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„Die junge Generation muss sich reflektieren“

Martin Klaffke ist BWL-Professor und untersucht, wie sich Nachwuchskräfte in die Unternehmen integrieren. Bei der aktuellen Generation Y erkennt er einige Reibungsflächen. Warum manche Einsteiger keine Widerworte gewohnt sind und weshalb er einen Blick in den Knigge empfiehlt, erzählt der Generationenexperte im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Nach seinem Studium der Europäischen Wirtschaft und Promotion war Prof. Dr. Martin Klaffke mehr als acht Jahre in internationalen Management-Beratungen aktiv, zuletzt als Projektmanager bei Roland Berger Strategy Consultants. Als Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sind seine Forschungsschwerpunkte die strategische Weiterentwicklung und Professionalisierung des Personalmanagements sowie das Management von nachhaltigen Veränderungsprozessen. Aktuell beschäftigt sich Klaffke, der zudem in Hamburg das Institute of Change Management leitet, mit Generationen-Management und zeigt dabei Konzepte zur Personalführung der Generation Y auf.

Herr Professor Klaffke, warum hilft uns der Blick auf Generationen, wenn wir über Diversity reden?
Die Zugehörigkeit zu einer Generation kann man daran festmachen, in welchem Zeitrahmen ein Mensch geboren wurde und welchen Einflüssen und Gegebenheiten er in seiner Jugend und dem frühen Erwachsenenleben ausgesetzt war. Die Generationenforschung stellt dabei fest, dass der Zeitgeist, auf den junge Menschen treffen, ihre Wünsche, Werte und beruflichen Vorstellungen prägt.

Welche Einflüsse sind das bei der Generation Y – also der aktuellen Nachwuchsgeneration in den Unternehmen?
Die Generation Y umfasst die Geburtsjahrgänge von circa 1980 bis 1995. Der aktuell in Unternehmen eintretende Bachelor-Nachwuchs wurde überwiegend in den frühen 1990er-Jahren geboren. Die Zeit, auf die wir hinsichtlich des prägenden Zeitgeistes schauen müssen, sind also die 2000er-Jahre, und hier haben sich mit Blick auf das soziale und wirtschaftliche Umfeld wesentliche Änderungen ergeben. So hat man in Deutschland mehr Aufmerksamkeit denn je auf Kinder gelegt. Viele Vertreter der Generation Y wurden von ihren Eltern als eine Art Projekt betrachtet. Dass wir uns nicht missverstehen: Die Kinder wurden von ihren Vätern und Müttern durchaus geliebt. Aber es gab auch das Ziel, dass aus den Kindern etwas Besonderes werden sollte. Interessant ist hier, wie die Einstellung der Eltern mit der Bildungspolitik korrespondiert.

In welcher Form?
Ab den 2000er-Jahren begannen Eltern, das Kümmern mit deutlich mehr Programmpunkten zu versehen. Die musikalische Früherziehung oder bilinguale Kitas sind typische Angebote für solche Eltern. Der Sinn dahinter ist eine Förderung, dennoch ist auch impliziert, dass die Kinder etwas leisten. Und das setzt sich in den späteren Jahren auch in der Schule fort, vor allem aber an den Hochschulen, wo das Bachelor- und Mastersystem dafür sorgt, dass die Studierenden viel schneller und regelmäßiger als früher Prüfungsleistungen erbringen müssen. Dieser Leistungsdruck trifft nun auf eine Art Belohnungs- oder Trophäenkultur. Sie kennen die Bundesjugendspiele? Früher gab es dort ab einer bestimmten Punktzahl eine Sieger- oder Ehrenurkunde. Man konnte aber auch leer ausgehen. Heute gibt es eine Teilnahmeurkunde für jeden. Das wiederum korrespondiert mit der Art und Weise, wie die Werbung die jungen Menschen im Zeitalter des Multi-Optionen-Konsums anspricht: Jeder ist heute ein Premiumkunde. Und zum Kaufen wird man aufgerufen, indem suggeriert wird: „Das hast du dir verdient.“

Wie beeinflussen diese Entwicklungen nun den Berufseinstieg?
Die Generation kommt ins Unternehmen und erwartet ganz selbstverständlich, dort ebenfalls als Premium wahrgenommen zu werden. Sich anzupassen – das kann sie sich dagegen oft weniger gut vorstellen. Von Kindesbeinen an haben die Eltern, Verwandten und das soziale Umfeld vieles auf sie ausgerichtet, nun kommen sie jedoch in ein Setting, in dem die Vertreter der etablierten Generationen sitzen, die auf der beruflichen Ebene plötzlich kaum noch Verständnis für die Premiumerwartung des Nachwuchses haben.

Wie sollte die Generation Y darauf reagieren?
Es wäre falsch zu denken, dass einem der demografische Wandel in die Hände spielt und dass sich die Unternehmen verändern müssen, man selber jedoch nicht. Es gibt zwar einen Fachkräftemangel, aber längst nicht in allen Branchen. Wer also einen guten Einstieg in die Arbeitswelt hinlegen möchte, sollte einige Punkte beachten. Hierzu gehört zunächst die Reflexion des eigenen Verhaltens. Wer neu in ein Unternehmen kommt, wird von den erfahrenen Kollegen sehr genau und durchaus skeptisch beobachtet. Es ist hilfreich zu wissen, dass einige Dinge, die im Alltag für junge Menschen selbstverständlich sind, im Job-Kontext für Reibung sorgen können.

Welche konkreten Bereiche sind besonders sensibel?
Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Generationen beim Ausdruck von Anerkennung und Wertschätzung von Leistung. Ältere Kollegen setzen oftmals auf ihre Seniorität und ihr Expertenwissen. Darauf, dass weiterhin zählt, was man vor fünf oder zehn Jahren geleistet hat. Lob gibt es von ihnen nicht für die Normalleistung, sondern nur für herausragende Erfolge – im Sinne von „nicht geschimpft ist schon gelobt genug“. Für die Jüngeren steht die Wertschätzung als Mensch und ihre aktuelle Leistung im Vordergrund. Es geht ihnen darum, Anerkennung auch für die kleinen Schritte und das bisher Erreichte zu erhalten. Daraus resultiert auch die große Ungeduld der Generation Y, die vielen Älteren sauer aufstößt. Alles muss schnell gehen und sofort bewertet werden. So wie im Internet oder auch an der Uni, wo schnell Prüfung auf Prüfung folgt und sofort Credits verteilt werden. Es ist sinnvoll, als Nachwuchskraft auf die Balance zu achten, auch einmal innezuhalten und das langsamere Tempo des anderen anzunehmen. Ein weiterer zentraler Punkt ist das Thema Smartphone: Die junge Generation ist es gewohnt, in der Pause in die Netzwerke und Chats zu gehen. Ältere Kollegen suchen dagegen oft eher das persönliche Gespräch – und empfinden das Zücken des Smartphones in jeder freien Minute als Unhöflichkeit oder deuten es sogar als Desinteresse.

Gelungene Diversity ist also auch ein Knigge-Thema.
Es ist eine Frage von wechselseitigem Verständnis und Annäherung. Ich kann der jungen Generation als Neulinge im Erwerbsleben nur empfehlen, einen Blick auf die Standards im geschäftlichen Umgang zu werfen. Wann ist das Sie angebracht, wann darf man duzen? Wie setzt man eine formale E-Mail mit korrekter Anrede auf? Wichtig ist hier vor allem zu erkennen, dass etablierte Führungskräfte in den Unternehmen nicht unbedingt so cool und locker unterwegs sind wie die ungefähr gleich alten Eltern zu Hause. Viele Väter und Mütter der Kinder aus der Generation Y möchten gerne die besten Kumpels ihres Nachwuchses sein. Am Arbeitsplatz dagegen haben die älteren Kollegen und Vorgesetzten genau das nicht vor.

Interimsmanagement: Karriereleiter und Work-Life-Balance

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Familie und Beruf müssen kein Gegensatz sein. Ein professionelles Interimsmanagement stärkt beides und fördert junge Talente. Bei der Deutschen Bahn (DB), die hierzulande mehr als 200.000 Mitarbeiter hat, ist das Interimsmanagement fester Baustein der Personalarbeit. Annette von Wedel, Leiterin Diversity Management bei der DB, schildert in ihrem Gastbeitrag ein Beispiel aus der Praxis.

Durch den demografischen Wandel verschieben sich die Altersstrukturen in den Unternehmen. Gleichzeitig wünschen sich viele Frauen und Männer eine familienfreundlichere Arbeitswelt, in der sich Beruf und Privatleben besser als bislang vereinbaren lassen. Innovative Lösungen zur Personalgewinnung und Personalbindung sind gefragt. Eine davon heißt Interimsmanagement. Unternehmen besetzen frei werdende Stellen aus den eigenen Reihen. Die „Manager auf Zeit“ sammeln wertvolle Berufserfahrung.

Zum Beispiel Florentine Gerneitis. Routiniert geht sie ihr Wochenpensum durch. Auf der Agenda stehen Bewerbungs- und Auswahlgespräche, ein Treffen mit dem Betriebsrat sowie ein Verfahren am Arbeitsgericht, das sie noch vorbereiten muss. „Vermutlich wird das eine ganz normale Woche“, sagt die Juristin und lächelt. Gerneitis arbeitet bei der Deutschen Bahn und begleitet mit ihrem Team rund 1700 Mitarbeiter in Berlin, Leipzig und Stralsund in Personalangelegenheiten. Der nächste Anruf. Gerneitis sieht vom Schreibtisch auf – zuerst greift sie nach dem Hörer und dann nach dem Notizblock. Ein Bewerber mit Fragen zum Arbeitsvertrag. Die Personalmanagerin verspricht den Rückruf für den frühen Nachmittag, vorher wolle sie sich die entsprechenden Unterlagen noch mal ansehen. Gerneitis ist Arbeitsrechtlerin und hatte vor dem zweiten Staatsexamen schon als Rechtsreferendarin im Unternehmen gearbeitet. Sie packt an, bleibt dabei jedoch stets auf dem Boden. Für die Bahn ein Glücksfall: Sie holte die Juristin nach dem zweiten Staatsexamen zurück ins Unternehmen und gab ihr einen Fulltimejob mit viel Verantwortung. Kaum war Gerneitis eingearbeitet, stand die nächste Herausforderung an: „Meine Chefin fragte mich, ob ich sie während der Elternzeit vertreten will“, erinnert sich die Juristin. Eine Überraschung – und ein dickes Lob für ihre Leistungen. Florentine Gerneitis überlegte kurz und sagte zu. „Persönlich habe ich sehr viel dazu gelernt“, erzählt sie. „Mein Aufgabengebiet war plötzlich sehr viel größer, aber es hat auch sehr viel Spaß gemacht.“

Die Initiative zur Elternzeitvertretung ging von ihrer damaligen Chefin Anja Fenner aus, sie hatte das Potenzial früh erkannt und Gerneitis als Interimsmanagerin vorgeschlagen. Ihr waren Kontinuität und Vertrauen wichtig und dass während ihrer Elternzeit ein verlässlicher Ansprechpartner da war. Das Konzept ging auf: Einerseits war die Elternzeitvertretung für die Nachwuchsführungskraft die denkbar beste Vorbereitung auf den nächsten Karriereschritt. Andererseits konnte der Arbeitgeber die befristete Auszeit unkompliziert überbrücken. Ähnlich war es bei Mario Theis. Der Abteilungsleiter arbeitete bereits sieben Jahre für die DB in Frankfurt, da plagte ihn das Fernweh. „Andere Kulturen zu erleben, war mir immer wichtig. Doch ich wollte mir Zeit dafür nehmen, mehr als für einen Urlaub“, erzählt er. Schon lange hatten seine Frau und er die Idee zu einer Weltreise. Doch wie sollte er eine solche Auszeit mit seinem Job vereinbaren? Theis ging zu seinem Chef, äußerte seinen Wunsch und bekam grünes Licht. Bevor es allerdings losgehen konnte, musste eine geeignete Vertretung gefunden werden. Das Interimsmanagement war eine gute Lösung: Theis bekam ein halbes Jahr frei, dafür musste er vorher seinen Stellvertreter einarbeiten.

Arbeitgeber finanziert Auszeit vor
Das Interimsmanagement ist bei der DB heute fest etabliert. Nach drei Jahren im Unternehmen können Mitarbeiter ein Sabbatical von bis zu sechs Monaten einlegen. Der Arbeitgeber finanziert die Auszeit vor. Anschließend ist drei Jahre Zeit, den Vorschuss auszugleichen, etwa durch den Verzicht auf Boni. Das Angebot richtet sich nicht nur an Führungskräfte oder Mitarbeiter an der Schwelle zu einer Leitungsfunktion. Auch Tarifkräfte können eine Auszeit nehmen. Hier wird der Ausgleich über Arbeitszeitkonten und eine entsprechende Summe an Überstunden beziehungsweise Urlaubstagen geregelt. Das Interimsmanagement regelt neben der eigentlichen Vertretung gleichzeitig auch den Wiedereinstieg des Mitarbeiters in den Job. Das war auch bei Anja Fenner, der Chefin von Florentine Gerneitis so. Nach der Elternzeit wollte sie auf ihre alte Position zurückkehren. Daher sei es gut, „wenn die Spielregeln vorher klar sind und alle Seiten wissen, worauf sie sich einlassen“, so Fenner. Davon profitiert hat auch als drittes Beispiel Julia Füser, die wiederum für Florentine Gerneitis einspringen konnte. Ein schöner Zufall. Und für Füser die ideale Gelegenheit, um im Berufsleben Fuß zu fassen. „Es war der richtige Moment“, so Füser.

Und Mario Theis? Zusammen mit seiner Frau stieg er in den Flieger. Sie machten Station in Kambodscha, auf den Fidschi-Inseln, in Neuseeland sowie in Peru und Panama. Sein Stellvertreter trat den Job mit viel Begeisterung an. „Die Verantwortung abzugeben war zunächst komisch, doch unterm Strich haben sich alle Erwartungen erfüllt.“

Redaktionstipp: Generation Z

Die Generation Z ist im Anmarsch, und sie denkt komplett anders als ihre Vorgängergeneration, die Y. Die Einsteiger von morgen trennen wieder scharf zwischen Arbeits- und Privatleben. Sie machen es sich gemütlich in ihrer kleinen Welt und geben sich schnell zufrieden. Das Problem: Weder führen sie gerne, noch stellen sie sich den großen Herausforderungen unserer Zeit. Der Saarbrücker BWL-Professor Christian Scholz hat als einer der ersten die kommende Generation Z und ihren Einfluss auf die Berufswelt analysiert.
Interview mit Christian Scholz: „Es fehlt nur noch der Gartenzwerg“

Buchtipp

Christian Scholz:
Generation Z: Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt.
Wiley-VCH 2014.
ISBN: 978-3527508075.
19,99 Euro.

Linktipp

http://die-generation-z.de

Der Berater und Autor Michael Stuber

Seit 1997 berät Michael Stuber mit seinem Consulting-Unternehmen Kunden zum Thema Diversity. Der studierte Wirtschaftsingenieur hat zahlreiche Veränderungsprozesse geleitet und Konzepte zur Vielfalt erprobt. Im Interview erzählt er, warum Diversity heute für internationale Themen zur Pflicht wird und wie sich Nachwuchskräfte gezielt vielfältig aufstellen können. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Michael Stuber, geboren 1966, studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe und arbeitete zunächst als Personalberater. 1997 gründete er sein Beratungsunternehmen Ungleich Besser Diversity Consulting mit Sitz in Köln. Michael Stuber ist Autor mehrerer Fachbücher und Buchbeiträge sowie zahlreicher Fachartikel und Kolumnen. Zu seinen Themen gehören Frauen und Karriere, Demografie, Globalisierung sowie Unternehmenskultur, Innovation und Führungsqualität. Sein Fachbuch „Diversity & Inclusion“ gilt als Standardwerk des Themenbereichs.

Herr Stuber, warum ist Diversity für Unternehmen heute unverzichtbar?
Es gibt zwei Entwicklungen, die die Wirtschaft dramatisch verändert haben: die Globalisierung und die Digitalisierung. Wie allumfassend dieser Wandel ist, bemerken wir daran, dass zwei der größten Konzerne heute Google und Facebook heißen. Sie hätten in der alten Ökonomie gar nicht existiert. Auf der anderen Seite gibt es Traditionskonzerne, die schrumpfen oder schließen müssen, weil ihr Geschäftsmodell in Zukunft nicht mehr funktioniert.

Insgesamt wird heute in der Wirtschaft ganz anders gearbeitet als früher, nämlich viel internationaler, komplexer, schneller und individueller. Die Unternehmen stehen daher vor der Aufgabe, die verschiedenen Potenziale vieler unterschiedlicher Individuen zu nutzen und die Zusammenarbeit zu optimieren. Das zeigt die interne Notwendigkeit von Diversity Management.

Was bestimmt die externe Notwendigkeit?
Viele Unternehmen nehmen heute Diversity ernst, weil sie erkennen, dass sie nur so die Bedürfnisse ihrer Kunden erfüllen können, denn auch diese sind vielfältiger denn je. Zudem reagieren Unternehmen auf die Erwartungen seitens der Öffentlichkeit oder auch der Bewerber: Man erwartet heute einfach, dass sich ein großes Unternehmen mit Diversity beschäftigt. Es nicht zu tun, gilt als nicht zeitgemäß.

Es gibt immer wieder Unternehmen, die von sich behaupten, Vielfalt zu leben und zwar unabhängig vom Modewort Diversity. Warum ist dieser Weg nicht empfehlenswert?
Viele Unternehmen unterschätzen das Thema Diversity. Die Verantwortlichen dort denken, es handele sich um ein einfaches Thema: Man müsse nur die Maßnahmen, die es hier und dort bereits gibt, bündeln. Ein solcher Ansatz ist natürlich einfach. Aber die Maßnahmen entfalten weder Veränderungsimpulse noch bringen sie Mehrwerte. Studien zeigen, dass die messbaren Vorteile aus Vielfalt nur dann zuverlässig entstehen, wenn man im Unternehmen Unterschiede bewusst wahrnimmt und aktiv sowie systematisch gestaltet.

Was ist ein häufig gemachter Fehler, wenn Unternehmen auf eigene Faust Vielfalt fördern wollen?
Viele Unternehmen beginnen damit, Diversity von den Einzelthemen ausgehend zu denken. Das erscheint zunächst logisch, und sie entwickeln separate Maßnahmen für diverse Gruppen, die sie fördern möchten: Kinderbetreuung, Frauenförderung, kulturelle Trainings, Generationenworkshops und so weiter. Wer aber Diversity als strategischen Hebel und Zukunftsthema einsetzen möchte, muss an den Kernelementen des Unternehmens ansetzen. Dann stellen sich die Fragen: Welche Strategiethemen haben mit Vielfalt zu tun? Wie tickt die Kultur in Bezug auf Offenheit? Was braucht das Unternehmen, um erfolgreich zu bleiben? Und was würde geschehen, wenn Diversity keine Beachtung erfahren würde?

Wer sich mit solchen Fragen einer strategischen Positionierung beschäftigt, wird auch feststellen, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob ich in einer internationalen Bank, im Großhandel oder bei einer mittelständischen Spitzentechnologie- Schmiede Diversity umsetzen möchte. Dann wird auch klar, dass man ein Diversity-Programm, das in einer Firma erfolgreich war, nicht einfach kopieren kann. Je nach Unternehmen muss es einen eigenen Rahmen und eine eigene Sprache geben.

Das heißt für eine Nachwuchskraft, die Wert auf Vielfalt legt: Bei der Bewerbung nicht nur zu schauen, was es für Angebote gibt. Sondern vor allem prüfen, wie das Unternehmen sich selbst und das Thema Diversity strategisch positioniert?
Genau. Man erkennt dann ganz gut, ob es sich bei den Aussagen zum Thema Vielfalt um nichtssagende Worthülsen handelt. Oder ob das Thema spezifisch in der Unternehmenskultur verankert ist.

Diversity bedeutet auch, verschiedene Arbeitseinstellungen zu akzeptieren. Das ist gerade dort spannend, wo junge auf ältere Kollegen treffen oder Frauen die Männerdomänen brechen. Wie kann dort Vielfalt etabliert werden?
Wir reden hier von einer echten Veränderung in der Unternehmenskultur – und das ist ein komplexer Prozess. Gemischte Teams benötigen Führungskräfte, die diese Vielfalt moderieren, eine gemeinsame Zielvorgabe vermitteln und verschiedene Erwartungen integrieren. Zudem darf es nicht an der Technik scheitern: Die beste Führung nützt wenig, wenn es im Team nicht die Möglichkeit gibt, flexibel zu arbeiten. Der dritte Punkt ist eine Art von Resonanzraum, in dem man sich trifft und über die Erfahrungen und Ergebnisse der Arbeit sprechen kann.

Mit Blick auf die Absolventen: Was bedeutet das Thema Diversity für die Bewerber? Welche Aufgabe geben Sie dem Nachwuchs mit auf den Weg?
Junge Leute sollten sich heute mehr noch als früher über ihre individuellen Stärken klar werden. Man sollte sich fragen, welchen gewinnbringenden Aspekt man selbst beitragen kann: Was zeichnet mich aus, was kann ich besonders gut – und wohin will ich mich entwickeln? Dabei muss man aufpassen, sich bei der Reflexion nicht in Allgemeinheiten zu verlieren. Was „Spannendes mit Menschen“ machen zu wollen, das reicht nicht als Erkenntnis.

Wie wird man an dieser Stelle konkret?
Indem man sich fragt: Bin ich ein Konzeptmensch, ja oder nein? Fühle ich mich im interkulturellen Umfeld wohl, und wenn ja, was genau gefällt mir daran? Hat man ein Profil der persönlichen Stärken erstellt, ist der nächste Karriereschritt einfacher. Was man aber auch sagen muss: Es gibt keine große Chance, den absoluten Traumjob zu finden, und das müssen junge Leute, für die alles möglich zu sein scheint, noch lernen: Sie können sich ihren Wunschjob nicht backen. Jede Arbeitsstelle wird immer ein Kompromiss sein aus Dingen, die passen, und anderen, die nicht ideal sind.

Es gibt heute zwar eine enorme Vielfalt an Karrierewegen. Aber alles zu bekommen, das ist auch dabei nicht möglich. Man muss als junger Mensch also die Offenheit mitbringen, dass die Realität in der Regel anders aussieht, als man sie sich vorstellt.

Das Web-Portal: www.ungleich-besser.de

Über das Diversity-Informationsportal erhalten die Nutzer Zugang zu grundlegendem Wissen zum Thema Diversity sowie zu Themenseiten wie Diversity-Marketing oder AGG-online, einer Infoseite zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Ein weiterer Bereich präsentiert Studien und Konzepte. Der neueste und größte Bereich ist der Wissens-Blog unter www.diversitymine.eu mit rund 1600 Beiträgen und zahlreichen Beispielen einer gelungenen Umsetzung von Diversity sowie Neuigkeiten zu dem Thema aus ganz Europa.
www.ungleich-besser.de

Diversity lebt vom Mitmachen

Die Unternehmen wissen: Um auf den internationalen Märkten erfolgreich zu sein, müssen sie das Thema Diversity strategisch angehen. Am Zuge sind daher auch Einsteiger und junge Führungskräfte. Ihre Aufgabe: die Vorteile von vielfältigen Teams zu erkennen und zu nutzen. Von André Boße

Beginnen wir im Haushalt. Wer noch immer denkt, dort seien die Rollen beim Einkaufen klar verteilt, befindet sich auf dem Holzweg. Die Marktforscher von Nielsen schreiben in einem Blog zu neuesten Konsumtrends: „Während Frauen stärker Einfluss auf ehemals klassisch männliche Kaufentscheidungen – Autos etwa oder Finanzdienstleistungen – nehmen, reden Männer immer öfter ein Wörtchen mit, wenn es um Kaufentscheidungen rund um den Haushalt geht.“ Es entstehe ein komplexer Mix aus männlichen und weiblichen Entscheidern – und zwar nicht nur in Europa, sondern auch auf den wichtigsten neuen Märkten. Zum Beispiel in China, wo sich, so die Nielsen-Experten, „die Rolle der Frau und damit auch ihr Einkaufsverhalten stark verändert hat. Einkommen und Kaufkraft der Frauen steigen rasant und geben dem chinesischen Konsumenten ein völlig neues Gesicht.“

Vielfältige Teams für vielfältige Kunden
Eigentlich müsste man sagen: Der Kunde – und damit sind nicht nur die Endkunden gemeint, sondern auch die Firmenkunden – hat nicht nur mehr ein einziges Gesicht. Er hat unzählige verschiedene Gesichter. Und es gibt ganz neue Profile: Online-Shopper, die kaum noch das Haus verlassen. Oder nachhaltigkeitsorientierte Firmen, die sich bei der Wahl ihrer Zulieferer streng nach ökologischen Faktoren entscheiden. Wenn ein Unternehmen weltweit erfolgreich agieren möchte (und das ist in der globalisierten Welt längst die Regel), dann muss es im besten Fall jedes dieser Profile kennen und die Bedürfnisse richtig einschätzen. Das wiederum funktioniert nicht mit einem Management oder einer Entwicklungsabteilung, die einseitig besetzt ist. Es überrascht daher nicht, wenn Markus Siebenmorgen, Sprecher für Personalthemen beim Bayer-Konzern, sagt: „Eine ausgewogene Balance von Kulturen und Geschlechtern in der Management- Ebene ist nach unserer Überzeugung eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches unternehmerisches Handeln.“ Aussagen wie diese zeigen, welchen Stellenwert das Thema Diversity heute in den Unternehmen besitzt. Es geht nicht mehr nur darum, sich vielfältig zu präsentieren, um hübsche Fotos für Broschüren zu erhalten. Für global aufgestellte Unternehmen ist Diversity heute ein bedeutsames Thema. Mehr noch: Es ist im besten Fall direkt in der Unternehmensstrategie verankert.

Als Einsteiger Diversity nicht unterschätzen
Dass es für ein Unternehmen heute wichtig ist, bei der Produktion Energie zu sparen oder einen funktionierenden Auftritt in den sozialen Netzwerken zu haben, ist für jeden offensichtlich. Die Vorteile der Vielfalt zu erkennen, fällt den Mitarbeitern in den Unternehmen meist noch schwerer. „Das Wichtigste ist, das Bewusstsein für die Vorteile von Diversity im Unternehmen zu schärfen“, sagt daher Markus Siebenmorgen von Bayer. Dabei setzt der Konzern zum Beispiel auf spezielle Trainings für junge Führungskräfte, aber auch für erfahrene Mitarbeiter in leitenden Positionen. „Hier setzen sie sich mit dem wirtschaftlichen Nutzen erhöhter Vielfalt auseinander, befassen sich gezielt mit den Unterschieden von Kulturen und Geschlechtern und lernen positive Beispiele aus der Unternehmenspraxis kennen, um im Anschluss eigene Aktionspläne für ihren Verantwortungsbereich zu entwickeln.“ Das Ziel: Einen Bewusstseinswandel auslösen, der die Unternehmenskultur nachhaltig verändert.

Einsteiger: Faktor für Vielfalt
Garanten für Diversity sind für viele Unternehmen die Nachwuchskräfte. „Gerade die Berufseinsteiger sind ein wichtiger Faktor auf dem Weg hin zu größerer personeller Vielfalt im Unternehmen“, sagt Markus Siebenmorgen. In der Folge suchen Personaler heute verstärkt gerade nicht mehr den idealtypischen Bewerber, den man direkt vor Augen hat, wenn man an eine Branche denkt. Nachwuchskräfte sind gefordert, ihre individuellen Stärken zu analysieren und sich dann dort zu bewerben, wo sie diese besonders gut anwenden können. Ein Beispiel aus der IT-Branche: „Das immer noch vorherrschende Bild vom langhaarigen Mann, der auf den Monitor starrt und sich von Cola und Pizza ernährt, entspricht längst nicht mehr der Realität“, sagt Isabel Baum, Marketingleiterin beim IT-Beratungsunternehmen Consol Software, das wie der Bayer-Konzern zu den Unterzeichnern der „Charta der Vielfalt“ gehört (siehe Interview ab Seite 12). Die Vorteile von gemischten Teams liegen für Isabel Baum auf der Hand. „Durch Heterogenität gewinnt ein Unternehmen klar an Flexibilität. Betriebsblindheit wird reduziert. Zudem kommen gemischt zusammengesetzte Teams häufig zu innovativeren und kreativeren Problemlösungen als homogene Gruppen.“ Jedoch ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der IT-Branche noch längst nicht ausgeglichen. „Junge Frauen sind heute so gut ausgebildet wie nie zuvor und bringen grundsätzlich großes Interesse für Technik mit. Dennoch ist die IT-Branche für junge Frauen offensichtlich nicht attraktiv genug. Oder die Frauen unterschätzen ihre Talente und trauen sich die IT-Berufe nicht zu“, sagt Isabel Baum zu den Gründen.

Daher startete das Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen, um mehr weiblichen Nachwuchs für den Einstieg zu begeistern. „Wir möchten junge Frauen ermutigen, sich bei der Berufswahl weniger daran zu orientieren, welche Berufe angeblich für Frauen passend sind, sondern vielmehr auf die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu vertrauen.“ Dies gelinge durch flexible Arbeitszeitmodelle, Mentorinnen-Programme oder interne Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung – wobei die „Selbstverständlichkeit, mit der Chancengleichheit in allen Unternehmensbereichen gelebt wird“ der Schlüssel zum Erfolg dieser Maßnahmen ist, wie Isabel Baum sagt. Es reicht nicht, wenn Diversity nur auf dem Papier existiert. Vielfalt lebt vom Mitmachen – und zwar auf allen Ebenen.

Die Dimensionen von Diversity

Die Experten von der Initiative Charta der Vielfalt haben unter dem Schlagwort „Diversity-Dimensionen“ drei Kategorien der Vielfalt beschrieben, mit denen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Mitarbeiter eines Unternehmens betrachten lassen:

1. Innere Dimension: zum Beispiel Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung

2. Äußere Dimension: zum Beispiel Einkommen, Freizeitverhalten, Gewohnheiten, Auftreten, Berufserfahrung, Familienstand, Elternschaft

3. Organisationale Dimension: zum Beispiel Funktion, Arbeitsinhalte, Arbeitsort, Managementstatus

Quelle

karriereführer ingenieure 1.2015 – E-Mobility

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Cover karriereführer ingenieure 1.2015

Mobilität der Zukunft – E-Mobility: Eine Branche unter Strom

Umbruch. Auf den deutschen Straßen ist der Durchbruch der Elektromobilität bislang ausgeblieben. Dennoch: Die Elektrifizierung des Antriebs und vieler anderer Komponenten im Auto bestimmt die Autoindustrie. Hersteller und Zulieferer suchen mit Hocheifer nach Innovationen, um dann zur Stelle zu sein, wenn die Ideen zur Mobilität von morgen Wirklichkeit werden.

Das Aktivhaus B10

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Am Anfang des Projekts gab es eine Vision: ein innovatives und nachhaltiges Gebäude, das sämtliche im Haus benötigte Energie selbst aus nachhaltigen Quellen erzeugt und das zu 100 Prozent recycelt werden kann. Das Gebäude sollte außerdem eine Verbindung zur Elektromobilität schaffen und Wege aufzeigen, wie durch ein Smart Grid Energieerzeugung und Energieverbrauch optimal auf lokaler Ebene aufeinander abgestimmt werden können. Von Dr. Frank Heinlein, Director Business Communication, Werner Sobek Group, und Dipl.-Ing. Thomas Thümmler, Head of Sustainability and Certification, WSGreenTechnologies

Die gebaute Umwelt spielt eine zentrale Rolle für den Schutz – oder die Zerstörung – unseres Planeten: Sie steht für mehr als ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs und der Emissionen sowie mehr als die Hälfte des Ressourcenverbrauchs und des Massenmüllaufkommens. Was können Ingenieure und Architekten angesichts dieser Zahlen tun, um für mehr Nachhaltigkeit in unseren Gebäuden zu sorgen?

Bereits 1927 untersuchten die berühmtesten Architekten der damaligen Zeit in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung, welche Materialien und Konstruktionstechniken für das Bauen von morgen eingesetzt werden können. 90 Jahre später schreibt Werner Sobek die Geschichte der Weißenhofsiedlung fort. Ein Gebäude, das vor kurzem im Herzen des historischen Bestands errichtet wurde, zeigt, wie die Zukunft aussehen kann.

Im Mittelpunkt des Projekts stehen ausgeklügelte Energiekonzepte, eine selbstlernende Gebäudesteuerung, neuartige Bau- und Montagemethoden sowie ein sogenanntes „design for disassembly“, sodass das Haus sortenrein rezykliert werden kann. Dank eines ausgeklügelten Energiekonzepts und einer selbstlernenden Gebäudesteuerung erzeugt das Aktivhaus B10 das Doppelte seines Energiebedarfs aus nachhaltigen Quellen. Mit dem gewonnenen Überschuss werden zwei Elektroautos und ein benachbartes Gebäude des Architekten Le Corbusier versorgt. B10 verzahnt so die Energiesysteme von Elektromobilität und Gebäuden zu einem integral gesteuerten Gesamtsystem.

Das Projekt wurde in einem äußerst knappen zeitlichen Rahmen geplant und gebaut: Das erste Kick-Off-Meeting fand im September 2013 statt, bereits im Mai 2014 war das Gebäude fertig installiert. Planer und ausführende Firmen haben von der ersten Konzeptphase an sehr eng zusammengearbeitet. Nur durch einen zu weiten Teilen parallel verlaufenden Entwicklungsprozess an den Schnittstellen unterschiedlicher Disziplinen war es möglich, die zahlreichen technischen Anforderungen zu bewältigen, die sich aus dem hohen Innovationsgrad des Gebäudes ergaben.

Ziel des Projektteams war es, die im Bauwesen sonst übliche Trennung der Gewerke und die damit einhergehende manuelle Produktion vor Ort zu vermeiden. Durch eine Vorfertigung in der Fabrik konnte der Baukörper innerhalb eines Tages aufgebaut und betriebsbereit gemacht werden. Die gesamten Innenausbauten inklusive Küche und Bad waren zu diesem Zeitpunkt bereits installiert. In den nächsten Jahren wird es nun darum gehen, die bei B10 gewonnenen Erkenntnisse auch bei anderen, größeren Bauprojekten einzusetzen.

Zur Kenntnis: AeroMobil 3.0

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„Wir planen damit, ab 2016 oder 2017 in Serie zu gehen“, sagt Juraj Vaculík. Der Mann aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava ist Chef der Firma AeroMobil, die ein Auto entwickelt, das auch fliegen kann. Aufgezeichnet von: Fred Blumenthal

Hinter der technischen Innovation steht eine romantische Idee aus der Zeit, als Bratislava als Teil der CSSR noch hinter dem eisernen Vorhang lag und die Reisefreiheit eingeschränkt war: „Wir dachten: Wie schön wäre es, einfach mit einem fliegenden Auto über die Donau zu schweben, frei wie ein Vogel?“, erinnert sich Vaculík. Damals war das ein Traum. Heute steht das Unternehmen kurz davor, ihn Wirklichkeit werden zu lassen.

Der technische Kopf hinter dem AeroMobil heißt Štefan Klein, Ingenieur und Designer, dazu noch Leiter des Instituts für Transport-Design an der Hochschule der Bildenden Künste in Bratislava. Auch er lebt den Traum vom fliegenden Auto schon lange: Als Junge hat er mit seinem Großvater und Vater erste Ideen entwickelt. Konkret wurde es dann Mitte der 1990er-Jahre, als er in der heimischen Werkstatt den ersten Prototypen AeroMobil 1.0 entwickelte. Das Vehikel sah schon damals faszinierend aus, doch die technische Reife erreichte einige Jahre später erst das Modell 2.5, das dann tatsächlich auch schon abheben konnte. Die aktuelle Version trägt die Nummer 3.0. Es ist noch immer ein Prototyp, aber einer, der einem Serienmodell schon recht nahe kommt, wie Štefan Klein sagt.

Das AeroMobil ist sechs Meter lang und wird von einem handelsüblichen Standardmotor für Leichtflugzeuge angetrieben, dem Rotax 912. Der Motor schluckt Super-Benzin und braucht in der Luft für einhundert Kilometer acht Liter Benzin. Die Karosserie besteht aus leichtem, aber stabilem Carbon. Per Knopfdruck kann man die Flügel ausfahren, dann wird aus dem schnittigen Sportwagen ein Flugzeug. Geht in der Luft etwas schief, bietet ein Fallschirmsystem Sicherheit. Der technische Kniff beim Antrieb: Beim Wechsel vom Auto in den Flugbetrieb ändert sich der Angriffswinkel der Motorkraft. Statt horizontal wirkt die Kraft dann vertikal – und das AeroMobil hebt mit zusätzlicher Hilfe eines Propellers am Heck ab. Dafür benötigt es keinen Flugplatz mit asphaltierter Startbahn: Eine Wiese mit 200 Meter langem Anlauf reicht aus. Für die Landung sind sogar nur 50 Meter nötig. In der Luft erreicht das fliegende Auto dann eine Geschwindigkeit von bis zu 200 Stundenkilometern.

Derzeit testet Klein, wie das AeroMobil auf starke Winde und andere schlechte Wetterbedingungen reagiert. Auch geklärt werden muss noch, in welcher Klasse das Auto auf der Straße und in der Luft zugelassen wird. Aber im Unternehmen ist man optimistisch, dass diese Probleme gelöst werden können: Wer ein Auto zum Fliegen gebracht hat, der lässt sich auch von bürokratischen Hürden nicht mehr abschrecken.

Der Bertha Benz-Preis

Zu Zeiten von Bertha Benz, der Namensgeberin des Preises, waren junge Frauen, die sich für Wissenschaft und Technik begeisterten, noch eine ausgesprochene Rarität. Sie entsprachen in ihrem Interesse nicht dem, was Teile der Gesellschaft von ihnen erwarteten beziehungsweise was ihnen restriktiv als ihre Rolle zugedacht wurde. Dies hat sich glücklicherweise geändert: So schrieben sich im Jahr 2012 immerhin über 35.000 junge Frauen im Fach Ingenieurwissenschaften ein, 2008 waren es lediglich 14.500. Es ist dabei allerdings immer noch ein Stück des Weges zu bewältigen – immerhin stellen Frauen derzeit bei allen Fortschritten nur rund ein Viertel der Studierenden in dieser Fächergruppe. Von Dr. Johannes Schnurr, Daimler und Benz Stiftung

Carl Benz profitierte sehr vom unermüdlichen Engagement und von der Geschäftstüchtigkeit seiner Frau. Trotz ihrer fünf Kinder stand sie ihm stets auch beruflich zur Seite und wurde – was in vielen Berichten über sie unerwähnt bleibt – von ihm immer wieder auch als Ratgeberin in technischen Fragen hinzugezogen. In vielen Belangen war sie ihrer Epoche weit voraus, und es blieb nicht zuletzt ihrem unerschütterlichen Glauben an die Erfindungen ihres Mannes geschuldet, dass die Firma Benz & Co zu einem Vorreiter bei der Entwicklung des Automobils wurde. Einmal im Jahr veranstaltet deshalb die Daimler und Benz Stiftung in Anerkennung ihrer Lebensleistung die Bertha Benz-Vorlesung, auf der zugleich auch der mit 10.000 Euro dotierte Bertha Benz-Preis verliehen wird. Vorschlagsberechtigt für den Preis sind Universitäten und selbstständige Forschungsinstitute, Eigenbewerbungen sind nicht möglich.

Dr. Michaela Herr, Preisträgerin 2014, resümiert: „Für mich persönlich war der Erhalt des Bertha Benz-Preises nicht zuletzt ein gelungener Abschluss meiner Promotionszeit, die nicht ohne Mühe, Entbehrungen und bisweilen quälende Zweifel am Produkt meiner Arbeit zu bewältigen war. Die Symbolwirkung des Preises ist hierbei nicht zu unterschätzen. Es tut unglaublich gut, nach vollbrachter Anstrengung zu erfahren, dass gute Arbeit letztlich gesellschaftlich gewürdigt wird – eine Erfahrung, die viel öfter branchenübergreifend vermittelt werden sollte! Dies umfasst das ausbalancierte Nominierungsverfahren, die großzügige finanzielle Anerkennung und schließlich den würdevollen Festrahmen der Preisverleihung, die ich noch lange in Erinnerung behalten werde. Ob der Preis einen direkten Einfluss auf meinen weiteren beruflichen Werdegang haben wird, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen. Mit Sicherheit ist er aber bereits jetzt Ansporn, meinen begonnenen Weg fortzusetzen.“

Ausschlaggebend für die Verleihung des Preises ist neben ausgewiesener Exzellenz eine gelungene Darstellung sowie ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz. „Die Arbeit muss mit magna und summa cum laude bewertet sein und wird von einem mehrköpfigen Gremium geprüft und beurteilt“, erläutert Dr. Jörg Klein, Geschäftsführer der Stiftung. „Es ist uns dabei wichtig, dass die Preisträgerin in verständlicher Weise darlegt, weshalb ihre Forschung für uns alle von Bedeutung ist und weshalb sie einen in die Zukunft gerichteten Beitrag für die Wissenschaft darstellt.“ Die Daimler und Benz Stiftung fördert bevorzugt interdisziplinäre Forschungsvorhaben. Ihr Zweck ist gemäß Satzung, die Klärung der Wechselbeziehungen zwischen Mensch, Umwelt und Technik. Einen Schwerpunkt stellt dabei die Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dar. So vergibt die Stiftung pro Jahr zehn Stipendien für Postdoktoranden und Juniorprofessoren, dieses Programm steht allen Fachrichtungen offen.

Bertha Benz-Preis

Weitere Infos unter www.daimler-benz-stiftung.de

Work-Life-Balance: Von Flexibilität profitieren

Von: Kirstin Petersen
Gesendet: April 2015
Dringlichkeit: hoch
An: Alle, die Karriere machen wollen
Betreff: Von Flexibilität profitieren

Liebe Leserinnen und Leser,

einen interessanten Beruf, der Freude macht und genug Zeit lässt für Kinder und Familie, Freunde und Freizeit. Wer wünscht sich das nicht? Oft bleibt es allerdings beim Wünschen. Mir ist jedoch die Balance zwischen Beruf, Karriere und Familie sehr wichtig, ich bemühe mich ständig darum und habe es ganz gut hinbekommen. Mein Arbeitgeber schafft dafür glücklicherweise das passende Umfeld.

Ich bin 44 Jahre alt und seit zehn Jahren bei Osram Opto Semiconductors in Regensburg tätig. Hier entwickeln und produzieren wir Halbleiter-Chips und innovative Lichtlösungen. Ich habe Physik studiert, arbeite als Ingenieurin und leite seit 2011 die Abteilung Leuchtstoffe mit fünf Mitarbeitern, die Bestandteil der Materialentwicklung ist. Außerdem habe ich einen Partner und zwei Söhne, drei und sechs Jahre alt.

Wer mich fragt, wie ich Job, Karriere und Familie unter einen Hut bringe, dem antworte ich: Leicht ist es nicht. Man muss sich immer wieder aktiv dafür einsetzen, damit es klappt. Dabei habe ich mit meinem Arbeitgeber viel Glück. Die äußeren Bedingungen für eine befriedigende Work-Life-Balance sind bei meinem Arbeitgeber wie auch generell im gesamten Konzern sehr gut. So gibt es auf dem Firmengelände eine Kita, die Lichtzwergerl. Kinder von sechs Monaten bis zu drei Jahren werden hier ganztägig fachkundig betreut. Ich freue mich immer, wenn ich die Kleinen im Garten spielen sehe – es gibt dort sogar zwei richtige Schweine. Der Kindergarten Lichtpiraten ist gleich nebenan, sodass die Betreuung bis zur Schule nahtlos weitergehen kann.

Mein Familienleben bedeutet mir sehr viel. Ich arbeite deshalb in Teilzeit mit 30 Wochenstunden. Was ich sehr schätze, ist die Arbeitsgleitzeit hier, sie gibt viel Flexibilität und Eigenverantwortung: Grundsätzlich können wir selbst bestimmen, wann wir morgens anfangen und abends aufhören. Natürlich stimmen wir uns da immer mit den Kollegen ab, da wir viel in Teams arbeiten. Einmal in der Woche arbeite ich von zu Hause aus. Osram bietet sogar die Möglichkeit an, ein Sabbatical zu nehmen.

Absprachen und gegenseitiges Vertrauen sind da natürlich ganz wichtig. Das bedeutet, auch mal länger zu arbeiten, wenn es gerade brennt. Als Abteilungsleiterin habe ich da ja eine Vorbildfunktion. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer können von dieser Flexibilität profitieren. Manchmal muss man allerdings rigoros Grenzen ziehen – auch für sich selbst. Denn es kann durchaus verführerisch sein, lange im Büro zu bleiben. Weil die Aufgaben spannend sind, weil die Themenvielfalt überwältigend ist oder einen der Drang weiterzukommen vorantreibt. Eine Work-Life-Balance funktioniert nur dann, wenn man sie auch wirklich will und stetig daran arbeitet.

Herzliche Grüße
Dr. Kirstin Petersen
Senior Manager/Phosphors (Material Innovation), Osram Opto Semiconductors

Servicerobotik: Interdisziplinär und vielfältig

Große automatisierte Anlagen in Industrie und Gewerbe sind wohl das erste, woran viele Studenten der Ingenieurwissenschaften beim Stichwort Robotik denken. Aber die Robotik ist viel breiter aufgestellt: Welche Technologien gibt es, damit ältere Menschen lange ohne fremde Hilfe in ihrem eigenen Zuhause bleiben können? Wie sehen Assistenzsysteme aus, die in Altenheimen oder Krankenhäusern das Personal entlasten? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Ingenieure, die im Bereich der Servicerobotik arbeiten. Das Besondere an diesem Arbeitsgebiet: Viele Disziplinen arbeiten zusammen und beschäftigen sich mit Fragestellungen, die weit über das Berufsfeld von Ingenieuren hinausgehen. Von Dr. Birgit Graf, Informatikerin und Leiterin der Gruppe Haushalts- und Assistenzrobotik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart

Der Begriff Servicerobotik umfasst technische Systeme, die den Menschen teil- oder vollautomatisiert bei seiner Arbeit und bei Dienstleistungen unterstützen. Während ein Industrieroboter oft vom Menschen räumlich getrennt agiert, bewegt sich ein Serviceroboter unter Menschen. Diese unterschiedlichen Einsatzgebiete stellen jeweils eigene Anforderungen an die Systeme: Der Industrieroboter führt am gleichen Ort eine definierte Tätigkeit aus und brilliert durch Kraft und Wiederholgenauigkeit, während Serviceroboter im privaten oder öffentlichen Umfeld sicher und flexibel agieren, mobil und auch von Fachfremden bedienbar sein sollen.

Serviceroboter für den demografischen Wandel sind hauptsächlich in zwei Bereichen im Einsatz: Zum ersten bieten sie Lösungen, damit ältere und kranke Menschen so lange wie möglich selbstständig zu Hause leben können. Traditionelle Ambient Assisted Living (AAL-)Lösungen werden um Handhabungsfähigkeiten und aktive Alltagsunterstützung ergänzt. Die zweite wichtige Funktion besteht darin, pflegenden Personen den Arbeitsalltag zu erleichtern. So können Serviceroboter Pflegeutensilien automatisch bereitstellen oder robotische Assistenzsysteme die Bedienung von Pflegehilfsmitteln vereinfachen und ergonomischer gestalten. Dabei geht es nicht darum, die sensiblen Pflegetätigkeiten Maschinen zu überlassen, sondern die Systeme sollen die Pflegekräfte dahingehend unterstützen, dass diese wieder mehr Zeit für die Patienten haben.

Entsprechend diesen vielfältigen Aufgabenstellungen gibt es bereits eine ganze Reihe unterschiedlicher prototypischer Serviceroboter-Lösungen. Beispielhaft zu nennen wäre der am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA entwickelte mobile Notfallassistent „MobiNa“. Er erkennt mittels Sensoren in der Wohnung, wenn ein Mensch gestürzt ist, und kontaktiert Verwandte oder eine Leitstelle. MobiNa basiert auf Entwicklungen des Roboterassistenten Care-Obot, der als komplexe Forschungsplattform einfach für die Umsetzung und Erprobung neuer Anwendungsszenarien nutzbar ist. Für die stationäre Pflege gibt es die smarte Hebehilfe „Elevon“. Sie ist über ein Smartphone zu ordern, kann Patienten automatisch erkennen und die technischen Parameter entsprechend einstellen. Nicht zuletzt erleichtern intelligente Pflegewagen, die zum Beispiel Pflegeutensilien automatisch vor Ort verfügbar machen und deren Verbrauch dokumentieren, dem Personal das Arbeiten.

Ingenieuren, die in diesem Bereich arbeiten möchten, bietet sich ein sehr breit gefächertes Tätigkeitsfeld. Sie arbeiten für sehr unterschiedliche Kunden, von Privatpersonen über Einrichtungen wie Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime bis hin zu Herstellern, für die sie neue Technologien entwickeln. Während an den Universitäten die Grundlagenforschung im Vordergrund steht, bieten Fraunhofer-Institute wie das Stuttgarter IPA die Möglichkeit, anwendungsorientiert zu arbeiten, so dass am Ende eine produktnahe Technologie oder auch ein Prototyp als Basis für neue Produkte entstanden ist. Für die Absolventen ist es wichtig, sich in die entsprechenden Bedürfnisse und Ansprüche der Anwender hineinversetzen zu können und beispielsweise zu verstehen, was den Arbeitsalltag von Pflegepersonal charakterisiert. Eine große Herausforderung ist es auch, die „Sprache“ anderer Personengruppen zu lernen und konkrete Bedürfnisse der Praxis in technische Lösungen zu „übersetzen“. Damit ein Serviceroboter „zum Leben erweckt wird“, bedarf es außerdem des technischen Know-hows unterschiedlicher Disziplinen: Informatiker, Elektrotechniker, Maschinenbauer, Mechatroniker aber auch Industriedesigner sind gefragt, um einen technisch zuverlässigen, sicheren und auch äußerlich ansprechenden Serviceroboter zu entwickeln. Nicht zuletzt sollten Ingenieure Spaß an der praktischen Arbeit haben. Informatiker, die in der Robotik tätig sind, sitzen nicht nur vor dem Rechner und programmieren, sondern basteln, schrauben und tüfteln auch am Objekt. Wenn der Roboter nicht so funktioniert wie im Programm vorgesehen, dürfen sie auch mal ein Messgerät oder den Lötkolben in die Hand nehmen und Fehler in der Elektronik suchen und reparieren.

Die Servicerobotik ist ein Markt, der am Puls der Zeit agiert und in den nächsten Jahren noch wachsen wird. Die dargestellten Technologien bieten Lösungen für die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie den demografischen Wandel und den Pflegefachkräftemangel am Arbeitsmarkt. Angehende Ingenieure können ihr fachliches Know-how interdisziplinär und praxisorientiert für ein Arbeitsgebiet nutzen, das gesamtgesellschaftliche Entwicklungen mitbeeinflusst.

Serviceroboter-Anwendungen

Haushaltsassistenz
Pflegeunterstützung
Rehabilitation
Entertainment
Bewachung und Inspektion
Gewerbliche Reinigungssysteme
Landwirtschaft

Mehr Informationen

Electrical and Microsystems Engineering

Der interdisziplinäre, internationale Masterstudiengang „Electrical and Microsystems Engineering“ der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg hat einen starken Fokus auf Halbleitertechnologie, Optoelektronik und Elektronik. Im Rahmen des Studiengangs ist es möglich, ein theoretisches Studiensemester an der Partnerhochschule Universiti Tunku Abdul Rahman (UTAR) in Malaysia zu absolvieren, um damit einen Doppelabschluss zu erhalten. Von Gudrun Seebauer, MSc, Mitarbeiterin an der Fakultät Allgemeinwissenschaften und Mikrosystemtechnik, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg

Streben Sie eine Führungsposition in der Industrie oder im öffentlichen Dienst an? Brauchen Sie für Ihre derzeitige berufliche Tätigkeit fächerübergreifende Kenntnisse und wollen Sie daher im Rahmen eines Teilzeitstudiums Ihren Wissenshorizont erweitern? Möchten Sie wissenschaftlich arbeiten und promovieren? Sind Sie besser als der Durchschnitt und möchten Sie dieses auch durch die Art Ihres Abschlusses demonstrieren?

Die OTH Regensburg bietet seit über 20 Jahren den Studiengang Mikrosystemtechnik an, der auf die Anforderungen eben dieses Industriezweigs ausgerichtet ist. 2003 wurde das bayernweit einzigartige Reinraumlabor an der Hochschule in Betrieb genommen. Damit wurde es möglich, die in der Halbleiterindustrie angewandten Methoden und Technologien bereits im Studium praxisnah zu lehren.

Seit 2002 bietet die OTH einen auf den technischen Bachelorabschlüssen aufbauenden interdisziplinären Masterstudiengang „Electrical and Microsystems Engineering“ (MEM) an. Dieser wird gemeinsam von den beiden Fakultäten Elektro- und Informationstechnik sowie Allgemeinwissenschaften und Mikrosystemtechnik der Hochschule angeboten. Die tragenden Säulen des Studiengangs bilden die Gebiete Elektrotechnik und Mikrosystemtechnik. Das Studium soll die Studierenden auf die hohen Anforderungen an fachlicher Kompetenz in Elektrotechnik, Optoelektronik und Mikrosystemtechnik auf internationalem Niveau vorbereiten. Die fakultätsübergreifende Zusammenarbeit und der modulare Aufbau des Studiums ermöglichen vielfältige Wahlmöglichkeiten für die Spezialisierung.

Neben dem dreisemestrigen Vollzeitstudium war es von Anfang an auch bereits möglich, den Studiengang berufsbegleitend in Teilzeit in sechs Semestern zu absolvieren. Basierend auf dem Vollzeitstudiengang wurde nun ein duales und ein dual internationales Studienmodell entwickelt, um Theorie und Praxis noch besser verbinden zu können.

Das duale Studienmodell fördert die praxisnahe Ausbildung mit Unternehmen in Deutschland und sieht vor, neben zwei Vollzeitsemestern an der OTH Regensburg – optional auch ein Semester an der UTAR in Malaysia –, studienbegleitend ein Praxissemester und die Masterarbeit in einem Industriebetrieb in Deutschland durchzuführen. Das duale internationale Studienmodell wird in den ersten beiden Semestern Vollzeit an der Universität – hier auch wieder optional ein Semester an der UTAR in Malaysia – studiert. Die Praxisphasen und die Masterarbeit werden studienbegleitend im dritten und vierten Semester in einem Industriebetrieb in Malaysia durchgeführt.

Die Partnerhochschulen in Malaysia wurden für den Studiengang MEM ausgewählt, da Malaysia und insbesondere der Wirtschaftsraum Penang für die bayerische Halbleiterindustrie als Produktions- und Entwicklungsstandort von enormer Bedeutung sind. Die in Regensburg ansässigen Großunternehmen Infineon, Osram und Continental betreiben seit Jahren erfolgreich Fertigungsstandorte in der Umgebung von Penang. Durch die Zusammenarbeit bayerischer Entwicklungsstandorte der Halbleiterindustrie mit den Fertigungsstandorten in Malaysia besteht ein zunehmender Bedarf an hochqualifizierten Ingenieuren, die sich im internationalen Umfeld bewegen können. Insofern bieten sich zwischen Regensburg und der Region Penang auch neue Chancen der Bildungskooperation, insbesondere in der Zusammenarbeit von Hochschulen und Industrie.

„Electrical and Microsystems Engineering“ ist der erste technische Studiengang an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, der sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache studiert werden kann. Der Studienbeginn ist sowohl zum Wintersemester als auch zum Sommersemester möglich. Der Studiengang ist akkreditiert und eröffnet den Zugang zu einer Promotion oder zum höheren öffentlichen Dienst, genauso wie zu einer Karriere in der Industrie. Der Studiengang steht Bachelorabsolventen aller technisch-/naturwissenschaftlichen Fachrichtungen offen. Neben den vertiefenden Fachkenntnissen vermittelt der Studiengang in gleicher Weise auch Grundlagen zur Methoden- und Sozialkompetenz – Fähigkeiten, die heute selbstverständlich zum beruflichen Umfeld jeder Führungskraft gehören.

Fakten zum Masterstudiengang

Studiengang: Electrical and Microsystems Engineering
Hochschule: Technische Hochschule Regensburg
Fachrichtung: Ingenieurwissenschaften
Abschluss: Master of Engineering
Unterrichtssprache: deutsch/englisch
Studienbeginn: Sommersemester, Wintersemester

Weitere Informationen über den Studiengang

Aufgestiegen zum Project Controller

Weltweit leiden fast drei Millionen Menschen unter chronischem Nierenversagen. Die Nieren dieser Patienten können die Abfallprodukte des Stoffwechsels sowie überschüssiges Wasser nicht mehr aus dem Blut filtern und über den Urin ausscheiden. Ein Erfahrungsbericht von Patrick Spalt

Zur Person

Patrick Spalt, 34 Jahre
Studium: der Physikalischen Technik
eingestiegen 2007: als Praktikant im Bereich R&D
2007 Diplomarbeit im Bereich R&D
eingestiegen 2008: als Technischer Assistent der Entwicklungsleitung
aufgestiegen 2013: zum Project Controller bei Fresenius Medical Care

Damit sich die Giftstoffe nicht im Blut ansammeln und weitere Organe schädigen, sind derzeit mehr als 2,5 Millionen Patienten auf eine regelmäßige, lebenserhaltende Dialysebehandlung angewiesen. Ich trage zur Weiterentwicklung der dazu nötigen Technologie bei, indem ich von Bad Homburg aus weltweit Entwicklungsprojekte von Fresenius Medical Care koordiniere und konsolidiere.

Die Verknüpfung von Medizin und Technik hat mich schon immer interessiert. Bereits während meines Studiums der Physikalischen Technik an der Fachhochschule Wiesbaden war es mir über meinen damaligen Professor möglich, Kontakt zu meinem heutigen Arbeitgeber aufnehmen. So konnte ich ein Praktikum im Unternehmen absolvieren, eine Studienarbeit sowie meine Diplomarbeit hier schreiben. Nach meinem Studium habe ich als Technischer Assistent der Entwicklungsleitung im Werk in Schweinfurt angefangen. Das ist eine Einstiegsposition für den Bereich Projekt- und Organisationsmanagement. Sehr bald habe ich dort die Verantwortung für kleinere Projekte und Maßnahmen übernommen, etwa in den Bereichen organisatorische Weiterentwicklung, Technologie oder Produktentwicklung. Nach zwei Jahren verantwortete ich die Projektplanung und das allgemeine Projektmanagement für eine große Produktentwicklung. An dem Projekt waren über 40 Personen direkt beteiligt. Zusätzlich müssen bei einem Projekt dieser Größe zahlreiche weitere Ansprechpartner im Konzern regelmäßig mit einbezogen werden. Das bedeutet neben der inhaltlichen auch eine große organisatorische Herausforderung. Nach erfolgreichem Abschluss des Projekts übernahm ich die Projektleitung für die Entwicklung eines neuen Therapiesystems.

2013 bin ich in den Bereich Projektcontrolling gewechselt. Mein Ziel ist es, die Qualität von Projektmanagement und Projektplanung insgesamt zu verbessern. In meiner jetzigen Funktion entwickle ich neue Prozesse und Vorgehensweisen für die Projektplanung und das Projektreporting. Ich übernehme dafür Verantwortung, dass unser Projektportfolio transparent bleibt und unsere Planungsprozesse effizienter werden. Dies beinhaltet die Planung und Steuerung von Ressourcen, Kosten und Projektzeiten.

Das Besondere an meiner Tätigkeit ist, dass es keinen typischen Arbeitstag gibt. Im Controlling sind die Abläufe zyklisch. Steht zum Beispiel ein Forecast an, also eine Zusammenstellung aller Planungen, bin ich intensiv damit beschäftigt, Projektplanungen und Planungsformate zu überprüfen und zu bearbeiten. Darauf aufbauend erstelle ich dann die Berichte. Eine weitere Hauptaufgabe besteht darin, Konflikte aufzuspüren, zu lösen und für das Management aufzubereiten, etwa in der Ressourcenplanung. Kontinuierlich beschäftige ich mich außerdem mit der Planung, Priorisierung und Kategorisierung von Projekten. Ein großes Plus sind für mich dabei die flexiblen Arbeitszeitmodelle, die mir trotz der anspruchsvollen Tätigkeit eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen.

Das Multiprojektmanagement ist sehr komplex. Gerade in einem so großen Unternehmen sind die Anforderungen bei den Projekten sehr vielfältig. Ich beschäftige mich mit den unterschiedlichsten Themen, von kleinen Problemen eines einzelnen Projekts bis hin zu großen Fragen der Strategie. Es ist immer wieder eine spannende Herausforderung, die vorhandenen Mittel optimal einzusetzen. Ich kann Dinge bewegen und verantworten. Ich bin stolz darauf, mit meiner Projektarbeit einen sinnvollen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens zu leisten. Meine Tätigkeit verbessert letztendlich die Lebensqualität von Patienten. Das ist für mich eine große Motivation.

Meine bisher größte Herausforderung war es, zum ersten Mal als Verantwortlicher ein Projekt vor dem Vorstand zu präsentieren und die getroffenen Entscheidungen zu rechtfertigen. Das war eine besondere Situation für mich, die nicht nur den Termin selbst, sondern auch die Tage der Vorbereitung betraf. Es war eine sehr intensive und herausfordernde Aufgabe, vor allem weil es für mich das erste Mal war. Andererseits empfand ich es auch als eine große Ehre.

Die ersten Jahre meiner beruflichen Entwicklung waren sehr davon geprägt, dass ich einen herausragenden Mentor und Chef hatte, der mich gefördert und gefordert hat. Ein „learning on the job“ im Fahrwasser eines erfahrenen und hoch qualifizierten Managers kann durch keinen Lehrgang ersetzt werden. Ergänzend dazu habe ich allerdings auch gezielt Seminare besucht und konnte so meine Kenntnisse abrunden. Auch in den Phasen eigenständigerer Arbeit halten meine Vorgesetzten stets engen Kontakt und bringen mich durch direktes Coaching in meiner Entwicklung enorm weiter. Durch die Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlern, Wirtschaftswissenschaftlern, Medizinern, Pharmazeuten und Informatikern in interdisziplinären Teams ergeben sich wiederum viele Möglichkeiten für die eigene berufliche Laufbahn. Für mich als Ingenieur ist es zum Beispiel möglich gewesen, durch entsprechende interne Weiterbildung in den Bereich Controlling zu wechseln. Meinen Ingenieurhintergrund kann ich dabei sehr gut mit einbringen.

Natürlich spielen Wissenschaft und Technik bei meiner aktuellen Tätigkeit weiterhin eine entscheidende Rolle. Das Wissen um die Produkte, die Projekte und die Technik dahinter ist essenziell, um die dazugehörenden Planungen zu beurteilen. Zuerst möchte ich in meinem Bereich Projektcontrolling einige Ziele erreichen, die wir uns für eine effektivere Organisation und effizientere Abläufe gesetzt haben. Das ist ein sehr spannendes und vielfältiges Feld, das ich gerne voranbringen möchte. Auf längere Sicht kann ich mir vorstellen, wieder in den Bereich der Projektleitung einzusteigen, da auch die direkte Arbeit an einer Produktentwicklung für mich hochinteressant ist.