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IT und ihre Klima-Doppelrolle

Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie die Digitalisierung können bei der Erreichung der Klimaziele helfen. Fakt ist aber auch, dass der Energieverbrauch der IKT jedes Jahr steigt. Daher besteht Handlungsbedarf. Von Christoph Berger

Im Februar 2020 hatte sich der Energiekonzern Eon in einem Video auf die Suche nach dem grünsten Rechenzentrum der Welt gemacht. Gefunden wurde es im bayerischen Dorf Grotach. Allerdings ist dort keine Rechentechnik angesiedelt, in dem fiktiven Rechenzentrum werden vielmehr Holzrechen hergestellt, ganz natürlich aus Buchenholz und zum Harken von Laub. Mit dem Clip will der Konzern über die Zusammenhänge von Internetnutzung und Klimaschutz informieren. Wie folgenreich dieser Zusammenhang ist, zeigt ein Ergebnis des im 2019 vom Think- Tank The Shift Project veröffentlichten Reports „Lean ICT: Towards digital sobriety“. Für diesen wurden die Auswirkungen der IKT auf die Umwelt untersucht. So nimmt der direkte Energie-Fußabdruck, der den Energieaufwand für die Produktion und Nutzung von IKT-Ausrüstung (Server, Netzwerke, Terminals) beschreibt, jährlich um neun Prozent zu. Die Informations- und Kommunikationstechnologie verursacht weltweit 3,7 Prozent aller Treibhausgasemissionen. Die Krux: Einerseits erscheint Ländern und Unternehmen die Digitalisierung als eine absolute Notwendigkeit – auch, um den Energieverbrauch in vielen Sektoren zu reduzieren. Andererseits werden sowohl die direkten als auch die indirekten Umweltauswirkungen, die sogenannten Rebound-Effekte, im Zusammenhang mit der wachsenden Nutzung von IKT ständig unterschätzt.

Nutzung der Abwärme

Diese beiden Seiten der Digitalisierungsmedaille spiegeln sich auch in den Antworten in einer vom eco – Verband der Internetwirtschaft durchgeführten repräsentativen Umfrage wider. Demnach gehen 56 Prozent der in Deutschland Befragten davon aus, dass digitale Technologien und Anwendungen die Klimabilanz in Zukunft positiv beeinflussen können. Die größten Klimaschutz-Potenziale sehen die Befragten vor allem in den Bereichen Mobilität (32,8 %), Industrie 4.0 (20,5 %) und dem Arbeiten im Home Office (17,3 %). „Mithilfe energieeffizienter und vernetzter Maschinen, Telematik und Mobilitätskonzepten sowie smarten Tools fürs Home Office und Schooling kann die Internetwirtschaft einen entscheidenden Schritt zu mehr Nachhaltigkeit beitragen“, sagt demnach auch Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Verbands.

Dr. Béla Waldhauser, Sprecher der unter dem Dach des eco Verbands gegründeten Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland, ging im Rahmen der Vorstellung der Umfrageergebnisse zudem auf die von Bundesumweltministerin Svenja Schulze vorgestellten Pläne für mehr Energie- und Ressourceneffizienz digitaler Infrastrukturen ein. Er sagte: „Natürlich verbrauchen Rechenzentren Energie, aber man muss eben auch die enormen Einsparpotenziale, die digitale Dienste bieten, miteinbeziehen.“ Vor allem aber müsse jetzt die Energiewende in Deutschland beschleunigt und ein höherer Anteil an regenerativen Quellen verfügbar sein, wenn es tatsächlich das Ziel sei, bis 2030 den flächendeckenden klimaneutralen Betrieb von Rechenzentren in Europa zu ermöglichen. Waldhauser weiter: „Ein schnellerer, politisch gesteuerter Ausstieg aus fossilen Energieträgern in Deutschland wird zu einem wesentlich schnelleren Absinken der CO2-Emissionen der durch Rechenzentren verwendeten Energie führen.“ Schon heute würden deutsche Rechenzentren im internationalen Vergleich zu den energieeffizientesten zählen. Er fügte aber an, dass es gerade in puncto Breitbandausbau sowie der Abwärmenutzung von Rechenzentren noch Luft nach oben gebe.

Beachtung des Rohstoffeinsatzes

Wie etwa der Energieverbrauch von Rechenzentren nachhaltiger gestaltet werden kann, zeigte die diesjährige Bergung eines im Juni 2018 vor den schottischen Orkney-Inseln von Microsoft versenkten Rechenzentrums. Das Versuchsfeld im Nordatlantik wurde auch deshalb ausgesucht, weil der Strom dort zu 100 Prozent aus Wind- und Sonnenenergie sowie weiteren ökologischen Quellen erzeugt wird. Ben Cutler, Leiter des Projekts mit dem Namen Natick, denkt nun darüber nach, Unterwasser-Rechenzentren in Offshore-Windparks zu versenken, weil dort selbst bei schwachem Wind genug Elektrizität für solche Zwecke produziert wird. Für den Notfall könne man auch eine Stromleitung vom Land mit den Glasfaserkabeln bündeln, die für den Transport der Daten nötig sind. Daneben brachte die Positionierung auf dem Meeresboden noch andere Vorteile zum Vorschein: Der Meeresboden biete eine stabile und zuverlässige Betriebsumgebung, unter Wasser wären die Komponenten von Rechenzentren keiner Korrosion durch Sauerstoff und Feuchtigkeit ausgesetzt und sie müssten auch keine Temperaturschwankungen oder Erschütterungen durch Personen verkraften, die vielleicht zum Austausch von defekten Komponenten vorbeikommen, heißt es. Insgesamt sei die Ausfallrate laut Unternehmensangaben achtmal geringer als an Land gewesen.

Auch ein Konsortium aus Forschung, Industrie und Wirtschaft unter der Leitung des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Antworten auf die Frage „Wie können Rechenzentren nachhaltiger gemacht werden?“ zu suchen. Im Forschungsprojekt „EcoRZ“ wurden Rechenzentren in Baden-Württemberg unter die Lupe genommen und der Stand der Infrastruktur erfasst sowie Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz, zum Einsatz erneuerbarer Energien und des sparsamen Rohstoffeinsatzes ermittelt. Parallel dazu wurden die möglichen Beiträge von Rechenzentren zur Flexibilisierung des Energiesystems analysiert und Indikatoren für die ökologische, soziale und wirtschaftliche Bewertung der Nachhaltigkeit von Rechenzentren entwickelt.

Heraus kam dabei, dass das Setzen auf erneuerbare Energien zum Betreiben von Rechenzentren nur ein Mosaikstein ist. Da Rechenzentren vielmehr jedes Kilowatt an verbrauchtem Strom als Wärme wieder in die Umwelt abgeben würden, komme der Nutzung der Abwärme auf dem Weg zum nachhaltigen Rechenzentrum eine Schlüsselrolle zu. Aufseiten der Betreiber sei es wichtig, dass sie bei der Hardware konsequent auf Nachhaltigkeit achten, so die Empfehlung. Dies umfasse nicht nur den Einsatz erneuerbarer Energien, sondern auch die Materialien und Rohstoffe über die gesamte Produktionskette hinweg, also zum Beispiel einen ressourcensparenden Umgang mit seltenen Erden. Sinnvoll sei es, Nachhaltigkeit in den Leitlinien für die IT-Beschaffung zu verankern. Und auch die Wahl des Standorts könne dazu beitragen, Rechenzentren umweltfreundlicher zu machen: Geeignet seien Regionen mit vergleichsweise niedrigen Durchschnittstemperaturen. Die IKT-Branche kann also selbst noch einiges tun, um nicht nur andere Branchen auf dem Weg zu mehr Klimaschutz zu unterstützen, sondern auch, um selbst „grüner“ zu werden.

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