. Warum aber klammern wir uns an Versprechen, die sich immer öfter als leer erweisen? Bernd Kramer sammelt überraschende Einsichten aus Soziologie, Psychologie und Philosophie, die gehörig am Erfolgskult unserer Gegenwart rütteln. Bernd Kramer. Erfolg – ein moderner Selbstbetrug. 224 Seiten. Kösel 2024. 18,00 €.

Recht trifft auf Emotionen

In dem Podcast „Familienrecht – mit Herz und Verstand“ teilt Rechtsanwältin Sandra Günther ihr Fachwissen, ihre persönlichen Erfahrungen sowie besondere und skurrile Erlebnisse aus ihrem Berufsalltag. Lebensnah, untechnisch und ohne lästigen Paragrafendschungel bietet sie den Zuhörerinnen und Zuhörern Einblicke ins Familienrecht.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Auf der Suche nach Erklärungen für Verbrechen

In dem True-Crime-Podcast „Mordlust – Verbrechen und ihre Hintergründe“ sprechen die Journalistinnen Paulina Krasa und Laura Wohlers über wahre Kriminalfälle aus Deutschland und diskutieren strafrechtliche und psychologische Aspekte. Dabei gehen sie Fragen nach wie: Was sind die Schwierigkeiten bei einem Indizienprozess? Wie überredet man Unbeteiligte zu einem falschen Geständnis? Und wie hätte die Tat womöglich verhindert werden können? Mord aus Habgier, niedrigen Beweggründen oder Mordlust – für die meisten Verbrechen gibt es eine Erklärung und nach der suchen die beiden. Außerdem diskutieren sie über beliebte True-Crime-Formate, begleiten Gerichtsprozesse und führen Interviews mit Expertinnen und Experten. 2023 haben Paulina Krasa und Laura Wohlers den Deutschen Podcast-Preis gewonnen.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Plädoyer für den Frieden

Cover Den Frieden GewinnenAlle reden vom Krieg, vom Frieden reden zu wenige, meint Heribert Prantl, Jurist, Autor und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung. In seinem neuen Buch begründet er, warum es eine neue Friedensbewegung und eine neue Entspannungspolitik braucht. Heribert Prantl. Den Frieden gewinnen. 240 Seiten. Heyne 2024. 20,00 €.

Das letzte Wort hat: Dr. Frank Bräutigam, ARD-Rechtsexperte und „Tatort“-Erklärer

0

Dr. Frank Bräutigam ist ARD-Rechtsexperte und leitet die ARD-Rechtsredaktion des SWR in Karlsruhe. Neben der aktuellen Berichterstattung hat er Magazinformate wie den „ARD-Ratgeber Recht“ oder „Die Sofa-Richter“ betreut und Formate wie den Bürgertalk „Im Namen des Volkes – Deutschland fragt zum Grundgesetz“ entwickelt. Außerdem erklärt er Rechtsfragen aus dem ARD-TV-„Tatort“. Die Fragen stellte Dr. Marion Steinbach.

Zur Person

Dr. Frank Bräutigam begann nach dem Abitur in Freiburg sein Jurastudium und sammelte erste journalistische Erfahrungen als Reporter der „Badischen Zeitung“. Fernseherfahrung gewann er bei Stationen im ZDF-Studio Brüssel sowie in den Rechtsredaktionen von ARD und ZDF. Nach dem Zweiten juristischen Staatsexamen und einer kurzen Zeit als freier Journalist begann er 2006 als Redakteur in der ARD-Rechtsredaktion. Nach zwei Jahren als Referent des SWR-Fernsehdirektors übernahm er Ende 2010 die Redaktionsleitung.

Wie wird man „Tatort“-Erklärer?
Durch Zufall und Interesse. Ich bin als Journalist ja eigentlich für Nachrichten zuständig, kenne aber die Kolleginnen und Kollegen aus der Tatort-Redaktion bei uns im SWR ganz gut. Dort habe ich mich irgendwann mal als Tatort-Fan geoutet. Vor einigen Jahren kam dann die erste Anfrage, mal einige Rechtsfragen aus einem Film zu erklären. Seitdem mache ich das drei- bis viermal pro Jahr als eine Art „berufliches Hobby“.

Was war Ihr schwierigster „Tatort-Fall“?
Im Januar 2024 lief der Ludwigshafen-Tatort „Avatar“ mit den Kommissarinnen Lena Odenthal und Johanna Stern. Da ließ eine Mutter ihre verstorbene Tochter digital „weiterleben“, außerdem ging es um sexuellen Missbrauch und einige Morde. Das war juristisch spannend, aber vor allem auch menschlich sehr berührend. Meine Clips als „Tatort-Jurist“ findet man übrigens in der ARD-Mediathek.

Was stellt Sie im Nachrichtengeschäft vor die größten Herausforderungen?
Am kompliziertesten zu erklären sind die Gerichtsverfahren rund um das Wahlrecht. Dieses Thema den Leuten ansatzweise über Grafiken zu erklären, ist regelmäßig eine Herausforderung. Das ist sehr schade, weil es ja um das Königsrecht in der Demokratie geht, das eigentlich jeder durchdringen sollte. Aber wir geben nicht auf.

Was reizt Sie an Ihrer Arbeit?
Die Arbeit ist sehr vielfältig, und ich komme viel raus. Ich bekomme die großen Verfahren am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe live mit, bin aber auch bei großen Strafprozessen (NSU, Lübcke-Mord, „Reichsbürger“-Prozesse) in den Gerichtssälen vor Ort unterwegs. Das sind anstrengende Tage, aber dieses „dabei sein und berichten“ ist sehr reizvoll. Erst recht, wenn es für so eine große Nachrichtenmarke wie die „Tagesschau“ sein darf.

Welche Kompetenzen brauchen Sie für Ihre Arbeit?
Einmal das juristische Fachwissen als Basis. Journalistisch: komplexe Dinge einfach erklären. Unter Zeitdruck arbeiten können. Speziell beim Fernsehen auch in Bildern zu denken. Denn jeder Satz in einem Tagesschau-Beitrag muss bebildert werden. Das erfordert aufwendige Vorbereitung oft schon Tage vor einem Urteil.

Welche Erfahrungen aus dem Studium kommen Ihnen bei Ihrer Arbeit zugute?
Die Grundfrage „Wer will was von wem woraus?“ ist als Basis für ein journalistisches Produkt gar nicht schlecht. Im Referendariat war dann der Aktenvortrag eine gute Übung. Da bekam man einen unbekannten Fall vorgelegt, den man sehr schnell zusammenfassen und lösen musste. Ansonsten muss man als Journalist auch vieles anders machen als im Jurastudium, vor allem beim Formulieren. Kurze Sätze, Verben statt Substantive, keine Fremdwörter.

Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren verändert?
Wir schreiben immer mehr Artikel für tagesschau.de über tagesaktuelle rechtliche Fragen. Die Bandbreite ist enorm. Außerdem produzieren wir Inhalte für den Instagram-Account der Tagesschau. Dem folgen immerhin fünf Millionen Menschen. Die Konstante bleiben die Berichte und Live-Gespräche für die Tagesschau. Solange die jeden Abend weiterhin zehn Millionen Menschen sehen wie derzeit, ist das klassische Fernsehen allen Abgesängen zum Trotz weiterhin am Leben.

Was empfehlen Sie jungen Juristinnen und Juristen, die in die Medien gehen wollen?
Frühzeitig praktische Erfahrung zu sammeln. Ich habe zum Beispiel nach dem Abitur ein erstes Praktikum bei unserer Lokalzeitung gemacht. Im Studium war ich dann als freier Mitarbeiter unterwegs.

Sherlock Holmes und Tante Emma

Im Einsatz im Handel, bei Versicherungen und in der Wirtschaftsprüfung: Die generative KI schafft Möglichkeiten, Kosten zu sparen und Umsätze zu steigern. Zentral ist dabei, dass sie den Menschen nur dann ersetzt, wenn es um Routinearbeiten geht. Entscheidend für eine erfolgreiche Implementierung ist, dass Mensch und Maschine an den entscheidenden Schnittstellen optimal zusammenarbeiten – und sich bestmöglich ergänzen. Ein Essay von André Boße

Zwar übernimmt die generative KI bestimmte Jobs, aber in der Regel diejenigen, die als Routinearbeiten für menschliche Fachkräfte gelten.

Mit der Anwendung von Large Language Models (LLMs) macht die Künstliche Intelligenz den nächsten Schritt. Die Rede ist an dieser Stelle von generativer KI, die durch die richtigen Prompts vom Menschen in die Lage versetzt wird, eigene Inhalte zu erzeugen, also Texte, Bilder und Sprache. Interessant sind diese Entwicklungen für nahezu alle Bereiche, in denen Wirtschaftswissenschaftler*innen tätig sind. Und, um direkt eine Sorge zu nehmen, auch weiterhin tätig sein werden. Zwar übernimmt die generative KI bestimmte Jobs, aber in der Regel diejenigen, die als Routinearbeiten für menschliche Fachkräfte gelten.

Der Vorteil: Die KI erledigt diese Jobs so schnell und produktiv, dass sich die Menschen im Anschluss strategische Gedanken dazu machen können, wie sich danach Geschäftsprozesse optimieren lassen. Hinzu kommt, dass die generative KI niemals von sich aus tätig wird. Sie braucht den Menschen, damit dieser sie auf die richtige Fährte führt. Auf diese Art ergibt sich ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, im Idealfall finden beide an den Schnittstellen zu einem neuartigen Arbeitsverhältnis: Der Mensch ist der strategisch Denkende, der seine Empathie und sein Gespür für Kund*innen und Mandant*innen mitbringt. Die Maschine unterstützt ihn dabei, in dem sie Daten analysiert und aus diesen Schlussfolgerungen zieht, die den geschäftlichen Horizont erweitern.

Handel: Die Rückkehr von Tante Emma

Denkt man an eine Revolution, hat man das Bild vor Augen, dass sich alles in rasender Geschwindigkeit ändert. Mit Blick auf die Entwicklungen im Handel, angetrieben durch die generative KI, geht Achim Himmelreich, Global Head Consumer Engagement beim Beratungsunternehmen Capgemini, von einer anderen Art des Umsturzes aus: Die generative KI werde den Markt für Konsumgüter „nicht mit einer einzigen großen Lösung revolutionieren, sondern schrittweise mit vielen kleinen“, wird er im Report „Generative KI für den Handel“ von Capgemini zitiert. Anders gesagt: Die generative KI ist nicht einfach plötzlich da – und alle, die im Handel tätig sind, müssen sich danach richten. Es ist eher so, dass die Möglichkeiten der LLMs in beinahe allen Bereichen des Retails für neue Möglichkeiten sorgen.

Foto: AdobeStock/Grafi criver
Foto: AdobeStock/Grafi criver

LLMS: CHATGPT & CO.

Das derzeit bekannteste unter den Large Language Models (LLMs) ist ChatGPT, aktuell läuft die Fassung GPT-4. Dem Entwickler OpenAI war es gelungen, das Modell im November 2022 bereits sehr früh in der Breite einzuführen. Massenweise Nutzer*innen sammelten niedrigschwellige Erfahrungen mit diesem Modell und probierten es aus. Wobei man zu Hause am Rechner in der Regel nur an der Oberfläche dessen kratzt, was dieses LLM zu leisten vermag. LLM-Systeme gibt es aber auch von Google (PaLM 2) oder Meta (Llama 2). Das Fraunhofer Institut, das das Ziel verfolgt, generative KI-Modelle für die Wirtschaft nutzbar zu machen, definiert die LLMs als „leistungsstarke Modelle, die darauf ausgelegt sind, menschliche Sprache zu verstehen und zu generieren. Sie können Text analysieren und verstehen, kohärente Antworten generieren und sprachbezogene Aufgaben ausführen.“

Im Capgemini-Report definieren die Expert*innen ein Feld, in dem die generative KI das Verhältnis zwischen Retailer und Kund*innen neu definieren kann. Im Marketing sei es zum Beispiel möglich, Botschaften ohne großen Mehraufwand zu personalisieren – wobei es hier wichtig ist, „ethische und qualitätsbezogene Aspekte bei der Anwendung von Gen AI zu berücksichtigen“, wie es im Report heißt. Sprich: Die Menschen haben hohe Ansprüche, wenn sie von Handelsunternehmen kontaktiert werden. Marketing im Zeitalter der generativen KI zündet nur dann, wenn die Kund*innen erkennen, dass die Botschaft, die sie erreicht, ihrem Geschmack sowie ihren ethischen Haltungen und sozialen Realitäten entspricht.

Durch ihre Fähigkeit, mit Menschen menschenähnliche Kommunikation durchzuführen (also lösungsorientiert und mit der nötigen kommunikativen Flexibilität ausgestattet), werden LLMs zu einem wirkungsmächtigen Tool im Kundenservice. „Mithilfe von Chatbots ist der Kundenservice rund um die Uhr für Endverbraucher verfügbar“, heißt es im Capgemini- Report. „Auf Fragen und Reklamationen kann schneller und effizienter reagiert werden. Das erleichtert die Interaktion mit dem Kunden und erhöht zugleich langfristig ihre Zufriedenheit.“ Darüber hinaus werde personalisierte Beratung, egal ob als Text, Stimme oder virtueller Avatar, künftig zur Norm. Die Prognose der Retail-Expert*innen von Capgemini: „Tante Emma kommt also zurück – diesmal als künstliche und nicht als menschliche Intelligenz!“ Zudem unterstütze die generative KI dabei, neue Produkte zu entwickeln, wenn die generative KI Verkaufsdaten oder das Verbraucherfeedback analysiert und auf Basis dieser Informationen einen Bedarf formuliert.

Auch für interne Prozesse besitze die generative KI laut Report interessante Potenziale, gerade, was die Steigerung der Effizienz betreffe. „Der Einsatz von generativer KI ermöglicht das Vorhersagen des Bedarfs an Lagerbeständen, die Planung der Lieferwege und Senkung der Lagerkosten“, heißt es. Insgesamt könne die generative KI „den Handel an vielen Stellen effizienter machen – von der Werbung bis zum Checkout“, wird Ingrid Hochwind, Vice President Retail bei Capgemini, im Report zitiert. Wobei es eben nicht die Technik selbst ist, die diese Entwicklungen vorantreibt, sondern der ideenreiche Einsatz dieser Technik durch die Menschen. Hochwild: „Die Innovation wird schon bald nicht mehr an der generativen KI selbst liegen, sondern smart darauf aufsetzen.“

Versicherungen: Ungewissheit planbar machen

Versicherungen sind immer der Versuch, die Ungewissheit zu managen. Kann die generative KI dabei helfen, dieses Paradox aufzulösen? Giovanni Zuchelli, Global Leiter Insurance bei Bearing Point, schreibt in einem Meinungsbeitrag auf der Homepage der Management- und Technologieberatung zumindest von einer „planbaren Ungewissheit“. Dass es sich hierbei eben nicht um ein Paradoxon handelt, wissen Vielfahrer* innen bei der Deutschen Bahn, die genau das täglich machen – mit der Ungewissheit zu planen.

Was ist mit den Risiken, wenn generative KI im sensiblen Umfeld von Versicherungen angewendet wird?

Zurück zu den Versicherungen, in seinem Beitrag lässt Zuchelli nicht unerwähnt, dass der Einsatz von Systemen mit generativer KI auch neue Unsicherheiten ins Geschäft bringt, „etwa hinsichtlich neuer regulatorischer Herausforderungen und ethischer Aspekte im Zusammenhang mit der Datennutzung“. Nun könnte man denken, dass das Auferlegen neuer Ungewissheiten der Kernidee des Versicherungsgeschäfts widerspricht, indem es ja darum geht, das Risiko zu managen, sprich: Unsicherheiten zu verhindern. Doch glaubt der Experte: „Tatsächlich ist das Potenzial der generativen KI, interne Prozesse und Kundenerfahrungen drastisch zu verbessern, so groß, dass Versicherungen sich schlicht nicht leisten können, sie zu ignorieren.“

Foto: AdobeStock/Icons-Studio
Foto: AdobeStock/Icons-Studio

STUDIE: NUTZUNGSGRAD VON KI IN DEUTSCHEN UNTERNEHMEN

Ist KI weiterhin ein Zukunftsthema – oder längst in den Unternehmen angekommen? Das Beratungsunternehmen KPMG befragte für die 2024 veröffentlichte, internationale Studie „AI in financial reporting and audit: Navigating the new era“ 300 Unternehmen aus Deutschland. Die Befragung ergab, dass sich gegenwärtig rund „46 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland in der praktischen Planung und Testphase und 42 Prozent bereits in der aktiven Nutzung“ befinden. Für die kommenden Jahre planten drei von vier der befragten Unternehmen, in die aktive Nutzung überzugehen.

Dieses Potenzial besteht erstens darin, Kosten zu sparen und die Mitarbeitenden bestmöglich einzusetzen. So könne die generative KI „wiederkehrende, gleichförmige Aufgaben übernehmen und so die Beschäftigten entlasten – die sich in der Folge stärker auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können“. Ein weiterer Punkt: „Chat-Bots sparen Zeit und Aufwand für die Recherche von dokumentiertem Wissen und helfen so, Effizienz und Produktivität zu verbessern.“

Doch die generative KI kann noch mehr: Giovanni Zuchelli glaubt an das Potenzial, mit ihrer Hilfe Umsätze zu steigern. „Mit generativer KI können Versicherungen ihre Produkte und Dienstleistungen stärker personalisieren und sich deutlich von ihren Wettbewerbern abheben“, formuliert er es in seinem Beitrag. Gleichzeitig verringerten eine verbesserte Risikobewertung sowie eine präzisere Betrugserkennung die Unsicherheiten. Und was ist mit den Risiken, wenn generative KI im sensiblen Umfeld von Versicherungen angewendet wird? Der Experte von Bearing Point plädiert dafür, proaktiv an das Thema heranzugehen. Um die Unsicherheiten in Bezug auf Governance, geistiges Eigentum, Datenschutz und Informationsqualität zu managen, sei es wichtig, dass Versicherungsunternehmen eine klare Strategie definieren: „Sie müssen die Schlüsselbereiche identifizieren, in denen generative KI einen Mehrwert schaffen kann, dann ihre Anstrengungen und Ressourcen auf diese Bereiche konzentrieren und die Auswirkungen messen.“

Wirtschaftsprüfung: Mit dem Gespür von Sherlock Holmes

Für Sebastian Stöckle, Partner beim Wirtschaftsprüfungsund Beratungsunternehmen KPMG, steht eines fest: Die generative KI wird die Arbeit von Wirtschaftsprüfer*innen verändern. Aber nicht nur das: Sie werde diese auch verbessern. Sein Optimismus ist deshalb angebracht, weil er mit den Erwartungen der Unternehmen korrespondiert, für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Einsatz sind. In einem Meinungsbeitrag auf der Homepage verweist Sebastian Stöckle auf eine KPMG-Studie, für die weltweit 1800 Führungskr.fte befragt wurden. Das zentrale Ergebnis der Befragung fasst der Experte so zusammen: „Mehr als die Hälfte der Unternehmen erhofft sich von der KI einen hohen oder sehr hohen Nutzen für die Finanzberichterstattung.“

Foto: AdobeStock/ Slowlifetrader
Foto: AdobeStock/ Slowlifetrader

Die Chancen stehen gut, dass die Wirtschaftsprüfer*innen diese Hoffnungen erfüllen können. So besitzt die Technologie die Fähigkeit, Prozesse zu automatisieren und die Datenanalyse deutlich zu beschleunigen. Die generative KI geht nun noch einen Schritt weiter, indem sie auf Basis des gigantischen Datenwissens, mit dem sie trainiert worden ist, eigene Inhalte erstellt. „So kann sie uns helfen, in verschiedensten Situationen schneller auf unser digitales Wissen über Buchhaltungs- und Prüfungsstandards, unsere eigenen Prüfungsmethoden und -vorgaben sowie globales digitalisiertes Wissen zuzugreifen“, schreibt Sebastian Stöckle.

Darüber hinaus erhöhe generative KI die Prüfungssicherheit, in der Funktion als Superspürnase mit Sherlock Holmes-Qualitäten: Die Technik helfe dabei, „dolose Handlungen zu identifizieren, also Betrug, Unterschlagung oder Diebstahl von Vermögenswerten ebenso wie die Manipulation von Finanzdaten.“ Auch erkenne die KI sehr frühzeitig verdächtige Daten sowie erste Anzeichen von Betrug oder Korruption in Texten und E-Mails. Selbst bei der Identifizierung von Deepfakes werde die Technologie eine große Hilfe sein, also von gefälschten Nachrichten oder Videos, die betrügerische Transaktionen auslösen sollen.

Zudem gebe es das Potenzial, dass die generative KI aktiv Transaktionen oder Buchungen überwacht und Alarm schlägt, sobald sie Abweichungen erkennt. „Tatsächlich wünschen sich die von uns befragten Unternehmen sogar, dass ihre Wirtschaftsprüfer*innen prädiktive Analysen priorisieren“, nimmt Sebastian Stöckle Bezug auf die Studie. „Viele Unternehmen können sich sogar vorstellen, dass bei ihnen das ganze Jahr über Echtzeit-Audits durchgeführt werden.“

Was die generative KI auch in Zukunft nicht mitbringen wird, sind Individualität, Empathie und ein persönlicher Erfahrungsschatz.

Was die Wirtschaftsprüfer*innen selbst in dieser neuen KIWelt zu tun haben? Sebastian Stöckle geht nicht von Langeweile oder Jobverlust aus, im Gegenteil: „Die KI kann in der Wirtschaftsprüfung nur sinnvoll unterstützen, wenn wir als Prüfer*innen genau verstehen, wie sie funktioniert und auch ihre Ergebnisse zu jeder Zeit nachvollziehen können.“ Schließlich seien es die Menschen, die die Verantwortung übernehmen, „dass die KI ethische Grundsätze einhält und diskriminierungsfrei sowie rechtmäßig vorgeht“. Das wiederum setze voraus, dass die Wirtschaftsprüfer*innen ihr Wissen stetig erweitern: „Nicht zuletzt leiten wir mit unseren Kenntnissen in den Bereichen Rechnungslegung, Wirtschaftsprüfung und Industrie auch das Training der KI.“ Darüber hinaus seien die Prüfer*innen in einem zentralen Punkt unersetzbar: im zwischenmenschlichen Umgang. Stöckle: „Als Prüfer*innen ist es unsere Aufgabe, Vertrauen zu schaffen.“ Was die generative KI auch in Zukunft nicht mitbringen wird, sind Individualität, Empathie und ein persönlicher Erfahrungsschatz.

GENERATIVE KI IN DER STEUERBERATUNG

Foto: AdobeStock/Angger Dwi
Foto: AdobeStock/Angger Dwi

Heiko Preisser, Diplom-Ökonom und Steuerberater, macht in einem Meinungsbeitrag auf der Homepage der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner zurecht darauf aufmerksam, dass nicht jede technische Entwicklung, die als große Innovation verkauft wird, tatsächlich Auswirkungen auf das operative Geschäft seiner Branche habe. So sei die Blockchain vor wenigen Jahren ein riesiges Thema gewesen, habe aber „außer in Kryptowährungen bislang keine prominenten Anwendungsgebiete gefunden“, schreibt Preisser. Im Fall der generativen KI ist seine Prognose optimistischer, schließlich zeige sich bereits heute ein erkennbarer Nutzen, „beispielsweise beim Erstellen von grammatikalisch fehlerfreien Anschreiben oder beim Zusammenfassen oder Verschlagworten von Gerichtsurteilen“. Seine Prognose: Der Bedarf an generativer KI wird weiterwachsen, „da sie dem Fachkräftemangel in den Steuerabteilungen bzw. in der Steuerberatung entgegenwirkt.“

Interview mit BWL-Draufsattlerin Katharina Kreitz

Katharina Kreitz ist studierte Maschinenbauerin. Als in der Gründungsphase des eigenen technischen Unternehmens Vectoflow, spezialisiert auf Messinstrumente, BWL-Kompetenz gefragt war, entschied sie sich, ein MBA-Stipendiat des Collège des Ingénieurs in Paris anzunehmen. Im ersten Moment hielt sie diese betriebswirtschaftliche Zusatzausbildung für Zeitverschwendung. Bald aber merkte sie: Genau dieses Know-how brachte sie erst in die Lage, ihr Start-up erfolgreich zu führen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Katharina Kreitz, geboren 1987 in München, studierte Maschinenbau an der Technischen Universität München mit der Vertiefung Luft- und Raumfahrttechnik. Weil in der Gründungsphase des eigenen technischen Unternehmens BWL-Kompetenz gefragt war, entschied sie sich, ein MBA-Stipendiat des Collège des Ingénieurs anzunehmen. Die Idee zur Gründung von Vectoflow entstand aus ihren langjährigen Erfahrungen im akademischen und industriellen Bereich. Während ihrer Tätigkeiten bei der der NASA, Airbus und BMW im Bereich der Strömungsanalyse sammelte sie Erfahrungen mit der Arbeit von Messsystemen. Bei Vectoflow ist sie hauptsächlich für die Bereiche Strategie, Geschäftsentwicklung und Finanzen zuständig. Sie hat eine Tochter und lebt mit ihrer Familie in München.

Frau Kreitz, das von Ihnen mitgegründete und geführte Unternehmen hat in einer Finanzierungsrunde Anfang 2024 vier Millionen Euro eingesammelt. Das bedeutet: Die Investoren glauben an den Erfolg von Vectoflow. Was für ein Verhältnis haben Sie zu diesen Millionensummen?
Ich spüre da keine großen Gefühlsbewegungen, sondern sehe das sehr pragmatisch: Das Unternehmen wächst. Was wir da aufbauen, funktioniert – und das ist gut. Und natürlich hilft es, wenn Investoren uns dabei unterstützen.

Das war nicht immer so.
Genau, wir waren zu Beginn quasi „bootstrapped“.

Das heißt, dass Sie das Unternehmen ohne Fremdkapital gegründet haben.
Genau, mit Ausnahme eines kleinen Investments vom 3D-Druck-Unternehmen EOS vor sieben Jahren, also in der frühen Phase, mit dem Hintergrund, einen Windkanal zu bauen. Das war es dann aber auch, danach sind wir ohne externe Investments gewachsen, langsam, mit eigenen Schritten, so, wie Firmen früher gewachsen sind, als es die Start-up-Kultur noch nicht gab, wie es heute der Fall ist.

Was steckt hinter dem Erfolg Ihres Unternehmens?
Alle technischen Unternehmen legen heute größten Wert auf Effizienz und Nachhaltigkeit, und da sind unsere Themen Messtechnik und Strömungsmechanik ein wichtiger Hebel. Wir gewinnen immer neue Kundengruppen dazu, wir werden von Unternehmen angesprochen, die in Bereichen tätig sind, von denen wir niemals dachten, dass wir dort einen Markt finden würden.

Zum Beispiel?
Wir arbeiten aktuell an Messinstrumenten für eine Milchpulveranlage, wir haben auch schon Optimierungen für Dunstabzugshauben entwickelt. Dahinter steckt eine Logik: Überall, wo es Luftströmungen gibt und die Effizienz ein Thema ist, sind unsere Lösungen gefragt. Und dieser Markt wächst.

Der BWL-Teil wird immer wichtiger. Es ist komplett falsch, als technisch denkender Mensch zu glauben, betriebswirtschaftliches Wissen sei verzichtbar. Im Gegenteil, es ist nützlich und notwendig.

Was waren rückblickend die Meilensteine für den Erfolg Ihres Unternehmens?
Bei meinem Maschinenbaustudium mit den Schwerpunkten Luftfahrt, Gasdynamik und Astronautik an der Technischen Universität München habe ich viel auf Prüfst.nden gearbeitet, wo ich praktische Erfahrungen im Bereich der Messtechnik sammeln konnte. Dort sind auch schon erste Ideen für spätere Innovationen entstanden. Als wir uns später für ein Gründungsstipendium beworben haben, brauchten wir im Team jemanden mit BWL-Hintergrund. Ich hatte das zunächst nicht ernst genommen: Was braucht man denn einen Schmalspur- BWLer, wenn man technisch unterwegs ist? Ich habe dann eher pflichtbewusst meinen MBA am Collège des Ingénieurs in Paris gemacht. Heute weiß ich aber: Der BWL-Teil wird immer wichtiger. Es ist komplett falsch, als technisch denkender Mensch zu glauben, betriebswirtschaftliches Wissen sei verzichtbar. Im Gegenteil, es ist nützlich und notwendig.

Wann zum Beispiel?
Ich bin sehr technikverliebt, und wenn es darum geht, eine neue Sensorik zu entwickeln, dann will ich am liebsten alle Potenziale nutzen: Hier noch ein Feature, dort noch eine Innovation, das wird super! Der BWL-Teil besteht nun darin, dieses rein technikverliebte Denken einzufangen, verbunden mit der Kernfrage: Gibt es auch jemanden, der für diese Features bezahlen möchte? Gibt es einen Markt, gibt es Kunden? Diese Fragen habe ich mir als Ingenieurin zunächst nicht gestellt. Sie sind aber unverzichtbar. Denn nur, weil ich ein Feature geil finde, heißt das ja nicht, dass alle anderen das ebenfalls so sehen und vor allem bereit sind, dafür zu zahlen.

In einem Filmfeature in der ARD über Sie gibt es einen heimlichen Star: ihre Mutter. Sie tritt dort als Skeptikerin auf, die sehr liebevoll einige Ihrer Entscheidungen hinterfragt. Warum ist es wichtig, einen solchen Menschen im Umfeld zu haben?
Meine Mutter war Beamtin bei der Post – und keine Freundin des Risikos. Nach dem Studium bekam sie mit, wie ich zig Angebote von großen Unternehmen bekam, die mich einstellen wollten. Ich habe sie alle ausgeschlagen, und das hat sie nicht verstanden: „Mädchen, jetzt hast du ein so tolles Studium hingelegt und bekommst dieses Angebot – dann nimm doch den Job!“

Haben Sie aber nicht gemacht.
Nein, aber dennoch war die Haltung meiner Mutter wichtig. Es ist gut, wenn man von verschiedenen Seiten Input bekommt, weil dies dabei hilft, sich immer wieder selbst zu hinterfragen: Was willst du wirklich? Das ist gerade in den Momenten wichtig, in denen Zweifel aufkommen. Und solche Momente gibt es bei jeder Gründung, davon bin ich überzeugt. Wer etwas anderes behauptet, der lügt.

Katharina Kreitz, Foto: Vectoflow
Katharina Kreitz, Foto: Vectoflow

Was war für Sie das Hauptargument, die attraktiven Angebote der großen Unternehmen auszuschlagen?
Wenn ich das, was ich vorhabe, nicht selbst ausprobiere, und dann jemand anderes kommt und das macht, dann ärgere ich mich darüber mein Leben lang. Wer es nicht selbst ausprobiert, wird niemals erfahren, ob es funktioniert. Dieses Denken hat mich getriggert. Mein Appell an alle jungen Menschen, die Interesse haben, zu gründen: Macht es, versucht es, habt keine Angst! Es gibt einen so krassen Personalmangel, gerade in technischen Unternehmen. Wenn es also nicht klappt, bekommt man trotzdem eine gute Stelle. Man ist dann nicht gescheitert, sondern hat bei der Gründung unendlich viel gelernt.

Sie sprachen schon von den Zweifeln, die bei der Gründung dazugehören. An welchen Punkten waren Ihre Zweifel besonders groß?
Gerade am Anfang kommen viele Professoren, erfahrene Leute, die einem sagen: „Katharina, nee, das würde ich so nicht machen, das ist keine gute Idee.“ Heute sind das alles Fans unserer Messsysteme. (lacht) Aber zu Beginn führen solche Aussagen natürlich zu Zweifeln, weil diese Leute ja eine gewisse Industrieerfahrung besitzen. Aber auch in diesen Phasen hatte ich immer den Gedanken: Ob ich recht habe oder die Professoren – das lässt sich nur dann herausfinden, wenn ich es probiere.

Wenn es Zweifel gibt oder der Stress groß ist, was machen Sie, um sich zu entspannen?
Sport, aber nicht joggen, denn das finde ich schrecklich! Die ersten zehn Minuten sind gut, aber dann kommt man in diesen Flow…

… in den Flow zu kommen, ist doch das Ziel beim Joggen, oder nicht?
Für mich nicht, denn im Flow fängt mein Kopf mit dem Denken an. Und ich treibe ja Sport, um eben nicht zu denken. Deshalb mache ich lieber sehr anstrengende Sachen oder Ballsport, da hat mein Kopf keine Zeit, ins Denken zu kommen. Einer meiner besten Urlaube war ein Segelkurs: Eine Woche lang früh morgens raus, bis abends Segeln, dann todmüde ins Bett fallen. Das ist für mich Entspannung.

Sie hatten 2019 einen schlimmen Skiunfall, Sie lagen im Koma, hatten eine schwere Kopfverletzung. Dass Sie wieder gesund werden – körperlich wie geistig – stand auf der Kippe. Wie erinnern Sie sich an dieses Ereignis?
An das Aufwachen aus dem Koma kann ich mit mich gar nicht erinnern, mein Gedächtnis setzt ein, als ich in die Früh-Reha kam. Dass es schlimm um mich steht, war mir gar nicht bewusst. Wie krass der Unfall war, wurde mir erst später klar, als es schon wieder aufwärts ging.

Haben Sie nach dem Unfall etwas geändert?
Ja, ich mache mir heute viel mehr Notizen und dokumentiere mehr. Ich hatte das vorher nicht gemacht, ich hatte die Dinge alle im Kopf. Durch den Unfall fiel mein Kopf für einige Wochen aus, und das war für meine Kollegen im Unternehmen ein echtes Problem, weil ihnen viele wichtige Infos fehlten. Sie mussten daher einige unangenehme Telefonate mit unseren Kunden führen, weshalb ich versprochen habe, fortan alles Relevante zu dokumentieren und zugänglich zu machen.

Finden Sie es okay, wenn man Sie einen Workaholic nennt?
Schon, ja, ich arbeite nun einmal sehr, sehr gerne.

Nun haben Sie den größten Feind des Workaholics im Haus: ein Baby. Wie verträgt sich die Mutterrolle mit Ihrem Arbeitspensum?
Sehr gut, wobei ich Glück habe: Mein Kind schläft sehr gut und beschäftigt sich auch über Tag gerne selbst, was bei meinen zwei Tagen im Home- Office hilft. Was ich aber merke: Lange habe ich bestimmte Arbeiten, die am Tag liegengeblieben waren, auf die Abendstunden geschoben. Das funktioniert heute nicht mehr unter Garantie. Ein Kleinkind, das noch nicht schläft, hat immer Priorität. Und wenn es dann schläft, kann es sein, dass auch ich supermüde bin. Ich brauche zwar nicht viel Schlaf – aber zu wenig darf es auch nicht sein.

Zum Unternehmen

Vectoflow ist ein Unternehmen im Bereich der fluiddynamischen Messtechnik. Für die Kunden aus verschiedenen Branchen entwickelt die Firma Strömungsmesstechnik und Systeme. Bei einer Finanzierungsrunde Ende 2023 sammelte Vectoflow vier Millionen Euro von Investoren ein. Investiert wird das Kapital laut Unternehmensangaben für den Aufbau einer Serienproduktion. Zusätzlich plane das Start-up die Erschließung neuer Märkte, speziell in der Luftfahrt und Windkraft.

Kuratiert

Versicherungen: mehr Frauen in Führung

Das Versicherungsgeschäft ist zwar schon lange keine reine Männer-Domäne mehr, dennoch sind Frauen auf Führungsebene unterrepräsentiert. Das soll sich ändern. Als erste Branche in Deutschland verfolgt die Versicherungswirtschaft gemeinschaftlich das Ziel, den Frauenanteil in Führungspositionen zu steigern – im Interesse der Chancengleichheit, aber auch der Wettbewerbsfähigkeit der Branche. Der Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e. V. (AGV) begleitet und unterstützt die Versicherungen dabei und hat das Projekt Women in Leadership & Culture etabliert. So werden Synergien gebündelt und neue Initiativen zur Verbesserung der Chancengleichheit von Männern und Frauen angestoßen.

Engagement von Unternehmen beeinflusst die Mitarbeitenden

Wenn Unternehmen sich verstärkt in gesellschaftlichen und Umweltbelangen engagieren, wirkt sich das positiv auch auf das moralische Verhalten ihrer Mitarbeitenden außerhalb der Arbeit aus. Das haben Wirtschaftswissenschaftler*innen der Universität Mannheim in einer neuen Studie herausgefunden. Agiert ein Unternehmen im Sinne der CSR, sind auch die Angestellten bereit, Spenden zu leisten und Freiwilligenarbeit zu übernehmen. Und umgekehrt: Betriebe, die kein nennenswertes CSR-Engagement vorzuweisen haben, bremsen die gesellschaftliche Initiative ihrer Angestellten aus. Koch-Bayram, I., Biemann, T. (2024). How Corporate Social (Ir)Responsibility Influences Employees’ Private Prosocial Behaviour: An Experimental Study. Journal of Business Ethics.

Digitalisierung leistet wichtigen Beitrag zum Klimaziel 2030

Eine Studie des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom e.V. zeigt: Digitale Technologien können rund 24 Prozent zum Klimaziel 2030 beitragen. Im Jahr 2030 darf Deutschland nur noch 438 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Dazu hat sich die Bundesregierung mit der Novellierung des Klimaschutzgesetzes 2021 verpflichtet. Das heißt: Verglichen mit 2022 sind Einsparungen von 308 Millionen Tonnen CO2nötig. Laut der Studie kann der jährliche CO2-Ausstoß mithilfe digitaler Technologien um rund 43 bis 80 Millionen Tonnen reduziert werden, je nach Digitalisierungsgeschwindigkeit. Je schneller die Digitalisierung vorangetrieben wird, desto höher sind die dadurch erzielten CO2- Einsparungen. Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung 2.0“:

von Kerstin Neurohr

Raus aus dem Alltag, ab ins Ausland!

Ein Auslandssemester ist eine wunderbare Möglichkeit, den Horizont zu erweitern: Da kann man seine Sprachkenntnisse verbessern, neue Kontakte knüpfen interkulturelle Kompetenz erwerben, ein anderes Land und eine andere Kultur kennenlernen. Viele, die sich für „Study abroad“ entscheiden, profitieren enorm von ihren Erfahrungen, sowohl privat als auch beruflich. Also nichts wie los! Wir zeigen, worauf es bei der Planung ankommt. Von Kerstin Neurohr

Ein oder zwei Auslandssemester einzulegen ist sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium sowie im Promotionsstudium möglich. Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht – wichtig ist auf jeden Fall, rechtzeitig mit der Planung zu beginnen, denn vor der Abreise ist einiges zu erledigen! Als erste Anlaufstelle empfiehlt sich das Akademische Auslandsamt, das an fast jeder deutschen Universität oder Hochschule angesiedelt ist.

Dort werden regelmäßig Informationsveranstaltungen sowie individuelle Beratungen angeboten und es gibt Hilfe für die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Auslandsaufenthalten. In welches Land soll es gehen, an welche Hochschule? Die Möglichkeiten sind schier unendlich, doch abhängig vom gewählten Studiengang, den Sprachkenntnissen und persönlichen Interessen und Vorlieben lässt sich eine Eingrenzung vornehmen. Die deutschen Hochschulen pflegen üblicherweise gute Kontakte zu ihren Partneruniversitäten und bieten Austauschprogramme an. Sich danach zu richten, lohnt sich meist sowohl organisatorisch als auch finanziell.

Wer die Uni gewählt hat, kann sich im nächsten Schritt um eine Unterkunft kümmern. Vermittelt die Gasthochschule Zimmer im Wohnheim? Dort wohnt man nicht nur günstig, sondern knüpft auch schnell und unkompliziert Kontakte. In manchen Ländern ist es gängig, in einer Gastfamilie unterzukommen – wer Glück hat, findet so schnell Anschluss und kann seine Sprachkenntnisse verbessern. Und natürlich gibt es die Möglichkeit, privat ein Appartment oder ein WG-Zimmer anzumieten, was meist die teuerste Variante ist.

Zum Glück gibt es Stipendien, Auslands- BAföG und das Programm Erasmus+

Apropos – wer soll das bezahlen? Zum Glück gibt es Stipendien, Auslands- BAföG und das Programm Erasmus+. Wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren und zu bewerben. Eine Übersicht über Stipendien und andere Förderoptionen bietet der DAAD, der Deutsche Akademische Austausch- Dienst – ohnehin eine hilfreiche Anlaufstelle! Je nach Zielland ist unter Umständen ein Visum nötig, um das man sich rechtzeitig bemühen sollte, und eine Auslandskrankenversicherung ist obligatorisch. Wer ein Zielland außerhalb der EU gewählt hat, sollte sich außerdem zum Thema Telefonie und Internet informieren, denn Roaming ist dort nicht möglich.

Alles Organisatorische geklärt? Dann ist es sinnvoll, noch Fremdsprachenkenntnisse zu vertiefen und sich über das Zielland zu informieren: Welche kulturellen Unterschiede und Besonderheiten gibt es? Gilt es Verhaltensregeln zu beachten? Wer sich vorher schlau macht und sich vor Ort respektvoll verhält, offen ist für neue Kontakte und Erfahrungen, hat gute Chancen, die Zeit seines Lebens zu haben. Denn so ein Auslandssemester ist im besten Fall nicht nur ungemein lehrreich, sondern auch eine Erfahrung fürs Leben. Gute Reise und viel Spaß!

Lernen – aber effizient!

Dr. Stefan Schrumpf ist der „Lerndoktor“: Den promovierten Historiker beschäftigt das Lernen bereits sein ganzes Leben in den unterschiedlichsten Funktionen und aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Er war lange an der Universität Bonn und an einem Gymnasium tätig, heute unterstützt er Studierende als Partner für alles rund ums Lernen. In seinem Gastartikel gibt er wertvolle Tipps, wie man effi zient lernt. Von Dr. Stefan Schrumpf

Es gibt nichts zu verschenken. Erst recht nicht das kostbarste Gut überhaupt: Zeit! Und der größte Zeitfresser ist Ineffizienz, in jeder Branche, in jedem Fachbereich. Das gilt ganz besonders für alles, was mit Lernen zu tun hat. Dabei ist Lernen mehr als die reine Aufnahme von Informationen. Das ist nur der Auftakt, mehrere komplexe, ineinandergreifende Verarbeitungsschritte müssen im Kopf stattfinden, bis am Ende das Produkt „Lernen“ steht. Und genau diese Arbeitsschritte kann man mit den geeigneten Werkzeugen unterstützen, Prozesse verkürzen, Nachhaltigkeit erhöhen – kurz: effizient lernen!

Schritt Nr. 1: Knapp, aber richtig – Informationen aufnehmen

Schon bei diesem ersten Schritt kannst Du ungeheuer viel Zeit und Kraft sparen, wenn Du Methoden verwendest, die dem Gehirn die Aufnahme erleichtern. Besonders hilfreich ist, gleich beim ersten Kontakt Zusammenhänge intellektuell zu durchdringen, anstelle des mechanischen Lernens von unverbundenen Einzelaspekten. Heißt konkret: Statt Satz für Satz zu unterstreichen und herauszuschreiben, lies den Text(-abschnitt) komplett und fasse den Inhalt anschließend aus dem Gedächtnis zusammen.

Schritt Nr. 2: Erfolg mit System – strukturieren

Je mehr Struktur Du bereits selbst erarbeitest, je strukturierter Du Deinem Gehirn die Informationen verabreichst, desto weniger Arbeit hat es. Und desto einfacher ist es, diese Informationen auch dauerhaft im Kopf zu verankern. Eine Art Schweizer Taschenmesser der Lernmethoden ist die Mindmap. Vorteil der Mindmap ist vor allem die Flexibilität beim intellektuellen Anspruch. Du kannst banale Dinge einfach nur grafisch aufbereiten. Du kannst aber auch hochkomplexe, sich bedingende und vielfach verknüpfte Wirkungsgefüge einfach verständlich machen, ohne sie unzulässig zu simplifizieren.

Schritt Nr. 3: Fluide statt stupide – nachhaltig verfestigen

Im Bereich der Memo-Techniken findest Du meterweise Literatur, gigabyteweise Tutorials und kluge Ratschläge, wie Du Informationen nachhaltig abspeicherst. Und wenn Du Dich fragst, welche die beste ist, dann lautet die Antwort: alle! Methodenvielfalt heißt das Zauberwort. Nachhaltiges Verfestigen funktioniert vor allem mit häufigen Wiederholungen. Die aber sind nur effizient, wenn ich dem Gehirn durch unterschiedliche Methoden neue Reizpunkte setze, wenn ich Lerninhalte merk-würdig mache.

Schritt Nr. 4: Auf den Output kommt es an – Wissen abrufbar machen

Linktipp

lerndoktor.de

Natürlich ist für das Bestehen einer Prüfung wichtig, was Du in den Kopf hineingesteckt hast. Aber entscheidend ist letztlich, was Du im Ernstfall aus dem Kopf rausholen kannst. Also baue frühzeitig in Deinen Lernrhythmus Einheiten ein, in denen Du genau diese Kompetenz trainierst. Das kann eine richtige Prüfungssimulation sein, aber auch der spontane, mündliche Vortrag zu einem idealerweise per Losverfahren ausgewählten Thema – nicht vergessen, Dich dabei aufzunehmen, denn die Selbstüberprüfung ist eine weitere clevere Methode zu lernen, ohne dass Du merkst, dass Du es tust.