Zukunftssucher: Peter Maffay im Interview

Peter Maffay, Foto: Wolfgang Köhler © Red Rooster Musikproduktion GmbH
Peter Maffay, Foto: Wolfgang Köhler © Red Rooster Musikproduktion GmbH

Jeder kennt Peter Maffay – aber nicht jeder weiß, wie vielfältig sich der Sänger für eine bessere Zukunft einsetzt. In seinem Buch „Hier und Jetzt“ beschreibt der Rockstar Wege für ein besseres Morgen. Er setzt dabei auf das Engagement jedes Einzelnen, aber auch auf engagierte Unternehmen und Innovatoren. Was er sich von Ingenieuren erhofft, wie Unternehmen Sinn stiften und weshalb er Gestressten einen Besuch auf seinem bayerischen Biohof empfiehlt, erzählt er im Gespräch mit dem karriereführer. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Peter Maffay, geboren 1949 im rumänischen Brașov, wanderte 1963 mit seinen Eltern in ein Dorf nach Oberbayern aus. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre als Chemigraf, schon bald aber fokussierte er sich auf die Musik. Heute ist Maffay einer der erfolgreichsten Musiker Deutschlands mit 18 Nummer-eins-Alben. Neben seinen Rockalben erschuf Maffay „Tabaluga“, eine Reihe von Märchen, Musicals und Songs für Kinder. Seine MTV-Unplugged- Tour 2018 war mit über 180.000 Tickets ausverkauft. 2019 feierte Peter Maffay nicht nur sein 50-jähriges Bühnenjubiläum, sondern auch seinen 70. Geburtstag. 2018 wurde er noch einmal Vater, er lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in Tutzing am Starnberger See und betreibt ganz in der Nähe den Biohof Gut Dietlhofen.

Herr Maffay, wenn Sie sich an Ihre Zeit als Jugendlicher und junger Erwachsener zurückerinnern, was waren damals Ihre Vorstellungen von Zukunft?
Ich bin im kommunistischen Rumänien groß geworden. Die Menschen dort waren mit der Bewältigung des Alltags beschäftigt. Die Fragen lauteten: „Tauscht jemand Eier gegen Brennholz?“ Oder: „Wird es uns gelingen, als Familie von einer Einzimmerwohnung in zwei Zimmer umzuziehen?“ Zukunft hat etwas mit Freiheit zu tun. Das wurde mir klar, als meine Eltern und ich 1963 nach Deutschland ausreisen konnten. Erst hier entwickelte ich nach und nach ein Gefühl dafür, dass es viele Lebensentwürfe und unzählige Möglichkeiten gibt, die Zukunft zu gestalten. Meine Zukunftsträume drehten sich von da an um die Musik.

Wie hat sich Ihre Idee von „Zukunft“ mit den Jahren verändert?
Mit den Lebensjahren wird das Fenster, das wir „Zukunft“ nennen, kleiner. Vor 20 Jahren hat mich so ein Gedanke ans Alter überhaupt nicht gekratzt, heute beschäftigt mich das schon. „Zukunft“ ist aber nicht nur das, was für mein Leben eine Rolle spielt. Ich habe Kinder und deshalb allen Grund, mir über die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Planeten Gedanken zu machen. Wir verzeichnen eine desaströse ökologische Entwicklung, und wir erleben die Ohnmacht der politischen Entscheidungsträger, eine globale Lösung zu finden. Trotzdem dürfen wir den Kopf nicht in den Sand stecken. Resignation ist keine Option!

Es braucht viele Impulse und eine gesamtgesellschaftliche Übernahme von Verantwortung, damit wir die notwendigen Veränderungen in die Wege leiten.

Sie schreiben in Ihrem Buch: „Wir brauchen neue Ideen und Lösungen.“ Was erhoffen Sie sich hier von Ingenieuren und Technikern? Was können diese Experten für eine bessere Zukunft leisten?
Es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass erst ein gewisser Druck eine neue Dynamik in Gang setzt. Hätten wir endlose Ölreserven auf der Welt und würde das Verbrennen von Öl nicht der Atmosphäre schaden, hätte sich niemand mit Techniken wie Windkraftanlagen, Wärmepumpen und Photovoltaik beschäftigt. Erst seitdem publik gemacht wurde, dass Kreuzfahrtschiffe Unmengen an CO2 in die Luft blasen, arbeiten Reedereien und Kreuzfahrtindustrie mit Hochdruck an sauberen Alternativen wie dem Wasserstoffantrieb. Ein altes Sprichwort sagt: „Not macht erfinderisch.“ Wenn man uns vor 20 oder 30 Jahren gesagt hätte, dass Autos in nicht allzu ferner Zukunft selbstständig einparken würden, hätten wir das nicht für möglich gehalten. Was ich damit sagen will: Wir können uns vieles nicht vorstellen, was eines Tages Wirklichkeit ist. Ich habe daher Vertrauen in die Forschung und in Visionäre. Diese hat es zu allen Zeiten gegeben – und es wird sie auch in Zukunft geben. Das heißt aber nicht, dass wir uns als Gesellschaft zurücklehnen und ausruhen können. Es braucht viele Impulse und eine gesamtgesellschaftliche Übernahme von Verantwortung, damit wir die notwendigen Veränderungen in die Wege leiten.

Haben Sie also die Befürchtung, dass sich die Gesellschaft zu sehr auf der Technik ausruht, in dem Glauben, dass es eines Tages schon die Innovationen geben wird, die zum Beispiel den Klimawandel abbremsen – Stichwort Climate Engineering?
Nein, das glaube ich nicht. Wichtig sind in meinen Augen Information und Öffentlichkeitsarbeit. Wenn man sieht, wie schnell wir uns daran gewöhnt haben, den Müll zu trennen und eine Einkaufstasche aus Stoff statt einer Plastiktüte zu benutzen, wie wichtig immer mehr Menschen gesunde Lebensmittel sind und wie viele Menschen dazu übergehen, regionale Produkte zu kaufen statt solcher, die um die halbe Welt gereist sind, dann kann man nicht sagen, dass die Leute die Verantwortung auf die Forscher abwälzen.

Es gibt Ingenieure, die heute kaum noch technisch arbeiten, sondern als Manager unterwegs sind, Deals abschließen, in Meetings sitzen. Angenommen, eine Gruppe solcher Manager würde Sie für einen Tag auf Ihrem Biohof Gut Dietlhofen besuchen: Wie würde es Ihnen gelingen, diese Leute wieder „zu erden“?
Das ist weder mein Job noch mein Anspruch, denn ich kenne dieses Problem ja bei mir selbst. Ich bin mit Leib und Seele Musiker – und sitze doch oft tagelang in Besprechungen oder studiere Verträge und Kalkulationen.

Was tut Ihnen danach gut?
Tatsächlich ein paar Stunden auf dem Land. Falls es unter den Leserinnen und Lesern also eine Gruppe gibt, die diese Erfahrung ebenfalls machen möchte: Wir freuen uns über Besucher und Gäste! (lacht)

Songs zu schreiben, sie live zu spielen und Menschen damit glücklich zu machen, ist ein sinnvolles Tun. Auch in Unternehmen wird heute viel von Sinnerfüllung geredet. Glauben Sie daran, dass es diese Unternehmen ernst damit meinen?
Ja, daran habe ich keinen Zweifel, denn die Unternehmen haben kaum eine andere Wahl. Die Parameter haben sich verändert. In den Nachkriegsjahren war die wirtschaftliche Not so groß, dass es ums pure Überleben ging. Für Sinnerfüllung und Selbstverwirklichung war damals kaum Platz. Das ist heute anders. Wer heute gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden möchte, der muss mehr anbieten als nur ein gutes Gehalt.

Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen die Welt verbessern können und es auch tun.

Sind Unternehmen generell in der Lage, die Welt zu verbessern? Oder steht der Kapitalismus mit seinem Gewinnstreben diesem Anspruch entgegen?
Aus meiner Sicht ist das ist kein Widerspruch. Ohne eine prosperierende Wirtschaft und die daraus resultierenden Steuereinnahmen wäre vieles in unserem Sozialsystem nicht denkbar. Viele Unternehmen leisten aber noch weit darüber hinaus freiwillige Beiträge. Unsere Stiftung, die kranken, benachteiligten und traumatisierten Kindern Ferienaufenthalte in intakter Umgebung ermöglicht, profitiert enorm davon. Ohne die großzügige Unterstützung durch einer Reihe von Unternehmen wäre unsere Arbeit nicht möglich. Und ja, ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen die Welt verbessern können und es auch tun.

Haben Sie die dafür ein Beispiel?
Mein Freund Hans Georg Näder produziert mit seinem Unternehmen Ottobock Prothesen und medizinische Geräte. Obwohl er damit im Hightech-Segment unterwegs ist, stellt er nach wie vor auch ganz einfache Krücken her. Damit verdient er nicht viel. Warum macht er es trotzdem? Weil die Menschen in den ärmeren Ländern solche Krücken brauchen, denn sie haben kein Geld und keinen Zugang zu Hightech-Prothesen. Noch ein Beispiel: Ein Metzger in Baden-Württemberg kam auf die segensreiche Idee, Herzklappen von besonders gesunden, artgerecht gehaltenen Milchferkeln so aufbereiten zu lassen, dass sie herzkranken Kindern transplantiert werden können. Für kleine Patienten ist es nämlich ganz besonders schwer, ein passendes Spenderherz zu finden. An jedem Tag werden – und diese Zahl muss man sich mal vor Augen halten – 1500 Herzklappen aus dem inzwischen sehr groß gewordenen Metzgerbetrieb Beck in die ganze Welt geschickt. Ich weiß nicht, ob man dem Chef Horst Beck schon das Bundesverdienstkreuz verliehen hat. Wenn nicht, dann würde ich das gerne anregen.

Auf den Punkt gebracht: Was macht für Sie ein sinnvolles und erfülltes Leben aus?
Ein Beruf, der Freude macht, der Bezug zur Natur und der Glaube – also die Beziehung zu einer Instanz, die größer ist als wir. Ziele und Herausforderungen, denen wir uns mit Leidenschaft widmen, Freundschaften und Menschen, die wir lieben. Das sind wichtige Faktoren für ein sinnvolles und erfülltes Leben.

Zum Abschluss ein Ratschlag an unsere Leserinnen und Leser: Wie kann es gelingen, trotz Job, trotz Karriere und Dauerstress dieses sinnvolle und erfüllte Leben zu erreichen?
Ich würde mal sagen, das ist ein Lernprozess, der auch bei mir noch nicht abgeschlossen ist. Der Weg ist das Ziel.

Buchtipp: „Hier und Jetzt. Bild von einer besseren Zukunft“

Cover hier und jetztAusgehend von seiner Arbeit und seiner Erfahrung auf dem Biohof Gut Dietlhofen hat Peter Maffay ein Buch geschrieben, in dem er abseits von musikalischen Themen über seine Visionen für ein besseres Morgen berichtet. Verbunden mit persönlichen Einblicken in sein Leben erzählt Maffay, wie er auf dem Gut nachhaltige Landwirtschaft betreibt und wie ein neues Verständnis von Natur und Schöpfung den Menschen Sinn und Orientierung geben kann. Dabei verzichtet Maffay auf missionarischen Eifer und beschreibt stattdessen, was ihm guttut – und was uns allen mit Blick auf gesellschaftliche und globale Entwicklungen guttun würde. Peter Maffay: Hier und Jetzt. Mein Bild von einer besseren Zukunft. Lübbe Sachbuch 2020. 20 Euro (Amazon-Werbelink)