Wenn schon Chef, dann alle

Kreativ soll man sein, eigenverantwortlich und abenteuerlustig. Aber wie kann das funktionieren in einem Unternehmen mit formalen Hierarchien und strikten Aufgabenfeldern, gerade in Bereichen wie Wirtschaftsprüfung oder Steuerberatung? Damit die Transformation gelingt, rückt das Individuum zunehmend in den Mittelpunkt. „Reporting to God“ statt an den Chef ist die Erfolgsphilosophie. Das Credo: Die klassische Führungskraft existiert nicht mehr. Von André Boße. Als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater tätig sein und für die Arbeit den Begriff der Kreativität in Anspruch nehmen? Auf den ersten Blick äußerst unklug. Da reicht ein Blick in die gängigen Wirtschaftslexika, in jenem des Anbieters Onpulson wird zum Beispiel die „kreative Buchführung“ wie folgt definiert: „Eine kreative Buchführung ist die Schönung von Bilanzen mit buchhalterischen Tricks, Verschleiern der Finanzlage des Unternehmens, um es besser oder schlechter als in Wirklichkeit dastehen zu lassen.“ Kurzum: Wer es beruflich mit der Prüfung oder dem Controlling von Zahlen zu tun hat, sollte von der Kreativität lieber die Finger lassen. Sonst ist die Karriere schnell vorbei. Aber ist das noch so? Im Top-Interview dieser Ausgabe fordert Bernd Heusinger, einer der erfolgreichsten Werber Deutschlands, eine „Kreativitätswende“ auch für diese prüfenden und kontrollierenden Berufe. „Spielerisch und kreativ“ sollten auch Wirtschaftsprüfer, Controller oder Steuerberater nach Lösungen suchen, sagt Heusinger. Nur dann gelinge es ihnen, die Vorteile von neuen digitalen Techniken wie Big Data und Künstlicher Intelligenz nutzbar zu machen.

Jobs ohne Beschreibung

Work Report 2019 von Ali Mahlodji

In seinem „Work Report“ für das Zukunftsinstitut definiert Ali Mahlodji vier Trends, die die Arbeitswelt in naher Zukunft prägen werden:
  1. „Social Entrainment“: Die Aufgabe lautet, einen gemeinsamen Groove zu finden.
  2. „Pro-Aging Goes Real“: Die Weisheit der erfahrenen Kollegen muss genutzt werden.
  3. „Inside the Box Revolution“: Unternehmen ändern sich von innen heraus, Treiber sind die Ideen der Mitarbeiter.
  4. „Playful Work“: Unternehmen müssen eine spielerische Kultur etablieren, die Grenzen zwischen ernsthafter Arbeit und freudvollem Spiel lösen sich auf.
www.zukunftsinstitut.de/artikel/work-report-2019
Was also nun, kreativ oder wie gehabt akkurat? Ergänzt sich das – oder schließt es sich aus? Und woher weiß ich als Einsteiger, worauf es meiner Führungskraft und dem Unternehmen wirklich ankommt? Die Sache ist kompliziert. Und das wird sich auch nicht mehr ändern. Für Ali Mahlodji ist das Zeitalter der klaren Berufsbezeichnungen gänzlich vorbei: „Sichere Jobtitel für die Zukunft zu planen, gleicht dem Reiben der Wunderlampe, in der Hoffnung, dass ein genialer Flaschengeist die Antwort auf die Frage weiß, welche Ausbildung uns in den Hafen der Sicherheit bringt“, schreibt er in seinem „Work Report 2019“, den er für das Frankfurter Zukunftsinstitut verfasst hat. Für ihn seien Jobtitel „Schall und Rauch“, Job-Beschreibungen ein „verzweifelter Versuch, strukturelle Sicherheit zu erhalten“: „Die fortschreitende Automatisierung verlangt Einschnitte und fordert ohne Kompromisse den Wandel des Mitarbeiters vom Träger der Job-Description hin zum Schöpfer einer selbst definierten und wandelbaren Tätigkeit mit allen ihren wunderbaren und verantwortungsvollen Seiten.“ Ali Mahlodji, Co-Founder von Internet- Startups und Business-Speaker für Top-Manager, hat eine Biografie, die sich jeglicher einfachen Beschreibung entzieht. Sein erstes Buch trägt den Titel „Und was machst du so?“. Für die Antwort benötigt er mehr als 300 Seiten. Und die lesen sich alle spannend. Ganz kurz die Eckdaten: Geboren wurde Mahlodji 1981 in Teheran. Als er zwei Jahre alt war, floh seine Familie aus dem Iran nach Österreich. In seiner Kindheit und Jugend war er verunsichert, er brach die Schule kurz vor der Matura ab, weil er Panik vor der mündlichen Prüfung hatte. Über Nebenjobs sammelte er Selbstbewusstsein, holte die Matura nach, studierte an der Fachhochschule Technikum in Wien. Er arbeitete rund um die Uhr, dann die Diagnose: Burnout. Danach lud er sein Leben mit Sinn auf, er arbeitete in der Bildung, war Co-Gründer des Portals whatchado, das Nutzern hilft, ihre Berufung zu finden. 2015 gab er dort den CEO-Posten ab, nun ist er als Botschafter in Sachen Berufung unterwegs – als EU-Jugendbotschafter auf Lebenszeit, als Business- Speaker, der den Top-Managern der großen Konzerne erklärt, wie die Generationen Y und Z ticken, wie die digitale Transformation gelingen kann.

„Reporting to God“ – nicht an einen Chef

Für Ali Mahlodji ist der entscheidende Faktor nicht, wie gut die digitale Technik ist, mit der sich ein Unternehmen aufrüstet, oder wie detailgenau die Abteilungen durchstrukturiert sind, mit den richtigen Posten und Bezeichnungen an jeder Glastür. In seinem „Work Report“ schreibt er, welcher Faktor wirklich darüber entscheidet, ob die Transformation gelingt: „die Entwicklung der Mitarbeiter hin zu selbstwirksamen Individuen, die unabhängig von einer Entscheidungsinstanz, die über ihnen thront, agieren.“ Fragt man Führungskräfte, was für einen Typus von Mitarbeitern sie sich wünschen, die meisten würden sich darauf einigen, dass es gut ist, eine Belegschaft zu haben, die eigeninitiativ tätig ist, die Lust auf Wandel hat und selbstbewusst zu Werke geht – gerade weil sie sich klarmacht, dass die Antworten auf die Herausforderungen noch nicht feststehen. Nur eines ist sicher: Die Lösung kann heute nicht mehr lauten, es so zu machen, wie man es schon immer getan hat.

Jobs selbst definieren

Mahlodji arbeitet heraus, dass es ein Widerspruch ist, das berufliche Abenteurer in ein strukturelles Korsett stecken zu wollen. Er zitiert eine Studie, nach der 58 Prozent der Manager sagen, die „Verteidigung der Strukturen“ durch die Mitarbeiter stelle das größte Hindernis bei der Transformation der Arbeitswelt dar. Kurzum: Die Leute sind nicht kreativ, sondern verteidigen ihre Posten.

Emotionale Intelligenz: Der Abschied von der Sachlichkeit

Eingeführt wurde der Begriff der Emotionalen Intelligenz (EQ) bereits Mitte der 1990er-Jahre durch den gleichnamigen Bestseller von Daniel Goleman. Doch während sich die Neuro- und Geisteswissenschaften schon lange intensiv mit der Auswirkung der Emotionen auf unser Handeln beschäftigen, „finden sie in der Wirtschaft nur dann statt, wenn sie nicht stören“, schreibt Markus Hornung im Vorwort seines Buches „Der Abschied von der Sachlichkeit“. Das führe dazu, „dass wir die letzte Bastion der Selbstverantwortung – die eigenen Werte und Emotionen – in fremde Hände legen.“ Das Buch zeigt, wie sehr tragfähige Entscheidungen und Emotionen zusammenhängen. Cover Der Abschied von der SachlichkeitMarkus Hornung: Der Abschied von der Sachlichkeit. Wie Sie mit Emotionen tatsächlich für Bewegung sorgen. Business Village, 2018. 24,80 Euro. Jetzt kaufen bei Amazon
Mahlodji gibt zu bedenken: „Was jedoch übersehen wird, ist, dass dieselbe Belegschaft die letzten Jahre dafür eingesetzt wurde, Strukturen zu bauen und diese zu verteidigen.“ Die Mitarbeiter machen also nur ihren Job. So wie beschrieben. Aber genau das ist eben nicht mehr zeitgemäß: Mahlodji fordert einen Wandel von beschriebenen Jobs hin zu selbstdefi nierten Jobs. Und er denkt das konsequent zu Ende: Die Verantwortung, wie Arbeit gestaltet sein müsse, sei nicht mehr Sache des Managements, das aus der Vogelperspektive beobachte und bewerte. Vielmehr entspringe diese dem innersten Verständnis des Mitarbeiters, der mit Hilfe eigener Kompetenz wie Emotionaler Intelligenz für sich entscheidet, was das Unternehmen braucht, wie er ihm helfen kann. „Jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen muss nicht mehr dem Chef reporten, sondern Gott als letzter Instanz“, schreibt Mahlodji. „Reporting to God“ – so nennt er dieses Kapitel. „Das bedeutet im Umkehrschluss, man ist nur noch sich selbst für das, was man tut, Rechenschaft schuldig und keiner anderen Instanz.“ Nehmen die Unternehmen dieses Prinzip ernst, müssen sie jedem Individuum in ihrer Organisation Vertrauen entgegenbringen. „Wo früher wenige Personen für die Stabilität der Organisation gesorgt haben, entsteht ein Netz, in welchem jeder einzelne Mensch als Knoten für Stabilität sorgt“, schreibt Mahlodji. Er nennt das „Field Of Stars“, eine Art Sternenbild, charakterisiert durch die Leuchtkraft jedes Einzelnen. Wobei hier jeder Stern eben gleich leuchtet. „Die klassische Führungskraft existiert nicht mehr. Personen, die heute noch die Rolle der Führungskraft innehaben, müssen sich in Zukunft daran gewöhnen, Teil des Gesamten zu sein, oder das Unternehmen verlassen.“

Hierarchie und Machtmissbrauch

Das ist konsequent. Und auch ein bisschen romantisch. Ist es auch naiv? Kann eine Arbeitswelt ohne hierarchische Strukturen funktionieren, in der man nicht mehr für den Chef arbeitet, sondern das, was man tut, vor sich selbst rechtfertigt – nicht mehr vor einer strukturell verordneten Instanz? Markus Fischer ist Coach und Experte für die zwischenmenschliche Ebene in Unternehmen, er leitet die Agentur „Kultur wandeln“. Das Ziel: Mensch und Wirtschaft in Einklang zu bringen. Üblich war, genau dies über eine Hierarchie zu versuchen. Lagen die Unternehmen jahrelang falsch? Oberflächlich wird Hierarchie oft als langsam und nicht agil genug gesehen. Das hat in den meisten Fällen aber nichts mit Hierarchie an sich, sondern mit einem falschen Machtverständnis zu tun“, sagt Fischer. Man dürfe Hierarchie und Machtmissbrauch nicht verwechseln: „Denn das schafft Probleme, weil man häufig denkt, man verhindert Machtmissbrauch indem man Hierarchie abschafft. Ein großer Irrtum. Denn in Organisationen ohne formale Rangordnung gibt es oft sehr viel Machtmissbrauch.“

Aus der Praxis: Holokratie im Umternehmen

Als weltweit größtes Unternehmen ohne Chef gilt der US-Online-Händler Zappos. Organsiert hat sich die Firma laut Eigenbeschreibung unter dem Prinzip einer Holokratie: Die Macht wird auf jeden Einzelnen verteilt, das Top-Down- Paradigma wird aufgelöst. Gründer Tony Hsieh wird wie folgt zitiert: „Studien zeigen: Jedes Mal, wenn sich die Größe einer Stadt verdoppelt, steigen die Innovationskraft und die Produktivität pro Bewohner um 15 Prozent. Wenn dagegen Unternehmen wachsen, sinken Innovationskraft und Produktivität der Mitarbeiter. Wir versuchen daher, Zappos wie eine Stadt zu strukturieren – und weniger wie eine bürokratische Firma.“ www.zapposinsights.com/about/holacracy
Hinzu komme, dass der Umgang mit dem Machtmissbrauch schwieriger sei, weil es keine klaren Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten mehr gebe. Markus Fischer plädiert daher für einen Mittelweg – oder besser: für Unternehmen, die das Bedürfnis eines jeden Mitarbeiters respektieren: „Organisationen müssen sich so strukturieren, dass sie den Menschen so akzeptieren und integrieren wie er ist. Viele Menschen sind heute bereit und fähig, mehr Selbstverantwortung zu übernehmen. Dann kann mehr Selbstorganisation funktionieren.“ Aber es gebe eben auch viele Mitarbeiter, die nicht dazu bereit oder fähig sind. „Die möchten klare Anweisungen und sind zufrieden, wenn sie diese gut ausführen. Auch das muss im Unternehmen möglich sein.“

Emotionale Intelligenz

An dieser Stelle bleiben die Führungskräfte wichtig: Nimmt eine Unternehmenskultur Rücksicht auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter, stehen sie an der Schaltstelle, um die richtigen Einstellungen vorzunehmen. Im Idealfall betrachten sie jedes Team immer neu, analysieren, wie hoch der Grad an Selbstverantwortung ist – und entscheiden auf dieser Basis, wie sie ihre Führungsrolle wahrnehmen. Um diese Analyse treffen zu können, benötigen Führungskräfte ein hohes Maß an Emotionaler Intelligenz. Sie müssen nämlich nicht nur den fachlichen Output eines Teams betrachten, sondern eben auch erkennen, aus was für Typen und Charakteren dieses Team zusammengesetzt ist. Handelt es sich um eigenverantwortliche Abenteurer, kann die Führungskraft das Team sich selbst überlassen – hier funktioniert Mahlodjis Ansatz „Reporting to God“. Zeigt sich aber, dass die Gruppe dann besser funktioniert, wenn Strukturen und eine formale Hierarchie erkennbar sind, sollte die Führungskraft diesen Job übernehmen – und vielleicht auch nur so lange, bis das Team seine Abenteuerlust entdeckt hat. Dann kann sich die Führungskraft auch hier zurückziehen: So viel Agilität und Flexibilität muss sein.

„Kreativiert euch!“: ein Plädoyer für mehr Schöpfungskraft

Als Co-Gründer der hochdekorierten Werbeagentur Zum goldenen Hirschen zählt Bernd Heusinger (54) zu den kreativen Köpfen des Landes. Sein Buch „Kreativiert euch!“ ist ein Plädoyer für mehr Schöpfungskraft in vielen Bereichen. Der Ansatz: Kreativität bringt Deutschland nach vorne. Im Interview erzählt Bernd Heusinger, warum Kreativität auch in der Wirtschaftsprüfung oder Steuerberatung nicht nur möglich, sondern in Zukunft sogar essentiell ist. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Bernd Heusinger wurde 1964 in Fürth geboren und studierte Publizistik, Theaterwissenschaften und Germanistik in Berlin. Zunächst arbeitete er als Journalist und Konzeptionist unter anderem für den Bayerischen Rundfunk, das Lifestyle- Magazin Tempo, SAT.1 und RTL. Anfang der 1990er Jahre begann er als Werbetexter bei der Agentur Springer & Jacoby, wo er Marken wie Mercedes- Benz betreute. 1995 gründete er gemeinsam mit Marcel Loko die Werbeund Ideenagentur „Zum goldenen Hirschen“, aus der 2005 die Hirschen Group GmbH hervorging. Diese besteht mittlerweile aus den Agenturen Zum goldenen Hirschen, Ressourcenmangel und Freunde des Hauses sowie aus den Consulting-Firmen 365 Sherpas (Public Affairs & Policy Advice), VORN Strategy Consulting (Marken- und Digitalisierungs-Beratung) und Health Angels (Healthcare Consulting). Bernd Heusinger führt die 700-köpfige Agenturgruppe als Co-CEO. www.hirschen.de
Herr Heusinger, viele betrachten den digitalen Wandel der Arbeitswelt weiterhin skeptisch. Zurecht? Bei der Digitalisierung geht es mehr und mehr um Techniken wie Automatisierung und Roboterisierung, einhergehend mit dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz. Das heißt konkret: Viele menschliche Tätigkeiten, die keinerlei Kreativität voraussetzen, werden in den nächsten Jahren von Maschinen übernommen. Klar, das erscheint zunächst einmal eine negative Folge des Wandels zu sein, denn diese Jobs werden früher oder später verschwinden. Was aber nicht heißt, dass der Mensch nicht mehr gebraucht wird. Im Gegenteil, seine Kreativität wird mehr gefragt sein denn je. Ist dieser kreative Blick auf die Arbeit für Deutschland ungewohnt? Nein, überhaupt nicht, er hat eine lange Tradition. Mit Kreativität meine ich dabei nicht etwa die Kreativität der Werbebranche, also bunte Bilder zu entwerfen oder gute Sprüche zu texten. Ich meine die Kreativität des schwäbischen Erfinders, der eine neue Maschine entwickelt. Ich meine aber auch die Kreativität eines Softwareentwicklers, der eine App erfindet, die eine Tätigkeit übernimmt, die vorher große Mühe gemacht hat. Oder die Kreativität eines Uni-Dozenten, der sich Gedanken dazu macht, wie er seine Seminare so gestaltet, dass die Studenten auch wirklich proaktiv mitdenken. Kreativität ist für die Entwicklung der deutschen Schaffenskraft und der Wirtschaft schon immer wichtig gewesen. In den kommenden Jahren wird sie noch mehr Bedeutung gewinnen, und dazu werden erfolgreiche Unternehmen mehr denn je in die „Kreativierung“ ihrer Mitarbeiter investieren. Welche Strukturen sind in dieser neuen kreativen Arbeitswelt wichtig? Erstens muss das Unternehmen kreative Freiräume schaffen, also Strukturen bieten und Arbeitsweisen etablieren, die sich von den hierarchischen und schematischen Strukturen unterscheiden, die in den 1960er-Jahren eingeführt worden sind.
Es muss eine Freude an neuem Denken spürbar sein, Sprüche wie: „Das haben wir doch schon immer so gemacht“, die darf es nicht mehr geben.
Heißt konkret? Es muss eine Freude an neuem Denken spürbar sein, Sprüche wie: „Das haben wir doch schon immer so gemacht“, die darf es nicht mehr geben. Tatsächlich sind auch freie Räume bedeutsam. Man schmunzelt vielleicht mittlerweile über gemeinsame Räume zum Kickern oder Tischtennisspielen, wie man sie im Silicon Valley findet, aber da ist schon was dran: Räume zu bieten, in denen eben nicht die klassische Arbeitsroutine im Vordergrund steht, sondern in denen man sich in einem anderen Kontext begegnet. Ob man da jetzt Tischtennis spielt, sich gemeinsam einen Kaffee zieht oder was anderes macht, spielt keine Rolle. Hauptsache es gibt einen Ort, an dem sich kreative Köpfe tatsächlich frei austauschen können. Und welche Kompetenzen muss der kreative Kopf mitbringen? Ich glaube, dass Empathie eine sehr wichtige Qualifikation ist. Stellen Sie sich ein Hotel vor, in dem ein neues Buchungs- und Check-in-System eingeführt wird, das geht jetzt alles automatisch. Was macht also der Hotelangestellte? Im besten Fall fühlt er sich wegen des neuen Systems nicht überflüssig, sondern versucht Ideen zu entwickeln, die das positive Erlebnis der Gäste noch steigern können. Dafür muss man sich in die Gäste hineindenken können, man braucht auch eine kreative Problemlösungskompetenz, die über die Fähigkeit eines Computers hinausgeht – weil dieser eben nicht mit einem Blick erkennt, dass sich der eine Gast über eine kostenlose Zeitung freut und der andere über Tipps, wo er am Abend eine gute Pizza bekommt. Auf andere Unternehmen übertragen: Es wird immens wichtig werden, die Bedürfnisse der Kunden und Mitarbeiter erstens zu erkennen und zweitens Lösungen zu entwickeln, diese zufriedenzustellen. Dafür benötigt man Empathie und Kreativität. Und daher sind diese beiden Faktoren entscheidend, um in den kommenden Jahren eine gute Karriere zu machen. Gilt das auch für Jobs in Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaften? Oder fürs Controlling? Ja, klar. Auch hier erhält die Arbeit eine zusätzliche kreative Dimension, wenn der Mitarbeiter die Zahlen nicht nur einlesen und auswerten lässt und dann an den Kunden oder den Kollegen weitergibt. Interessant wird es doch in dem Moment, wenn ich die Big Data-Kompetenzen des Systems nutze und spielerisch sowie kreativ nach Möglichkeiten suche, wie sich zum Beispiel ein Problem mit der Liquidität anders lösen lässt, als es bislang üblich war. Zum Beispiel eine Alternative zur Aufnahme eines Kredits entwickeln, vielleicht eine Ausgründung andenken oder eine Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen. Um es kurz zu sagen: Die Daten sind die Grundlage, die Lösung ist kreativ. Und weil es schon bald so sein wird, dass alle Unternehmen nahezu über die gleiche Datengrundlage verfügen, wird das, was ich kreativ daraus mache, zum Erfolgsfaktor. Was auch dazu führt, dass Kreativität nicht mehr so sehr von Hierarchien abhängt: Jeder soll und kann Ideen einbringen.
Empathie und Kreativität sind die beiden entscheidenden Faktoren, um in den kommenden Jahren eine gute Karriere zu machen.
Schließen sich Hierarchie und Kreativität aus? Nicht unbedingt, denn wenn eine Idee im Raum ist, also Kreativität stattgefunden hat, dann braucht es einen Weg, um die besten Ideen herauszufiltern und diese anschließend nutzbar zu machen. Um es konkret zu machen: Angenommen, wir arbeiten an einer Strategie für einen großen Autohersteller, für die vier Teams parallel Ideen entwickeln. Da liegen dann 20 Entwürfe auf dem Tisch, und nun benötigen wir schon eine hierarchische Ebene, die entscheidet, welche fünf weiterverfolgt werden und welche eine Idee dann dem Kunden vorgeschlagen wird. Gut, man kann darüber auch abstimmen, aber auch ein kluger Chef, der die Entscheidung trifft, macht damit nicht die Kreativität zunichte. Der Filmregisseur Rainer Werner Fassbinder hat am Ende auch alle künstlerischen Entscheidungen gefällt – und das Ergebnis war dennoch durchaus kreativ. (lacht) Wobei Unternehmen schon anders funktionieren sollten als Filmsets in den 1970er-Jahren. Auf jeden Fall. Entscheidend ist, dass jeder für sich erkennt, dass seine Kreativität gefragt ist. Und dass man diesen Freiraum nutzt. Ein Beispiel, vor vielen Jahren ist ein kreativer Mensch in einem Bahnhof unterwegs gewesen und hat gesehen, wie sich die Reisenden an ihren Koffern abgeschleppt haben. Beim fünften schwitzenden Mann, der ihm entgegenkam, dachte er sich vielleicht: Muss das wirklich sein, dass alle diese schweren Koffer tragen? Kurz danach erfand er den Trolley, also einen Koffer mit Rollen, den man ziehen kann und nicht mehr schleppen muss. Was ich damit sagen will: Jeder, der etwas sieht, das nach Änderung schreit, kann diese anstoßen. Wie können Unternehmen Ihre Mitarbeiter dazu bringen? Es muss eine Kultur der Ermunterung geben. In unserer Agenturgruppe sagen wir ganz klar, dass die Ideen nicht nur von den Kreativdirektoren kommen sollen und dass es keinen Bereich gibt, in dem man nicht auch kreativ arbeiten kann, sei es im Office-Management, in der Markenerlebnis- Agentur, bei den Healthcare- Spezialisten oder eben auch in der Finanz-Abteilung. Wichtig ist dabei, dass Ideen auch dann in den Raum geworfen werden, wenn sie noch nicht von allen Ecken beleuchtet worden sind. Oft zeigt das direkte Feedback den Wert einer Idee, deshalb sollte man sich nicht scheuen, sie zu teilen. Oft entsteht dann eine Art Pingpong- Spiel: Jemand wirft die Idee rein, jemand anders reagiert darauf und sagt, prinzipiell super – aber nicht so. Dann geht es hin und her, man spinnt weiter herum, prüft, rechnet durch, stachelt sich gegenseitig an – und bringt die Lösung am Ende auf ein ganz neues Level – genau das ist Kreativität, die am Ende wirtschaftliche Erfolge bringt!

Cover Kreativiert Euch„Kreativiert euch! Damit Deutschland wieder genial wird“

Zusammen mit seinen Hirschen- Kompagnons Marcel Loko und Martin Blach fordert Bernd Heusinger in dem Buch „Kreativiert euch!“ eine Kreativitätswende für die gesamte Gesellschaft. Die Autoren zeigen auf, dass Kreativität die beste Antwort auf den Siegeszug der Künstlichen Intelligenz ist. Eine der Kernforderungen des Buches: die Einführung von Kreativitätsunterricht an den Schulen und eines Kreativministeriums in der Regierung. Bernd Heusinger, Marcel Loko, Martin Blach: Kreativiert euch! Damit Deutschland wieder genial wird. Europaverlag 2018. 20 Euro Jetzt kaufen bei Amazon

Digitalisierung gestalten

Die Branche des Wirtschaftsprüfers ist dynamisch und vielseitig, dabei bietet sie ein attraktives Arbeitsfeld für Berufseinsteiger. Wirtschaftswissenschaftlern eröffnen sich gute Chancen: Das gilt besonders für diejenigen, die das Potential der Digitalisierung erkennen und die Trends überblicken. Elisa Maifeld

Digitalisierung ist für die Handelsbranche von entscheidender Bedeutung. Damit die Transformation gelingt, braucht es kreative Köpfe. Eine Studie des Digitalverbands Bitkom zeigt: 66 Prozent der Handelsunternehmen betrachten die Digitalisierung als große Herausforderung, 55 Prozent haben Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das bedeutet konkret: Hochschulabsolventen, die digitales Knowhow mitbringen, werden dringend gesucht. Besonders hilfreich ist es für Berufseinsteiger, die wichtigsten Trends zu kennen. In der Studie „The top retail technology investments in 2018“ zeigt das US-Marktforschungsunternehmen Forrester diese auf und analysiert, in welche Technologien die Handelsunternehmen investieren.

Drängende Kernthemen – das ist „hot“:

Der Schlüssel zum Erfolg, so Forrester, liegt neben der Künstlichen Intelligenz und Machine Learning sowie Analytics vor allem auf Omni-Channel, Digitale Stores und Personalisierung. Wer diese Prioritäten identifiziert, verbindet und kontextualisiert, kann eine erfolgreiche Strategie entwickeln, um die einzelnen Schritte der digitalen Interaktion genussvoll zu gestalten. Das E-Commerce- Versandhaus für Möbel und Accesoires Wayfair punktet beispielsweise mit einer App, die die Produkte maßstabgetreu in den eigenen vier Wänden abbildet.

Wichtige Themen und Nischen – das ist „auf dem Radar“:

Die befragten Unternehmen nehmen Kundenwünsche wie etwa Lieferung am gleichen Tag, Personalisierung und digitale Ansprache ernst und sind nach ihrer Einschätzung auch gut aufgestellt. Auf dem Radar sind darüber hinaus auch Themenfelder rund um automatisierte Kassen, Chatbots, Abo-Services und erfahrbare (physische) Schauplätze. In Zukunft könnten sie noch wichtiger werden, so die Einschätzung.

Interessante Themen, die aber noch nicht beim Kunden angekommen sind – das ist „Hype“:

Dem Internet of Things (IoT) und Virtual/ Augmented Reality wird weniger Gewicht beigemessen. Zwar sind die Macher bereit, herausstellen muss sich aber noch der Wert für die Konsumenten beziehungsweise was eher als Spielerei durchgeht. Weniger Investitionen sind darüber hinaus eingeplant für Marktplätze, progressive Web-Apps und Conversational Commerce, also die Verwendung von Messaging-Diensten und Chats.

Schritt für Schritt zum Wirtschaftsprüfer

Das Berufsfeld des Wirtschaftsprüfers bietet attraktive Aufgaben und genießt hohes Ansehen. Wer in die Branche einsteigen will, kann auf verschiedenen Wegen zum Ziel gelangen. Wir geben eine Übersicht. Kerstin Neurohr

Schritt 1: Studium.

Es ist kein bestimmter Studiengang vorgeschrieben, umfassendes betriebswirtschaftliches Wissen ist allerdings erforderlich. Rund 85 Prozent aller heute praktizierenden Wirtschaftsprüfer besitzen einen wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss, und auch weiterhin haben BWL-Studierende die Nase vorn. Aber auch Volkswirtschaftler, Juristen oder ITler sind gefragt. Außerdem gibt es spezielle Masterstudiengänge nach § 8a WPO, die eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung mit hohem Praxisbezug bieten, derzeit an sieben Hochschulen in Deutschland.

Schritt 2: Berufspraxis.

Nach dem Studium gilt es, Praxisluft zu schnuppern: bei einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wer den Bachelor in der Tasche hat, benötigt vier Jahre Berufspraxis, bei einem abgeschlossenen Masterstudium verkürzt sich diese Zeit auf drei Jahre. Und es gilt nachzuweisen, dass man an Abschlussprüfungen teilgenommen und an der Abfassung der Prüfungsberichte mitgewirkt hat.

Schritt 3: Das Examen.

Zuerst stehen schriftliche Prüfungen an: In wirtschaftlichem Prüfungswesen, BWL/VWL, Steuerrecht und Wirtschaftsrecht. Dann folgt die mündliche Prüfung. Auf die zwei Steuerrechtsklausuren kann verzichtet werden. Wer das Steuerberaterexamen bestanden hat, muss weniger Klausuren schreiben.

Masterstudiengänge nach § 8a WPO

Frankfurt School of Finance & Management/Fachhochschule Mainz Master in Auditing (M.Sc.) Europäische Fernhochschule Hamburg Masterstudiengang Taxation, Accounting, Finance (M.Acc.) Leuphana Universität Lüneburg Master in Auditing (M.A.) Mannheim Business School gGmbHMannheim Master of Accounting & Taxation Fachhochschule Münster/Fachhochschule Osnabrück Masterstudiengang Auditing, Finance and Taxation ASBM Accounting School Bochum/Münster Standort Düsseldorf und Bochum/Münster Masterstudiengang Accounting and Auditing

Übersicht Studiengänge

Einen vollständigen Überblick geben Broschüren der Wirtschaftsprüferkammer, die jedes Semester neu aufgelegt werden. Sie können kostenlos heruntergeladen werden: www.wpk.de/nachwuchs/examen/hochschulen

Emotionale Intelligenz lässt sich trainieren

Was ist eigentlich emotionale Intelligenz? Und warum ist sie so wichtig für den späteren Beruf? Das erklärt Irina Bosley in einem Gastbeitrag. Die Diplom-Ingenieur-Mathematikerin, Softwareentwicklerin und Autorin von Rätsel-, IQ- und EQ-Aufgaben hat einen Ratgeber zur emotionalen Intelligenz geschrieben.

Vereinfacht gesagt wird emotionale Intelligenz oder die Intelligenz der Gefühle als die Fähigkeit verstanden, die eigenen Emotionen zu erkennen, die Gefühle zu managen, sich selbst zu motivieren und sich in andere hineinzuversetzen. Den Begriff hat der amerikanische Psychologe Daniel Goleman in den 90er-Jahren populär gemacht. Mit der emotionalen Intelligenz beschreibt er Fähigkeiten und Kompetenzen wie Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung, Motivation, Empathie und soziale Fertigkeiten. Während die kognitive Intelligenz (IQ) zu circa 50 bis 80 Prozent durch unsere Gene bedingt ist, ist die Erblichkeit der emotionalen Intelligenz umstritten. Sie nimmt im Laufe des Lebens ständig zu, weil Menschen aus ihren Erfahrungen lernen und neue Kompetenzen erwerben. Emotionale Intelligenz wirkt sich positiv auf den privaten und beruflichen Bereich aus. Laut einer Umfrage einer internationalen Online-Stellenbörse ist für 71 Prozent der Arbeitgeber die emotionale Intelligenz wichtiger als ein hoher IQ. Emotional intelligente Menschen sind hochgeschätzt, weil sie dazu in der Lage sind, durchdachte Entscheidungen zu fällen, Konflikte konstruktiv zu lösen sowie mit Stresssituationen umzugehen. Sie können gut zuhören und akzeptieren Menschen so, wie sie sind. Dadurch sind sie meist sehr beliebt und pflegen tiefgehende Beziehungen und Freundschaften. Vor allem Führungskräfte sollten ihre emotionale Intelligenz trainieren. Aber prinzipiell kommt jeder im Job besser klar, wenn er seine eigenen Emotionen gut wahrnehmen kann. Denn Gefühle haben auch immer etwas mit einer Beziehung zu anderen Menschen zu tun. Wer seine eigenen Gefühle sensibilisiert, hat auch eine Chance, die Gefühle anderer Menschen zu bemerken. Inwieweit man seine Gefühle kontrolliert oder ihnen freien Lauf lässt, ist ein Lernprozess und ein Ausprobieren von Grenzen.

Für alle, die ihre emotionale Intelligenz trainieren möchten.

Cover Emotionale IntelligenzIrina Bosley, Erich Kasten: Emotionale Intelligenz. Ein Ratgeber mit Übungsaufgaben für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Springer Verlag 2018. 19,99 Euro Jetzt kaufen bei Amazon
Die Hochschule ist der perfekte Ort um verschiedene Menschen kennenzulernen. Viele Studenten ziehen in WGs, geben Partys, engagieren sich in Studenteninitiativen, finden sich zu Arbeitsgruppen zusammen, treffen sich beim Unisport – und kommen so in Kontakt mit ihren Kommilitonen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, sich mit den Themen zu beschäftigen, die andere Menschen bewegen, und viel über die menschliche Psyche zu lernen. So entdeckt man sich und andere. Weil Soft Skills bei Bewerbern immer gefragter sind und beruflicher Erfolg nicht allein auf Fachkompetenz basiert ist, spielt emotionale Intelligenz auch im Vorstellungsgespräch eine immer größere Rolle. Die Personaler testen oft den EQ der Bewerber mit gezielten Fragen nach langfristigen beruflichen Zielen, nach inspirierenden Persönlichkeiten, nach motivierenden Aktivitäten oder nach eigenen Stärken und Schwächen.

Business-Smoothie

SCHLÜSSEL ZUM BERUFLICHEN GLÜCK

Cover Ich bin so freiWeiter, immer weiter dreht man sich im Joballtag. Auch Emilio Galli Zugaro und Jannike Stöhr ging das jahrelang so – dann haben sie ihren Job hingeschmissen. Obwohl er auf dem Höhepunkt seiner internationalen Karriere stand und sie sich ab Mitte 20 eine solide Zukunftsperspektive erarbeitet hatte. Er begann von vorne, sie probierte 30 Jobs in einem Jahr aus. Ihre Erkenntnis: Verschiedene Wege führen zu einem selbstbestimmten Handeln, einem Motivationsschub und einer besseren Performance – und somit zu einem ausgeglichenen Berufsleben mit einem Job, der glücklich macht. Emilio Galli Zugaro, Jannike Stöhr: Ich bin so frei. Raus aus dem Hamsterrad – rein in den richtigen Job. Ariston 2018. 17,00 Euro. Auch als E-Book erhältlich! Jetzt kaufen bei Amazon

BEST OF: 99 AKTUELLE WIRTSCHAFTSBÜCHER

Rund 8.000 Wirtschaftsbücher erscheinen pro Jahr! Wer behält da bitteschön noch den Überblick? Die Bestsellerautoren und Managementvordenker Anja Förster und Pete Kreuz nehmen diese Challenge an – subjektiv, aber aus Überzeugung. Einfach in den Newsletter eintragen und auf dem Laufenden bleiben über die ausgewählten Neuerscheinungen zu Marketing, Management, Digitalisierung, Veränderung, Karriere oder Strategie. beste-wirtschaftsbuecher.com /// foerster-kreuz.com

MIT AGILITÄT UND MENSCHLICHKEIT DURCH DIE DIGITALE EVOLUTION

Cover New WorkStatt auf der Welle der angstmachenden Disruptivität zu reiten, verleiht Michael Hüblers New-Work-Konzept agilen Strategien ein menschliches Antlitz zum Wohle aller – der Organisation, Kunden, Führungskräfte und Mitarbeiter. Michael Hübler: New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil. Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen. Metropolitan 2018. 29,95 Euro

UNSER KINOTIPP: „DER KLANG DER STIMME“ AB NOVEMBER

Foto: mindjazz pictures
Foto: mindjazz pictures
„Man möchte am liebsten auch gleich in den Wald schreien gehen“, urteilt die Schweizer Presse Zentralplus. „Der Klang der Stimme“ von mindjazz picutres begleitet vier Menschen, die mit Leidenschaft die Grenzen der menschlichen Stimme ausloten. Sopranistin Regula Mühlemann etwa sucht den perfekten 360 Grad rundum Klang. Stimmtherapeutin Miriam Helle, Stimmforscher Matthias Echternach, Jazz Sänger Andreas Schaerer erforschen weitere Geheimsnisse der Stimme. http://derklangderstimme.de

MORAL DER MANAGER

Cover Business Ethics 3.0Der Ruf vieler Geschäftsführer leidet, weil sie moralische Entscheidungen und ethische Praxis missachten, stellt der ehemalige Top-Manager Prof. Dr. Erhard Meyer-Galow fest. In seinem Lehrbuch beschäftigt er sich mit Business-Ethik – einer Mischung aus Tiefenpsychologie, geistiger Weisheit, Meditation und Quantenphysik. Darin gibt der Autor Anstöße, wie erfolgreich und zukunftsfähig gewirtschaftet werden kann. Erhard Meyer-Galow: Business Ethics 3.0. The New Integral Ethics from the Perspective of a CEO. De Gruyter Oldenburg 2018. 29,95 Euro in englischer Sprache. Auch als E-Book erhältlich! Jetzt kaufen bei Amazon

STARTEN – GRÜNDEN – WACHSEN

Logo DIE INITIALEDie Messe DIE INITIALE findet am 5. Oktober in Dortmund statt und richtet sich an Start-ups und Gründer mit Wachstumsambitionen. Sie vermittelt Informationen zu Themen wie Gründung, Finanzierung, Franchising, Übernahmen oder Unternehmensnachfolge. Darüber hinaus bietet sie Raum, das berufliche Netzwerk zu erweitern. An Messeständen und bei Fachvorträgen gibt es wertvolle Tipps, in Workshops können Besucher ihr Wissen vertiefen und praktisch anwenden. www.die-initiale.de

APP: WÖHE FÜR UNTERWEGS

Der „Wöhe“ ist nicht nur das führende Standardwerk zur Betriebswirtschaftslehre, sondern unterstützt Studierende auch mit diversen kostenlosen Apps. Wer mit Lernkarten oder beim Quiz sein Wissen auffrischen oder wichtige Formeln schnell zur Hand haben will, sollte sich auf dem Portal des Lehrbuchs umsehen. www.woehe-portal.de/app

#OTWTNW: DER PODCAST AM MONTAGMORGEN

Zwei Unternehmer aus Hamburg. Eine Reise nach New York. Unterwegs kam Michael Trautmann und Christoph Magnussen die Idee, ein Buch zu verfassen; darüber wie sie in Zukunft arbeiten wollen und dabei neue Tools und Methoden nutzen können. Enstanden ist darüber hinaus auch ihr Podcast „On the Way to NEW WORK“. Seit Mai 2017 kommt jeden Montagmorgen eine neue Folge auf Spotify, iTunes und Soundcloud raus. www.onthewaytonewwork.com

THE SCHOOL OF LIFE

Foto: Katharina Nobis / The School Of Life
Foto: Katharina Nobis / The School Of Life
Ein Ort, an dem man das lernen kann, was man in Universitäten nicht lernt: ein gutes und erfülltes Leben zu führen. Das ist die School of Life. Dafür bedient sie sich – frei von Ideologien und Dogmen – hilfreicher Ideen aus 3000 Jahren Kulturgeschichte: aus Philosophie, Psychologie, Psychoanalyse, Literatur und Kunst. Gegründet von Philosoph und Bestsellerautor Alain de Botton in London, nun auch in Berlin und elf anderen Städten rund um den Globus, fruchtet das Konzept aus Seminaren, YouTube-Videos, Büchern, einer App für Gleichgesinnte zum Kennenlernen und mehr. www.theschooloflife.com

Unser Redaktionstipp:

Cover TraumjobDer neue Ratgeber aus der Reihe! Alain de Botton: Traumjob. Von der Berufung zum Beruf. The School of Life/Süddeutsche Zeitung Edition 2018. 18 Euro Jetzt kaufen bei Amazon

Duftmarketing – wenn man sich gut riechen kann

Robert Müller-Grünow hat BWL studiert und ist direkt nach dem Examen 1997 mit aerome gestartet, aus dem 2003 sein Unternehmen Scentcommunication hervorging. Sein Metier: Duft-Marketing. Seine Erkenntnis: Marken stärken ihr Image durch Wiedererkennung und eine emotionale Bindung an den Kunden – und das gelingt ganz sprichwörtlich, wenn „man sich gut riechen kann“. Die Fragen stellte Elisa Maifeld. Herr Müller-Grünow, wenn Sie an Ihr Studium an der WISO-Fakultät denken, welcher Geruch kommt Ihnen da in den Sinn? Sicher der Duft der älteren Hörsäle, mit wenig Sauerstoff. Und natürlich der E-Raum, eine Cafeteria im Erdgeschoss des Hauptgebäudes. Sie helfen Unternehmen und Marken, das eigene Profil mit einem einzigartigen Duft zu stärken. Wie können wir uns das vorstellen? Menschen nehmen immer mit allen Sinnen wahr und steuern entsprechend ihre Wahrnehmung, die Bewertung von Produkten, Räumen, Menschen. Duft ist der einzige nicht rational filterbare Sinnesreiz – er wirkt unmittelbar und extrem nachhaltig. Deshalb sehen wir Duft als Kommunikationsmedium, das gezielt eingesetzt werden kann. Wenn Marken ein Logo und eine eigene Markenpersönlichkeit haben, werden diese in der Regel unter dem Einfluss zufällig vorhandener Gerüche wahrgenommen. Wir verändern Duftprofile so, dass die Kommunikation über alle Sinnesreize einheitlich wirkt.
Versteht man Duft als gleichwertiges Kommunikationsmedium, muss dieser präzise steuerbar sein – so wie Bild und Ton.
Heißt konkret? Wir übersetzen Markenwerte und bestimmte Attribute vor dem Hintergrund der Einsatzszenarien: Wo wird der Duft in welchem Zusammenhang erlebt? Außerdem analysieren wir die Zielgruppen und nehmen Bezug auf ihre Assoziationen. Denn diese sind erlernt und bestimmt durch persönliche Erfahrungen und kulturellen Kontext – somit können sie sehr unterschiedlich sein. Die Telekom sollte also beispielsweise unter anderem „Magenta“ riechen, eine Großbank zum Beispiel „transparent“. Sie haben viele Großkunden – Finanzdienstleister, Kosmetikhersteller oder die Deutsche Bahn. Vor welche Herausforderungen stellen Sie so unterschiedliche Unternehmen? Versteht man Duft als gleichwertiges Kommunikationsmedium, muss dieser präzise steuerbar sein – so wie Bild und Ton. Das ist in den verschiedenen Szenarien jeweils nur mit bestimmten Technologien möglich. Dies betrifft die technische Seite. „Den richtigen Riecher haben“ – kann man das trainieren? Ja, das eigene Riechen kann man gut trainieren. Das geht ganz einfach indem man am besten „blind“ alltägliche Dinge erkennt und beschreibt – dabei muss man die gleichen Dinge so lange riechen, bis man immer richtig liegt.

Buchtipp

Cover Die geheime Macht der DuefteRobert Müller-Grünow mit Olaf Köhne, Peter Käfferlein: Die geheime Macht der Düfte. Warum wir unserem Geruchssinn mehr vertrauen sollten. Edel 2018. 17,95 Euro. Auch als E-Book erhältlich! Jetzt kaufen bei Amazon In seinem Buch „Die geheime Macht der Düfte“ erklärt er, warum wir unserem Geruchssinn mehr vertrauen sollten und wie Düfte Entscheidungen beeinflussen. Mehr unter: scentcommunication.com
Gibt es einen Duft für effektiveres Lernen und Arbeiten, etwa für Studierende? Es gibt Düfte, die direkt auf die Neurotransmitter wirken und die Konzentration fördern. Insbesondere Zitrusdüfte gehören dazu. Duft-Marketing ist kein klassisches Thema im Lehrplan der Uni. Wie hat sich also Ihre Geschäftsidee entwickelt? Das kam durch einen Zufall – ein Freund hat Rechte an einem Patent erworben, das die Idee von Duftkino beschrieb. Und mit dieser Idee sind wir gestartet und haben ein Unternehmen gegründet. Hat das BWL-Studium Sie auf die Unternehmensführung vorbereitet? Geschadet hat es sicherlich nicht, um Grundlagen zur Unternehmensführung kennenzulernen. Gerade die Breite der Fächer, von rechtlichen Grundlagen über Kosten-Leistungsrechnung, Marketing bis hin zu Steuern, hilft.

karriereführer recht 2.2018 – Rechtsberatung bleibt People Business

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Individualität, Empathie und Legal-Tech: Rechtsberatung bleibt People Business

Unser Zeitalter ist von Automatisierungen und Effiziensteigerungen gekennzeichnet. Die Digitalisierung macht dies möglich. Auch die Welt des Rechts hat sich dieser Herausforderung zu stellen. Und doch erfährt der Anwalt als Mensch in dieser digitalen Welt eine regelrechte Renaissance. Denn für die Königsdisziplin, die Wirtschaftsberatung, stellt sich immer mehr heraus, dass sie sich zwar duch Technik ergänzen, aber nicht ersetzen lässt: Sie ist People Business.

Think Human!

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In Kanzleien versprechen Legal Tech-Lösungen mehr Effektivität, zudem das Ende der mühsamen Routinearbeit. Ein Leitsatz sagt: Alles, was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert. Experten sagen: Mag stimmen – aber die persönliche Rechtsberatung zählt eben nicht dazu. Deshalb suchen die Kanzleien nach Nachwuchs, der beides hat: digitales Denken und die Empathie eines Beraters. Von André Boße

Legal Tech ist in vielen Kanzleien und Rechtsabteilungen keine Zukunftsmusik mehr, digitale Prozesse gehören an vielen Stellen zum Alltag. „Digitale Vertragsakten, intelligente Compliance- Management-Systeme und innovative Enterprise-Legal-Management- Lösungen sind praxiserprobte Hilfsmittel“, heißt es in der Studie „Legal Technology 2018“, die vom Software- Dienstleister Wolters Kluwer erstellt und herausgegeben wurde. Mit Blick auf die Rechtsabteilungen in Unternehmen machen die Autoren deutlich, welche Hoffnungen man dort auf Legal Tech-Lösungen setzt: „Die obersten Ziele, die mit der Einführung von Legal Technology in der Rechtsabteilung verfolgt werden, sind die Optimierung von Arbeitsabläufen (42,52 Prozent) und Kosten (23,95 Prozent)“, schreiben die Autoren Ralph Vonderstein und Marc Morawietz. Kurz: Es geht um Effizienz.

Legal Tech optimiert

Aber auch in der Königsdisziplin der anwaltlichen Arbeit, nämlich der Rechtsberatung, geraten digitale Lösungen mehr und mehr in den Fokus. „Roboter oder auf künstlicher Intelligenz basierende IT-Lösungen werden Anwälte in absehbarer Zukunft nicht ersetzen. Aber sie werden gerade in der Beratung mehr als nur Routineaufgaben für sie erledigen können“, schreiben die Autoren. Dazu nennen sie drei Beispiele:

Legal Tech in Rechtsabteilungen

Über 70 Prozent der Rechtsabteilungen in deutschen Unternehmen halten die Einführung von Legal Technology für unverzichtbar, doch nur drei Prozent arbeiten bereits strategisch an und mit entsprechenden Lösungen. Das ergab die repräsentative Studie „Legal Technology 2018“, die Wolters Kluwer Deutschland und Corporate Legal Insights (CLI) durchgeführt haben. Die größte Herausforderung wird in funktionsfähigen und sicheren Datenschnittstellen gesehen. Jeder fünfte Befragte erwartet, dass neue Arbeitsabläufe und ein höherer Weiterbildungsaufwand der Juristen im Hinblick auf IT-Themen erforderlich werden. Weitere Infos unter: www.wolterskluwer.de
Eine Distributed Ledger Technologie (DLT), die in Form der Blockchain der Kryptowährung Bitcoin zugrunde liegt, „könnte aufwendige Verifizierungen und Authentifizierungen im Vertrags- und Immobilienrecht überflüssig machen.“ Sogenannte Chatbots beantworteten schon heute einfache Fragestellungen in klar umrissenen juristischen Bereichen. „In Zukunft könnten sie Anwälte und Mandanten auch bei komplexeren Fragen unterstützen.“ Zudem befinden sich laut der beiden Studienautoren „eine Reihe von Projekten in der Erprobung, die künstliche Intelligenz mit juristischem Wissen verknüpfen.“ Von einigen wenigen Kanzleien würden diese bereits heute gezielt eingesetzt. Blockchain? Chatbots? Das klingt selbst für recht IT-affine Juristen mit Blick auf den Anwaltsberuf dann doch noch eher nach Zukunft. Wie soll es da erst den Mandanten gehen, die häufig mit komplexen und individuellen Problemen in die Kanzleien kommen und sich von ihrem anwaltlichen Berater erhoffen, dass er die Komplexität reduziert – und nicht noch eine komplizierte Ebene mit digitalen Fachbegriffen obendrauf packt? Beraten heißt: Bewerten und überzeugen Nicht verwunderlich, dass es bereits jetzt eine erste kleinere Bewegung gibt, die Legal Tech eine Art Renaissance der persönlichen anwaltlichen Beratung entgegensetzt. Klar, smarte IT-Lösungen und intensives Mandantengespräch schließen sich nicht aus. Jedoch legen die Kanzleien in ihrer Ansprache zu den Mandanten, aber auch im Recruiting junger Nachwuchskräfte Wert darauf, dass das individuelle und menschliche Element der Beratung an erster Stelle steht. „Beratung heißt immer auch: Bewerten und überzeugen“, sagt Dr. Joachim Gores, Partner der Wirtschaftskanzlei Kümmerlein in Essen. Der Jurist arbeitet als Rechtsanwalt und Notar vor allem in den Bereichen Gesellschaftsrecht und M&A. Und seit vielen Jahren ist er mit einem Team für das Recruiting der Kanzlei verantwortlich. Seiner Einschätzung nach gehe es im Wirtschaftsrecht um mehr als um die technische Informationsverarbeitung und die Bewältigung großer Datenmengen. „Legal Tech beruht auf Algorithmen und darauf, was Menschen vorher anhand logischer Muster hinterlegt haben. Die Einschätzung und Bewertung eines erfahrenen Beraters kann man damit nicht ersetzen, sondern nur unterstützen und ergänzen.“

Blockchain: viele Fragen offen

Als Blockchain bezeichnet man eine Art digitales Kassenbuch, mit der jede Transaktion zwischen Parteien transparent erfasst und mit jedem Detail gespeichert wird. Offen und unvergesslich: Die Technik eignet sich in der Theorie damit für einen weltweiten, schnellen und unkomplizierten Austausch von Werten. Auch „Smart Contracts“ sind ein Thema, also Verträge, die keinen Notar mehr benötigen. Die Unternehmensberatung KPMG hat nun aber festgestellt, dass diese Technik juristisch auf wackeligen Beinen steht: „Derzeit sind fast alle juristischen Fragen im Hinblick auf die regulatorische Einordnung offen“, heißt es in einem Infopapier. „So könnte beispielsweise eine Erlaubnispflicht bestehen, wenn der Handel mit Finanzinstrumenten oder das Erbringen von Zahlungsdiensten auf Grundlage der Blockchain-Technologie erfolgt. Auch die Frage der Haftung muss geklärt werden.“ kpmg-law.de
Joachim Gores glaubt auch nicht, dass die Mandanten einer Wirtschaftskanzlei alleine diesen Algorithmen genügend Vertrauen entgegenbringen, um daraufhin Handlungen abzuleiten. „Dass ein Unternehmer seine Entscheidung letztlich aufgrund des ‚Austauschs’ mit einem technischen System fällt, ist kaum vorstellbar.“ Der Wirtschaftsanwalt ist überzeugt: „Um Handlungsalternativen darzustellen, Chancen und Risiken abzuwägen und Reaktionen auf das eigene unternehmerische Handeln einzuschätzen, ist die persönliche Kommunikation unabdingbar.“

Legal Tech-Labore in Kanzleien

Das ist auch der Grund, warum in vielen Kanzleien Legal Tech-Anwendungen zunächst nur intern eine Rolle spielen – also, um Arbeitsprozesse in den Sozietäten neu zu organisieren. Das ist auch bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Pinsent Masons der Fall. Dr. Florian von Baum ist dort seit 2012 Partner, seit 2016 leitet er das Büro München und hat sich auf die Beratung von Unternehmen im Bereich IT/Software, Telekommunikation, Automotive sowie Biotech/Life Sciences spezialisiert. Das sind Mandanten aus hochtechnologischen Branchen. Aktuell bestimmen seinen Arbeitsalltag „noch mehr unsere internen Legal-Tech-Anwendungen, dies aber in zunehmendem Maße“. In der Zukunft werde es seiner Meinung aber schon auch darum gehen, entsprechende Legal Tech-Produkte für Mandanten zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. „Wir stellen uns dabei die Frage, wie weit wir solche Dinge intern entwickeln – in Großbritannien haben wir dafür ein Entwicklungszentrum – oder ob wir auf Kooperation mit Dritten setzen.“ Es ist also möglich, dass innerhalb der Kanzleien in naher Zukunft Labore entstehen, in denen IT-Experten und Juristen gemeinsam an Legal Tech- Lösungen für Mandanten arbeiten. Aber gerade dann sei es wichtig, dass das Thema Legal Tech nicht zu isoliert betrachtet werde: Ausrichten müsse sich die Strategie an den „Kategorien ‚People, Process & Technology’“, sagt Florian von Baum. Zu beachten ist die Reihenfolge: Vorne stehen die Menschen, erst dann folgen der Prozess und die Technologie. „Wenn man es positiv sehen will, werden die externen – wie übrigens auch die unternehmensinternen – Rechtsberater von vielen, oftmals lästigen und zeitaufwendigen Arbeiten entlastet“, sagt Florian von Baum. „Und das bedeutet, dass sich der Anwalt wieder mehr um die eigentlich wichtige strategische und persönliche Beratung kümmern kann.“

Consulting Tech & Legal Tech

Die Nachfrage nach einer strategischen und digitalen Beratung für Kanzleien und auch Rechtsabteilungen in Unternehmen steigt, schließlich müssen die Akteure einen Weg finden, wie digitale Lösungen in das People’s Business eingefügt werden können. Der Buchautor Matthias Buchholz glaubt, dass dadurch ganz neue Job-Profile für externe und interne Berater entstehen. Zusammengefasst hat er sie in seinem E-Book: „Consulting Tech & Legal Tech – Geld verdienen als Experte im digitalen Zeitalter“, in dem er sehr konkret zwölf Consulting 4.0-Geschäftsmodelle benennt, insbesondere auch mit Fokus auf die digitale Transformation in Kanzleien. Matthias Buchholz: Consulting Tech & Legal Tech – Geld verdienen als Experte im digitalen Zeitalter. Epubli 2017, 7,99 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon
Betrachten müsse man aber auch, dass das hergebrachte Geschäftsmodell von Kanzleien, nämlich auf Basis von „Zeiteinheiten“ abzurechnen, nicht mehr funktionieren wird, wenn Algorithmen Teile dieser Jobs erledigen. Der Jurist glaubt daher, dass sich die Struktur der Angebote der Kanzleien ändern wird. „Wir werden neben der eigentlichen Beratung vielmehr in Produktkategorien denken müssen. Das verlangt vom Anwalt neben dem rechtlichen und technischen Know-how noch mehr betriebswirtschaftliche Expertise“.

Job zwischen IT-Expertise und People Business

Für den juristischen Nachwuchs in den Kanzleien ergibt sich dadurch eine besondere Konstellation: Zum einen zählen sie zu den Hoffnungsträgern, um Legal Tech weiter voranzubringen, oft in sehr enger Kooperation mit IT-Experten – und dann eben auch noch mit der ökonomischen Dimension im Hinterkopf. Auf der anderen Seite müssen sie der Strategie gerecht werden, nach der anwaltliche Beratung ein „People Business“ bleibt. Ein schwieriger Spagat! Was die digitale Kompetenz betrifft, beobachtet Florian von Baum durchaus einen Wissensvorsprung der jüngeren Generation, der sich schon alleine aus den Erfahrungen in der Lebenswelt ergibt. Er selbst, zugelassener Rechtsanwalt seit 1996, nennt sich im Gegensatz zu den „Digtal Natives“ einen „Digital Immigrant“: „Daher kostet mich die Übung, ‚up to date’ zu bleiben ein bisschen mehr Anstrengung.“ Weshalb das IT-Recht gerade für die neue Generation von Anwälten ein so spannendes Thema sei. „Und was ich jedem nur empfehlen kann: regelmäßig ins Silicon Valley fahren und dort ein Netzwerk aufbauen.“ Aber wie führt man den technikbegeisterten Nachwuchs an die persönliche Beratung heran, ohne, dass er dabei die Motivation verliert, digitale Ideen immer auf dem Schirm zu haben? Joachim Gores von Kümmerlein setzt vor allem auf eines: Praxiserfahrung. „Wir lassen unsere jungen Anwältinnen und Anwälte im Mandat unmittelbar erleben, welche Facetten zu einer wirtschaftsrechtlichen Beratung gehören“, sagt der fürs Recruiting verantwortliche Partner. Wer zum Beispiel vom Anfang bis zum Ende in einem M&A-Projekt mitgearbeitet habe, könne nach kurzer Zeit einschätzen, welchen Teil der Arbeit vielleicht von Legal Tech erledigt werden könnte – und welcher eben nicht. „Zum anderen engagieren wir erfahrene Kommunikationsprofis für interne Schulungen, die zusammen mit den jungen Kollegen persönliche Fähigkeiten ansprechen, die für den Beraterberuf unabdingbar sind.“ Und wo genau können künstliche Intelligenz und Big Data nun helfen? „Legal Tech wird bei der Bearbeitung von Massenverfahren und standardisierungsfähigen Vorgängen viel leisten können“, sagt Joachim Gores. Auch bei der Bereitstellung von intelligenten Vertragsmustern sehe er einiges Potential, zudem „bei der Unterstützung operativer Einheiten, wenn Aufgaben mit juristischem Bezug ohne Einschaltung der Rechtsabteilung gelöst werden sollen“.

Anwaltsberuf: Zu komplex für die KI

Legal Tech: neue Geschäftsmodelle

Bestimmte Rechtsbereiche bieten sich geradezu an, sehr stark auf Legal Tech-Lösungen zu setzen. Zum Beispiel die Frage nach den Rechten von Flugpassagieren bei verspäteten oder ausgefallenen Flüge. Hier gibt es bereits eine Menge Anbieter, die ganz neue Ansätze verwirklichen: zum Beispiel den, dass der Kunde nur im Erfolgsfall zahlt. Die Digitale Anwaltschaft, eine Arbeitsgruppe des Deutschen Anwaltvereins, bietet auf ihrer Homepage einen Überblick über bereits existierende autorisierte Rechtsberatungen. Es zeigt sich: die Vielfalt ist schon heute groß – neben Verbraucherrechten gibt es auch Angebote bei Scheidungen und Unfällen, Problemen mit dem Vermieter und der Verkehrskontrolle.
Sicher sei aber auch: Die rechtlichen Herausforderungen, mit denen man gerade in einer Wirtschaftskanzlei tagtäglich konfrontiert werde, seien viel zu komplex und individuell, dass sie komplett von digitaler Automation übernommen werden könnten. „Daher wird die persönliche rechtliche Beratung trotz aller technischen Neuentwicklungen auf allen Gebieten an Bedeutung gewinnen“, schätzt Gores. „Vor allem, wenn es nicht nur darum geht, Risiken aufzudecken, sondern darum, kreative Lösungen zu entwickeln.“ Denn das ist ja gerade die große Kompetenz eines Juristen, der sich als individueller Rechtsberater versteht: Standardlösungen erarbeiten, das können viele. Für den Mandanten genau die richtige Lösung zu finden und dabei auch Facetten im Blick zu haben, die sogar den Legal Tech-Algorithmen entgehen und in den riesigen Datensätzen überhaupt nicht auftauchen, weil sie etwas mit Empathie zu tun haben, das ist und bleibt die Königsdisziplin des Juristen. Wobei es smart ist, sich dabei von der digitalen Technik helfen zu lassen.

Legal Tech-Entwickler und Wirtschaftsjurist Andreas Ziegenhagen

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Die Großkanzlei Dentons hat mit Nextlaw Labs ein virtuelles Labor entwickelt, in dem Juristen und IT-Spezialisten Legal Tech-Lösungen erarbeiten. Andreas Ziegenhagen, Leiter der deutschen Büros Dentons Europe LLP erzählt, wie dort die Prozesse funktionieren, an welchen Systemen man arbeitet und warum in der Folge die emotionale Intelligenz der Anwälte von immer größerer Bedeutung ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Andreas Ziegenhagen ist bei Dentons Managing Partner Deutschland und European Head der Praxisgruppe Restrukturierung. Er ist spezialisiert auf die rechtliche und steuerliche Beratung bei Unternehmenstransaktionen, Restrukturierung und Insolvenzrecht, Unternehmenssteuerrecht und Gesellschafts-, Bank- und Bilanzrecht. Zudem gehört er zu den wenigen deutschen Rechtsanwälten, die gleichzeitig Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sind. Seit Januar 2006 ist er Partner bei Dentons in Berlin und zudem Geschäftsführer der Dentons GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft. Er begann seine Karriere bei Haarmann Hemmelrath, wurde 2001 zum Partner ernannt und 2004 Leiter der Praxisgruppe Insolvenz und Sanierung. Zudem ist er Mitglied im Global Board und European Board von Dentons.
Herr Ziegenhagen, können Sie kurz einen Überblick über die Dinge geben, die in den Nextlaw Labs entwickelt werden? Nextlaw Labs versteht sich als eine Plattform, die innovative technische Lösungen für Probleme entwickelt, die Anwälten in ihrer täglichen Praxis immer wieder begegnen. Am Anfang geht es darum, diese Herausforderungen im Austausch mit Anwälten und Mandanten zu identifizieren. Anschließend versuchen wir, den Weg zu einer technischen Innovation vom Anfang bis zum Ende in umsetzbare Abschnitte zu gliedern. Geht es darum, Lösungen zu vereinheitlichen? Nein, denn für verschiedene und komplexe Probleme gibt es keine einheitlichen Lösungen, weshalb für uns bei der Lösungsfindung immer die enge Zusammenarbeit mit Mandanten und Anwälten entscheidend ist. Wir gehen dabei so vor, wie es beispielsweise auch ein Designer hinsichtlich Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit tun würde. Wir sind immer mit einem konkreten Anwendungsfall beschäftigt, der von unseren Mandanten und Anwälten nachgefragt wird. Warum haben Sie diese technischen Entwicklungen zunächst in die Nextlaw Labs ausgegliedert? Innovation ist immer auf schnelle Feedback-Prozesse angewiesen. In einer klassischen Kanzleiumgebung ist das nur schwer umzusetzen. Wir haben für das Testen neuer Software ein sogenanntes Sandbox-Konzept entwickelt, mit dem auch noch nicht ausgereifte Programme in einer Testphase gefahrlos ausprobiert, geprüft und weiterentwickelt werden können, ohne, dass sie Auswirkungen auf unsere normale IT-Struktur haben. Wie kann man sich diese „Labs“ vorstellen, sitzen da Juristen und IT-Experten gemeinsam in echten oder virtuellen Räumen, findet man tatsächlich eine Art „Labor-Situation“ vor? Nextlaw Labs ist ein virtuelles Labor, es gibt also in diesem Sinne keine physischen Laborräume, in denen die Entwicklung stattfindet. Stattdessen können wir über mehrere Zeitzonen hinweg mit digitalen Kommunika- tionstools arbeiten und Entwickler und Nutzer auf der ganzen Welt miteinander verbinden. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Produkt aus unseren „Labors“ ist „Qualmet“: Ein Dentons- Mandant, ein amerikanisches Fortune 500-Unternehmen, hatte uns auf ein zentrales Problem für die Rechtsabteilungen in Unternehmen aufmerksam gemacht: Vielen Inhouse- Rechtsabteilungen fehlt ein Standard, um objektiv die Qualität der von externen Beratern erbrachten Rechtsdienstleistungen zu messen. Der Mandant wandte sich an Nextlaw Labs, um ein Tech-Unternehmen aufzubauen, das ein solches System entwickeln kann. Nextlaw Labs hat dann das Know-how an der Schnittstelle von Recht und Technologie zur Verfügung gestellt und Qualmet entwickelt. Dabei haben die Anwälte von Dentons eine zentrale Rolle gespielt. Heute ist Qualmet mit mehreren Beta-Versionen in verschiedenen Inhouse-Rechtsabteilungen im Einsatz.
Anwälte sollten sich so gut wie möglich auf geistig anspruchsvolle Arbeit sowie strategische und kreative Herausforderungen konzentrieren können.
In welchen weiteren Bereichen können neue Techniken zum Einsatz kommen? Unser Ziel ist es, unsere Anwälte dahingehend zu schulen, sich bei ihren größten Herausforderungen innovativer Mittel zu bedienen. Auf diesem Weg können unsere Anwälte einerseits ihren Mandanten einen Mehrwert bieten und zugleich die Zufriedenheit mit den eigenen Arbeitsbedingungen steigern. Wir sehen Technologie als eine Lösung für insbesondere die repetitive und kleinteilige Arbeit, mit der gerade junge Anwälte häufig konfrontiert sind. Anwälte sollten sich so gut wie möglich auf geistig anspruchsvolle Arbeit sowie strategische und kreative Herausforderungen konzentrieren können. Erst die emotionale Intelligenz im Umgang mit Mandanten macht einen guten Anwalt zu einem sehr guten Anwalt. Was dagegen nie durch Technik ersetzt werden kann, ist die vertrauensvolle Mandantenbeziehung. Technologie kann diese lediglich effizienter gestalten. Sie sprachen schon von Beta-Versionen, die im Einsatz sind. In der IT-Branche werden diese zu Testzwecken veröffentlicht, Feedbackschlaufen und Verbesserungen sind impliziert. Ist so etwas im Rechtsbereich möglich, schließlich kann jede Fehlleistung für den Mandanten sehr unangenehme Folgen haben. Der Einsatz von Beta-Versionen ist ein hervorragendes Instrument, um die Lösung eines Problems auf der Grundlage von Feedback weiter zu verfeinern. Noch vorhandene Fehler sind in diesem Sinne hilfreich für die Optimierung. Entscheidend ist, dass unternehmenskritische Risiken identifiziert und ausgeschlossen wurden, bevor eine Beta-Version zum Einsatz kommt. Darüber hinaus besteht das Ziel eines Beta-Release darin, nicht identifizierte Risiken weiter auszuschließen. Dies geschieht idealerweise in einem risikofreien Test-Umfeld und in enger Abstimmung mit dem Mandanten sowie den wichtigsten Akteuren des Unternehmens.
Wir sind überzeugt, dass Legal Tech mit seinen heutigen und zukünftigen Möglichkeiten eine bisher beispiellose Chance bietet, insbesondere für Nachwuchsjuristen und Berufsanfänger.
Mit Blick auf die Absolventen, die nun Ihre Karriere beginnen: Wie können sich junge Juristen heute auf Legal Tech-Innovationen vorbereiten? Wir sind überzeugt, dass Legal Tech mit seinen heutigen und zukünftigen Möglichkeiten eine bisher beispiellose Chance bietet, insbesondere für Nachwuchsjuristen und Berufsanfänger. Repetitive Tätigkeiten können sinnvoll an technische Programme delegiert werden. Das schafft mehr Raum für die besonders interessanten Aspekte des Anwaltsberufs. Die Fertigkeiten, die für die Ausbildung und den Erfolg eines Nachwuchsjuristen unerlässlich bleiben, sind daher insbesondere Fähigkeit zum kreativen Problemlösen, zum kritischen Denken sowie zum souveränen Umgang mit Sprache. Auch ein solides Hintergrundwissen über gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse, Akteure und Themen bleibt unerlässlich für gute Juristen. All das kann in naher Zukunft – glücklicherweise möchte man sagen – nicht durch künstliche Intelligenz oder eine andere Technologie ersetzt werden. Glauben Sie daran, dass in großen Kanzleien früher oder später ganz neue Job-Profile an der Schnittstelle zwischen Recht und IT entstehen? Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Ein neues Berufsprofil, das in Großkanzleien bereits deutlich Gestalt annimmt, ist das des Legal Engineer. Im Entwicklungsprozess bei Nextlaw Labs sehen wir, dass technisch versierte Juristen oder Software-Spezialisten mit juristischer Zusatzausbildung immer wichtiger werden. Sie überbrücken die Lücke zwischen juristischer Expertise und Technik und erhöhen mit ihrem doppelten Know-how die Chance, dass sich eine neue Technologie im Rechtsmarkt etablieren kann. Wir sehen auch eine interessante Dynamik im Bereich von Technologie-Startups, wo sich Gründer mit einem juristischen Abschluss zu Geschäftsleuten mit einer Mischung aus technischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Fähigkeiten entwickeln. Fachleute mit multidisziplinären Fähigkeiten überblicken zusätzlich zu ihrer fachlichen Spezialisierung die größeren Zusammenhänge im Markt und merken gerade dadurch, wo technische Innovationen jenseits von modischen Schlagwörtern überhaupt nachgefragt werden.

Nextlaw Labs

Nextlaw Labs ist eine Plattform, die mit Fokus auf Investition, Entwicklung und Einsatz neuer Technologien den Rechtsmarkt verändern möchte. Sie ist eine autonome Tochtergesellschaft der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons mit physischen und virtuellen Standorten in Technologiezentren auf der ganzen Welt. Durch ergänzende und strategische Partnerschaften mit führenden Technologieunternehmen, Start-ups und etablierten Rechtsanbietern investiert NextLaw Labs in vielversprechende Unternehmen und entwickelt eine Technologiereihe mit dem Ziel, den Mandantenservice zu verbessern und die Lösungen für Mandanten zu erweitern.