Das Bauwesen steht vor einem Umbruch. Mit der Digitalisierung entstehen neue Rollen, Kompetenzen und Chancen – vom Data Engineer bis zum Sustainability Designer. Das Projekt Construct-X zeigt, wie die Zukunft der Branche aussieht. Von Jana Tschitschke und Christoph Berger
Kaum eine Branche ist so stark arbeitsteilig wie das Bauwesen: Architekten, Bauunternehmen, Behörden, Handwerk und Betreiber müssen über Jahre hinweg effizient zusammenarbeiten. Dafür braucht es eine verlässliche, sichere und standardisierte Dateninfrastruktur – genau hier setzt Construct-X an. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt entwickelt offene, vertrauenswürdige Datenräume, auf denen Unternehmen Informationen sicher austauschen und neue digitale Prozesse aufsetzen können. Ziel ist eine vernetzte, transparente und resiliente Bauwirtschaft.
Doch die digitale Transformation bringt mehr als neue Tools – sie verändert die Arbeitswelt selbst. Mit der Technologie entstehen völlig neue Berufsbilder, Rollen und Anforderungen.
Neue Rollen auf der digitalen Baustelle
Der Digital Construction Strategist denkt Plattformen statt Pläne: Er verbindet bautechnisches Wissen mit digitalen Architekturen wie Gaia-X und entwickelt datengetriebene Ökosysteme. Ziel ist die Integration von Prozessen, Diensten und Akteuren auf einer gemeinsamen, sicheren Infrastruktur.
Im Betrieb übernimmt der BIM & Twin Intelligence Manager das Kommando über den digitalen Zwilling – ein virtuelles Abbild des realen Gebäudes. Er speichert alle relevanten Informationen: Materialien, Energieverbrauch, Wartungsintervalle. So lassen sich KI-gestützt etwa Umbauten simulieren oder Wartungen planen.
Echtzeit auf der Baustelle
Der Construction Data Engineer wertet Sensordaten direkt von der Baustelle aus – etwa Temperatur, Materialbewegungen oder Maschinendaten. In IoT-Plattformen werden diese mit Planungsdaten verknüpft, um Abläufe effizienter zu steuern: ob bei Wetterum schwüngen, Maschinenausfällen oder der Betonreifung.
Sicherheit im Datenraum
Mit der Digitalisierung wird Cybersicherheit zur zentralen Aufgabe: Cybersecurity-Spezialistinnen sichern Plattformen, Identitäten und Nachweissysteme. Technologien wie Self-Sovereign Identity oder das Gaia-X Trust Framework schützen sensible Informationen und schaffen Vertrauen.
Nachhaltigkeit wird planbar
Der Sustainability & Impact Designer bringt ökologische Intelligenz in die Planung. Er analysiert mit KI den CO₂- Fußabdruck eines Bauwerks über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg und schlägt ressourcenschonende Alternativen vor – datenbasiert und nachvollziehbar.
Was ist Construct-X?
Construct-X entwickelt Open-Source-basierte Datenräume, Referenzarchitekturen und Anwendungen für den Bau. Das Projekt ist Teil der europäischen Cloud-Initiative IPCEI-CIS und bündelt Kompetenzen von über 30 Partnern. Ziel ist die digitale Souveränität der Bauwirtschaft in Europa. Das Gesamtvolumen: 42,8 Mio. Euro.
Wenn Maschinen und Menschen enger zusammenarbeiten, braucht es Vermittler: Collaboration Engineers gestalten die Schnittstellen – technisch, ergonomisch und psychologisch. Sie sorgen dafür, dass etwa Kranführer mit KI-Systemen intuitiv interagieren können, ohne überfordert zu sein.
Nicht jede Innovation setzt sich durch – es braucht Menschen, die Veränderung begleiten. Change-Navigatoren helfen, digitale Tools zu implementieren, Mitarbeitende zu schulen und eine neue Fehlerkultur zu etablieren. Sie sind die Übersetzer zwischen Strategie und Praxis.
Fazit: Neue Chancen statt Jobverlust
Die Bauwende ist auch ein Berufswandel. Statt klassischer Karrieren entstehen hybride Rollen mit interdisziplinären Anforderungen. Technik, Nachhaltigkeit und Daten verschmelzen zu einer neuen Bauidentität – menschlich, digital, zukunftsfähig. Die zentrale Frage lautet daher nicht: Was verschwindet? Sondern: Was entsteht gerade neu?



