Diversity lebt vom Mitmachen

Diversity lebt vom Mitmachen, Foto: Fotolia/Africa Studio
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Die Unternehmen wissen: Um auf den internationalen Märkten erfolgreich zu sein, müssen sie das Thema Diversity strategisch angehen. Am Zuge sind daher auch Einsteiger und junge Führungskräfte. Ihre Aufgabe: die Vorteile von vielfältigen Teams zu erkennen und zu nutzen. Von André Boße

Beginnen wir im Haushalt. Wer noch immer denkt, dort seien die Rollen beim Einkaufen klar verteilt, befindet sich auf dem Holzweg. Die Marktforscher von Nielsen schreiben in einem Blog zu neuesten Konsumtrends: „Während Frauen stärker Einfluss auf ehemals klassisch männliche Kaufentscheidungen – Autos etwa oder Finanzdienstleistungen – nehmen, reden Männer immer öfter ein Wörtchen mit, wenn es um Kaufentscheidungen rund um den Haushalt geht.“ Es entstehe ein komplexer Mix aus männlichen und weiblichen Entscheidern – und zwar nicht nur in Europa, sondern auch auf den wichtigsten neuen Märkten. Zum Beispiel in China, wo sich, so die Nielsen-Experten, „die Rolle der Frau und damit auch ihr Einkaufsverhalten stark verändert hat. Einkommen und Kaufkraft der Frauen steigen rasant und geben dem chinesischen Konsumenten ein völlig neues Gesicht.“

Vielfältige Teams für vielfältige Kunden
Eigentlich müsste man sagen: Der Kunde – und damit sind nicht nur die Endkunden gemeint, sondern auch die Firmenkunden – hat nicht nur mehr ein einziges Gesicht. Er hat unzählige verschiedene Gesichter. Und es gibt ganz neue Profile: Online-Shopper, die kaum noch das Haus verlassen. Oder nachhaltigkeitsorientierte Firmen, die sich bei der Wahl ihrer Zulieferer streng nach ökologischen Faktoren entscheiden. Wenn ein Unternehmen weltweit erfolgreich agieren möchte (und das ist in der globalisierten Welt längst die Regel), dann muss es im besten Fall jedes dieser Profile kennen und die Bedürfnisse richtig einschätzen. Das wiederum funktioniert nicht mit einem Management oder einer Entwicklungsabteilung, die einseitig besetzt ist. Es überrascht daher nicht, wenn Markus Siebenmorgen, Sprecher für Personalthemen beim Bayer-Konzern, sagt: „Eine ausgewogene Balance von Kulturen und Geschlechtern in der Management- Ebene ist nach unserer Überzeugung eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches unternehmerisches Handeln.“ Aussagen wie diese zeigen, welchen Stellenwert das Thema Diversity heute in den Unternehmen besitzt. Es geht nicht mehr nur darum, sich vielfältig zu präsentieren, um hübsche Fotos für Broschüren zu erhalten. Für global aufgestellte Unternehmen ist Diversity heute ein bedeutsames Thema. Mehr noch: Es ist im besten Fall direkt in der Unternehmensstrategie verankert.

Als Einsteiger Diversity nicht unterschätzen
Dass es für ein Unternehmen heute wichtig ist, bei der Produktion Energie zu sparen oder einen funktionierenden Auftritt in den sozialen Netzwerken zu haben, ist für jeden offensichtlich. Die Vorteile der Vielfalt zu erkennen, fällt den Mitarbeitern in den Unternehmen meist noch schwerer. „Das Wichtigste ist, das Bewusstsein für die Vorteile von Diversity im Unternehmen zu schärfen“, sagt daher Markus Siebenmorgen von Bayer. Dabei setzt der Konzern zum Beispiel auf spezielle Trainings für junge Führungskräfte, aber auch für erfahrene Mitarbeiter in leitenden Positionen. „Hier setzen sie sich mit dem wirtschaftlichen Nutzen erhöhter Vielfalt auseinander, befassen sich gezielt mit den Unterschieden von Kulturen und Geschlechtern und lernen positive Beispiele aus der Unternehmenspraxis kennen, um im Anschluss eigene Aktionspläne für ihren Verantwortungsbereich zu entwickeln.“ Das Ziel: Einen Bewusstseinswandel auslösen, der die Unternehmenskultur nachhaltig verändert.

Einsteiger: Faktor für Vielfalt
Garanten für Diversity sind für viele Unternehmen die Nachwuchskräfte. „Gerade die Berufseinsteiger sind ein wichtiger Faktor auf dem Weg hin zu größerer personeller Vielfalt im Unternehmen“, sagt Markus Siebenmorgen. In der Folge suchen Personaler heute verstärkt gerade nicht mehr den idealtypischen Bewerber, den man direkt vor Augen hat, wenn man an eine Branche denkt. Nachwuchskräfte sind gefordert, ihre individuellen Stärken zu analysieren und sich dann dort zu bewerben, wo sie diese besonders gut anwenden können. Ein Beispiel aus der IT-Branche: „Das immer noch vorherrschende Bild vom langhaarigen Mann, der auf den Monitor starrt und sich von Cola und Pizza ernährt, entspricht längst nicht mehr der Realität“, sagt Isabel Baum, Marketingleiterin beim IT-Beratungsunternehmen Consol Software, das wie der Bayer-Konzern zu den Unterzeichnern der „Charta der Vielfalt“ gehört (siehe Interview ab Seite 12). Die Vorteile von gemischten Teams liegen für Isabel Baum auf der Hand. „Durch Heterogenität gewinnt ein Unternehmen klar an Flexibilität. Betriebsblindheit wird reduziert. Zudem kommen gemischt zusammengesetzte Teams häufig zu innovativeren und kreativeren Problemlösungen als homogene Gruppen.“ Jedoch ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der IT-Branche noch längst nicht ausgeglichen. „Junge Frauen sind heute so gut ausgebildet wie nie zuvor und bringen grundsätzlich großes Interesse für Technik mit. Dennoch ist die IT-Branche für junge Frauen offensichtlich nicht attraktiv genug. Oder die Frauen unterschätzen ihre Talente und trauen sich die IT-Berufe nicht zu“, sagt Isabel Baum zu den Gründen.

Daher startete das Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen, um mehr weiblichen Nachwuchs für den Einstieg zu begeistern. „Wir möchten junge Frauen ermutigen, sich bei der Berufswahl weniger daran zu orientieren, welche Berufe angeblich für Frauen passend sind, sondern vielmehr auf die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu vertrauen.“ Dies gelinge durch flexible Arbeitszeitmodelle, Mentorinnen-Programme oder interne Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung – wobei die „Selbstverständlichkeit, mit der Chancengleichheit in allen Unternehmensbereichen gelebt wird“ der Schlüssel zum Erfolg dieser Maßnahmen ist, wie Isabel Baum sagt. Es reicht nicht, wenn Diversity nur auf dem Papier existiert. Vielfalt lebt vom Mitmachen – und zwar auf allen Ebenen.

Die Dimensionen von Diversity

Die Experten von der Initiative Charta der Vielfalt haben unter dem Schlagwort „Diversity-Dimensionen“ drei Kategorien der Vielfalt beschrieben, mit denen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Mitarbeiter eines Unternehmens betrachten lassen:

1. Innere Dimension: zum Beispiel Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung

2. Äußere Dimension: zum Beispiel Einkommen, Freizeitverhalten, Gewohnheiten, Auftreten, Berufserfahrung, Familienstand, Elternschaft

3. Organisationale Dimension: zum Beispiel Funktion, Arbeitsinhalte, Arbeitsort, Managementstatus

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