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Zug um Zug auf der Großbaustelle

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In Köln-Nippes baut die DB Fernverkehr AG das erste CO2-neutrale ICE-Werk in Deutschland. Die Baustelle ist so groß wie 23 Fußballfelder, gerademal zwei Jahre Bauzeit sind geplant. Von Sabine Olschner

Der Werkhalle mit Dacharbeits- und Fahrwerksbühnen, in der später auf vier Gleisen ICE-Züge gewartet werden, kann man fast beim Wachsen zusehen. Täglich verändert sich der 445 Meterlange und 50 Meter breite Bau, und auch im Umfeld bewegt sich viel: Anlagen für die Innen- und Außenreinigung, Unterführungen und Zuwege für die Mitarbeiter, ein Betriebsrestaurant, Technik-, Verwaltungs- und Sozialräume, Schallschutzwände für die Anwohner entstehen. Vor Baubeginn waren Abrissarbeiten und Stellwerksanierungen nötig.

„Wir machen alles, was man im Bau machen kann: Hochbau, Straßenbau, Gleisbau, Brückenbau, Tunnelbau“, berichtet Wilfried Brandt, der als Gesamtprojektleiter Neubau ICE-Werk Köln-Nippes immer wieder Besucher über die imposante Baustelle führt. Je nach Bauphase zählte sein Team bis zu 90 Planer, vom Bauingenieur bis zum Architekten. Mittlerweile ist nur noch die Bauleitung im Einsatz.

Nach Fertigstellung der Hallen können vier bis acht Züge parallel gewartet werden. In der Werkhalle tauschen die Arbeiter auf verschiedenen Ebenen zum Beispiel Achsen und Drehgestelle aus oder arbeiten an der Klimaanlage. In der Innenreinigungsanlage wird unteranderem das Trinkwasser aufgefüllt und die Fahrpläne für die nächste Strecke werden aktualisiert, bevor der Zug wieder das Werk verlässt. Bis zu 17 Zugführungen pro Tag sind künftig in der Anlage vorgesehen, 400 Arbeitsplätze sollen geschaffen werden. Köln gilt als eine der wichtigsten Drehscheiben im deutschen und internationalen Fernverkehr.

Sieben ICE-Werke gibt es bislang in Deutschland, eines davon hat Wilfried Brandt bereits beim Bau als Projektleiter begleitet. Im Jahre 2011 hat er das neue Projekt, ICE-Werk Nummer acht, übernommen, im Oktober 2015 war Baubeginn. „Besonders herausfordernd bei solch einem Großprojekt ist es, alle Termine einzuhalten“, sagt der Diplomingenieur. Eine weitere Besonderheit seines Bauwerks: Es wird später komplett CO2-neutral arbeiten. Die Ingenieure nutzen beim Bau sämtliche zur Verfügung stehenden Möglichkeiten: Geothermie für die Klimatisierung, Solarthermie für das Warmwasser, Photovoltaik für die Stromversorgung.

Darüber hinaus verwenden die Bauherren wartungsarme Baustoffe und Materialien mit langer Lebensdauer und einem hohen Recyclingwert. „Wenn wir nach zwei Jahren Bauzeit im Oktober 2017 das ICE-Werk an den Betreiber übergeben können und den vorgesehenen Kostenrahmen von 220 Millionen Euro nicht überschreiten, haben wir einen neuen Meilenstein beim Bauen gesetzt“, meint Wilfried Brandt. Bisher sieht es so aus, als könne er sein Ziel erreichen.

Der Anfang einer neuen Bau-Ära

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Das Konsortium„C3 – Carbon Concrete Composite“ ist das derzeit größte Forschungsprojekt im deutschen Bauwesen. Die dabei verfolgte Vision ist, Stahl im Beton langfristig durch Carbon zu ersetzen. Denn: Mit Carbonbeton kann nachhaltig, umweltschonend, weniger materialintensiv und leichter gebaut werden. Schonheute kann sich die Liste an Auszeichnungen des Projekts sehenlassen: Gewinner des GreenTecAwards, des Deutschen Nachhaltigkeitspreises Forschung und des Rohstoffeffizienzpreises. Drei der führenden Köpfe des Konsortiums erhielten außerdem den Deutschen Zukunftspreis 2016, den Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation. Von Christoph Berger

Die Ausgangslage ist folgende: Anders als erwartet, bleibt die Lebensdauer von Stahlbetonkonstruktionen aufgrund der Korrosion hinter den Erwartungen zurück. Sie liegt zwischen 40 und 80 Jahren. Das ist einer der Gründe dafür, dass inzwischen viele Bauwerke, vor allem auch Brücken, zu einem Sicherheitsrisiko geworden sind. Um den Stahl vor Korrosion zu schützen, wird unter anderem eine dicke Betonschicht benötigt – ein enormer Ressourcenverbrauch. Somit ist unter anderem auch zu erklären, dass Stahlbeton der wichtigste Baustoff Deutschlands ist. Über 100 Millionen Kubikmeter werden hier jährlich von dem Baustoff verbaut.

Überhaupt: Beton ist nach Wasser das weltweit am häufigsten verwendete Material. In dem Forschungsprojekt „C³– Carbon Concrete Composite“ ist es aber gelungen, eine korrosionsbeständige und ressourcensparende Alternative zum herkömmlichen Stahlbeton zu entwickeln. Mit dem Verbundmaterial Carbonbeton – einer Kombination aus Spezialbeton und Carbonfasern – will das Konsortium nun eine „Revolution am Bau“ einleiten oder, um den Titel der dazugehörigen Internetseite aufzugreifen: Bauen neu denken.

Carbon rostet nicht, eine zusätzliche Schutzschicht ist daher nicht notwendig. Zirka 50.000 einzelne Fasern, die deutlich dünner als ein menschliches Haar sind, werden dabei zu einem Garn zusammengefasst und in einem Verfahren zu einer Gitterstruktur verarbeitet und beschichtet. Im Vergleich zum Stahl ist Carbon viermal leichter und sechsmal tragfähiger. Das führt dazu, dass mit dem neuen Baustoffschlanker und filigraner gebaut werden kann – es können Gebäudegeometrien umgesetzt werden, die bisher nur äußert schwer umsetzbar waren.

Beispielsweise sind Fassadenplatten oder Verstärkungsschichten mit Carbonbeton nur noch etwa zwei Zentimeter dick statt der bisherigen acht Zentimeter mit Stahlbeton. Das bedeutet: Es muss 75 Prozent weniger Material hergestellt, transportiert, eingebaut und verankert werden. Ein weiterer Vorteil ist die verlängerte Lebensdauer: Bei Carbonbeton sprechen Experten von einer Lebensdauer von bis zu 200 Jahren und mehr. Bis 2020 will das aus 140 Partnern aus Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Verbänden bestehende C3-Konsortiums die Voraussetzungen schaffen, um die völlig neue C3-Bauweise zu entwickeln und in die Praxis einzuführen. In den nächsten zehn Jahren sollen bereits 20 Prozent des Stahlbetons durch Carbonbeton ersetzt werden.

Diese Ergebnisse überzeugten auch die Jury des Deutschen Zukunftspreises 2016: Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach, Prof. Dr.-Ing. habil. Dipl.-Wirt. Ing. Chokri Cherif und Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Offermann sind die Gewinner des Preises in diesem Jahr.

„Jedes Mal neue Herausforderungen“

Die Digitalisierung beeinflusst nicht nur die Prozesse bei Entwurf, Planung und Ausführung, sondern auch die Baumaschinen und die Baustellenlogistik. Thomas Fellhauer erklärt, was mit der Digitalisierung alles möglich ist und wo sonst noch Herausforderungen für Baustellenlogistiker liegen. Die Fragen stellte Christoph Berger

Herr Fellhauer, die Digitalisierung verändert derzeit die Logistik auf den Baustellen. Ebenso die Baumaschinen. Können Sie diesen Veränderungsprozess beschreiben?
Natürlich wirkt sich die Digitalisierung auch auf die Logistik und die Technik der Baumaschinen aus. Ganz konkret ein Beispiel aus der Maschinensteuerung: Es könnte sein, dass die Maschinen – Bagger, Radlader und Raupen – eines Tages ganz alleine fahren. Dazu wird ein digitales Geländeprofil in die Maschinensteuerung eingespielt und es sitzt nur noch ein Mitarbeiter in ihnen, der im Notfall eingreifen kann. Prinzipiell werden die Aufgaben der Maschine dann aber vollautomatisiert abgearbeitet.

Zur Person

Thomas Fellhauer ist technischer Bereichsleiter bei der BMTI Baumaschinentechnik International GmbH & Co. KG. Die BMTI wurde als Service- und Dienstleistungsbetrieb für die operativen Organisationseinheiten des Strabag-Konzerns eingerichtet und verantwortet innerhalb des Konzerns das Betriebsmanagement des gesamten mobilen Anlagevermögens – Baumaschinen, maschinelle Anlagen und Fahrzeuge.

Ein anderer Aspekt ist Building Information Modeling, die modulare Visualisierung des Baus mit Bauabläufen und Baufortschritten und einem digitalisierten Datenmanagement. Auch da sind wir natürlich dabei und suchen nach Lösungen, wie wir die Turmdrehkrane zum Beispiel in 3D-Technik idealerweise darstellen, damit diese Modelle zur Planung des Bauablaufs herangezogen werden können.

Sollen auch die Abläufe auf der Baustelleeffizienter aufeinander ausgerichtet werden, um zum Beispiel Wartezeiten von Betonmischfahrzeugen zu verkürzen?
Ja, auch das. Dafür haben wir ein Telematik-System. Die Baumaschinen senden an dieses System Daten über den Standort, den Verbrauch, über das, was sie gerade tun oder auch über Fehler und Störungen. Diese Daten werden auf mobile Endgeräte des jeweils Verantwortlichen übertragen und er kann reagieren.

Und es gibt die komplette Vernetzung aller Segmente, beispielsweisebei einer Verkehrswege-Baumaßnahme. Hier wird im Taktverfahren alles aufeinander abgestimmt: Jeder weiß, wann ein Mischguttransporter auf der Baustelle erscheint, und die Mischanlage weiß Bescheid, wie, wann und wie viel Asphaltgut sie zu mischen hat. Irgendwann werden wir so weit sein, dass dies alles digital abläuft, dass die Lieferscheine digital erfasst werden, dass die Abrechnung digital erfolgt und somit auch die Rechnung an den jeweiligen Auftraggeber digital versendet wird.

Welche logistischen Herausforderungen auf Großbaustellen kommen noch auf Sie zu?
Wenn wir uns zum Beispiel die Großbaustelle unseres Großprojekts Upper West in Berlin anschauen, dann ist die Hochbau- und Krantechnik dort sehr komplex. Wir werden daher bereits in die Planungen einbezogen, um das richtige Hebewerk herauszusuchen. Wir erarbeiten dann Konzepte, wie ein Kran auf einer solchen Baustelle in der Wechselwirkung zu den anderen Hebezeugen arbeitet. Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse und der Vielzahl der Abläufe auf einer Baustelle muss alles genau aufeinander abgestimmt sein.

Es ist festzulegen: Welches Hebezeug nutzen wir, wie wird es montiert und wie wird es an dem Gebäude verankert. Beim Upper West sind die Krane zum Teil auch geklettert – sie wachsen dann mit dem Baufortschritt. Das bedarf einer intensiven Planung mit der Bauleitung. Und die Krane montieren und demontieren sich darüber hinaus noch gegenseitig.

Zum Projekt „Upper West“

Beim Upper West handelt es sich um ein neues Gebäudeensemble direkt an der Gedächtniskirche am Kurfürstendamm in Berlin. Der 118 Meter hohe Turm mit 33 Etagen sticht dabei besonders hervor. Auf 53.000 Quadratmetern Gesamtmietfläche wird es nach der Fertigstellung, die im Frühjahr 2017 vorgesehen ist, ein Hotel, Läden, Büros und eine Skybar geben. Für die Bauausführung ist die Ed. Züblin AG verantwortlich. Weitere Infos unter: www.upper-west.de

Eine weitere Herausforderung ist die Baustromversorgung einer solchen Baustelle. Wir bauen Elektroverteilerschränke auf und es gibt Energieeinspeisepunkte. Beim Upper West haben wir über 100 Baustromverteiler im Einsatz und mehrere Kilometer Kabel verlegt. Zudem haben wir rund 90 Container als Baustellenunterkünfte errichtet – unter anderem mit Büros für die Baustellenleitung und Tagungsräumen.

Anhand des Beispiels Upper West wird aber deutlich, dass es sich bei Bauprojekten immer auch um Unikate handelt. Die Digitalisierung braucht jedoch Standards. Wie kommen die beiden Welten zusammen?
Bei Kranen geht es zum Beispiel immer um die Fragen: Welche Höhe und Ausladung brauche ich? Dementsprechend werden die Geräte zusammengestellt und konfiguriert. Doch schließlich setzen wir natürlich immer wieder die gleichen Krane ein, sodass hier schon Standards festgelegt werden können. Die mit dem jeweiligen Projekt verbundenen Herausforderungen ergeben sich dann meist vor Ort: Wie komme ich dorthin, wie sind die Transportwege, wie kann ich meine Logistik, die Energieversorgung oder die Unterkünfte und Maschinentechnik auf der Baustelle installieren? Daraus erwachsen jedes Mal neue Herausforderungen.

Implenia: Stefan Roth im Interview

Der Team-Baumeister: Stefan Roth ist Deutschland-Chef beim schweizerischen Baukonzern Implenia. Schon als Student hatte der Bauingenieur ein klares Ziel vor Augen: Er wollte Gebäude entstehen lassen – in verschiedenen Ländern, in bunt zusammengesetzten Teams. Roth hält die kulturelle Offenheit und Begeisterung für das gemeinsame Arbeiten an Projekten für die wichtigste Eigenschaft, um Karriere zu machen. Seiner Meinung nach helfen Methoden wie Building Information Modeling der Branche dabei, in diesen Bereichen noch besser zu werden. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Stefan Roth, Jahrgang 1961, schloss 1987sein Studium des Bauingenieurwesens ab. Er begann seine Karriere als Bauleiterbei Bilfinger Berger in Köln. Als Project Manager leitete er Infrastrukturprojekte in Deutschland, Thailand und Taiwan. 2003 stieg er zum Mitglied der Geschäftsführung von Bilfinger Berger Hochbau auf. 2005 ging Stefan Roth als Präsident und CEO der Frucon Construction Corporation in die USA. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er zunächst Geschäftsführer der Bilfinger Berger Umwelttechnik, später Mitglied der Geschäftsführung im Bereich Ingenieurbau. 2012 wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsführung von Bilfinger Construction ernannt. Seit März 2015 trägt der 55-Jährige die Verantwortung für den Geschäftsbereich Germany & Austria bei Implenia.

Herr Roth, Sie haben Ihr Bauingenieurstudium 1987 abgeschlossen. Welche Hoffnungen haben Sie mit Ihrem Berufseinstieg verbunden?
Ich hatte schon als Studierender den Plan, irgendwann im Ausland tätig zu sein. Es gab an der Uni Gastvorträge über außergewöhnliche internationale Bauvorhaben – da wollte ich eines Tages als Bauingenieur mit dabei sein. Während der Uni-Zeit habe ich dann auf Großbaustellen gejobbt und mir Geld dazu verdient. Diese Erfahrungen haben mich motiviert, am Ende des Studiums das Diplomzeugnis in der Tasche zu haben. Ich wusste, ich brauche den Abschluss, um selber einmal solche Bauprojekte zu leiten.

Wie haben Sie das Studium erlebt?
Ziemlich trocken. Für viele war und ist das eine Hürde. Mir war aber klar: Wenn ich einmal ein Projektmanagement übernehmen möchte, dann muss ich da jetzt durch.

Was hat Sie so sehr an der Baukarriere gereizt?
Ein Projekt gestemmt zu haben, bedeutet, wirklich etwas geschaffen zu haben. Das ist etwas ganz Anderes, als in einer Versicherungsagentur tätig zu sein. Etwas zu bauen, das gibt mir ein unglaubliches Erfolgsgefühl. Hinzu kam, dass ich auf den Baustellen schon als Aushilfskraft tolle Leute kennenlernen durfte. Mir hat die Atmosphäre auf dem Bau gefallen, das Teamwork und die Kollegialität.

Für junge Absolventen ist das eine wichtige Erkenntnis: Während des Studiums ist man mehr oder weniger Einzelkämpfer, der sich durchboxen muss. Im Beruf ist man im Unterschied dazu nicht mehr alleine. Das sollte man ausnutzen. Ich kann als Berufseinsteiger Fragen stellen – und darf darauf setzen, dass mir die erfahrenen Kollegen bereitwillig Hilfestellungen geben.

Wie verlief in dieser Hinsicht Ihr Karrierestart bei Bilfinger Berger?
Ich hatte zunächst einen Office-Job und habe dort versucht, brav das anzuwenden, was ich im Studium gelernt hatte. Schnell traf ich dann auf Leute, die mich tüfteln sahen und sagten: „Mach’ es dir nicht so schwer, ich zeige dir mal, wie ich das beim letzten Mal angegangen bin.“ Wovon ich von Beginn an profitiert habe: Während des Studiums habe ich versucht, durch den Wechsel der Hochschule und praktische Erfahrungen menschliche Vielfalt zu erleben. Das zahlt sich bis heute aus. Ich habe seit jeher mit ganz unterschiedlichen Leuten zu tun. Alleine, auf wie viele verschiedene Arten von Bauherren ich schon getroffen bin. Mir macht es ungemein viel Spaß, mich auf diese unterschiedlichen Menschen einzulassen, mit ihnen zu kooperieren und Geschäfte zu machen.

Das ist eine Kompetenz, die man nicht unbedingt in erster Linie mit einem Bauingenieur zusammenbringt.
Das stimmt – aber nur solange, bis man die Arbeit genauer kennenlernt. Aber ich gebe Ihnen Recht, Studierende und Absolventen haben das noch nicht so auf dem Schirm. Mich fasziniert die Vielfalt des Berufsbilds „Bauingenieur“. Ich bin häufiger auf Karriere- und Branchenmessen zu Gast und beeindruckt, wie heterogen das Job-Angebot für Bauingenieure ist – und wie groß der Bedarf an Nachwuchskräften ist. Wer das Diplom in der Tasche hat, hat daher beste Chancen auf einen guten Arbeitsvertrag.

Warum ist die Branche für die junge Generation nicht attraktiver?
Es hält sich weiterhin das Bild von einer Baustelle, in der man es mit Staub und Schlamm zu tun hat. Mit der Realität auf großen Baustellen hat das nur noch wenig zu tun. Klar, man kann auch mal dreckig werden. Große Projekte sind jedoch heute so organisiert wie eine eigene Unternehmung. Involviert sind Leute aus ganz verschiedenen Bereichen, Bauingenieure treffen auf Kaufleute und ITler, Personaler und Controller. Das ist wirkliche Teamarbeit. Wichtig ist zudem eine gewisse Freude an der Mobilität und Flexibilität, denn wenn ein Großprojekt nach zwei oder drei Jahren abgeschlossen ist, steht schnell das nächste an – und das in der Regel an einem anderen Ort, manchmal auch im Ausland.

Wie beurteilen Sie die Innovationskraft der Bauindustrie, gerade auch mit Blick auf die Digitalisierung?
Es gibt noch Luft nach oben. Festhalten müssen wir, dass es sich bei der Digitalisierung der Branche um eine Notwendigkeit handelt. Es geht nicht darum, ob ein Unternehmen das Thema angehen will oder nicht. Die digitale Transformation ist gesetzt. Um das zu erkennen, reicht ein Blick in die Nachbarländer. In Skandinavien zum Beispiel ist die Branche bei digitalen Themen schon deutlich weiter, die öffentliche Hand zum Beispiel verlangt dort bei den Ausschreibungen die Arbeit mit BIM. In unserem Unternehmen haben wir in den vergangenen Jahren stark in internes Know-how, in Strukturen sowie in Technologie investiert, um hier am Puls zu bleiben.

Wie bewerten Sie die Situation in Deutschland?
BIM setzt sich durch, die großen Bauunternehmen arbeiten schon mehrere Jahre mit dieser Methode. Wichtig ist aber, dass alle Beteiligten mitziehen. Damit das geschieht, gibt es einen politisch beschlossenen Plan, der vorsieht, dass diese Methode ab 2020 zur Voraussetzung für Großprojekte wird. Das erhöht den Druck auf alle Akteure, sich diesem Thema zu stellen. Und dieser Druck ist wichtig, damit eine größere Dynamik entsteht.

Warum ist BIM so bedeutsam?
Weil es eine Methode ist, die den gesamten Bauprozess begleitet, von der ersten Idee über die Genehmigungen und die Planfeststellung bis hin zum Bau und schließlich dem Betrieb des Gebäudes. Dieser Prozess dauert mehrere Jahre, und wenn ich mir anschaue, welche Kooperationen und Abhängigkeiten in dieser langen Zeit entstehen, dann gibt es dort sehr viele Ansatzpunkte, um Dinge wesentlich zu beschleunigen und besser zu kontrollieren.

Können Sie hierfür ein konkretes Beispiel nennen?
Im Grunde geht es darum, bereits vorhandene Informationen schnell und einfach zu nutzen. Bei den Kommunen zum Beispiel liegen Pläne über alle Leitungen für Strom, Gas und Wasser. Wer diese Pläne einsehen will, muss das bei den Städten und Gemeinden beantragen. In Zukunft wird es möglichsein, diese Informationen ohne Mehraufwand direkt über ein digitales Tool anzuzapfen – was unglaublich viel Zeit und Aufwand einspart.

Für die junge Generation ist die Digitalisierung beinahe aller Lebensbereiche eine konkrete Erfahrung. Wie gut kann sie sich in die Baubranche einbringen?
Wir suchen gezielt junge Mitarbeiter, die mit diesen digitalen Tools aufgewachsen sind. Noch vor zehn Jahren waren Smartphones undenkbar. Heute gehören sie ganz selbstverständlich zum Alltag. Die Baubranche sucht und findet aktuell einen Weg, Apps für sich zu nutzen. In den USA sehen Sie schon häufig Projektmanager und Bauleiter, die eine Baustelle mit der Hilfe von Apps mit dem Tablet steuern. Ich warne davor, zu denken, dass diese Entwicklung bei uns in Deutschland noch einige Jahre auf sich warten lassen wird. Ich denke, es wird sehr schnell gehen. Zumal die Politik das nicht nur fördert, sondern auch fordert.

Zum Unternehmen

Implenia ist das führende Bau- und Baudienstleistungsunternehmen der Schweiz und ist europaweit tätig. Der Konzern bietet seine Dienstleistungen in allen Sparten des Baus an. Seinen Hauptsitz hat das Unternehmen in Dietlikon bei Zürich. Es beschäftigt gut 8100 Menschen. Gegründet wurde Implenia im November 2005 durch die Fusion der Zschokke Holding und der Batigroup Holding. Seit März 2015 ist das deutsche Traditionsunternehmen Bilfinger Construction mit seinen Aktivitäten in Deutschland, Österreich, Rumänien und Schweden Teil der Gruppe. Sitz des für Deutschland und Österreich zuständigen Bereichs ist Wiesbaden.

Das Leben ist eine Baustelle – Kultur-, Buch- und Linktipps

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STUDENTISCHES WOHNEN IN DER BLASE

Foto: Hochschule Bochum
Foto: Hochschule Bochum

Nach anderthalb Jahren Vorbereitung stellten Studierende des Fachbereichs Architektur der Hochschule Bochum im Juli 2016 ihr Projekt zum studentischen Wohnen in der Zukunft vor: Bloon. Es handelt sich um Wohnblasen zwischen zwei Häusern. Eine Telefonzelle ist der Eingang zu der Studentenunterkunft und zugleich das Badezimmer. Erreichbar ist die Blase über eine Leiter, die ebenfalls in die Telefonzelle integriert ist. Die große transparente Wohnblase dient als Wohn- und Schlafzimmer und ist mit rund 15 Quadratmetern nicht viel kleiner als eine übliche Studentenwohnung. Weitere Infos unter: www.bloon-project.de.
Ein Video zu dem Projekt gibt es auch: www.vimeo.com/147963259

VON LEBENS- UND BAUPLÄNEN

Cover: Meine Tage mit Fabienne
Cover: Meine Tage mit Fabienne

Ein Altbau in Berlin-Moabit. Immobilienkaufmann Kannstatt, Protagonist des Buches, nimmt sein Wohnhaus und seine Umgebung am liebsten akustisch wahr – bis Bauarbeiten seine wohlkomponiert empfundene Großstadtsinfonie stören. Wiederum sein inneres Gerüst bringt Fabienne ins Wanken, eine Hutmacherin, die im Erdgeschoß einzieht und seine Hausmusik mit neuen Tönen bereichert. – Ein feinsinniger Roman über den Zauber einer Begegnung. Hubertus Meyer-Burckhardt: Meine Tage mit Fabienne. Lübbe 2016. 18 Euro. Auch als Audio-Download erhältlich.

AB AUF DEN BAGGERPLATZ

Nach einer 15-minütigen Einweisung kann es losgehen: Auf dem Wiwa Baggerplatz in Hamburg ist es möglich, selbst einen Hydraulik-Bagger zu bedienen. Diese sind auf dem neuesten Stand der Technik und natürlich gewartet und sicherheitsgeprüft. Weitere Infos unter: www.wiwa-baggerplatz.de

KNOCHEN UND EIERSCHALEN FÜR DEN HAUSBAU

Foto: Abdul Rahman
Foto: Abdul Rahman

Während viele Forscher nach Möglichkeiten suchen, Stahl und Beton energieeffizienter zu produzieren, macht sich Dr. Michelle Oyen vom Department of Engineering der Cambridge Universität auf die Suche nach neuen Baustoffen, die von der Natur inspiriert sind. So baute sie in ihrem Labor bereits kleine Proben von künstlichen Knochen und Eierschalen, die als medizinische Implantate verwendet werden können. Oder sogar als kohlenstoffarme Baustoffe. Doch bis wir tatsächlich in Häusern aus Knochen und Eierschalen leben werden, wird es noch einige Zeit dauern. Oyen sagt: „Der Bau von Gebäuden aus völlig neuen Materialien würde ein vollständiges Umdenken für die gesamte Branche bedeuten. „Weitere Informationen unter: www.oyenlab.org

KOMPOSTIERBARE ZELTE

Das britische Startup Comp-a-tent entwickelt für die Festivalsaisons und englisches Wetter kompostierbare Zelte, die nach 120 Tagen in der Kompostierungsanlage in CO2, Wasser und fruchtbaren Boden zerfallen. Hintergrund dieser Erfindung ist, dass laut dem Unternehmen jedes Jahr 240.000 Zelte auf Deponien landen oder verbrannt werden – mit all ihren gefährlichen Materialien. Dabei werden Zelte eigentlich für eine längere Lebensdauer hergestellt. Weitere Informationen unter: www.comp-a-tent.com. Ein Video gibt es unter: www.youtube.com/watch?v=pGdnusNnAGg

SLOW BUSINESS

Cover Slow Business
Cover Slow Business

In der Studie „Slow Business – Wie aus Achtsamkeit eine neue Wertschöpfung entsteht“ des Zukunftsinstituts aus Frankfurt signalisieren acht Wirtschaftsbereiche die Absage an die alte, dem Ende entgegenrasende Beschleunigungsökonomie. Dabei werden unteranderem auch die Bereiche Urbanisierung, Architektur und Innovationen unter die Lupe genommen. Nachhaltigkeitsexperte Daniel Anthes schreibt beispielsweise zur Urbanisierung, dass sich immer mehr Orte dem Leitbild der „Slowness“ verschreiben, um ihren Bewohnern ein höchstes Maß an urbaner Lebensqualität zu bieten. Christian Rauch: Slow Business. Zukunftsinstitut 2016.

AUSSTELLUNG: BAUEN MIT HOLZ – WEGE IN DIE ZUKUNFT

Foto: Hagen Stier
Foto: Hagen Stier

Im Berliner Martin-Gropius-Bau ist noch bis zum 17. Januar 2017die Ausstellung „Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft“ zu sehen. Die Ausstellung zeigt anhand von herausragenden internationalen und nationalen Projekten ökologisch-nachhaltige und aktuelle Positionen der Holz-Baukunst und moderner Holzarchitektur – zum Beispiel Projekte von Toyo Ito, Shigeru Ban und Frei Otto.

HÖCHSTES MEMBRANPROJEKT DER WELT

Foto: thyssenkrupp
Foto: thyssenkrupp

Thyssenkrupp baut in Rottweil einen 246 Meter hohen Aufzugstestturm für die kommende Generation an Aufzügen. Die Fassade des Turms aus Polytetrafluorethylen (PTFE)-Glasgewebefaser gilt als derzeit höchstes Membranprojekt der Welt. Die Membran schützt den Turm vor intensiver Sonneneinstrahlung und reduziert die Eigenbewegung des Gebäudes, indem sie die Kräfte des Windes zerlegt. Weitere Infos zu dem Turm und zur Zukunft der Aufzüge unter: www.thyssenkrupp-elevator.com

WIEDERAUFBAU DER SCHINKELSCHEN BAUAKADEMIE

Aufgrund seiner nationalen Bedeutung hat der Haushaltsausschuss des Bundestags Mitte November 2016 beschlossen, den Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in Berlins historischer Mitte mit 62 Millionen Euro zu fördern. Derzeit erinnert eine Attrappe in Originalgröße an den Bau.

Serieller Wohnungsbau

Deutschland braucht schnell mehr Wohnungen in einer vernünftigen Qualität, vor allem aufgrund der Binnenwanderung von Menschen aus den ländlichen Räumen in Ballungsgebiete und Schwarmstädte. Dazu kommt die Zuwanderung von Flüchtlingen. Unterschiedliche Quellen gehen von 350.000 bis hin zu 400.000 jährlich zu produzierenden Wohneinheiten bis zum Jahr 2020 aus. Dafür braucht es neue Produktionsweisen: zum Beispiel den seriellen Wohnungsbau. Von Christoph Berger

„Vielleicht produzieren wir bis zum Ende des Jahres 270.000 Wohneinheiten. Wir sind also von der tatsächlich benötigten Zahl an Wohnungen noch ein ganzes Stück entfernt“, sagt Dr. Heiko Stiepelmann, Geschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB) für den Bereich Wirtschaft und Recht. Eine Lösung, diese Kluft zu überwinden, sieht er in der Entwicklung von Prototypen, die dann in größerer Zahl deutschlandweit in Produktion gehen – weg von der bisher noch üblichen Einzelfertigung.

Die Rede ist vom seriellen Wohnungsbau. Mit dem Bau von Plattenbauten, habe dies laut Stiepelmann aber nichts zu tun: „Die Variabilität trotz Serie, die beispielsweise auch aus der Automobilindustrie bekannt ist, kann man auch im Wohnungsbau herstellen. Doch ein Stück Standardisierung braucht es“, erklärt er. Diese führt dann schließlich zu den benötigten Kosteneinsparungen und Quadratmeterpreisen, über die vertretbare Mieten darstellbar sind. Die Erkenntnisse darüber, wie der serielle Wohnungsbau funktioniert, sind da. Es gibt nicht den einen Weg der Umsetzung.

Make Space

Studenten der FH Potsdam aus den Bereichen Design, Architektur, Bau-ingenieurswesen und Medienwissenschaften entwickelten mit Partnern einen Prototypen für Wohneinheiten.www.make-space.eu

So basiert beispielsweise das unter „maxmodul“ firmierende Baukonzept der Firmengruppe Max Bögl auf einer sogenannten Raumzelle. Mit den Raumzellen können durch horizontale und vertikale Addition Gebäudekonfigurationen in nahezu unbegrenzter Vielfalt generiert werden. Das Unternehmen Goldbeck hat drei Nutzungskonzepte entwickelt. Die Basis dafür bildet das systematisierte Bauen mit eigenen, industriell vorgefertigten Elementen. Die Bauabläufe sind systematisiert und in hohem Maße standardisiert. Oder das von der Willi Meyer Bauunternehmung mit Architekten entwickelte Wohnkonzept NOW6. Dieses wird in Schottenbauweise aus Betonhalbfertigteilen errichtet.

„Seriell heißt nur, dass Entwürfe mehrfach realisiert werden“, sagt Stiepelmann. Durch die Entwicklung eines für die Serie notwendigen Prototypen, kommt der Planung, neben der Vorfertigung, natürlich eine ganz entscheidende Rolle zu. Es braucht ein variables Konzept. „Durch den hohen Grad der Vorbereitung bieten sich BIM gestützte Verfahren an“, weiß Stiepelmann – auch vor dem Hintergrund, die Daten im Übergang vom Bau in den Betrieb und das Betreiben mitzunehmen. „Das ist der nächste große Produktivitätsschub, den es in der Bauwirtschaft geben wird.“

Vom alten Messegelände zum nachhaltigen Stadtquartier

Über 50 Jahre präsentierte die Stuttgarter Messe auf dem Killesberg Waren aus aller Welt – bis 2007. Dann bezog sie ein neues Gelände. Damit begann ein in seiner Größenordnung einzigartiges Projekt in Deutschland: der Rückbau der alten Messehallen. Und die Entstehung eines neuen Stadtquartiers. Dieses ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie mit Neunutzungen dem Wohnungsmangel in Deutschland begegnet werden kann. Von Steffen Ruoff, Dipl.-Bauingenieur und Leiter Bauwerksanierung und Rückbau bei Arcadis

Heute befindet sich auf dem Killesberg ein Stadtteilzentrum mit Wohnungen, Nahversorgern, Handels- und Büroflächen, gastronomischen Einrichtungen, Kindertagesstätten, einem Ärztehaus sowie einer direkten U-Bahn- und Bus-Anbindung. Ebenso gibt es einen hohen Anteil an öffentlichem Freiraum. Täglich wird das Stadtquartier von rund 6.000 Menschen frequentiert. Doch um an diesen Punkt zu kommen, musste zunächst das 7,5 Hektar große Messegelände vorbereitet werden: Nach dem Wegzug der Messe standen auf dem Gelände 13 Hallen unterschiedlicher Größe sowie das Messe- und Congress-Centrum.

Arcadis erhielt den Zuschlag für die Planung, Vorbereitung, Ausschreibung und Überwachung des Rückbauprojektes. Damit standen die Bauingenieure vor der Aufgabe, insgesamt 800.000 Kubikmeter umbauter Fläche abzutragen, von Schadstoffen zu befreien sowie das Baumaterial zu verwerten beziehungsweise zu entsorgen. Zwei Jahre waren für diese Aufgaben vorgesehen – inklusive öffentlicher Ausschreibungen und der Auftragsvergabe an die Unternehmen.

Daten und Fakten

Standort: Stuttgart-Killesberg
Projekt: Rückbau und Baureifmachung

Dimensionen Rückbau

Fläche: 7,5 Hektar
Abriss von 800.000 Kubikmetern umbauter Fläche

Dimensionen Schadstoffsanierung/ Entsorgung

  • 50 Tonnen Asbest
  • 500 Tonnen künstlicher Mineralfasern
  • 20.000 Tonnen Bauschutt
  • 10.000 Tonnen Schrott/Metall
  • 220.000 Tonnen Baumaterialien wurden für den Wiederaufbau verwendet

Das Projekt in Phasen

  • Bausubstanz- und Gebäudeschadstofferkundung
  • Planung und Ausschreibung
  • Bauüberwachung
  • Sicherheits- und Gesundheitskoordination
  • Umwelttechnische Fachbauüberwachung
  • Bewertung des Stadtquartiers nach DGNB-Kriterien der Pilotphase „Nachhaltige Stadtquartiere“

Bereits bei der ersten Begehung des Geländes wurde festgestellt, dass in den Gebäuden reichlich Asbest verbaut worden war. Dieser musste aufwändig entsorgt werden. Bei von den Bauingenieuren des Unternehmensdurchgeführten Kernbohrungen wurden im Labor darüber hinaus noch weitere schadstoffverdächtige Materialiengefunden. Eine solch detaillierte Bestandsaufnahme ist jedoch notwendig, um für die Ausschreibung der Stadt einen genauen Kriterienkatalog zu erstellen, den die Abbruch- und Entsorgungsunternehmen zu erfüllen haben.

Schadstofferkennung und Recycling

Nach den umfassenden Vorbereitungen konnte dann die eigentliche Projektphase beginnen: Die Messehallen, das Messe- und Congress-Centrum sowie die Straßen auf dem Messegelände wurden abgerissen beziehungsweise zurückgebaut. Als besondere Herausforderung erwiesen sich dabei die Höhenunterschiede von bis zu 22 Metern, die mit Maschinen und Geräten auf dem Gelände überwunden werden mussten. Die Geländekanten wiesen einen Höhenunterschied von bis zu zehn Metern auf.

Auch die Mengen an Bauschutt waren gigantisch. Alleine 50 Tonnen asbesthaltige Materialienkamen zusammen, zudem 500 Tonnen künstliche Mineralfasern, die fachgerecht ausgebaut und entsorgt werden mussten. An teerhaltigen Gebäudematerialienfielen rund 3.000 Tonnen an. Verbundmaterialien wurden darüber hinaus in arbeitsintensiven Prozessen getrennt, um Entsorgungskosten zu sparen. So wurden in erheblichem Umfang teer- und bitumenhaltige Schichten von Betondecken abgefräst.

Nicht schadstoffhaltiges Baumaterial wurde von dem belasteten getrennt und konsequent wiederverwertet. Rund 220.000 Tonnen wurden vor Ort für den Wiederaufbau aufbereitet und für die Profilierung und die Nachnutzung des Geländes eingesetzt. Das schonte nicht nur das Budget, sondern auch die Ressourcen. Trotzdem wurden noch rund 200.000 Kubikmeter Beton und anderes Verfüllungsmaterial aus anderen Baustellen zum Aufschütten des Geländes benötigt. Sie kamen von den Umbauarbeiten an der Mercedes-Benz-Arena und dem Bau der Stuttgarter Stadtbahnlinie U15.

Ressourcenschonendes Baumanagement und Nachhaltigkeit

Während der gesamten Rückbauphase war Arcadis für die Bauüberwachung, die umwelttechnische Fachbauüberwachung sowie für die Sicherheits- und Gesundheitskoordination zuständig. Die Beeinträchtigung der Anwohner in der Nachbarschaft durch Lärm und Staub sollte so weit wie möglich vermieden werden. Auch eine U-Bahn-Station mit angrenzender Außenwand an das Baugelände erforderte besondere Umsicht, Planung und Koordination der Abrissmaßnahmen.

Auf einem Teil des Areals entwickelte ein Investor das inzwischen in vielerlei Hinsicht als innovativ und zukunftsweisend geltende Einkaufs- und Wohnquartier Killesberghöhe. Von Beginn an waren hier die Anrainer in den Architekturwettbewerb und die Bauphase eingebunden. Außerdem wurde die Killesberghöhe als erstes neu errichtetes Stadtquartier in Deutschland von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) mit einem Zertifikat in Gold ausgezeichnet.

Auch an diesem Projekt war Arcadis beteiligt: Das Unternehmen plante die Baugrube, moderierte, führte Workshops durch und bewertete schließlich das Stadtquartier anhand der DGNB-Kriterien. Um die Voraussetzungen für den Erhalt dieses DGNB-Siegels zu erfüllen, waren immerhin 45 Kriterien einzuhalten. Ein wesentlicher Bestandteil war die Aufbereitung des Baugeländes im Rahmen eines ressourcenschonenden Baumanagements, wie es in dem Rückbauprojektumgesetzt worden war.

Bauleiterin im Straßenbau: Vertrauen und Respekt

Alexandra Hollatz ist Bauleiterin im Straßenbau. In ihrem Erfahrungsbericht beschreibt sie, warum OPA trocken verbaut werden muss und wie sie schnell in verantwortungsvolle Aufgaben hineinwuchs.

Zur Person

Alexandra Hollatz, Foto: Privat
Alexandra Hollatz, Foto: Privat

Alexandra Hollatz, Bauingenieurin M. Sc., Abschluss 2014 an der Universität Stuttgart mit zwei Auslandstrimestern an der University of Calgary in Kanada, Bauleiterin bei der Strabag-Direktion Baden-Württemberg

Bei meinen ersten Projekten war mir zugegebenermaßen noch etwas mulmig. Direkt mit meinem Einstieg bei Strabag habe ich die Leitung einiger Baustellen übertragen bekommen. Es handelte sich vor allem um Kompaktasphaltmaßnahmen im Straßenbau. Dabei werden zwei Asphaltschichten in einem Arbeitsgang eingebaut.

Doch trotz des ersten Gefühls lief alles gut. Zum einen lernt man sehr schnell in solchen Projekten, zum anderen hatte ich bereits während meiner Masterarbeit – auch in der ging es um Kompaktasphalt – als Werkstudentin bei Strabag gearbeitet. Diese Zeit war im Nachhinein sehr hilfreich, da ich bereits damals relativ gut auf die Aufgaben einer Bauleiterin vorbereitet wurde. Wie bei meinem Einstieg gefiel mir schon damals, dass mir direkt von allen Seiten das Vertrauen entgegengebracht wurde, die Aufgaben auch erfolgreich meistern zu können.

Logistik und offenporiger Asphalt

Während am Anfang vor allem Bundes- und Landesstraßen zu meinen Projekten gehörten, betreue ich derzeit eine Autobahnbaustelle – die Baustelle auf der A6 am Weinsberger Kreuz. Eingebaut wird dort ein offenporiger Asphalt (OPA), dessen Einbau sehr anspruchsvoll ist, der aber viele Vorteile hat: Mit ihm werden zum Beispiel Reifen-Fahrbahn-Geräusche direkt am Ort der Entstehung reduziert. Dafür muss man jedoch darauf achten, dass sich bei der Verdichtung seine Poren nicht zu stark verschließen.

Hochschulranking – Kassel auf Rang 1

Die Universität Kassel belegt im aktuellen Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) im Bereich Bauwesen Platz 1. Untersucht wurden 21 deutsche Universitäten. Wer in Kassel studiert, findet demnach sehr gute Studienbedingungen vor, wird mit großer Wahrscheinlichkeit in angemessener Zeit fertig und hat einen sehr guten Kontakt zur Berufspraxis.www.uni-kassel.de/fb14bauAlle Ergebnisse des CHE-Ranking gibt es unter: www.zeit.de/ranking

Um einen reibungslosen Einbau zu erreichen, muss die Logistik zwischen Mischanlagen, Lkw und Baustelle perfekt aufeinander abgestimmt sein. Mit bis zu vier Einbaukolonnen bauen wir hier auf einer Breite von maximal 24 Metern Asphalt ein. Ein weiterer kritischer Faktor ist das Wetter, da sowohl Gussasphalt als dichte Unterschicht als auch OPA nur bei trockener Unterlage und somit gutem Wetter eingebaut werden können. Eine zusätzliche Herausforderung bei dem Baustellenprojekt liegt darin, dass die Arbeiten bei fortlaufendem Verkehr stattfinden. Etwa 95.000 Fahrzeuge passieren täglich die Baustelle. Meine Hauptaufgaben liegen in der Arbeitsvorbereitung, der Koordination und Abwicklung der Baustelle und der Abrechnung der gesamten Maßnahme. Bei all dem muss ich also immer die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts im Blick behalten.

Offenheit und Respekt

Klar ist, dass es sich bei diesen Aufgaben nicht um einen Bürojob am Schreibtisch handelt. Aber genau das macht den Reiz der Arbeit für mich aus – genauso die Unregelmäßigkeiten im Tagesablauf und die Abwechslung, sowohl drinnen als auch draußen zu arbeiten. Außerdem habe ich bei meinen Aufgaben mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun und bekomme immer neue spannende Baustellen. Besonders toll ist es, das Endprodukt zu sehen und zu erfahren, was man gemeinsam im Team erschaffen kann. Dies sind für mich ganz entscheidende Faktoren und vielleicht auch ein Grund dafür, dass ich in der doch noch sehr von Männern dominierten Branche noch niemals ein Problem hatte.

Wichtig ist mir, offen und respektvoll mit allen Beteiligten umzugehen, sodass wir alle sagen können: „Das ist unsere gemeinsame Baustelle. “Damit das funktioniert, erhalte ich von meinen Gruppen- und Bereichsleitern volle Unterstützung, arbeite täglich an mir selbst und überlege dabei immer, was ich noch hätte besser machen können. In Abstimmung mit meinem Gruppenleiter habe ich Seminare zu den Themen Zeitmanagement und Selbstorganisation oder Führen, Kommunizieren, Motivieren besucht. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, wenn ich noch mehr Erfahrung gesammelt habe, einmal Gruppenleiterin zu werden. In der Position würde ich dann mehrere Bauleiterinnen und Bauleiter und deren Baustellen betreuen – und hätte einen noch stärkeren Blick auf die wirtschaftlichen Aspekte der Projekte.

„Für Gender Diversity“

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Interview mit der Diplom-Kauffrau Tanja Leis: Die RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum als neutrale Plattform für alle am Baugeschehen Beteiligten führt derzeit das Pilotprojekt „Frauen in der Bauwirtschaft – Potentiale besser erschließen“ durch. Im Gespräch stellt Projektleiterin Tanja Leis die derzeitige Situation vor. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Frau Leis, Sie führen derzeit das Untersuchungsprojekt „Frauen in der Bauwirtschaft“ durch. Um was geht es dabei?
Die RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum möchte einen Beitrag leisten, um das Arbeitskräftepotenzial von Frauen stärker für die Bauwirtschaft zu erschließen und zu nutzen. Wir wollen positive Beispiele und Vorbilder zeigen, dringende Handlungsfelder wie beispielsweise „Ausbildung von Frauen in technischen Berufsfeldern“, „Führung und Karriere“ oder „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ diskutieren und Handlungsempfehlungen für die Zukunft erarbeiten. Zudem möchten wir die Bauunternehmen für Gender Diversity im Unternehmen sensibilisieren sowie das Image und die Attraktivität als Arbeitgeber verbessern. Die Baubranche ist durchauseine Hightech-Branche. Hier sind kreative und innovative Lösungen gefragt.

Was für Innovationen könnten das sein?
Mit neuen Lösungen, zum Beispiel der Methode Building Information Modeling (BIM), kann die Bauwirtschaft ihre Attraktivität steigern und Innovationsfähigkeit zeigen. Und natürlich geht es auch um die Schaffung belastungsärmerer Arbeitsplätze im Hinblick auf das Arbeiten bis 67. Um speziell junge Frauen für die Bauwirtschaft zu begeistern, muss sich grundsätzlich etwas in den Köpfen der Entscheider ändern. Es muss sich das Bewusstsein entwickeln, dass Frauenanders „ticken“, dies aber auch ein Gewinn für das Unternehmen sein kann. Zudem brauchen Frauen Vorbilder und wollen nicht nur wegen der Frauenquote unterstützt werden.

Die Führungskräfte müssen dahinterstehen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Wie stellt sich die Situation für Frauen derzeit dar?
Derzeit liegen mir Zahlen aus dem Jahr 2014 vor. Demnach sind nur etwa zehn Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im deutschen Bauhauptgewerbe Frauen. Und bisher entscheiden sich immer noch wenige Mädchen und Frauen für eine Ausbildung und Karriere in einem Bauberuf. Bei den Studienanfängern im Bauingenieurwesen sind immerhin 25 Prozent weiblich. Dies ist zu begrüßen und sollte weiter gesteigert werden. Auch in den Spitzenpositionen in der Bauwirtschaft sind Frauen immer noch eine Seltenheit. Es gibt aber auch einige sehr gute Beispiele von Frauen in der Bauwirtschaft, die erfolgreich ihr Unternehmen führen.

Was wären die Vorteile eines höheren Frauenanteils?
Meine Top 5-Argumente sind: Erstens schließt ein großes Potenzial an gut qualifizierten Frauen den Personalengpass an Fachkräften. Zweitens gehört Gender Diversity heute zu einer modernen Unternehmenskultur. An dritter Stelle sehe ich eine höhere Meinungsvielfalt innerhalb der Unternehmen. Viertens: Ein erhöhter Frauen-anteil verbessert und erhöht das Arbeitgeberimage. Und fünftens können mehr weibliche Kunden gewonnen werden.

Und welche Argumente haben Sie für Frauen, um in die Branche einzusteigen?
Die Bauspezialisten von heute sind gefragte Allrounder, die nicht nur über handwerkliches Geschick, sondern auch über umfassendes technisches Know-how verfügen. Neue Aufgaben, wie im Umweltbereich, erfordern zusätzliches Wissen. Mit den gewachsenen Anforderungen haben sich auch die Berufsbilder gewandelt und neue entwickelt. Durch die Digitalisierung sind außerdem zunehmend Köpfchen und Geschick gefragt. Sie kann auch dazu beitragen, Privatleben und Beruf besser in Einklang zu bringen. Zwei weitere Vorteile: Das Auskommen ist gesichert und die Aussichten sind bestens.

BIM schafft neue Rollen

Durch Building Information Modeling (BIM) sind im Bauunternehmen Wolff & Müller drei neue Projektrollen entstanden: BIM-Manager, BIM-Koordinator und BIM-Modellierer. Von Niklas Brandmann, Leiter Digitalisierung/BIM der Service-Einheit Unternehmensentwicklung, Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG

Building Information Modeling (BIM)verändert nicht nur die Planungskultur, sondern bringt auch neue Zuständigkeiten mit sich: Jedes BIM-Projekt braucht ein Team, das die Arbeit der Projektbeteiligten am virtuellen Bauwerksmodell steuert und koordiniert. Der 2013 veröffentlichte „BIM-Leitfaden für Deutschland“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung(BBSR) benennt für BIM-Projekte bei-spielhaft die Aufgabenbereiche: BIM-Management, BIM-Koordination und BIM-Gesamtkoordination.

Gruppe „Digitalisierung/BIM
“Wie ein Bauunternehmen diese Rollen ausfüllt, zeigt das Beispiel Wolff& Müller. BIM-Projekte werden von der Gruppe „Digitalisierung/BIM“ in der zentralen „Serviceeinheit Unternehmensentwicklung“ betreut. Hier arbeiten BIM-erfahrene Architekten und Tragwerksplaner als BIM-Manager und BIM-(Gesamt-)Koordinatoren, unterstützt von Bautechnikern als BIM-Modellierern. In den nächsten Jahren soll jede Niederlassung im Geschäftsfeld Bau einen eigenen BIM-Koordinator bekommen.

Aufgaben des BIM-Managers
Ein BIM-Manager steuert und überwacht mehrere BIM-Projekte und deren Bearbeitungsstände. Er berät den Auftraggeber rund um die Arbeitsmethode und wirkt bei Startgesprächen mit. Er definiert die rechtlichen und technischen Spielregeln für das Projekt (BIM-Projektabwicklungsplan, BIM-BVB, BIM-Pflichtenheft). Unternehmensintern entwickelt er die Standards für die neue Arbeitsweise weiter und berät die Niederlassungen.

Aufgaben des BIM-Koordinators
Der Gesamtkoordinator eines Projekts überwacht die BIM-spezifischen Planungsleistungen und unterstützt die Fachplaner bei der Modellierung in der Cloud. Er überprüft die verschiedenen Fachplaner-Modelle auf Kollisionen, die dann bei Jour-Fixe-Terminen im Planungsteam besprochen werden. Zudem bereitet der Koordinator das Datenmodell für interne Zwecke auf, etwa für die Kalkulation und Ausschreibung oder zur Simulation des Bauablaufs.

Aufgaben des BIM-Modellierers
BIM-Modellierer werden vor allem für die modellbasierte Mengenermittlung in der Angebotsphase eingesetzt. Aus den Entwurfsplänen, die zu diesem frühen Zeitpunkt bereits vorliegen, erstellen sie ein detailliertes BIM-Modell. Aus diesem Modell können die Informationen und Planungsinhalte, die für ein Angebot benötigt werden, besonders effizient und exakt abgeleitet werden.

Diplom bleibt Nonplusultra

75 Prozent der Bauingenieure verfügen laut einer bauingenieur24-Umfrageimmer noch über das Diplom. Bachelor-Absolventen benötigen oft ein gezieltes Training on the Job, um die nötige Berufsbefähigung zu erhalten. Von Fabian Hesse M.A., Redakteur des bauingenieur24 Informationsdienstes

Die Einführung der Studienabschlüsse „Bachelor“ und „Master“ kam vor gut 15 Jahren einer „Reform wider Willen“ gleich. Arbeitgeber fühlten sich in ihrer Ablehnung bestätigt, als sich im Laufe der Zeit herausstellte, dass die Befürchtungen, die Güte der Lehre würde unter der Änderung leiden, berechtigt waren.

In der Folge gewann das Diplom für jeden, der es besitzt, immer mehr an Wert. Unter den aktiven Bauingenieuren waren 2015 nach einer Umfrage des Berufsportals bauingenieur24 die „Diplomer“ deutlich in der Überzahl. Von 100 befragten Nutzern des Branchendienstes für Bauingenieure gaben 75 an, einen solchen Abschluss zu haben, davon waren 34 „Dipl.-Ing. (TH/TU/Uni)“ und 41 „Dipl.-Ing. (FH)“. 2012 waren es bei der gleichen Umfrage 80 Prozent. Somit verfügt aktuell lediglich ein Viertel der Branchenvertreter über einen der neuen Abschlüsse. Hierbei überwiegt wiederum der Master mit insgesamt 19 Prozent (M.Eng.: 11%; M.Sc.: 8%). 2012 lagen beide Abschlüsse noch gleichauf – bei jeweils rund zehn Prozent.

Das Ergebnis legt nahe, dass für eine erfolgreiche Berufstätigkeit die erweiterte Ausbildung, also das „Draufsatteln“ eines Masters nach dem obligatorischen Bachelor-Abschluss, als notwendig erachtet wird. Der geringe Anteil von nur sechs Prozent (B.Eng.: 4%; B.Sc.: 2%) an Bachelor-Bauingenieuren zeigt, dass der deutsche Arbeitsmarkt für die Berufsgruppe einen höheren Ausbildungsgrad verlangt.

Die Kritik an verkürzten Studienzeiten zu Lasten von Praxissemestern und einer allgemeinen Grundausbildung wurde in den letzten Jahren regelmäßig wiederholt. Die Unternehmen gaben dabei an, dass ein Bachelor lediglich ein „besseres Grundstudium“ darstelle. Auch heißt es, ein großer Teil der Ausbildung werde in das Berufsleben verlagert, wie durchgeführte Interviews mit Inhabern von Planungsbüros und Bauunternehmen belegen.

Vom Akkreditierungsverbund für Studiengänge des Bauwesens (AS-Bau) heißt es dazu: „Die Planungsbürosstellen seit jeher höhere Ansprüche an Bewerber als ausführende Unternehmen. Daher werden die neuen Studiengänge von letzteren eher als ausreichend empfunden.“ Bachelor-Bauingenieure hätten demnach beiden Bauunternehmen bessere Chancen als in den Ingenieurbüros.

Um in Zeiten großer Nachfrage die passenden Fachkräfte für sich zu erhalten, bieten sowohl ausführende Baufirmen als auch Planungsbüros Bachelor-Absolventen vermehrt ein gezieltes Training on the Job an. Gute Einkommensaussichten sind jedoch oft nur mit steigender Berufserfahrung und nach mehreren Arbeitgeberwechseln zu realisieren.

Boombranche Bau

Die Umsätze der Betriebe des Bauhauptgewerbes steigen, ebenso die Auftragseingänge. Alle Zeichenstehen auf Wachstum. Die Unternehmen haben nur ein Problem: Es fehlt ihnen an ausreichend Nachwuchs. Von Christoph Berger

Eine paradoxe Situation: Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Studienanfängerzahlen im Fachbereich Bauingenieurwesen konstant hoch bleiben, die Absolventen von Jahr zu Jahr mehr werden. So schlossen 9.954 Studierende im Jahr 2015 ihr Studium erfolgreich ab. Das sind 1.328 mehr als im Jahr zuvor. Doch trotz dieser zunehmenden und für die Branchepositiven Entwicklung übersteigen die den Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen inzwischen die der als arbeitslos gemeldeten Bauingenieure. Eine atypische Situation.

Dabei geht der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie davon aus, dass prinzipiell sowieso nur jede dritte offene Stelle gemeldet wird. Hinzu kommt, dass nicht alle Absolventen dem Arbeitsmarktdirekt zur Verfügung stehen, denn es ist davon auszugehen, dass von den rund 6.000 Absolventen mit einem Bachelorabschluss zahlreiche einen Masterabschluss anstreben werden. Junge Bauingenieure haben vor diesem Hintergrund beste Perspektiven für ihren Einstieg. Und das gilt für alle Bausparten.

Laut aktuellen Konjunkturdatenverzeichnet der Wohnungsbau die deutlichsten Zuwächse. Von Januar bis August 2016 wurde der (Neu- und Um-)Bau von 245.325 Wohnungen genehmigt. Das sind 25,1 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum und so viele wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Bauingenieure werden in dieser Sparte nicht nur für den Hochbau, sondern auch für die Sanierungen und das Bauen im Bestand benötigt.

Auch der Wirtschaftsbau legte in den ersten acht Monaten dieses Jahres deutlich zu. In diesem Zeitraum wuchsen die Umsätze der Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten um 4,4 Prozent, die Nachfrage sogar um 14,9 Prozent. Im Öffentlichen Bau stieg der Umsatz sogar um 7,5 Prozent, die Nachfrage um 18,2 Prozent.

Dabei werden bei letzterem noch nicht einmal sämtliche Potenziale ausgeschöpft. Die durch den Investitionshochlauf des Bundes für Infrastrukturbauten zur Verfügung gestellten Gelder können aufgrund des Mangels an qualifiziertem Fachpersonal derzeit überhaupt nicht verbaut werden. Es fehlt sowohl an Bauingenieuren, die die Projekte planen als auch an solchen, die sie vonseiten der öffentlichen Verwaltung betreuen. Die Chancen für Bauingenieure sind in allen Bausparten somit wirklich gut.