Familienunternehmer André E. Barten im Interview

Mit einer mehr als 570 Jahre langen Geschichte zählt Achenbach Buschhütten zu den ältesten Unternehmen Deutschlands. Im Bereich des Maschinenbaus fürs Walzen dünnster Aluminiumfolien ist das Unternehmen Weltmarktführer. André E. Barten leitet das Unternehmen in achter Generation. Worauf es dabei ankommt, erzählt er im Interview. Die Fragen stellte André Boße

Zur Person

André E. Barten, Foto: Achenbach Buschhütten
André E. Barten, Foto: Achenbach Buschhütten
André E. Barten, Jahrgang 1981, ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Achenbach Gruppe und führt das Familienunternehmen in der achten Generation. Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurswesens stieg er 2008 in das Unternehmen ein, wurde ab 2012 Geschäftsführer der verschiedenen Unternehmensteile und übernahm 2020 die Gesamtverantwortung. Zusammen mit seinem Vater und dem Betriebsratsvorsitzenden erhielt er 2021 den renommierten „Preis für soziale Marktwirtschaft“ der Konrad-Adenauer- Stiftung. Als Mitglied des Industry Advisory Board des Exzellenzclusters „Internet of Production“ der RWTH Aachen ist André E. Barten in verschiedenen Aktivitäten rund um die Digitalisierung der Produktionstechnik engagiert.
Herr Barten, wann wird Ihnen im Alltag die lange Historie Ihres Unternehmens bewusst? Man merkt an vielen Stellen, dass hier seit 573 Jahren unternehmerisch gearbeitet wird. Das Unternehmen befindet sich noch an dem Standort, an dem es 1452 gegründet wurde. Man kann diese Stelle benennen, anhand einer Wasserrechtszuteilung des damaligen lokalen Prinzen. Und genau dort steht heute unser Campus, wo Studierende und Auszubildende all das lernen, was sie für die Zukunft brauchen. Sie tun das in einer Halle, die zwar komplett modernisiert wurde, aber auch schon mehr als 100 Jahre auf dem Buckel hat. Wie hilft diese Historie beim innovativen Denken? Unsere lange Historie ist ein Fundament, das sich zum Beispiel bei den Werten, die wir als Unternehmen leben, niederschlägt. Beim innovativen Denken hilft die Geschichte aber nicht. Im Gegenteil, sie darf uns nicht daran hindern, immer wieder neu zu denken, Neues zu entwickeln. Wir sind Weltmarktführer in einer Nische des Maschinenbaus, in einem sehr dezidierten Bereich. Unsere ganze Historie und die guten Entwicklungen der vergangenen 50 Jahre nützen uns in dem Augenblick nichts mehr, wenn es so weit kommen sollte, dass ein anderes Unternehmen das, was wir heute besonders gut machen, plötzlich noch ein wenig besser macht. Deshalb sind Innovationen für uns überlebenswichtig. Sie leiten das Unternehmen in achter Generation. Wie haben Sie Ihren eigenen Weg gefunden, es zu führen? Dieser Weg ergibt sich von allein, weil sich ein Unternehmen in der heutigen Zeit ständig neu erfinden muss. Alle zehn Jahre, vielleicht sogar alle fünf Jahre. Das ist eine große Aufgabe, aber natürlich auch eine große Chance. Ich will zwei Beispiele aus dem Maschinenbau nennen: Eines ist die enorme Entwicklung im Bereich von Werkstoffen und Werkstoffverbunden. Hier gibt es Möglichkeiten, immer wieder andere Materialien einzusetzen. Ein zweites Beispiel sind die Vernetzungslösungen: Wir sind ein Systemanbieter und arbeiten mit einem Cloud-System, das alle Maschinen miteinander vernetzt. Wir nutzen es schon seit Jahren, weil es gerade für unser Geschäft von großer Bedeutung ist. Warum? Weil es uns hilft, unser Nischenwissen in die digitale Welt zu führen. Im Prinzip ist das nichts Neues: Wir machen etwas, sammeln Daten – und sorgen in der Analyse dafür, dass wir Muster erkennen und noch besser werden. So arbeitet der Maschinenbau seit vielen Jahren. Wobei uns heute digitale Methoden dabei helfen, diese Lern- und Erneuerungseffekte zu vergrößern. Die Digitalisierung unterstützt den Maschinenbau also dabei, das, was er kann, noch besser zu machen.
Innovation kommt immer aus dem Ingenieur heraus. Was dieser früher in der Mechanik und später dann in der Automatisierung gemacht hat, findet nun in der Welt der digitalen Daten statt.
Heißt aber auch: Die Innovation entsteht nicht durch die Technik allein. Nein, sie kommt immer aus dem Ingenieur heraus. Was dieser früher in der Mechanik und später dann in der Automatisierung gemacht hat, findet nun in der Welt der digitalen Daten statt. Weshalb es so wichtig ist, den Menschen die digitale Transformation nicht aufzudrücken. Ohnehin ist die Art des Denkens bei den Ingenieuren oder Technikern bereits angelegt. Sie sind Weltmarktführer. Was bedeutet das für Ihre tägliche Arbeit? Wir sind Weltmarktführer in einer Nische. Diese ist für große Anbieter nicht skalierbar und damit nicht interessant. Marktführerschaft wird immer dann ein Problem, wenn der Bereich zu groß wird. Weil man dann einen Großteil des Marktes verteidigen muss. Das müssen wir nicht. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht eine Veränderung des Marktes verschlafen – und plötzlich andere Akteure auftauchen, die das, was mir machen, besser oder günstiger können. Und Sie müssen aufpassen, dass die Nische nicht zu klein wird. Genau. Daher ist es so wichtig, dass die Produkte, die wir liefern, Zukunftspro dukte sind. Wir bedienen in unserem Spezialgebiet Megatrends. Zum Beispiel die Elektromobilität und die Entwicklung von Batterien. Es gibt einen wahnsinnigen Bedarf an Speicher. Wenn Sie heute einen Staubsauger kaufen, finden Sie bei den meisten Geräten kein Kabel mehr. Immer mehr Maschinen oder Powertools laufen mit Batterien. Der Markt wächst, die Technologie wird immer besser und preisgünstiger, weil mehr Geld investiert wird. Ein weiterer Zweig, der wächst, ist der Markt für nachhaltige Verpackungen. Die Kreislaufwirtschaft hat erkannt, dass das Aluminium zwar bei der Erstherstellung sehr energieintensiv ist, es aber danach sehr lange im Kreislauf bleibt. Das heißt, ich kann aus einer Espresso- Kapsel wieder eine Espresso-Kapsel und wieder eine Espresso-Kapsel machen. Gleiches gilt bei Blister-Verpackungen für Tabletten. Was fasziniert Sie als Wirtschaftsingenieur an dem, was Sie mit dem Unternehmen machen? Der tatsächliche Prozess, der mit unseren Maschinen abläuft. Wir beginnen mit einem dicken Walzbarren, am Ende haben wir Folien mit einer Stärke von 0,0045 Millimetern. In dem Prozess drücken wir mit einer Kraft von 600 bis 800 Tonnen auf den Barren, sprühen bis zu 10.000 Liter Öl drauf. Wir ziehen und erwärmen die Walzen, pumpen sie teilweise auf 500 bar auf. Da wirken die Kräfte einer Diesel-Lok. Und wenn man dann sieht, dass sich eine unserer Batteriefolien in einem Akku befindet und diese Batterie dafür sorgt, dass ein Auto damit fährt – dann ist das für einen Ingenieur schon sehr spannend.
Neben Tiefe und Ernsthaftigkeit für eine Sache braucht es Mut, den einen Schritt weiter zu machen und Dinge auszuprobieren.
Wie gelingt es Ihnen im Unternehmen, die Innovationskraft der verschiedenen Generationen zu bündeln? Das funktioniert über gegenseitigen Respekt. Hier hat die junge Generation heute einen Vorteil: Sie bringt Erfahrungen mit, die die Älteren nicht unbedingt haben. Nämlich die Erfahrung, wie sich digitale Methoden gewinnbringend einsetzen lassen. Das kennt jeder aus der Familie: Früher war es immer der Opa, der dem Enkel etwas beigebracht hat. Heute kann der Enkel bei bestimmten digitalen Themen auch dem Opa helfen. Diese Form von Kollaboration ist nicht einfach zu organisieren, sie ist aber eine Riesenchance für traditionelle Unternehmen aus dem deutschen Maschinenbau. Weil man von beiden Seiten innovatives Denken einbringen kann. Damit das funktioniert, darf es kein Hierarchie- Gefälle von Alt nach Jung geben. Und: Die Kollaboration muss im Unternehmen gut moderiert werden. Weil alles, was disruptiv ist, bei den Jungen dazu führen kann, dass sie ein bisschen zu hoch fliegen – und den Älteren sagen: „So, wie Ihr das macht, ist’s Mist.“ Wodurch die Älteren eine Abwehrhaltung entwickeln könnten. Diese Fronten dürfen sich nicht bilden. Ein Spannungsfeld soll es aber bleiben, denn ein solches bewirkt Innovationen. Durch Ihren Campus kommen Sie regelmäßig mit der jungen Generation in Interaktion. Was würden Sie den Ingenieuren von morgen gerne mitgeben? Dass man zwei Dinge benötigt: Tiefe und Ernsthaftigkeit. Innovationen im Maschinenbau entstehen nicht, wenn man sich viele Videos im Internet ansieht. Und sie entstehen auch nicht durch endlose theoretische Reden. Man muss stattdessen Sachen machen, um sie zu verstehen. Genau das ist bei uns im Campus möglich: Er bietet ein Reallabor, eine Demonstrationsfabrik. Das passt zur Arbeit als Ingenieur: Der Maschinenbau ist dann erfolgreich, wenn er ins Machen kommt. Es gibt diesen Spruch, den ich gerne nutze: „Machen ist wie wollen, nur krasser.“ Um die nötige Tiefe und Ernsthaftigkeit zu erreichen, braucht man Disziplin, braucht man Biss, und zwar auf langer Strecke, nicht nur bei bestimmten Projekten. Und man braucht Mut. Mut, auch mal ins Risiko zu gehen, den einen Schritt weiter zu machen, Dinge auszuprobieren, auch wenn der Ausgang nicht zu einhundert Prozent sicher ist. Ich glaube, dieser Mut fehlt der jungen Generation manchmal ein bisschen. Weil die Angst, Fehler zu machen oder sich auf unsicheres Terrain zu begeben, heute größer ist, als es bei den Generationen davor der Fall war. Haben Sie denn im Unternehmen eine Fehlerkultur, die der jungen Generation diesen Mut gibt? Ich glaube noch nicht. Das ist natürlich abhängig von der individuellen Führungskraft, aber ich denke schon, dass wir selbst noch eines lernen müssen: Es gibt gute Fehler und dumme Fehler. Gute Fehler zu erlauben, das ist die Königsdisziplin. Und da müssen wir als Organisation sicher noch ein paar weitere Schritte machen.

Zum Unternehmen

1452 installieren die Brüder Busch an einem Bach in Kreuztal im Siegerland einen mit einem Wasserrad angetriebenen Eisenhammer, um schmiedbares Eisen herzustellen. Es ist der Beginn einer Unternehmensgeschichte, die sich bis heute fortsetzt. Mitte des 19. Jahrhunderts kauft die Familie Achenbach den Eisenhammer und baut an Ort und Stelle eine Gießerei. Acht Generationen später ist das Unternehmen Achenbach Buschhütten Systemanbieter und in wesentlichen Teilen Weltmarktführer für die Herstellung von Maschinen zum Flachwalzen und Folienschneiden von Nicht-Eisen-Metallen. Das Unternehmen ist weiterhin im Familienbesitz und beschäftigt aktuell rund 550 Mitarbeiter. Im Campus Buschhütten, beheimatet in einer alten Produktionshalle des Unternehmens, entwickeln Partner von technischen Universitäten und regionalen Industrieunternehmen praxisnah neue Produktionstechniken.

Kuratiert

0

Schutz vor Krankenhauskeimen

Die Bioingenieurin Christina Scherzer und ihr Team an der Hochschule München haben einen neuartigen Katheter entwickelt, der während einer Operation kontinuierlich durch Licht desinfiziert wird. Dieses neue Konzept soll Patienten effektiv vor Krankenhauskeimen schützen. Für ihre Innovation erhielt Christina Scherzer 2024 von der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (VDE DGBMT) und dem Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) den Preis für Patientensicherheit in der Medizintechnik. Klinische Studien für den Harnwegskatheter sind für Ende 2025 geplant.

Mehr Frauen fürs Ingenieurwesen

Das Projekt F-SIE – Frauen für Sicherheit, Innovation und Einsatz – an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) will den Frauenanteil in MINT- und vor allem in Ingenieurberufen durch Informationsaustausch, Karrierehilfen und Weiterbildung erhöhen. Die Karriereförderung setzt auf Begeisterung, Wissensvermittlung sowie eine alters- und disziplinübergreifende gegenseitige Unterstützung von Frauen im Ingenieurwesen. Die Projektpartner decken alle Zielgruppen des Projekts ab: Die Hochschule Furtwangen setzt ihren Schwerpunkt auf junge Studentinnen und Studieninteressierte, die Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg und die BAM auf Studentinnen höherer Semester sowie auf Doktorandinnen und Post-Docs.

Zwei Ingenieurinnen ausgezeichnet

Der mit jeweils 3.000 Euro dotierte Dr. Wilhelmy VDE Preis geht jährlich an hervorragende Ingenieurinnen der Elektro- und Informationstechnik. 2024 wurde der Preis zum einen Dr. Liana Khamidullina für ihre Dissertation an der TU Illmenau zum Thema Signalverarbeitung gewidmet. Für medizinische Anwendungen wie EEGs hat sie ein Modell entwickelt, das auf Datenfusion basiert und somit in der Lage ist, die Informationen vieler Sensoren gleichzeitig zu verarbeiten. Dr.-Ing. Julia Rosenberger von der Universität Duisburg-Essen erhielt den Preis für ihre Industriepromotion über die Verarbeitung von industriellen Datenflüssen. Sie wollte damit Möglichkeiten aufzeigen, wie sich Datenflüsse softwarebasiert und damit wirtschaftlich handhaben lassen.

Erster Quantencomputer in Hessen

An der Frankfurter Goethe-Universität wurde der Quantencomputer „Baby Diamond“ in Betrieb genommen. Der erste Quantencomputer in Hessen verfügt über fünf Quantenbits. Das Besondere: Er läuft bei Raumtemperatur und muss nicht, wie andere Quantencomputer, mit flüssigem Helium gekühlt werden. Forschende und Studierende wollen untersuchen, wie „Baby Diamond“ Spezialaufgaben in großen Superrechnern übernehmen kann. Sie wollen Algorithmen für den Quantencomputer entwickeln und die Erzeugung der Quantenbits verändern. Von Sabine Olschner

Was macht eigentlich ein Software Engineer bei Dräger?

„Hi! Ich bin Jan Hendryck Wandschneider. Ich spiele seit meinem 11. Lebensjahr Schlagzeug – aktuell bei der Big Band Bad Schwartau. Zum Ausgleich fahre ich gerne eine längere Strecke mit dem Fahrrad durchs Lübecker Umland. Ich habe in Berlin, Reykjavík und Wismar studiert und einen Master in Informations- und Elektrotechnik. Seit 2023 bin ich bei Dräger als Software Engineer angestellt und arbeite an einem neuen Anästhesiegerät. Auch nach der Arbeit bastle ich öfters mit Elektronik und Mikrocontrollern.“

Von Elektrotechnik habe ich zum ersten Mal auf dem Open Flair Festival 2015 gehört, wo ich mich mit einer Doktorandin unterhielt. Im Rahmen ihrer Dissertation programmierte sie ein MRT-System. Ich war begeistert. Als ich dann noch herausfand, dass Elektrotechnik eine Mischung aus meinen Lieblingsschulfächern Mathe, Physik und Informatik ist, war ich überzeugt. Studiert habe ich im Bachelor an der HTW Berlin. Für Elektrotechnik nicht sehr bekannt, aber besonders gefallen hat mir die Internationalität. Während eines Auslandssemesters im isländischen Reykjavík konnte ich den Informatik-Schwerpunkt vertiefen und Erfahrung mit der Programmiersprache C++ sammeln. Zum Master bin ich an die Hochschule Wismar gewechselt und habe dort Informations- und Elektrotechnik studiert. Der große Vorteil dieser kleinen Hochschule liegt in der nahezu individuellen Betreuung und dem direkten Kontakt zu den Professoren. Mit einem Elektrotechnik-Studium hat man viele Möglichkeiten. Anfangs habe ich als Werkstudent bei einem Übertragungsnetzbetreiber, also in der Energiebranche, gearbeitet. Am meisten Spaß hatte ich dort beim Programmieren der Visual- Basic-Makros zur automatisierten Datenauswertung. Meinen ersten Kontakt zu Dräger habe ich durch meine Masterarbeit hergestellt, als ich in der Grundlagenentwicklung einen neuartigen Stickstoffdioxid-Sensor in eine IoT-Plattform eingebunden habe. Zum Ende meiner Arbeit hat Dräger in der Medizintechnik eine Stelle als Softwareingenieur*in ausgeschrieben. Embedded Softwareentwicklung in C++, hardwarenah arbeiten, Tests schreiben und die vielen Komponenten eines Anästhesiegeräts verknüpfen: Genau das wollte ich machen. Konkret auf diese Tätigkeit hat mich mein Elektrotechnik-Studium natürlich nicht vorbereitet. Es hat aber die Grundlagen gelegt. Vieles war mir während des Berufseinstiegs unbekannt und ich musste immer bereit sein, mich mit neuen Themen zu beschäftigen, vor allem in den Bereichen Anästhesie und Beatmung. Derzeit befinden wir uns in der Entwicklung eines neuen Anästhesiegeräts. Meine Aufgabe ist dabei, neue Funktionen zu implementieren und zu testen. Dazu gehört auch die Vervollständigung von Tests für bestehende Implementierungen. Außerdem wollen wir die Stabilität des Geräts stetig verbessern, wozu ein klein wenig detektivisches Gespür hilfreich ist, um die Bugs zu finden. Ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich eine Fehlerursache finde oder komplexe Zusammenhänge verstehe. Bei der Implementierung neuer Funktionalitäten habe ich oft ein unbeschriebenes Blatt und kann dann darauf achten, intuitiv verständlichen Code zu schreiben – das macht die Arbeit interessant. Ich finde es erfüllend, damit etwas Sinnvolles für eine bessere Medizintechnik beitragen zu können.

Was macht eigentlich eine Ingenieurin im Vertrieb?

Elisa Finck arbeitet als Lebensmitteltechnologin und Vertriebsingenieurin bei einem Maschinenbauunternehmen in Paderborn. Im karriereführer berichtet sie über ihre Aufgaben im Vertrieb und warum Hundefutter und Pflegecremes sehr spannend sein können. Aufgezeichnet von Sabine Olschner

Mein Interesse für die Lebensmitteltechnologie wurde schon in der Schulzeit durch ein Praktikum bei einem Schokoladenhersteller geweckt. Hier haben mich besonders die Geheimnisse der Verfahrenstechnik fasziniert. Daher habe ich mich nach der Schule für ein Studium der Lebensmitteltechnologie entschieden. Nach meinem Bachelor of Science in Lebensmitteltechnologie an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) in Lemgo habe ich direkt den Master in Life Science Technologies dort angeschlossen. Während meines Masterstudiums habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin zwei Jahre lang in der Labor- und Verfahrenstechnik im Labor an der TH OWL gearbeitet. Nach Ende meines Studiums habe ich als Lebensmitteltechnologin bei einem Start-up in Bielefeld in der Produktentwicklung angefangen und bin ein Jahr später zum Maschinenbauunternehmen Glass nach Paderborn gewechselt. Das inhabergeführte Unternehmen baut Mischer und Prozessanlagen für die Lebensmittelbranche, aber auch für Tierfutter oder Pharmaprodukte. Am Anfang steht immer die grundsätzliche Frage, ob das Produkt schonend, wie bei einem Feinkostsalat, oder intensiv, wie zum Beispiel bei Mayonnaise, vermischt werden soll. Je nach Applikation werden verschiedene Inhaltsstoffe zum Beispiel zu Suspensionen oder Pulvermixturen vermengt. Dazu sind die Prozesse sehr unterschiedlich: von einfachem Vermischen über Erhitzen, Kühlen oder Homogenisieren. Neben unseren Mischern bauen wir auch Plätter, Steaker, Tumbler und automatisierte Woks, um zu plätten, zu marinieren oder zu braten.
Schließlich lässt sich eine Maschine nur dann verkaufen, wenn der Kunde sein Produkt damit bestmöglich fertigen kann. Meine Aufgabe ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dies der Fall ist.
Ich arbeite bei Glass im Vertrieb und begleite Kunden auf dem gesamten Weg, von der ersten Beratung bis zur Inbetriebnahme der Maschine in der Produktion. Ich bin dabei das Bindeglied zwischen dem Kunden und unserer Fertigung. Dazu besprechen wir zunächst die Anforderungen, die für die individuelle Anlage des Kunden bestehen. Danach machen wir bei uns im Technikum mit den Produkten des Kunden Tests, denn Mischen heißt Versuchen. Nach den Versuchen erstelle ich ein passgenaues Angebot. Auf dieser Basis konstruieren meine Kollegen aus der Fertigung die maßgeschneiderte Maschine, die nach Fertigstellung wiederum im Technikum mit dem Produkt des Kunden getestet wird. Auch in dieser Phase bin ich wieder die Schnittstelle zwischen Technikern und dem Kunden. Ist die Maschine fertig gebaut, verfolge ich die finale Funktionsprüfung hier vor Ort und bei der anschließenden finalen Werksabnahme. Am Ende wird die Maschine ausgeliefert. Ich fahre mit raus zum Kunden und gebe den Mitarbeitern Einweisungen, wie sie die Maschine bedienen. Darüber hinaus stelle ich sicher, dass die Maschine ordnungsgemäß installiert wurde und betriebsbereit ist.
Arbeit im Technikum, Foto: Privat
Arbeit im Technikum, Foto: Privat
Neben dem intensiven Projektmanagement und dem Vertrieb besuche ich Messen und bin selbst im Ausstellungsteam auf unseren Messeständen vertreten. Zu guter Letzt betreue ich noch die Praktikanten und die Studierenden bei uns im Haus, erkläre Besuchern unser Technikum und halte Fachvorträge über die Entwicklung in der Branche, zum Beispiel auf Kongressen oder bei Vorlesungen an Hochschulen. Am Vertrieb gefallen mir die Vielfalt und der Praxisbezug. Durch unsere Arbeitsweise im Team bin ich als Projektverantwortliche von Anfang an an allen Prozessschritten beteiligt. Mal führe ich Versuche an der Maschine durch, mal gebe ich Schulungen.

Vielfältige Aufgaben

Meist kommen Unternehmen zu uns, weil ihre Prozesse komplexe Anforderungen an die Anlagen stellen und wir eine individuelle Lösung finden müssen. Letztens hatte ich zum Beispiel einen Kunden, der eine sehr hohe Bandbreite von Produkten fertigt, die nur in kleineren Chargen hergestellt werden. Daher findet bei der Verarbeitung ein häufiger Wechsel von Inhaltsstoffen sowie Aggregatzustand statt. Dies wurde bisher umständlich aus gewachsenen Prozessen mit zwei Maschinen durchgeführt. Durch Versuche im Technikum und eine individuelle Planung der Maschine konnte aus den bisher verwendeten zwei Maschinen der Prozess auf eine Maschine übertragen werden. Unsere Techniker haben ein neues Mischwerkzeug entwickelt, eine neue Motorserie verwendet und die Maschine kompakter gebaut, damit sie weniger Platz benötigt. Meine Aufgabe bestand in der Leitung des Projekts: Was fordert der Kunde? Wie können unsere Techniker das umsetzen? Was für Möglichkeiten gibt es? Ist das Ganze überhaupt realisierbar? Ich habe bei unseren Kunden schon so viele spannende Produkte kennengelernt. Es macht mir jedes Mal viel Spaß, die Projekte mit all ihren Herausforderungen umzusetzen und am Ende positives Feedback von den Kunden zu bekommen. Es freut mich immer wieder, wenn sie begeistert sind und ihre Produkte mit unserer Hilfe herstellen können – oft mit besserer Leistung oder nachhaltiger als zuvor. Mein Tipp für Lebensmitteltechnologen, die ebenfalls in den Vertrieb gehen möchten: Man sollte keine Angst vor dem Vertrieb haben, auch wenn es dabei um kaufmännische Fragen geht, die im Ingenieurstudium nicht unbedingt vorkommen. Man lernt vieles bei den täglichen Aufgaben. Ich finde es schön, als Ingenieurin weiterhin den Kontakt auch zur technischen Seite zu haben. Der Vertrieb spielt in einem Unternehmen ja eine sehr entscheidende Rolle. Schließlich lässt sich eine Maschine nur dann verkaufen, wenn der Kunde sein Produkt damit bestmöglich fertigen kann. Meine Aufgabe ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dies der Fall ist.

Trends in der Lebensmitteltechnologie

  • Zunehmende Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln und alternativen Proteinen, wie Fleisch aus dem Labor und pflanzenbasierter Milch
  • Personalisierte Ernährung
  • Hohe Automatisierung in der Produktion
  • Intelligente Verpackungslösungen (Smart Packaging), die die Haltbarkeit verlängern und die Bequemlichkeit für den Verbraucher verbessern
  • Blockchain-Technologien für die Rückverfolgbarkeit der Inhaltsstoffe
  • Technologien zur Abfallreduzierung (von Verpackung und Lebensmittelabfällen)
Quelle: Global Market Insights Zusammengestellt von Sabine Olschner.

Lese-Training Buchtipps

0

Vom Videospiel zum Superrechner

Cover NvidiaVor zehn Jahren verkaufte Nvidia Grafikkarten für Videospiele zum Stückpreis von 200 Dollar. Heute verkauft es mehrere Millionen Dollar teure Ausrüstung für Superrechner. Alle großen KI-Applikationen – unter anderen Midjourney, ChatGPT, Copilot – sind auf Nvidia-Maschinen entwickelt worden. Wie wurde Nvidia zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt? Der US-Journalist Stephen Witt erzählt die Geschichte, wie Jensen Huang, ein Entwickler von Videospielgeräten, den Markt für KI-Hardware eroberte und dabei den Computer neu erfand. Stephen Witt: The Thinking Machine. Jensen Huang, Nvidia und der begehrteste Mikrochip der Welt. Campus 2025. 32 Euro.

Für eine erfolgreiche Digitalisierung

Cover DigitalisierungsmanagementDie Digitalisierung verändert nicht nur die Art und Weise, wie Unternehmen Geschäfte machen, sondern sie verändert auch unsere Vorstellung von Business. Gleichzeitig ist die Digitalisierung eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz. In seinem Buch „Digitalisierungsmanagement“ stellt Roman Stöger Konzepte und Instrumente für eine erfolgreiche Digitalisierung vor. Von einem gemeinsamen Digitalisierungsverständnis über eine solide Digitalisierungsstrategie bis zu einer effizienten -struktur und einer robusten -kultur. Sein Buch bietet nützliche Werkzeuge und Methoden zur effektiven Umsetzung der Digitalisierung in Unternehmen und zeigt, wie künstliche Intelligenz dabei helfen kann. Roman Stöger: Digitalisierungsmanagement. Digitale Geschäftsmodelle und künstliche Intelligenz nutzen. Schäffer-Poeschel 2025. 49,99 Euro

Von der Küchenrenovierung bis zur Marsmission

Cover Gardner How big things get doneOb Elbphilharmonie, Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 – Großprojekte gehen in der Regel schief. Sie werden zu teuer, dauern zu lange oder erfüllen nicht den Zweck, für den sie gedacht waren. Aber auch bescheidenere Unternehmungen scheitern häufig, sei es die Gründung eines kleinen Unternehmens, die Organisation einer Konferenz oder einfach nur das Zusammenbauen eines Kleiderschranks. Oxford-Professor Bent Flyvbjerg ist der weltweit renommierteste Megaprojekt-Forscher. Er identifiziert die Fehler, die dazu führen, dass Projekte scheitern und zeigt die Prinzipien auf, die den Erfolg eines Projektes sicherstellen. Sein Buch „How Big Things Get Done“ erklärt, wie man jedes ambitionierte Projekt erledigt – pünktlich und im Budget. Bent Flyvbjerg, Dan Gardner: How Big Things Get Done. Wie Projekte gelingen: von der Küchenrenovierung bis zur Marsmission. Droemer Knaur 2024 . 20 Euro

Kein Stress in der hybriden Arbeitswelt

Cover Praxisbuch StressmanagementDie Arbeit zwischen Homeoffice und Büro bringt viele Vorteile, erfordert jedoch eine neue Art des Stressmanagements für jeden Einzelnen. Besonders der Wechsel zwischen Präsenzarbeit und Homeoffice kann eine große Herausforderung darstellen. In ihrem „Praxisbuch Stressmanagement für die hybride Arbeitswelt“ erklärt die Psychologin Dr. Sandra Waeldin unter Berücksichtigung neuester Forschungsergebnisse und mithilfe zahlreicher alltagstauglicher Übungen, wie multimodales Stressmanagement erfolgreich gelingt. Sandra Waeldin: Praxisbuch Stressmanagement für die hybride Arbeitswelt. Übungen für einen gesunden Alltag zwischen Homeoffice und Büro. Wiley-VCH GmbH 2024. 19,99 Euro

THINK POSITIV!

Cover positiv fuehrtGute Führung spürt man kaum – schlechte umso mehr. Positive Leadership lenkt die Aufmerksamkeit auf die positive Abweichung, also auf das Gelingende und positiv Herausragende. Der Ansatz befähigt Führungskr.fte, ihre Teams und Organisationen durch authentisches, empathisches und inspirierendes Handeln zu stärken. Das Buch „Positiv führt!“ zeigt, welches Führungsverhalten heute zeitgemäß ist, und versteht sich als Anleitung, um eine zukunftsfähige, resiliente und positive Führungs- und Unternehmenskultur zu gestalten. Elke Katharina Meyer, Thomas Achim Werner, Frank Nesemann: Positiv führt! Mit Positive Leadership Teams und Organisationen empowern. BusinessVillage 2024. 34,95 Euro

Nachhaltig erfolgreich!

Cover-Annahita EzmailzadehAnnahita Esmailzadeh ist als Tochter iranischer Einwanderer in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen. In ihrem Buch berichtet die mittlerweile vielfach ausgezeichnete Wirtschaftsinformatikerin und Microsoft- Managerin über ihre Erfolgsgeheimnisse. Sie deckt die unsichtbaren Spielregeln auf, die entscheidend sind, um in der modernen Geschäftswelt zu überleben und nachhaltig erfolgreich zu sein. So entlarvt sie die subtilen Mechanismen und Machtstrukturen und zeigt, worauf es wirklich ankommt. Annahita Esmailzadeh und Swantje Allmers: Was du nicht hören willst. Aber wissen solltest, um erfolgreich zu sein. Haufe 2025. 18 Euro

Neue Leadership-Komptenzen

Cover-FuehrungskraefteDie Wirtschaftslage in Deutschland war lange Zeit stabil und wachstumsorientiert, die Fachkräftedeckung hinreichend. Doch der Wind hat sich gedreht, Krisen und Veränderungen brachen wie gigantische Wellen über die Unternehmen herein. Business-Coach Ben Schulz fordert daher eine neue Betrachtung der Leadership- Kompetenzen: eine „radikale Perspektive“, ein radikales Umdenken und Handeln – für ein höheres Veränderungstempo, eine deutliche Aufbruchstimmung, für mehr Motivation und Handlungsfähigkeit. Sein Ziel: Führungskräfte zu Hoffnungsträgern und Perspektivenmachern zu entwickeln. Ben Schulz: Führungskräfte als Hoffnungsträger. Durch Selbstreflexion und adaptive Strategien in Krisenzeiten bestehen. Remote Verlag 2025. 19,99 Euro

telegramm – Nachhaltig Neues

0

Altmetall wiederverwertet

Foto: AdobeStock/Matsabe
Foto: AdobeStock/Matsabe
Das Recycling-Start-up ScrapBees, bekannt unter der Marke SchrottBienen, hat sich auf Altmetall- Abholung spezialisiert. Mit einer eigenen Flotte von über 30 Fahrzeugen holen sie Metallabfälle direkt vor Ort ab, wiegen sie und führen sie über Rohstoffhändler in den passenden Recyclingkreislauf zurück. Das Unternehmen aus Neuss im Rheinland wurde 2020 von Florian Kriependorf, Sebastian Kopsan und Thilo Hamm gegründet und ist mit seinen Fahrzeugen außer in Nordrhein-Westfalen auch in zahlreichen deutschen Metropolregionen unterwegs. www.schrottbienen.de

Energiewende einfach gemacht

Foto: AdobeStock/spiral media
Foto: AdobeStock/spiral media
Solaranlagen, Wärmepumpen oder Batteriespeicher: Der Start eines eigenen Energiewende-Projektes ist für viele Menschen sehr kompliziert. Für Energiedienstleister ist die komplexe Erstberatung von Endkunden sehr zeitaufwändig. Fabian Reetz und Céline Göhlich wollen mit ihrer digitalen Energieberatung Everyone Energy Energiedienstleistern helfen, ihre Vertriebsprozesse sowie die Projektumsetzung zu automatisieren und zu digitalisieren. Dazu haben sie eine Software für maßgeschneiderte Beratungsdienste zu erneuerbaren Energielösungen entwickelt, die sowohl die technischen als auch die regulatorischen Fragen der Endkunden beantworten. www.everyone-energy.de

Textilien gerettet

Foto: AdobeStock/Fortune
Foto: AdobeStock/Fortune
Textilien retten und ihnen ein zweites Leben schenken, das ist das Ziel des Berliner Start-ups Moot. Moot steht für „Made out of trash“ – und genau das machen der Modedesigner Nils Neubauer und Betriebswirt Michael Pfeifer. Sie entwerfen Bekleidung und Accessoires aus Textilmüll, darunter aussortierte Bettwäsche, Stoffreste, Vorhänge oder Autogurte. Die Textilspenden werden in Handarbeit vor allem von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung in einer Berliner Sozialeinrichtung zu bunter Mode mit Vintage-Touch verarbeitet. www.moot.eco

Bambus verwendet

Foto: AdobeStock/4luck
Foto: AdobeStock/4luck
2012 entdeckten Jonas Stolke und Maximilian Schay aus Kiel ein Bild von einem Bambusfahrrad aus Ghana. Damit war ihre Geschäftsidee geboren: Sie wollten Fahrräder aus nachhaltigem Material herstellen. Die Fahrradrahmen ihrer Räder werden in Ghana hergestellt, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu fördern und Kindern in der Region Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Kunden können ihr Modell individuell zusammenstellen, bevor es in kompletter Handarbeit hergestellt wird. www.my-boo.de

Warum Weiterbildung für Ingenieur*innen unverzichtbar ist

Die Technik steht nie still. Neue Materialien, innovative Konstruktionsmethoden und digitale Werkzeuge fordern von Ingenieur*innen ständige Anpassung. Wer als Ingenieur*in erfolgreich sein will, muss sich weiterbilden – und das nicht nur, weil es in vielen Bereichen vorgeschrieben ist. Weiterbildung ist die Eintrittskarte in eine spannende und zukunftsorientierte Karriere. Von Stefan Trees

Warum Weiterbildung so wichtig ist

Durch regelmäßige Fortbildungen können Ingenieur*innen ihre Projekte noch besser umsetzen. Präzisere Berechnungen, effektivere Konstruktionen und eine höhere Kundenzufriedenheit sind das Ergebnis. Weiterbildung eröffnet außerdem Türen zu spannenden Spezialisierungen und Führungspositionen. Spezialisierte Ingenieur*innen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt und können sich ihre Stellen oft selbst aussuchen. Weiterbildungsveranstaltungen sind hierbei der ideale Ort, um Kontakte zu knüpfen und Ihr berufliches Netzwerk auszubauen.

Wie können Sie sich weiterbilden?

Die Möglichkeiten sind vielfältig: Der klassische Weg zur Spezialisierung ist die mehrjährige Weiterbildung zum*zur Fachingenieur* in. Weiteres Fachwissen vermitteln Seminare, Kongresse und Workshops zu aktuellen Themen. Wer sich flexibel und zeitlich unabhängig vom eigenen Arbeitsplatz weiterbilden möchte, wählt aus einer wachsenden Zahl an Online-Kursen.

Anerkennung und Zertifizierung: das Gütesiegel für Weiterbildungen

Damit Weiterbildungen beruflich auch wirklich etwas bringen, gibt es Zertifizierungen. Diese garantieren, dass die Inhalte aktuell und hochwertig und international vergleichbar sind. Zertifikate öffnen Türen zu neuen Karrierechancen, denn oft sind spezifische Weiterbildungen Voraussetzung für den beruflichen Aufstieg und die Übernahme von Leitungsfunktionen.

Warum ist die Zertifizierung so wichtig?

Zertifizierte Weiterbildungen unterliegen strengen Qualitätsstandards. Die Inhalte sind aktuell, wissenschaftlich fundiert und entsprechen den neuesten technischen Erkenntnissen. Durch die Zertifizierung wird deutlich, welche Weiterbildungen anerkannt sind und welchen Qualit.tsansprüchen sie genügen. Kunden und Arbeitgeber können sich demzufolge auf die Kompetenz von Ingenieur*innen verlassen, die eine zertifizierte Weiterbildung absolviert haben. Darüber hinaus sind Zertifikate ein wichtiger Nachweis für die eigene Qualifikation und können den beruflichen Aufstieg erleichtern. Zuständig für die Zertifizierung sind Ingenieurkammern, Fachgesellschaften und unabhängige Zertifizierungsstellen.

Wie finanziere ich meine Weiterbildung?

Die Weiterbildung ist ein wichtiger Schritt in der Ingenieurkarriere, aber sie kostet auch Geld. Keine Sorge, es gibt viele Möglichkeiten, Ihre Weiterbildung zu finanzieren. So unterstützen viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden bei der Weiterbildung. Das kann bedeuten, dass sie einen Teil der Kosten übernehmen, bezahlten Urlaub gewähren oder sogar Weiterbildungsangebote speziell für ihre Mitarbeitenden anbieten.

Online-Plattformen und Datenbanken

  • Ingenieur-Netzwerke: Plattformen wie LinkedIn oder Xing bieten Gruppen und Foren, in denen sich Ingenieur*innen über Weiterbildungsmöglichkeiten austauschen.
  • Weiterbildungsdatenbanken: Es gibt spezialisierte Datenbanken, die Weiterbildungsangebote für Ingenieur*innen zusammenfassen.
  • Online-Lernplattformen: Plattformen wie Coursera, edX oder Udemy bieten eine Vielzahl von Online-Kursen zu ingenieurtechnischen Themen an.
Bildungskredite sind eine Möglichkeit, die Kosten für Ihre Weiterbildung vorzufinanzieren. In der Regel gewähren diese längere Rückzahlungsfristen. Die Konditionen der Anbieter können sich allerdings sehr unterscheiden, eine intensive Prüfung der jeweiligen Angebote ist daher unerlässlich, um den günstigsten Kredit zu finden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Förderprogramme und Stipendien, die speziell für Ingenieur*innen aufgelegt sind. Informieren Sie sich bei Ingenieurkammern und Fachgesellschaften sowie der Bundesagentur für Arbeit. Hier bekommen Sie auch Informationen über zahlreiche Stiftungen, die sich für die Förderung der ingenieurtechnischen Weiterbildung engagieren.

Weiterbildung und Beruf: Wie schaffe ich das?

Beruf und Weiterbildung unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung. Flexible Lernformate, gute Planung und Unterstützung aus dem Umfeld helfen dabei. Weiterbildung ist ein lebenslanger Prozess, der auch für Ingenieur* innen von heute bereits von zentraler Bedeutung ist. Sie ermöglicht es, die eigene Kompetenz zu erweitern, die Projektqualität zu verbessern und die beruflichen Ziele zu erreichen. Dies wird in Zukunft immer individueller und digitaler vonstatten gehen: Künstliche Intelligenz und Datenanalyse werden den Lernprozess revolutionieren.

Ihre Weiterbildung – so treffen Sie die richtige Entscheidung

Neben der Finanzierung spielen noch weitere Aspekte eine wichtige Rolle bei der Wahl Ihrer Weiterbildung. Sprechen Sie mit erfahrenen Kolleg*innen, Mentor*innen oder ehemaligen Kommiliton*innen. Sie können Ihnen aus eigener Erfahrung wertvolle Tipps und Empfehlungen geben. Besuchen Sie Kongresse und Fachtagungen. Hier erfahren Sie nicht nur von aktuellen Entwicklungen, sondern Sie können auch direkt mit Weiterbildungsanbietern ins Gespräch kommen. Wählen Sie eine Weiterbildung, die zu Ihren persönlichen Interessen und Karriereplänen passt. Achten Sie darauf, dass die Weiterbildung von Ihrer zuständigen Ingenieurkammer anerkannt wird. Nur so stellen Sie sicher, dass sie auch für Ihren beruflichen Werdegang zählt. .berprüfen Sie sorgfältig, ob die Inhalte der Weiterbildung zu Ihren persönlichen Lernzielen passen. Informieren Sie sich genau über die Dauer und den zeitlichen Aufwand der Weiterbildung. Planen Sie sie so, dass sie sich gut in Ihren Alltag integrieren lässt. Klären Sie die Kosten im Voraus ab und prüfen Sie alle möglichen Finanzierungsoptionen. Indem Sie diese Aspekte berücksichtigen, treffen Sie eine fundierte Entscheidung für Ihre Weiterbildung und legen damit den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft in Ihrem Beruf.

Offizielle Stellen und Fachverbände

Das letzte Wort hat: Tillmann Durth, Gründer von Panelretter

0

Tillmann Durth (links) hat ein duales Studium der Elektro- und Informationstechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm absolviert. Zusammen mit seinem Studienkollegen Christoph Kirschner (rechts) hat er nach dem Studienabschluss 2022 das Unternehmen Panelretter gegründet. Ihre Geschäftsidee: Solarmodule vor der Verschrottung retten und sie in Balkonkraftwerke umwandeln. Die Fragen stellte Sabine Olschner

Wie kamt Ihr auf die Idee zu Eurem Unternehmen Panelretter? In Deutschland werden sehr viele noch gut funktionierende Solarpanel weggeworfen. Zum Beispiel in vielen großen Solarparks, die derzeit relativ neue Solarmodule gegen noch leistungsfähigere austauschen. Häufig gehen einzelne Solarmodule auch zum Beispiel durch Transportschäden kaputt und werden nicht mehr an den Kunden ausgeliefert. Das heißt aber nicht, dass man die gesamte Charge nicht weiter verwenden kann. Wir prüfen die entsorgten Module, bereiten sie wieder auf und verkaufen sie in Form von Balkonkraftwerken. Woher bekommt Ihr die aussortierten Solarpanel? Wir arbeiten mit einem Entsorgungsunternehmen zusammen, das uns mit ausrangierten Panels versorgt. Jährlich werden rund 800.000 Solarmodule aussortiert – an Nachschub wird es uns also erst einmal nicht mangeln.
www.panelretter.de
Mit wem arbeitet Ihr sonst noch zusammen? Wir haben mehrere Partner, die für uns die technischen Aufgaben übernehmen, etwa einen Dienstleister, der die Anlagen durchmisst und dadurch feststellen kann, ob sie noch verwendbar sind. Ein weiterer Partner kümmert sich um die Verpackung und den Versand. Anfangs haben wir das alles noch selber aus einem kleinen Lager heraus gemacht, weil wir schnell an den Markt gehen und schauen wollten, ob jemand wirklich Interesse an gebrauchten und aufbereiteten – neudeutsch: refurbished – Solarpanels hat. Nachdem wir mittlerweile viele Nachfragen nach gebrauchten Modulen haben, überlegen wir nun, wie wir expandieren können. Seid Ihr als Ingenieure auch technisch ins Geschäft involviert? Anfangs dachten wir, wir müssten für das Testen unserer Produkte ein technisches Problem lösen. Doch wir stellten fest, dass es die Technik bereits gab. Heute wissen wir: Wir müssen viel mehr aus Kundensicht agieren. Der Kunde will ein technisches Produkt, das garantiert funktioniert. Und er will auch mit einem Refurbished-Produkt eine angenehme Erfahrung machen. Wir stellen Testberichte zur Verfügung und zeigen die Vorteile von Refurbished-Produkten gegenüber fabrikneuen. Was ist Euer Tipp für junge Ingenieure, die sich ebenfalls selbstständig machen möchten? Man sollte schnell einen einfachen Weg finden, um zu testen, ob die Produkte am Markt ankommen. Wenn man weiß, was der Kunde will, kann man ein Produkt viel besser positionieren und dem Kunden genau das liefern, was er benötigt. Außerdem empfehle ich die Teilnahme an Hackathons. Wir haben darüber Kontakt zu einem Inkubator und zu Mentoren bekommen, die uns unterstützt haben. Letztlich bedeutet eine Gründung, viel, viel zu lernen. Da ist es gut, wenn man Erfahrung und Hilfe von anderen bekommt. Was ist Eure Vision? Wir würden gern die Quote der Solarmodule, die refurbished werden, von derzeit unter drei Prozent langfristig auf 20 Prozent erhöhen.

Schritt nach vorne – und zurück

Langsam, aber stetig: Frauen rücken verstärkt in Führungspositionen vor. Die Forschung zeigt, wie gut das Unternehmen tut. Kulturell. Aber auch finanziell. Doch der Fortschritt wird gefährdet von einem gesellschaftspolitischen Trend, der Gender-Vielfalt für unnötig hält und die „maskuline Energie“ feiert. Eine Bestandsaufnahme. Ein Essay von André Boße

Es geht voran. Eine Untersuchung der Unternehmensberatung EY kam Anfang des Jahres zu dem Ergebnis, dass in den Vorständen der deutschen Top-Konzerne so viele Frauen wie noch nie tätig waren. „136 Frauen sitzen in den leitenden Gremien der 160 DAX-, MDAX- und SDAX-Konzerne – 14 mehr als vor einem Jahr“, heißt es in einer Pressemitteilung auf der EY-Homepage. Beinahe jeder fünfte Vorstandsposten in diesen Unternehmen ist also weiblich besetzt. Von echter Gleichheit ist man damit noch weit entfernt, dennoch sind die Fortschritte erkennbar. Was auch folgende Zahl der Analyse belegt: „35 Prozent der neu bestellten Vorstände im Jahr 2024 waren Frauen.“ Ev Bangemann, die bei EY Deutschland den für das Thema Frauen in Führungspositionen verantwortlichen Bereich Climate Change & Sustainability Services leitet, sagt zu dem Ergebnis laut Pressemeldung: „Sehr viele Konzerne haben begriffen, dass Vielfalt in ihren Chefetagen ein wichtiger Aspekt ihres wirtschaftlichen Erfolges ist.“ Allerdings sei dies noch längst nicht überall der Fall. So bleibe der Anteil der Vorstände mit nur einer einzigen Frau im Gremium hoch. „Das wirft Fragen auf, wie ernst die Unternehmen das Thema Diversität in Führungspositionen nehmen“, wird Bangemann zitiert. Zudem sei zu beobachten, dass für Frauen der Weg in die Führungsebene steinig bleibe – „egal ob mittleres Management oder Führungsspitze von Unternehmen“. Was dazu führe, dass Frauen erwiesenermaßen länger bräuchten, um in Top-Funktionen zu kommen. Und dann dort auch kürzer verweilen. Und doch: Beim Thema Frauen in Führungspositionen ist ein Fortschritt erkennbar.
Foto: AdobeStock/agv
Foto: AdobeStock/agv

Kollaboration und Kooperation: der feine Unterschied

Wer kooperiert, der kollaboriert nicht zwangsläufig auch. Bei beiden Begriffen geht es um die Gemeinschaft. Doch werden bei einer Kooperation die Aufgaben zumeist untereinander aufgeteilt. So werden Silo-Grenzen beibehalten, also Abteilungen oder Teams, die isoliert voneinander arbeiten, tun dies weiterhin. Erst später werden die Resultate zusammengeführt. Die Kollaboration geht einen Schritt weiter: Hier wird gemeinsam an einer Lösung gearbeitet. In vielfältig besetzten Teams über Silo-Grenzen hinweg.

Achtung, Rückschrittgefahr!

Viele Jahre lang lautete die Frage an dieser Stelle: Warum so langsam? Gültigkeit besitzt diese Frage noch immer. Aber eine andere schleicht sich heran. Eine, die bei vielen, die für den Fortschritt und die Gleichberechtigung kämpfen, große Sorgenfalten verursacht: Wie lange noch? Besonders die Nachrichten aus den USA irritieren. „Donald Trump 2.0 – Rollback für Frauenrechte“, meldete das Online-Angebot der Tagesschau in einer Meldung Mitte November, kurz nach den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten. Schon bald folgten die ersten Maßnahmen der Trump-Administration, die Kultur veränderte sich. Diversity, der strategische Oberbegriff, zu dem auch Gender-Gerechtigkeit zählt, wandelte sich innerhalb weniger Wochen bei vielen amerikanischen Unternehmen von einem Müssen-wir-machen- zu einem Streich-Thema. Anfang Februar 2025 zählte das Handelsblatt die Unternehmen auf, die ihre Gleichstellungsinitiativen ersatzlos gekappt haben: Ford und Toyota, McDonald’s und Harley Davidson, Walmart und der US-Bereich von Aldi. Und nicht nur US-Konzerne machen einen Schritt zurück, sondern auch Unternehmen in Europa. So haben mit Novartis und Roche zwei Schweizer Pharmakonzerne ihre Diversity-Regeln in den USA geändert. Parallel dazu forderte Meta-Chef Mark Zuckerberg im Podcast „The Joe Rogan Experience“ für seinen Konzern mehr „maskuline Energie“: Die Unternehmenskultur habe das Ziel verfolgt, sich von dieser zu entfernen, Zuckerberg spricht von „kultureller Neutralisierung“ – und davon, dass es gut sei, wenn Meta als Konzern die „Aggression ein wenig mehr feiere“. Eine Aussage, die man als bewussten Affront gegen den empathischen Führungsstil lesen kann, der mit Frauen in Verbindung gebracht wird.

Hoch im Kurs: Fürsorge als Führungsstil

Fortschritt auf der einen, Backlash auf der anderen Seite. Wie geht das zusammen?
Fortschritt auf der einen, Backlash auf der anderen Seite. Wie geht das zusammen? Gar nicht, wenn man sich anschaut, wonach die Mitarbeitenden von ihren Führungskräften verlangen und wie Unternehmen performen. Ein Forschungsteam der Hochschule Niederrhein identifizierte 2024 im Rahmen der Studie „Future Leadership – Führungskompetenzen für die neue Arbeitswelt“ eine Reihe von Skills, „die für eine erfolgreiche Bewältigung der zukünftigen Führungsherausforderungen erforderlich erscheinen“, wie der leitende Professor Dr. Alexander Cisik in der Zusammenfassung der Ergebnisse schreibt. Basis der repräsentativen Umfrage war der Status quo: Wie zufrieden sind die Mitarbeitenden mit ihren Führungskräften? Das Zeugnis, laut Studie: ausbaufähig. Die Mehrheit der Mitarbeitenden ist mit ihrer Führung „nicht wirklich zufrieden“, heißt es in der Zusammenfassung. 43 Prozent der Befragten sehen ihre Erwartungen an die Führungskraft erfüllt oder sogar übertroffen. 27 Prozent sind zwar unzufrieden, möchten der Führungskraft aber helfen, gemeinsam besser zu werden. Bei neun Prozent werden die Erwartungen an die Führung definitiv nicht erfüllt. 21 Prozent der Beschäftigten gaben an, sich die Führungssituation „schön zu reden“ oder hätten „ihre Ansprüche an die Führung reduziert“. Diese Antwortkategorie ist für Unternehmen besonders bedenklich, weil Menschen, die ihre Führungskraft auf diese Art beurteilen, in der Regel bereits innerlich gekündigt haben. Auf die Frage der Studie, welche Führungsqualit.ten den Beschäftigten wichtig wäre, antworteten die meisten soziale Kompetenz: „Sie wünschen sich menschliche, selbstbewusste und fürsorgliche Führungskräfte“, bringt es der Studienleiter Alexander Cisik im Summary der Studie auf den Punkt. Weniger bedeutsam hingegen seien digitale Kompetenzen: „So wichtig und präsent die digitale Transformation in den Unternehmen auch sein mag, sämtliche diesbezüglichen Verhaltensweisen bilden das Schlusslicht der Bedürfnisrangreihe.“ Auch unternehmerisch-visionäre Kompetenzen seien als deutlich weniger wichtig eingestuft worden. „Menschen wollen menschlich geführt werden“, wird Alexander Cisik zitiert. Jedoch stehe dieser laut Untersuchung wichtigste Skill „Fürsorge“ im Ranking der erlebten Kompetenzen an letzter Stelle.
Der Rückbau von Gender-Gerechtigkeits-Themen zum Vorteil männlich konnotierter Führungsmerkmale entspricht nicht dem, was die Beschäftigten wollen.
Cisiks Fazit: „Angesichts zunehmend an Relevanz gewinnender weicher Werte im Arbeitsumfeld, überrascht es nicht, dass vor allem persönliche Attribute wie Menschlichkeit und Fürsorge von den Beschäftigten in Deutschland deutlich höher gewichtet werden als unternehmerische Kompetenzen. Soziale Kompetenz wird immer wichtiger – neue Leader braucht das Land!“ Wenn weiche Werte wichtig sind, gewinnen logischerweise „Soft Skills“ an Bedeutung. Diese sind das Gegenteil von dem, was Zuckerberg mit seiner „maskulinen Energie“ und der Forderung, Aggression zu „feiern“, meint. Weshalb der Rückbau von Gender-Gerechtigkeits-Themen zum Vorteil männlich konnotierter Führungsmerkmale nicht dem entspricht, was die Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt von ihren Führungskräften wollen.

Kollaboration führt zu Erfolg

Aber stehen Frauen in Führungspositionen wirklich für diese gewünschten Kompetenzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit vielen Jahren die US-Forscherin Heidi K. Gardner von der Harvard University. Bei ihren Untersuchungen hat sie festgestellt, dass weibliche Führungskräfte rund doppelt so viel Zeit mit kollaborativen Bemühungen verbringen, die nicht in ihre formelle Stellenbeschreibung fallen. Und genau diese Kollaboration sei es, die heute zum Erfolgsmodell für Unternehmen werde. „Smart Collaboration“ hat Heidi K. Gardner ihr Buch zu diesem Thema benannt. Ihre Kernthese darin formuliert sie auf ihrer Homepage: „Wenn Spezialisten über Grenzen hinweg an Smart Collaboration beteiligt sind, erzielen Unternehmen höhere Margen, erzeugen sie eine stärkere Kundenbindung, leisten sie innovativere Arbeit und gewinnen und binden sie die besten Talente.“ Diese Unternehmen erzielen damit offensichtlich einen Wettbewerbsvorteil. Das Problem sei nur: Die Kosten, notwendigen Bemühungen und Änderungsprozesse eines solchen kollaborativen Ansatzes seien sofort erkennbar. Der Ertrag dagegen erst später. Auch das ist ein Grund, warum aktuell Backlashes beim Thema Frauen in Führungspositionen erkennbar sind: Programme zurückzufahren spart auf den ersten Blick unmittelbar Geld und Kapazitäten. Die negativen Auswirkungen dieses Rückbaus werden erst später ersichtlich. Geben wird es sie wohl. Und sie werden besonders wehtun.

Dabei sein ist nicht alles

Wenn Frauen im Top-Management sowie im Vorstand tätig sind, komme es, so Heidi K. Gardner, sehr darauf an, dass sie dort auch tatsächlich „inkludiert“ werden. Sprich, dass sie „gehört, geschätzt und wirklich einbezogen werden“, schreibt sie in einem Beitrag für die Harvard Business Review, den sie zusammen mit Randall S. Peterson verfasst hat, Professor an der London Business School. Ist diese Inklusion gelungen, zeigen sich in den gendergerecht besetzten Gremien die Vorteile. Einer von ihnen: Unternehmensvorstände seien in Entscheidungsprozessen „stärker auf Zusammenarbeit ausgerichtet“. Besteht das Gremium dagegen nur aus Männern, werde „wettbewerbsorientierter“ kommuniziert, verliefen Abstimmungen routinemäßig, ohne „unterschiedliche Standpunkte umfassend zu diskutieren“. Das führe zu einem Problem, wie Gardner und Peterson schreiben: „So werden häufig zugrunde liegende Meinungsverschiedenheiten verschleiert. Was dazu führe, dass diese Vorstände zu selbstsicher in ihren Entscheidungen wurden.“ Es reicht halt nicht aus, Entscheidungen deshalb selbstbewusst zu kommunizieren, weil es im Vorstand selbst dagegen keinen Widerstand gab. Entscheidend ist der Moment, wenn die Entscheidungen auf die Realität treffen. Und dann rächt es sich, wenn im Entscheidungsprozess bestimmte Perspektiven ignoriert wurden oder die Lösung eines Problems nicht vom Ende her gedacht wurde.

Was niemand braucht: Abnick-Gremien

Im Gegensatz dazu neigten Vorstände mit engagierteren Frauen dazu, „sich die Zeit zu nehmen, um bei Meinungsverschiedenheiten ein gemeinsames Verständnis des Problems zu erreichen“. Was zu einheitlicheren Entscheidungen führe, „bei denen jeder verstand, worum es ging, und keine Stimme übergangen wurde“, heißt es im Beitrag. Was dieser inkludierende Ansatz auf wirtschaftlicher Ebene bringe, zeigen die konkreten Zahlen von Gardner und Peterson: „Insbesondere Unternehmen, deren Vorstände über gut integrierte Frauen verfügen, verzeichnen eine um zehn Prozent höhere Aktienrendite.“ Und auch das Verhältnis zwischen Vorstand und Investoren sei besser: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktionäre formell gegen Vorstandsentscheidungen stimmen, ist bei solchen Unternehmen um acht Prozent geringer als bei Unternehmen, die Frauen im Vorstand nicht bewusst inkludierten. Es rechnet sich also, den Status und die Erfahrungen möglichst früh in Frage zu stellen. Was gegen Gremien spricht, die kollektives Abnicken mit Entschlusskraft verwechseln.

Buchtipp: „Smart Collaboration“

Cover Smart CollaborationZwar gibt es Heidi K. Gardners Buch „Smart Collaboration: How Professionals and Their Firms Succeed by Breaking Down Silos“ nicht in deutscher Übersetzung, doch lohnt sich die Lektüre des englischen Originals. Die Autorin ist eine ehemalige McKinsey-Beraterin und Professorin an der Harvard Business School, die heute an der Harvard Law School lehrt. Die empirischen Ergebnisse ihrer Studien zeigen, dass sich eine „smarte Zusammenarbeit“ sowohl für Fachleute als auch für ihre Unternehmen auszahlt. Im Buch bietet sie Rezepte, wie es Führungskräften gelingt, die Zusammenarbeit zu fördern und Silos aufzubrechen. Fallstudien zeigen die konkrete Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse. Heidi K. Gardner: Smart Collaboration: How Professionals and Their Firms Succeed by Breaking Down Silos. Harvard Business Review Press 2017. 27,40 Euro.

„Traut euch was zu!“ Yvonne Groth im Interview

Seit zehn Jahren ist die Ingenieurin Yvonne Groth als Geschäftsführerin technischer Unternehmen tätig. Seit 2022 ist sie CEO von Dornier Construction & Service, einem Teil der Dornier Group, in dem Dienstleistungen rund um die Montage, Instandhaltung und Betriebsführung von Energieanlagen gebündelt werden. 2024 wurde sie mit dem Engineer Woman Award ausgezeichnet. Weitere Frauen in ähnlichen Positionen? Beinahe Fehlanzeige. Wie es ihr damit geht und wie sich das ändern kann, erzählt sie im Interview. Ihr Rat an junge Frauen: Traut euch was zu! Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Yvonne Groth (Jahrgang 1979) studierte Landeskultur und Umweltschutz an der Universität Rostock, schloss das Studium als Diplom-Ingenieurin ab. Im Jahr 2006 stieg sie als Projektingenieurin bei der IBS Gruppe ein, wo sie ab 2015 die Geschäftsleitung übernahm. Seit 2022 ist sie Gesch.ftsführerin von Dornier Construction und Service, einem Bereich der Dornier Group, der Service rund um die Montage, Instandhaltung und Betriebsführung von Energieanlagen anbietet. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit engagiert sich die zweifache Mutter seit vielen Jahren für die Förderung von Frauen. Sie ist Mentorin im Programm „Aufstieg in Unternehmen – Mentoring für Frauen in der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ sowie Gründerin des „Welcome Centers Mecklenburgische Seenplatte“, einer Anlaufstelle für Zuzüglerinnen, Rückkehrerinnen und Unternehmen, mit dem Ziel, weibliche Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. 2024 wurde Yvonne Groth mit dem Engineer Woman Award ausgezeichnet.
Frau Groth, Sie sind eine große Verfechterin des Networkings. Warum ist es in Ihren Augen von zentraler Bedeutung für Frauen auf dem Weg in Führungspositionen? Netzwerke sind generell wichtig, ich würde das nicht nur auf Frauen beziehen. In Netzwerken baut man Vertrauen zu Personen und zu potenziellen Geschäftspartnern auf. In Netzwerken hat man darüber hinaus die Möglichkeit, sich gegenseitig zu unterstützen, aus Erfahrungen zu lernen und Kontakte zu knüpfen. Speziell für Frauen erachte ich Netzwerke als wichtig, weil sie ihre Sichtbarkeit fördern, was gerade in technischen Branchen, in denen noch immer wenig Frauen unterwegs sind, von großer Bedeutung ist. Ich mache es zum Beispiel konkret so, dass ich – wenn ich eine Anfrage oder Einladung bekomme, die ich selbst nicht wahrnehmen kann – eine andere Frau vorschlage, die diesen Termin wahrnehmen kann. Einfach, um die Chance auf Präsenz nicht verfallen zu lassen. Es gibt zwei Schulen von Netzwerkerinnen: In der eine plädiert man für reine Frauennetzwerke, in der anderen dafür, dass sich Frauen in gemischten, häufig von Männern dominierten Netzwerken stärker zeigen. Welcher Schule gehören Sie an? Der zweiteren, ganz klar. Ich mag diese Trennung der Netzwerke nicht, denn in den Unternehmen muss man ja auch zusammenarbeiten. Ich war erst vor kurzem auf einer Fach-Veranstaltung, bei der sich die wenigen Frauen vernetzen sollten. Und was passierte: Wir wurden separiert. Da habe ich gefragt: „Und nun?“ Gerade in den MINT-Bereichen ist eine Trennung der Geschlechter nicht sinnvoll. Es gibt hier noch immer wenig Frauen in Führungspositionen. Nehmen Sie meinen Bereich, also die technische Ingenieurdienstleistung rund um Energieanlagen: Ich kenne keine andere Frau in der technischen Geschäftsführung. Ich bin allein unter Männern. Man findet Frauen in kaufmännischen Bereichen, im Personal. Aber im technischen Bereich nur sehr selten. Was sollte es bringen, auf exklusive Frauennetzwerke in unserer Branche zu setzen? Bei Ihrer ersten beruflichen Station waren Sie zuerst Projektingenieurin und sind nach neun Jahren zur Geschäftsführerin aufgestiegen. Was haben Sie in diesen neun Jahren gut gemacht? Es gehört schon ein bisschen was dazu, um von einer Expertin zu einer Führungskraft zu werden. Mein Vorteil war: Ich war immer breit aufgestellt. Ich habe Expertise in vielen Bereichen, sei es in der Abfallwirtschaft, in der Energietechnik, in der Arbeitssicherheit, im Qualitätsmanagement. Ich bringe viel Wissen mit, und ich behaupte, ich kann sehr gut organisieren. Das ist eine wichtige Führungsaufgabe: Man muss das große Ganze sehen, Prioritäten setzen können, um den richtigen Weg einzuschlagen. Und dann braucht man eine gute Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl. Sie haben als Frau auf dem Weg nach oben Mentoring genossen, heute sind Sie selbst überzeugte Mentorin. Was macht gutes Mentoring für Frauen aus? Ich bin Vorstandsvorsitzende der Regionalen Wirtschaftsinitiative in Mecklenburg- Vorpommern (RWI). Seit vielen Jahren führt die RWI das Projekt „Aufstieg in Unternehmen“ durch. Dieses Mentoring-Programm ist branchenübergreifend. Und genau das finde ich sehr gut: Wenn Personen aus unterschiedlichen Bereichen zueinander finden und sich austauschen können. Was zudem beim Mentoring wichtig ist: Es muss auf Augenhöhe stattfinden. Man braucht eine vertrauensvolle Basis, um miteinander reden zu können. Nur dann wird die Mentee über ihre Herausforderungen sprechen – und auch als Mentor kann man dann Hilfestellungen geben oder Sichtweisen anders darstellen. Damit die Mentee sieht: Es gibt auch andere Wege und Perspektiven.

Engineer Woman Award

Seit 2023 vergibt die Hannover Messe im Rahmen des Karrierekongresses FEMWORX zwei Preise für Frauen in MINT-Berufen. „Mit dem Engineer Woman Award wird eine Expertin geehrt, die durch ihre Innovationskraft, ihr Engagement oder ihre Leistungen im technischen Umfeld heraussticht“, heißt es in der Selbstbeschreibung des Awards. Der Young Engineer Woman Award würdigt Frauen unter 30 Jahren, „die herausragende Arbeit in ihrem Fachgebiet leisten oder sich in besonderem Maße über ihren Arbeitsbereich hinaus engagieren“.
Glauben Sie, dass sich Frauen selbstkritischer sehen, als Männer es tun? Ja, das ist ein bekanntes Phänomen, das auch durch verschiedene Studien gestützt wird. Frauen neigen eher dazu, ihre Fähigkeiten zu hinterfragen und sich selbstkritischer zu sehen, während Männer oft selbstbewusster auftreten – auch wenn sie objektiv nicht kompetenter sind. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Confidence Gap: Untersuchungen zeigen, dass Frauen dazu tendieren, sich erst dann auf eine Position oder Aufgabe zu bewerben, wenn sie nahezu alle Anforderungen erfüllen, während Männer oft schon mit deutlich weniger Qualifikationen den Schritt wagen. Dies kann teilweise auf gesellschaftliche Prägung, Erziehung und Geschlechterrollen zurückgeführt werden. Frauen lernen häufig von klein auf, bescheidener und perfektionistischer zu sein, während Männern eher vermittelt wird, Risiken einzugehen und sich selbstbewusst darzustellen. Wir erleben aktuell an vielen Stellen den Versuch, das Rad beim Thema Gender-Gerechtigkeit zurückzudrehen. Nehmen sie das auch wahr? Schon, ja. Wenn Männer Fehlentscheidungen in Unternehmen getroffen haben, dann waren die Rahmenbedingungen schuld und oftmals folgen keine Personalentscheidungen. Passiert das einer Frau, ist sie schnell weg vom Fenster. Es ist recht offensichtlich, dass sich immer mehr Männer das Recht herausnehmen, beim Thema Gleichberechtigung nicht mehr aufmerksam sein zu müssen. Im März ging dieses Bild von Friedrich Merz‘ Spitzenrunde mit Unionspolitikern nach der Bundestagswahl viral, zu sehen waren sechs Männer. Das Online-Satire-Magazin „Der Postillon“ postete dazu: „Doch, doch, Frauen waren auch dabei: Was meinen Sie, wer den Tisch eingedeckt hat?“ Das ist zwar lustig, aber zeigt die Realität, dass Frauen bei solchen „Männerrunden“ ausgeschlossen werden.
Mir ist bewusst, dass ich eine Vorbildfunktion einnehme. Ich hoffe, dass meine Sichtbarkeit dazu beiträgt, dass andere Frauen ermutigt werden und dass Frauen Chancen in Führungspositionen bekommen.
Wie fühlen Sie sich in der von Männern dominierten Welt Ihrer Branche? Noch immer fallen Frauen in meiner Branche auf. Letzte Woche war ich auf einer Veranstaltung und unter den 140 Teilnehmenden waren genau fünf Frauen. Das ist eine Quote von weniger als drei Prozent. Mir ist bewusst, dass ich eine Vorbildfunktion einnehme. Ich hoffe, dass meine Sichtbarkeit dazu beiträgt, dass andere Frauen ermutigt werden und dass Frauen Chancen in Führungspositionen bekommen. Wie motivieren Sie sich, trotzdem immer weiterzumachen? Ich bin engagiert! Ich finde es einfach sehr wichtig, dass Frauen ein Gesicht in meiner Branche bekommen, dass sie sichtbarer werden, sich nicht verstecken. Was mir sicher auch hilft: Mein trockener Humor. Wenn man sich den Karriereweg von Frauen genauer anschaut, welche sensiblen Wegmarken gibt es? Wichtig ist der familiäre Aspekt. Dieser Aspekt ist für Männer deutlich weniger problematisch. Männer werden nie gefragt, wie sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf realisieren. Dabei sind die Männer genauso bei der Familiengründung beteiligt wie die Frauen. Haben Frauen keinen Partner, der unterstützt, wird es für sie doppelt schwer, eine Führungsposition zu kommen. Daher ist es wichtig, dass Frauen diese Unterstützung auch bei ihren Partnern einfordern. Damit klar ist, wenn beide Partner arbeiten, dass in dieser Beziehung beide Seiten ihren Beitrag zu leisten haben. Frauen, die es sich nicht so recht zutrauen, mit ihren Partnern frühzeitig offen über dieses Thema zu reden, sollten diese Unterhaltung als eine Art Vorbereitung auf die Karriere begreifen. Denn in Führungspositionen kommt es ja auch darauf an, auch mal unangenehme Gespräche zu führen. Was geben Sie jungen Frauen mit, die jetzt kurz vorm Eintritt in die Arbeitswelt stehen, gerade auch in männerdominierten Branchen? Zu erkennen, welche Stärken sie haben. Nicht nur auf das zu schauen, was sie noch nicht können, sondern auch auf das, was sie bereits mitbringen. Natürlich möchte man immer einhundert Prozent erreichen. Aber es hilft gerade zu Beginn, die Ansprüche an sich selbst ein wenig herunterzuschrauben. Um dann später, in der Führungskräfteentwicklung weiter an sich zu arbeiten.

Kuratiert

Obstkäppchen engagieren sich gegen Altersarmut

Carina Raddatz ist zwar erst Anfang 30, also vom Rentenalter noch über 30 Jahre entfernt – aber Altersarmut hat sie zu ihrem Herzensthema gemacht. Als sie vor Jahren in der Kölner Innenstadt eine ältere Frau sah, die im Müll nach Pfandflaschen suchte, beschloss sie etwas zu tun und gründete den Verein Obstkäppchen e. V. Ihr Motto: „Altersarmut kommt uns nicht in die Tüte“. Die ehrenamtlichen Helfer*innen besuchen alte Menschen, die über wenig Einkommen verfügen, und bringen ihnen Tüten mit gesunden Lebensmitteln nach Hause. Dabei treten sie nicht nur Altersarmut, sondern auch Einsamkeit entgegen. Mehr als 10.000 Besuche gab es bisher – und das Projekt soll wachsen, neue Obstkäppchen sind willkommen! www.obstkäppchen.de

Frauen fehlen in der Bauindustrie

Der Bauindustrie fehlt es an Azubis und Fachkräften – besonders aber fehlt es ihr an Frauen. Eine statistische Analyse des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie zeigte, dass lediglich 14 Prozent der Beschäftigten im Wirtschaftszweig Baugewerbe weiblich sind. Bei keiner anderen Branche ist der Anteil so niedrig. Bei den Studierenden des Fachs Bauingenieurwesen liegt der Frauenanteil laut Studie bei 30 Prozent, bei den Absolventinnen und Absolventen, die schließlich in den Unternehmen arbeiten, bei 28 Prozent. Ein Ungleichgewicht herrscht laut Befragung bei der Bezahlung: Der Hauptverband informiert, dass das Gehaltsniveau von hochqualifizierten Frauen nur bei 83 Prozent (Expertin) bzw. 86 Prozent (Spezialistin) im Vergleich zum Niveau der männlichen Kollegen liegt.

Female Future Festival an vier Standorten

Das Female Future Festival ist der nach eigenen Angaben „größte Empowerment-Treffpunkt der DACH-Region für Karriere, Innovation, New Leadership, New Work und Job-Chancen“. An gleich vier Standorten findet das Festival statt: In München, am Bodensee, in Zürich und Wien. Namhafte Speakerinnen sprechen über Themen wie Personal Branding, New Work, Diversity, Change, Finanzen, Mental Health und vieles mehr. https://female-future.com Von Kerstin Neurohr

Blickpunkt: Pionierinnen

Sie kämpften in einer männlich dominierten Gesellschaft für ihre Überzeugungen, setzten sich an die Spitze der technischen und künstlerischen Innovation und prägten den Verlauf der Geschichte mit ihren Ideen. In unserer Pionierinnen-Reihe stellen wir Frauen vor, die mit ihrem Mut und ihrem Durchsetzungsvermögen den Weg zur Gleichberechtigung geebnet haben. Von Kerstin Neurohr

Malala Yousafzai (*1997) – jüngste Friedensnobelpreisträgerin

Schon mit 11 Jahre begann sie sich für die Rechte von Frauen und Kindern in ihrem Heimatland Pakistan einzusetzen: Für die BBC Urdu (den urdusprachigen Dienst des britischen Fernsehsenders BBC) schrieb sie ein Online-Tagebuch über ihren Alltag im pakistanischen Swat-Tal, das unter der Herrschaft der pakistanischen Taliban stand. Diese hatten Mädchen den Schulbesuch verboten und ihre Schulen zerstört, sie bedrohten und ermordeten politische Gegner. Mädchen durften nicht mehr Musik hören, nicht tanzen und öffentliche Räume nur verschleiert betreten. Ihr Engagement verschaffte Malala Yousafzai viel Aufmerksamkeit – und brachte die Taliban so sehr auf, dass sie im Oktober 2012 einen Mordanschlag auf das Mädchen verübten, sie schossen ihr in den Kopf. Malala Yousafzai überlebte den Anschlag, und ihr mutiger Widerstand gegen Unterdrückung und ihr Kampf für das Recht auf Bildung fanden international große Beachtung. 2014 erhielt sie den Friedensnobelpreis und wurde damit zur jüngsten Preisträgerin in der Geschichte. Seit 2017 ist Malala Yousafzai Friedensbotschafterin der UN. Heute lebt sie in Großbritannien und setzt ihre Arbeit über den „Malala Fund“ fort, eine Organisation, die sich für die Bildung von Mädchen weltweit starkmacht. https://malala.org

Johanna Kappes (1879–1933) – erste Studentin in Deutschland

AdobeStock/Zefirka
AdobeStock/Zefirka
Studieren? Männersache! Was heute schwer vorstellbar ist, war bis vor 125 Jahren Realität: Erst im Jahr 1900 wurden Frauen zum Studium zugelassen. Entscheidend zu der Öffnung beigetragen hat Johanna Kappes, die in Karlsruhe Abitur machte und Medizin studieren wollte. Sie ging nach Freiburg und konnte dort mehrere Professoren von ihrem Wunsch und ihren Fähigkeiten überzeugen. Die Mediziner erlaubten Johanna Kappes, Vorlesungen zu besuchen. Aber das Examen blieb ihr verwehrt. Unterstützt vom „Verein Frauenbildung-Frauenstudium“ verfasste Kappes Ende 1899 eine Petition an den Senat. Diese wurde abgelehnt, doch der Prorektor der Universität schaltete sich ein, leitete die Petition an das zuständige Ministerium nach Karlsruhe weiter – und das entschied, dass auch Frauen an der Universität in Freiburg studieren dürfen. Johanna Kappes und vier Kommilitoninnen immatrikulierten sich im Februar 1900 rückwirkend zum Beginn des Wintersemesters 1899/1900, wobei ihre bereits erbrachten Leistungen angerechnet wurden. Kappes wurde Ärztin, promovierte 1904 und führte mit ihrem Mann, der ebenfalls Arzt war, in Nürnberg eine Gemeinschaftspraxis, in der sie bis zu ihrem Tod tätig war.

The Liverbirds (aktiv von 1962-1967) – erste rein weibliche Rockband

AdobeStock/Good Studio
AdobeStock/Good Studio
„Vier Mädchen haben sich entschlossen, die Welt zu erobern und ein praktisches Beispiel der vielzitierten Gleichberechtigung zu geben“, so wurde ihr Auftritt auf dem „Beat-Festival“ in Wien 1965 angekündigt: Pamela Birch (Gesang/Gitarre), Valerie Gell (Gesang/Gitarre), Mary McGlory (Gesang/Bassgitarre) und Sylvia Saunders (Schlagzeug) – „The Liverbirds“ aus Liverpool. Ohne wirklich Instrumente spielen zu können, gründen sie eine Band und touren schon bald durch Großbritannien, sind mit den damals noch unbekannten Rolling Stones unterwegs, lernen die Kinks kennen (als deren Instrumente geklaut werden, stellen die Liverbirds ihre zur Verfügung – darauf spielen die Kinks ihren Hit „You Really Got me“ ein). Mit gerade mal 17, 18 Jahren kommen die Girls aus Liverpool nach Hamburg und treten dort im Star Club auf – vier Jahre lang stehen sie dort immer wieder auf der Bühne. Die erste Girl-Rock-Band der Welt! Als „die weiblichen Beatles“ werden sie gehandelt, doch ihre Musik ist rauer. 1968 werden die Liverbirds zu einer Tour nach Japan eingeladen – doch Sylvia kann nicht mitfahren, weil sie schwanger ist, und Valerie nicht, weil ihr Ehemann es ihr verbietet. Pamela und Mary fahren, doch sie beschließen auf der Tour, nicht weiter gemeinsam Musik zu machen. So endet ihre Musik-Karriere, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch nicht soweit sind, dass Frauen dauerhaft im Musik-Business Erfolg haben können.

Colleen Hoover (*1979) – Autorin und New-Adult-Pionierin

Ihre Geschichte als Autorin hat selbst das Zeug zum Roman: Ihr erstes Buch, „Weil ich Layken liebe“, schrieb sie als Weihnachtsgeschenk für ihre Mutter. Weil die Familie so begeistert war, veröffentlichte sie es als E-Book – und wenig später hatte sie ihren ersten Bestseller. Heute hat Colleen Hover mehr als 20 Romane veröffentlicht und zählt zu den meistverkauften amerikanischen Autorinnen. Ihr Erfolgsrezept: Liebe und Leidenschaft, die ganz großen Gefühle, dazu etwas Spice, leicht zu lesen. Damit hat sie ein Genre begründet, New Adult, und dem Buchmarkt einen Aufschwung verschafft, wie es ihn lange nicht gab. Colleen Hover hat mittlerweile mehr als 20 Millionen Bücher verkauft, lebt mit ihrem Mann und drei Söhnen in Texas, schreibt weiter und ist mit mehr als 1,3 Millionen Followern überaus erfolgreich auf TikTok aktiv.