Software-Tests, Programmierung oder Datenerfassung – die Specialist People Foundation des Dänen Thorkil Sonne bringt autistische menschen mit ihren oftmals außergewöhnlichen Talenten in den IT-Arbeitsmarkt. Der ehemalige IBM-Manager Matthias Prössl führt die Stiftung in Deutschland an. Aufgezeichnet von Stefan Trees
Matthias Prössl, Foto: PrivatMatthias Prössl,
53 Jahre, Geschäftsführer
Projekt: Specialisterne Deutschland gemeinnützige UG
Ort: Deutschlandweit
Web: http://specialisterne.com/
Wie alles begann
Als mein Sohn im Kindergarten war, wurde bei ihm ADS diagnostiziert. Für uns war diese Diagnose nie so ganz stimmig. Vor sechs Jahren, mit Eintritt ins Gymnasium, lautete die Diagnose dann: Asperger-Autismus. Für uns eine sehr viel stimmigere Aussage, die uns geholfen hat, anders mit ihm umzugehen, ihn an bestimmten Stellen gewähren zu lassen, weil es nicht anders geht, und an anderen Stellen zu unterstützen, wo es ihm nützt.
Über meine familiären Beziehungen nach Dänemark bin ich damals auf den Dänen Thorkil Sonne und sein Projekt „Specialisterne“ aufmerksam geworden. Auch bei dessen Sohn wurde eine Form von Autismus diagnostiziert, und Thorkil erkannte bald, dass autistische Menschen oft mit überdurchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten ausgestattet sind, allerdings im Zusammenspiel mit unterdurchschnittlichen Fähigkeiten im Bereich der Sozialkompetenzen.
Ich habe mit Thorkil Kontakt aufgenommen, um mich über seine Idee auszutauschen. Vor zweieinhalb Jahren bekam ich seine Einladung zur Specialisterne- Konferenz in Kopenhagen. Thorkil hatte viele Anfragen für sein Konzept erhalten, nun war für ihn die Zeit gekommen, es zu verbreiten. 40 Teilnehmer aus 25 Nationen kamen dort zusammen. Seit Februar 2013 bin ich nun Geschäftsführer der Specialisterne Deutschland gUG.
Warum ich das mache
Ich habe meinen beruflichen Weg Anfang der 80er-Jahre in der IT-Branche begonnen. Mein damaliger Mentor war im Dialog brillant, aber er ging nie mit zum Essen. Bei der Begegnung auf dem Flur schaute er mich nicht an, stattdessen lief er mit dem Finger an der Wand entlang und schaute auf den Boden. Heute habe ich einen Namen für sein Verhalten – damals war es einfach nur ein schräger Vogel.
Ich habe erlebt, dass diese Menschen im Laufe der Zeit ihre Daseinsberechtigung in Teilen der IT-Branche verloren haben. Auf einmal war der junge, dynamische, eloquente Entwickler gefragt, der auch gut präsentieren kann und teamfähig ist. Viele autistische Menschen sind genau das nicht – sie reden zu viel, sie reden zu wenig, sie sagen für unser Empfinden unpassende Dinge.
Weil unsere sozialen Leitplanken immer enger werden, fallen diese Menschen oft aus den Unternehmen heraus, obwohl sie in einer Nische brillant sind und dort wertvolle Arbeit leisten. Autismus ist keine Behinderung – die Behinderung findet durch die Umwelt statt. Wenn man erkennt, dass hinter den Schwierigkeiten im Umgang eine spezielle Fähigkeit oder spezielles Nischenwissen liegt, fällt es leichter, tolerant zu sein.
Was es bislang gebracht hat
Menschen mit diesen speziellen Fähigkeiten verhelfe ich ins Berufsleben – gut achtzig Prozent sind arbeitslos –, allerdings sind nicht alle in unserem Markt arbeitsfähig. Aber wenn wir nur wenige Prozent erreichen und ihnen einen Job anbieten können, der ihren intellektuellen Fähigkeiten und Neigungen entspricht, ist schon viel gewonnen.
Unser Modell sieht vor, dass diese Spezialisten bei uns in der Stiftung angestellt sind und wir sie als Consultant in ein Unternehmen vermitteln. Das ist in vielen Fällen schwierig, denn Arbeitsplätze für Autisten stehen in keinem Personalplan. Die Arbeitsumgebung ist für meine Mitarbeiter dann ideal, wenn sie hochindividuell ist. Wir schaffen diese Arbeitsplätze, indem wir die Unternehmen ausführlich beraten.
Meine Consultants haben im Laufe der Zeit gelernt, sich anzupassen. Doch das ist anstrengend für sie. Arbeitsplätze, an denen sie sich nicht mehr verstellen müssen, sondern so sein können, wie sie sind, sind deshalb sehr wertvoll. Erst dann hat mein Mitarbeiter Ressourcen zur Verfügung, die er sonst nicht hat. Das ist der Gewinn.
Redaktions-Tipp: Die Autismus-App
LetMeTalk – die erste, internationale, professionelle, kostenfreie Applikation für Android für Special Needs, inbesondere für Menschen mit Autismus zur unterstützten Kommunikation. Pro Bono, Non Profit. Entwickelt von einem Team um Doreen Kröber, Mutter eines autistischen Sohnes.
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Shareconomy verändert derzeit ganze Branchen. Die Musikund die Filmindustrie sind gute Beispiele. Doch auch andere Wirtschaftsbereiche sind von dem Sog der neuen Möglichkeiten erfasst, beispielsweise die industrielle Fertigung und der Energiesektor. Und überall entstehen unter dem Begriff des Teilens neue Geschäftsmodelle. Doch was bedeutet Teilen? Von Christoph Berger
„Wir teilen nicht, weil wir uns plötzlich alle lieb haben. Wir teilen, weil die IT und die Telekommunikation das Tor aufstoßen in diese neue Welt“, sagte der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Professor Dieter Kempf, in seiner Rede im Rahmen der CeBIT-Eröffnung dieses Jahr in Hannover. In dieser neuen Welt geht es ums Nutzen statt ums Besitzen: um die gemeinsame Nutzung von Techniken, Infrastruktur und Wissen. Dieses Prinzip nennt sich Share Economy – oder auch verkürzt Shareconomy.
Bemühen wir das gern genutzte Beispiel des Car-Sharings: Wieso ein Auto kaufen, wenn es nur hin und wieder zum Einkaufen gebraucht wird? Billiger, profitabler und ressourcenschonender ist es, sich einen Wagen mit anderen zu teilen. Diese Idee ist auf vieles übertragbar – und der Gedanke, dass mit Teilen kein Geld verdient werden kann, ist falsch, wie Beispiele zeigen: Beim Car-Sharing betreiben Unternehmen Autoflotten, auf die Nutzer bei Bedarf zugreifen und dafür zahlen.
Die Musik- und Filmindustrie hat nach schweren Zeiten mit Umsatzrückgängen aus dem Prinzip des Teilens ein erfolgreiches Vertriebsmodell gemacht. Bitkom-Präsident Kempf prophezeite in seiner Rede sogar das Verschwinden der Grenze zwischen Produzenten und Konsumenten. Der zentrale Akteur der Shareconomy werde der Prosumer. Der Kunde ist derjenige, „der sich an der Entwicklung des neuen Autos beteiligt, es später auch fährt, bewertet und gemeinsam mit dem Hersteller weiterentwickelt“.
Filmtipp
BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf sprach auf der CeBIT 2013 über die Chancen der Shareconomy!
Der Begriff Shareconomy mag neu sein – laut dem US-Unternehmen Salesforce tauchte er erstmals im Dezember 2012 auf. Für Jan Stötzel, bei Fujitsu aus München für Services und Cloud Marketing zuständig, ist das Modell jedoch schon uralt: „Denken Sie nur an Flugzeuge. Viele Menschen teilen sich ein Verkehrsmittel, um an einen anderen Ort zu kommen. Oder an Energie: Kraftwerke versorgen ganze Regionen mit Strom.“
Er verbindet mit Shareconomy eher einen Wandel vom Produkt- hin zu einem Servicezentrismus. „Viele teilen sich einen Service, nicht jeder muss sich eine eigene Infrastruktur aufbauen“, erklärt er. Gezahlt wird jeweils, wie etwa im Car-Sharing-Modell, nach Bedarf. So entstehen nicht nur ganz neue Geschäftsmodelle, auch die Eintrittsbarrieren für junge Unternehmen sinken. Stötzel ist sich sicher, dass Unternehmen entstehen werden, an die man heute noch überhaupt nicht denkt. Wer hätte je daran geglaubt, dass ein Service, der das Teilen von Handtaschen organisiert, erfolgreich sein kann?
IT teilen
Auch die Cloud-Technologie ist ein Geschäftsmodell der Shareconomy: Unternehmen können sich bei Cloud- Anbietern den für sie geeignetsten Service suchen und konfigurieren ihn dann, bis er die für das jeweilige Geschäft nötigen Anforderungen erfüllt. Start-ups stehen Rechenleistungen zur Verfügung, die früher nur Großunternehmen betreiben konnten, sodass die jungen Firmen sich die IT-Infrastrukturen nicht mehr selbst aufbauen müssen. Sie brauchen kaum noch Hard- und Software, ausgegliedert wird bis zur IT-Adminstration. Die Unternehmen konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft.
Was für Kunden und Unternehmen wie ein Segen klingen und einer Revolution gleichkommen mag – Kempf sprach von der „4. industriellen Revolution“ –, ist für die Anbieter der IT-Infrastrukturen eine enorme Herausforderung. Sie müssen eine Zugriffsgarantie und Ausfallsicherheit für ihre Services abgeben. Hochspezialisierte Mitarbeiter für Datenbankmodelle und Backend- Lösungen werden benötigt. Und auch die Themen Datenschutz, Verbraucherschutz, gewerblicher Rechtsschutz und Arbeitsrecht stehen jetzt auf der Agenda. „Denn unter dem Aspekt des Teilens spielt die Sicherheit der unternehmenseigenen Daten eine wichtige Rolle“, sagt Stötzel.
Diese Vielfalt an neuen Möglichkeiten bietet auch IT-Absolventen eine riesige Spielwiese: Entweder teilen sie ihr Wissen mit einem Unternehmen – oder sie bringen gleich ihre eigene Idee auf den Markt. Das Prinzip der Shareconomy eröffnet für Einsteiger ganz neue Welten.
Professor Dieter Kempf nannte in seiner CeBIT-Eröffnungrede fünf Auswirkungen des Teilens auf die Wirtschaft:
1. In der Shareconomy entsteht eine neue Macht der Verbraucher.
2. In der Shareconomy werden die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten nach und nach verschwinden.
3. In der Shareconomy spielt Unternehmensgröße nur noch eine kleine Rolle.
4. In der Shareconomy lösen sich die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem weiter auf.
5. In der Shareconomy funktioniert der alte Rechtsrahmen nicht mehr so richtig.
Der Weg in die Projektverantwortung kann schnell gehen. Der Wirtschaftsinformatiker Marco Nürnberger wurde nach seinem Abschluss direkt in ein neues Projektteam integriert und übernahm dort die Rolle des Organisators, des sogenannten Scrum-Masters. Von Till Stueve, Datev
Im Jahr 2011 wurde bei Datev in Nürnberg ein neues Entwicklungsprojekt ins Leben gerufen. Im Rahmen der unternehmensweiten Bestrebungen zur Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen stand die Entwicklung einer automatisierten Schriftgutbearbeitung für „Datev pro“ auf dem Plan – der Posteingangsassistent. Ein Mitarbeiter der ersten Stunde ist Marco Nürnberger, der als Absolvent direkt von der Hochschule in das Projekt eingestiegen ist.
Die Rahmenbedingungen für einen spannenden Karriereeinstieg konnten besser nicht sein: Das neu gegründete Team hatte – im Rahmen der unternehmensweit gültigen Entwicklungsstandards – freie Hand, sich zu organisieren und die Entwicklungsprozesse zu gestalten. Nachdem einige Teammitglieder eine Fortbildung über agile Softwareentwicklung besucht hatten, fiel die Entscheidung für Scrum. Dies ist ein Vorgehensmodell in der Entwicklung, das auf drei Prinzipien beruht: Die Methodik soll Transparenz schaffen, regelmäßig überprüfbare Funktionalität liefern und eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gewährleisten.
Die Initiative wurde von den Führungskräften wohlwollend unterstützt, auch mit Blick auf die positiven Erfahrungen aus anderen Teams. Es folgten einige Wochen mit vielen Diskussionen, teilweise auch schmerzhafter Natur. Hintergrund war die Adaption der Scrum-Methodik an die eigenen Bedürfnisse. Ein markantes Beispiel einer solchen Diskussion war die durch Scrum vorgegebene Fokussierung auf die Anwendersicht. „Scrum denkt den Entwicklungsprozess in sogenannten ‚User Stories‘“, erläutert Nürnberger. „Wichtig ist nur, was die Anwender brauchen und wollen. Dabei ist die Gefahr groß, dass wesentliche Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die hohen Sicherheitsanforderungen unseres Hauses, aus dem Blick geraten.“ Dementsprechend hat das Team schließlich bewusst die Vorgaben der reinen Lehre von Scrum durchbrochen. Neben dem Anwender sind nun auch andere Perspektiven, insbesondere aus Entwicklersicht, für User Stories zugelassen. Notwendige Entscheidungen über Architektur, Qualitätssicherung und Einbindung in die übergeordnete Anwendungsumgebung konnten so effektiver getroffen werden.
Sehr gut kam dagegen die Erfahrung an, dass sich mit Scrum sehr schnell ein sicheres Gefühl für den Entwicklungsfortschritt einstellt. Durch die dreiwöchigen Entwicklungszyklen – Sprints genannt – kann das Team regelmäßig Zwischenbilanz ziehen, den Status quo prüfen und gegebenenfalls kurzfristig auf neue Anforderungen reagieren. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Retrospektive: Zum Ende eines Sprints kommt das Team immer zusammen, um den letzten Sprint zu analysieren. In erster Linie geht es dabei um Qualität und Verbesserungsmöglichkeiten der Arbeit und Prozesse.
Der Termin wird vom „Scrum-Master“ vorbereitet und moderiert – für Nürnberger war es eine Überraschung, dass gerade er als Berufsneuling diese Rolle übernehmen sollte. „Das war natürlich schon eine besondere Ehre, dass die Kollegen mir das zugetraut haben – und am Anfang auch eine echte Herausforderung“, erinnert er sich zurück. „Bis dahin hatte ich kaum ein Meeting leiten müssen. Aber es hat mir viel Spaß gemacht, mich da reinzuknien und verschiedene Moderationsmethoden auszuprobieren.“ Allerdings warnt er davor, des Guten zu viel zu tun: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Einsatz von Kreativitätstechniken sorgfältig ausgewählt werden muss. Wenn man dem Team zu viele neue Methoden zumutet, gerät schnell das eigentliche Anliegen des Termins aus den Augen.“ Dennoch zeigt er sich überzeugt, dass es sehr sinnvoll ist, das von der Scrum-Community etablierte Muster hin und wieder zu durchbrechen. „Es geht ja nicht darum, die reine Lehre zu befolgen, sondern zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen.“
Für Nürnberger liegen die Vorteile von Scrum nicht nur in der höheren Reaktionsgeschwindigkeit und größeren Transparenz im Entwicklungsprozess. Vor allem bietet es den einzelnen Teammitgliedern viel Gestaltungsspielraum. „Ich bin als Scrum-Master natürlich direkt in die Organisation der Scrum-Prozesse involviert. Aber auch die anderen Teammitglieder können sich vielfältig einbringen.“ Die Verantwortung als Scrum-Master war für Nürnberger ein perfekter Einstieg ins Berufsleben: „Auch wenn es auf den ersten Blick überraschen mag: Ich habe meine mangelnde Berufserfahrung eher als positives Element erlebt. Für mich gab es keine Scheren im Kopf.“
Scrum
Scrum ist eine Vorgehensweise für Teams, die gemeinsam an komplexen Produkten arbeiten. Im Mittelpunkt steht dabei die Anwendersicht. Um für die späteren Nutzer eine bestmögliche Lösung zu entwickeln, wird in kleinen Schritten vorgegangen, das Projekt beziehungsweise das Produkt wird zerlegt. So kann nach jedem Schritt das Geschaffene diskutiert und unter Umständen mit Veränderungen reagiert werden.
Scrum hat zwar einige Regeln für die Vorgehensweise und für die jeweiligen Projektakteure Aufgaben definiert, allerdings lässt die Struktur ausreichend Raum für innovative und kreative Ideen. Es heißt: Scrum nutzt die angeborenen Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen, um große Dinge gemeinsam zu tun.
In der Medizin wird seit Jahrzehnten an Therapiemethoden zur Bekämpfung von Krebs geforscht. Für einen führenden Medizingerätehersteller hat Brunel ein spezielles Embedded System entwickelt, das Medizinern neue Möglichkeiten bei der Behandlung bietet. Von Robert Uhde, für Brunel
Ziel jeder Strahlentherapie ist es, mit energiereicher Strahlung die Tumorzellen im Körper zu zerstören. Doch obwohl dabei versucht wird, ausschließlich den Krebs zu treffen, ist es letztlich nicht vermeidbar, dass auch gesundes Gewebe oder Organe angegriffen werden. Die Protonentherapie ist dazu eine Alternative, da sie diese Bereiche ausspart und Tumore gezielter mit positiv geladenen Wasserstoffkernen behandelt. Dadurch lassen sich Nebenwirkungen reduzieren.
Für einen führenden Hersteller medizinischer Geräte und Software für die Strahlentherapie hat Brunel Communications, ein Entwicklungszentrum für Embedded Systems mit Sitz am Standort Hildesheim, ein Auswertungssystem zur Erfassung der exakten Position des Protonenstrahls entwickelt: „Mit unserer Messwertverarbeitung werden die vorliegenden Daten unmittelbar vor der Anwendung noch einmal überprüft, um die verschiedenen Parameter über eine zentrale Steuerung gegebenenfalls noch einmal nachjustieren zu können“, beschreibt Francisco Matesanz, Leiter von Brunel Communications, das grundlegende Prinzip des eingebetteten Systems. Für eine optimierte Ausrichtung wird der Protonenstrahl zunächst durch eine Ionisationskammer geleitet, in der zwei um neunzig Grad versetzte Goldfolien angeordnet sind. „Dabei werden kleinste Ströme mit maximal 500 Nanoampere erzeugt, um so die genauen X- und Y-Koordinaten des Protonenstrahls erfassen und anschließend digitalisieren zu können“, erklärt Matesanz. „Zur Filterung der Ströme haben wir eine spezielle Hardware basierend auf einem Xilinx Virtex-6-FPGA entwickelt, in dem eine System-on-Chip-Plattform mit drei eingebetteten Prozessoren implementiert wurde.“ Diese integrierten Schaltkreise, in die logische Schaltungen programmiert werden können, erlauben neben einem geringeren Kosten- und Energieverbrauch vor allem die Miniaturisierung des eingebetteten Systems.
Das anspruchsvolle Projekt wurde 2011 gestartet und ist inzwischen formal abgeschlossen. Zu der eigentlichen Softwareprogrammierung kamen dabei noch weitere Arbeitsschritte: „In enger Absprache mit der Elektronikentwicklung haben wir zunächst den genauen Funktionsumfang der Software definiert und eine entsprechende Architektur entwickelt“, berichtet Matesanz. Erst dann erfolgte die eigentliche Implementierung in der vorgesehenen Programmiersprache. „Parallel dazu haben wir mit der Hardware-Entwicklung sowie der Umsetzung der Schaltungen in ein Layout begonnen. Nach ausführlichen Tests konnte die Software schließlich in die Elektronik integriert und beides im Zusammenspiel unter realitätsnahen Situationen ausführlich getestet werden.“
Eine Aufgabe für Spezialisten
Die Ausgliederung der Entwicklungsarbeit an einen externen Dienstleister bot dem Hersteller den Vorteil, kurzfristig und für eine befristete Zeit auf eine komplette Entwicklungsorganisation inklusive der dazu erforderlichen technischen Infrastruktur zurückgreifen zu können. Seitens Brunel waren dabei rund zwanzig Mitarbeiter beteiligt, darunter Hardware- und Software- Entwickler, Test- und Verifikationsingenieure sowie Projektleiter. Zu den größten Herausforderungen für das Team zählten insbesondere das Messen von sehr kleinen Strömen in einem stark gestörten EMV-(Elektromagnetische Verträglichkeit)Umfeld sowie die Verarbeitung der Datenströme in Echtzeit. „Darüber hinaus mussten die verschiedenen digitalen Funktionen in einem komplexen System-on-Chip integriert werden“, erklärt Matesanz. Ein weiterer Baustein war die ausführliche Dokumentation sämtlicher Entwicklungsschritte. „Damit ist sichergestellt, dass die Maßnahmen jederzeit nachvollziehbar sind und unser Auswertesystem den hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen zur Entwicklung von medizinischen Produkten genügt.“
Um die verschiedenen Aufgaben zu bewältigen, sollten die Mitarbeiter neben konzeptionellem Denken insbesondere ein hohes Bewusstsein für sicherheitsrelevante Projekte sowie die Fähigkeit zum prozessgeführten Arbeiten mitbringen. Zudem war ein umfangreiches Know-how bei der Entwicklung von hochkomplexen Designs der Hardwarebeschreibungssprache VHDL und bei echtzeitfähigen Software- Applikationen sowie beim Design von aufwendigen analogen Schaltungen und bei der normenbasierten Dokumentenerstellung gefordert. Nicht zu vergessen die Teamfähigkeit: „Bei einer Projektgröße von 20 Mitarbeitern sind regelmäßige Projektmeetings und gemeinsame Besprechungen der weiteren Entwicklungsschritte an der Tagesordnung“, erklärt Matesanz.
Um das Projekt erfolgreich umsetzen zu können, achtete Brunel darauf, dass die Teams sowohl mit erfahrenen Mitarbeitern als auch mit hochmotivierten Hochschulabsolventen besetzt waren. Die Absolventen sollten dabei ähnliche Voraussetzungen wie die langjährigen Mitarbeiter mitbringen und gute technische Kenntnisse in den geforderten Fachrichtungen haben. Matesanz fügt aber auch an: „Fehlende Berufserfahrung kann bei uns in vielen Fällen durch Fachpraktika oder andere Qualifikationen ersetzt werden.“ Das Endprodukt hat bereits das Marketing- Approval. Die Zulassung der behördlichen Lebensmittelüberwachung und der Arzneimittelzulassungsbehörde der USA zur Betreibung der Anlage wird noch für dieses Jahr erwartet.
Filmtipp
Medizininformatiker und Biochemiker Thomas Kühne ist Experte für Informationstechnologie in der Medizin. Er erklärt, was er sich unter der Medizin der Zukunft vorstellt!
Seit 1999 untersucht die IG Metall die Gehaltsentwicklung in 16 typischen Jobfamilien der ITK-(Informatik und Telekommunikations-)Branche mit insgesamt 74 Jobs. In diesem Jahr stellte die Gewerkschaft ihre Ergebnisse auf der IT-Messe CeBIT in Hannover vor. Die Zahlen weisen zum Teil starke Unterschiede zwischen den einzelnen Jobfamilien auf. Von Christoph Berger
Die Zeichen stehen auf Wachstum. Das ist ein Ergebnis der 15. Entgeltanalyse „Verdienstmöglichkeiten in der ITKBranche“ der IG Metall. Die Gewerkschaft hat dazu Daten aus 146 Betrieben der Informationstechnologie- und Telekommunikationsbranche mit insgesamt über 170.000 Beschäftigten zusammengetragen. Knapp 32.000 Nennungen von effektiven Jahresbruttogehältern hat sie dabei erhalten.
Insgesamt weist die Branche ein Wachstum von 2,8 Prozent aus. Das spiegelt sich zum Teil auch in den Gehältern wider. Die Entgelterhöhungen über alle Stufen hinweg legten um zwei Prozent zu – sie liegen im Vergleich zu anderen Branchen sowieso schon auf einem hohen Niveau. Auch die Zahl der ITK-Beschäftigten stieg an: Etwa 886.300 Menschen arbeiten in der Branche. Die Umfrage zeigt zudem, dass der Bedarf an IT-Fachkräften deutlich gestiegen ist. Diese Entwicklung wird sich laut der IG Metall auch in diesem Jahr fortsetzen. Es wird ein Umsatzplus von 1,6 Prozent auf 154,3 Milliarden Euro erwartet.
Die höchsten Einkommenszuwächse hatten Mitarbeiter in Callcentern sowie kaufmännische Angestellte. Mitarbeiter in Vertrieb und Verwaltung profitierten ebenfalls von einem Anstieg. Ihr Plus ist größer als das von Beratern, Softwareentwicklern und Projektmanagern. Allerdings starten die einzelnen Berufe von ganz unterschiedlichen Niveaus: Während Junior-Berater mit durchschnittlich 42.614 Euro vergütet werden, Junior-Entwickler im Hardware-Bereich 43.521 Euro erhalten und Projekt- Manager auf der ersten Stufe 49.528 Euro bekommen, haben Junior-Kundenbetreuer von Callcentern nur 34.132 Euro auf ihrem jährlichen Gehaltszettel stehen. Mit einem höheren Einkommen steigen nur noch Trainingsfachkräfte ein. Sie verdienen im Mittelwert 49.960 Euro. Junior-Marketing-Spezialisten liegen mit 47.969 Euro an dritter Position der Rangliste.
Wer sich langfristig ein hohes Gehalt wünscht, sollte im Vertrieb ein- und aufsteigen. Vertriebsleiter verdienen durchschnittlich 111.725 Euro im Jahr und führen die Liste an. An zweiter Stelle folgen Leiter in der Beratung mit 98.801 Euro, Marketingleiter haben 97.701 Euro zur Verfügung, Leiter von Rechenzentren 96.369 Euro, Leiter im Bereich Software- Engineering 95.836 Euro und deren Kollegen im Hardwarebereich immerhin noch 95.766 Euro. Langfristig gesehen schneiden am schlechtesten Senior- Kundenbetreuer ab: Sie verdienen 63.472 Euro im Jahr. Basis aller Daten ist eine 35-Stunden-Woche.
Ein Kollege von der Universität hatte einige Zeit vor mir bei Google begonnen und erzählte mir von den spannenden und interessanten Projekten des Unternehmens. Schließlich fragte ich ihn, ob er mich intern empfehlen könne, und er willigte ein. Ich erhielt eine Mail, in der mir mitgeteilt wurde, dass jemand denkt, ich würde gut in das Unternehmen passen. Und kurze Zeit später rief mich schon eine Recruiterin an. Von Thomas Jörg
ProfildatenName: Thomas Jörg
Geburtsjahr: 1980
Hochschulabschluss als: Diplom-Informatiker mit anschließender Promotion
Warum Google? wegen der Qualität der Produkte
Bewerbung als: New Grad Software Engineer
Bewerbungsweg: Empfehlung
Wann war das Vorstellungsgespräch: Im Februar 2012
Wann war Arbeitsbeginn: Im April 2012
Sie informierte mich über den Bewerbungsprozess, erzählte mir einiges zu Google als Arbeitgeber und gab mir Tipps zu den später folgenden Interviews. Sie sagte mir, dass ich die Gespräche ausschließlich mit Engineers führen werde und der Anteil technischer Fragen daher sehr hoch sei. Also beschäftigte ich mich zur Vorbereitung noch einmal intensiv mit Algorithmen und Datenstrukturen und übte das Präsentieren kleiner Programme am Whiteboard.
So kam es dann zum ersten Telefoninterview. Dabei hatte ich über ein geteiltes Google-Drive-Dokument eine kleine Aufgabe zu lösen. Bei Google konnte man während der Lösungszeit sehen, was ich in das Dokument tippte, wie ich also bei der Problemlösung vorging. Außerdem ging es bei den Fragen um meine Erfahrungen mit Bugs, also mit Programmierfehlern, und inwieweit ich mich damit schon beschäftigt habe.
Auf das Telefoninterview folgte ein gut organisierter Interviewtag im Münchener Büro des Unternehmens, an dem ich fünf intensive Gespräche zu führen hatte. Dabei musste ich unter anderem das Systemdesign eines größeren Systems skizzieren und in Coding-Interviews detaillierte Probleme lösen. Meine Vorbereitung zahlte sich aus. Natürlich war ich zu Beginn des Tages ein wenig aufgeregt, aber ich hatte in sämtlichen Gesprächen keinen Hänger, konnte die meisten Fragen schnell beantworten und hatte so am Abend ein gutes Gefühl. Die von anderen Unternehmen gern gestellten Stärke-Schwäche-Fragen blieben mir erspart. Insgesamt gefiel mir, dass ich den gesamten Tag über nie alleine gelassen wurde – selbst in der Mittagszeit wurde ich zum Essen mitgenommen und fühlte mich daher gut aufgehoben und betreut. Ein direktes Feedback bekommt man an diesem Tag noch nicht. Das folgte nach etwa einer Woche in schriftlicher Form. Daraus erfuhr ich dann, dass tatsächlich alles gut gelaufen war, und in einem weiteren Telefonat erhielt ich ein Jobangebot. Da Google mein Favorit unter den laufenden Bewerbungen und das Angebot sehr gut war, sagte ich schnell zu. Interessant finde ich, dass jede Einstellung von unterschiedlichen Komitees abgesegnet wird. Selbst Larry Page, der CEO des Unternehmens, wird darüber informiert.
Der Job ist perfekt, denn ich lerne sehr viele unterschiedliche Projekte kennen. Zu Beginn arbeitete ich an einer internen Anwendung zur Steuerung von Produkt-Launches. Anfang des Jahres habe ich das Team gewechselt und arbeite nun an einer internen Suchmaschine.
Marleen Thüringer hat sich in ihrem Medizintechnikstudium auf IT-Technik und Softwareentwicklung spezialisiert. Doch erste praktische Erfahrungen im Gesundheitswesen ließen sie an der Branche zweifeln. Sie orientierte sich neu. Heute arbeitet sie für das Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen Capgemini und entwickelt Lösungen für die Automobilindustrie. Aufgezeichnet von Christoph Berger
Es war vor allem der Kundenkontakt, der mir bei einem Job als Werkstudentin für ein Klinikum fehlte. Und ich wollte nach München. Als leidenschaftliche Surferin hatte ich in der bayerischen Landeshauptstadt den Eisbach kennengelernt – dort wollte ich mehr Zeit verbringen. Mit meinem Job bei Capgemini kann ich nun beides miteinander verbinden. Im Oktober letzten Jahres startete ich in dem Unternehmen direkt im Bereich Automotive. In meinem ersten Projekt ging es um ein Anzeigesystem für Managementkennzahlen für ein Automobilunternehmen: Ziel war es, dass die Verantwortlichen die Effizienz in der Produktion nicht mehr mühsam in Excel auszurechnen brauchten, sondern diese schnell und übersichtlich auf einen Blick verfügbar hatten. In persönlichen Meetings fragten wir bei unserem Kunden die genauen Bedarfe an ein solches System ab. Aus den dabei gewonnen Informationen machten wir dann erste konkrete Vorschläge für die Umsetzung. Eine besondere Herausforderung lag dabei darin, Schnittstellen zu Randsystemen zu programmieren.
Im nächsten Projekt drehte es sich um eine Java-Anwendung, eine sehr komplexe Computing-Verrechnungslogik. Mein Faible für Knobeleien half mir hierbei unter anderem, das Problem zu lösen. Ich wühle mich gerne durch Programmiercodes und liebe es, Probleme auf kreative Art zu lösen. Zudem kommen in der Informationstechnik ständig neue Tools und Techniken hinzu, um Anwendungen schneller zu machen – da muss man ständig sein Wissen auf den neuesten Stand bringen.
Dabei wird unser gesamtes Team von unserem Arbeitgeber unterstützt. Direkt mit dem Einstieg bekam ich sowohl fachliche Schulungen als auch Weiterbildungen in Soft Skills. Ein Thema war beispielsweise, wie ich am besten den Kundenkontakt halte. Zudem bekam ich einen Paten zur Seite gestellt, der mich bei den ersten Schritten im Arbeitsalltag unterstützte. Ein weiterer Mentor hilft mir bei meiner persönlichen Weiterentwicklung, bei der Planung meiner Karriere und den jeweils nächsten dafür notwendigen und möglichen Schritten.
Genauso habe ich mir meinen Berufseinstieg vorgestellt – auch wenn ich zugeben muss, dass es als junge Frau in der Automobilbranche nicht immer ganz einfach ist. Ich hatte schon den Eindruck, dass ich bei Kundenmeetings etwas mehr auf die Probe gestellt wurde als meine männlichen Kollegen. Doch bisher konnte ich mit Fachwissen und etwas Schlagfertigkeit die Zweifel, oder manchmal auch Vorurteile, schnell ausräumen.
Produkte/Dienstleistungen
Bei DEKRA stehen Zukunftsthemen in allen Arbeitsbereichen im Mittelpunkt: von der Fahrzeugprüfung bis zur Cybersicherheit, von der Produktprüfung bis zu sauberen Energien oder vom automatisierten Fahren bis zur künstlichen Intelligenz.
Wir stellen uns frühzeitig auf neue technische Entwicklungen ein und sorgen branchenübergreifend in 60 Ländern mit rund 48.000 Mitarbeitenden für Sicherheit. Wollen auch Sie unsere Zukunft sicherer und nachhaltiger machen?
Frauen an die Spitze! – Mehr Ingenieurinnen in Führungspositionen gesucht
Frauenpower. Noch sind Ingenieurinnen in den Führungsetagen technischer Unternehmen die Ausnahme: Lediglich gut elf Prozent aller Ingenieure mit Führungs- und Aufsichtsfunktion sind weiblich. Doch alle sind sich einig: Das muss sich ändern. Nicht nur, um die Lücke an Fachkräften zu schließen. Sondern auch, damit die Unternehmen von den Qualitäten der top-qualifizierten Frauen profitieren.
Ing., weiblich, jung, sucht Weg nach oben
Zwei Geschichten von Aufsteigerinnen in technischen Berufen.
„Viele Mädchen kommen nicht auf die Idee“
Interview mit Dr. Liane Koker, Bertha- Benz-Preisträgerin.
„Relativieren Sie Ihre Leistung nicht“
Interview mit Gabriele Rauße, Geschäftsführerin des TÜV Rheinland Cert.
Produkte/Dienstleistungen
Automation: Zylinder, Ventile und Ventilinseln, elektrische und pneumatische Antriebe, Greifer, Handling-Systeme, Motoren, Controller
Didactic: E-Learnings, Teachware, Beratung, Trainings, Lernsysteme und -fabriken
Anzahl der Standorte
2 Inlandsstandorte: Unternehmenszentrale in Esslingen bei Stuttgart mit Forschung- und Entwicklung sowie Produktion
Produktions- und Logistikstandort in St. Ingbert im Saarland
61 eigenständige Landesgesellschaften
Jahresumsatz
2,24 Mrd. Euro im Jahr 2012
Anzahl der MitarbeiterInnen
Inland: rund 7700
Weltweit: ca. 16.200
Bedarf an HochschulabsolventInnen
Bedarfsorientiert in allen Unternehmensbereichen (Schwerpunkt: technische Studiengänge)
Produkte/Dienstleistungen
Die Daimler AG ist eines der erfolgreichsten Automobilunternehmen der Welt. Mit den Geschäftsfeldern Mercedes-Benz Cars, Daimler Trucks, Mercedes-Benz Vans, Daimler Buses und Daimler Financial Services gehört der Fahrzeughersteller zu den größten Anbietern von Premium-Pkw und ist der größte weltweit aufgestellte Nutzfahrzeug-Hersteller.
Anzahl der Standorte
Konzernzentrale in Stuttgart, Deutschland.
Standorte und Geschäftsbereiche weltweit.
Jahresumsatz
114,3 Mrd. Euro im Jahr 2012
Anzahl der MitarbeiterInnen
275.100 weltweit, rund 166.400 in Deutschland (31.12.2012)
Bedarf an HochschulabsolventInnen
Im Jahr 2013 planen wir allein für unser konzernweites Traineeprogramm CAReer erneut die Einstellung von mehreren Hundert qualifizierten Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie Berufseinsteigern
Rein bildlich vorgestellt liegt der Vergleich nahe, dass das Verkehrswegenetz sich nicht allzu sehr von Computernetzen unterscheidet: Straßen sind wie Kabel und Autos sind wie Daten, die von Ort zu Ort fließen. Organisiert wird der Verkehr in beiden Welten nach festen Regeln. Doch handelt es sich überhaupt noch um unterschiedliche, voneinander getrennte Welten? Von Christoph Berger
Das Auto fährt. Und demnächst auch ohne einen Menschen am Steuer – wie es in Science-Fiction-Filmen schon häufiger zu sehen war. Im August sickerten Gerüchte durch, dass ein großer amerikanischer Internet- und Technologiekonzern an einem „Robo-Taxi“ für Großstädte tüftelt: ein selbstfahrendes Auto, das autonom Fahrgäste einsammelt und zu ihrem Ziel bringt. Auch in Deutschland gibt es Forschungen in diesem Bereich: Die FU Berlin stellte 2012 ein selbstfahrendes Auto vor, das unter anderem Ampelschaltungen erkennt. Die Forscher des Berliner Innovationslabors AutoNOMOS schreiben: „Das ‚Gehirn‘ des fahrenden Roboters ist eine Software, die die Daten der Sensoren auswertet, Regeln beachtet und Entscheidungen für die Navigation und das Verhalten des Fahrzeugs trifft.“
„IT wird produktrelevant“, sagt Dr. Juergen Reiner. Der studierte Informatiker ist Partner des globalen Automotive- Bereichs sowie der Information Technology & Operations Practice des Beratungsunternehmens Oliver Wyman. Für die Logistik, Entwicklung und Produktion ist IT schon lange wichtig. Doch jetzt ist sie Teil des Produkts. Oder anders formuliert: Das Auto wird zum Endgerät und zu einem Teil des Internets. Diese Entwicklung hat nicht nur Folgen für das Auto selbst. Rund um seine Nutzung entstehen zahlreiche neue Geschäftsmodelle: zum Beispiel im Bereich des Flottenmanagements oder bei Versicherungen. Auch diese Geschäftsfelder sind wiederum eng mit der IT verbunden.
Wie die Symbiose von Auto und Software vorangeschritten ist, zeigt das Beispiel Audi. „Wir bieten im neuen Audi A3 schon heute 18 Online-Dienste an – damit ist das Fahrzeug Teil des digitalen Lebens unserer Kunden“, sagt Mattias Ulbrich, Leiter IT und Organisation (CIO) der Ingolstädter Aktiengesellschaft. Das Unternehmen strebt die umfassende Vernetzung des Autos mit dem Fahrer, dem Internet, der Infrastruktur und anderen Fahrzeugen auf der Straße an. „Außerdem könnte ohne IT bei uns kein einziges Fahrzeug vom Band laufen, sie steckt in so gut wie jedem Prozess“, sagt der IT-Leiter. In Fertigung und Logistik beispielsweise wachsen mit der Modellvielfalt auch die Teilevarianz und damit die Komplexität in den Prozessen. Um diese zu beherrschen, müssen die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter optimal unterstützt werden. „Auch die IT-Systemlandschaft verändert sich: weg von vielen Einzellösungen hin zu integrierten Lösungen, bei denen die Prozesse durchgängig mit möglichst wenigen Schnittstellen laufen. Die Maßgabe lautet ‚IT folgt Prozess‘“, sagt Ulbrich.
Übergreifendes Verständnis
Bei der Entwicklung der Digitalisierung ist kein Ende abzusehen. Juergen Reiner sagt: „Alle Services rund um das Auto haben einen kurzen Lebenszyklus.“ Immer wieder müssen die Lösungen den neuen technischen Entwicklungen angepasst werden. Dafür werden nicht nur Entwickler gebraucht, sondern auch Experten mit Beurteilungskompetenz. Sie sollten technische Innovationen einschätzen und deren möglichen Einfluss auf das Auto beurteilen können. „Das gilt gleichermaßen für Experten bei den Automobilherstellern und bei den Zulieferunternehmen“, sagt Reiner. Funktionalität ist die Prämisse.
Bei Audi steht an erster Stelle die Persönlichkeit der einzelnen Bewerber. „Wir prüfen, wer zu uns passt und umgekehrt“, sagt Mattias Ulbrich. Bewerber sollten einen guten Hochschulabschluss vorweisen und erste Erfahrungen im Projektmanagement sowie Kenntnisse der IT-Architektur, IT-Sicherheit und der gängigen ITStandrads mitbringen. Ausgehend von der jeweiligen Aufgabenstellung brauchen sie außerdem Kenntnisse der SAP-Standardsystemsoftware, im Systemdesign oder technische beziehungsweise fachliche Prozesskenntnisse. „Neben den fachlichen Fähigkeiten sollten sie zudem über ausgeprägte Kommunikations- und Teamfähigkeiten verfügen“, so Ulbrich. Wer diese Fertigkeiten hat, kann schnell Verantwortung übernehmen.
So stellt sich schließlich die Frage: Handelt es sich bei den Autos der Zukunft noch um Autos oder schon um Roboter, wie das „Robo-Taxi“? Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) heißt es: „Durch den Einbau von Sensoren und Kameras hat das Auto inzwischen fühlen und sehen gelernt. Diese Intelligenz ist die Voraussetzung für die Vernetzung der Fahrzeuge. Das Auto empfängt in Zukunft nicht nur Daten aus verschiedenen Kanälen, sondern tauscht die eigenen mit der gesamten Umwelt aus.“ Das kommt der Roboter- Definition des Duden schon ziemlich nahe: Nach der ist ein Roboter sowohl eine Apparatur, die bestimmte Funktionen eines Menschen ausführen kann, als auch ein Automat, der ferngesteuert oder nach Sensorsignalen beziehungsweise einprogrammierten Befehlsfolgen anstelle eines Menschen bestimmte mechanische Tätigkeiten verrichtet. Bestimmt lässt sich über die Vereinigung der beiden Begriffe streiten – klar ist aber: Heutige Informatik- Absolventen werden die Entwicklung maßgeblich mit beeinflussen.
Redaktionstipp
Der VDA hat im August 2012 eine Informationsbroschüre mit dem Titel „Vernetzung. Die digitale Revolution im Automobil“ herausgegeben. Darin werden unter anderem die Themen Mobilität, Vernetzung, Sicherheit, Infotainment und Komfort behandelt. Die Broschüre steht auf www.vernetzung-vda.de zum freien Download zur Verfügung.