Der 3D-Druck hat die Baustelle erreicht – nicht als futuristisches Spielzeug, sondern als ernstzunehmendes Produktionsverfahren für tragende Bauteile. In Metzingen-Neugreuth drucken ZÜBLIN und INSTATIQ erstmals das oberste Geschoss eines vierstöckigen Wohngebäudes direkt vor Ort. Das innovative Verfahren verspricht nicht nur schnellere Bauzeiten und geringere Emissionen, sondern auch eine neue Ära der Bauautomatisierung. Von Sonja Theile-Ochel
Im Zentrum des Systems steht der Großraumroboter „Instatiq P1“. Ein automatisch gesteuerter Mastausleger mit einer Reichweite von 26 Metern trägt Beton Schicht für Schicht auf. So entstehen monolithische, tragende Wände – nicht nur Schalungen. Gedruckt wird aus einem konventionellen Betonmischer; Spezialbaustoffe sind nicht erforderlich. Die Leistung: bis zu 10 cm pro Sekunde, maximal 2,5 m³ pro Stunde; Wandhöhen bis 3 Meter, Wandstärken zwischen 16,5 und 19 cm.
Für die Baupraxis zählen Taktzeiten.
Laut ZÜBLIN steht das Tragwerks-Geschoss in nur vier Tagen; ein Kubikmeter gedruckte Massivwand benötigt nur die Hälfte der Zeit im Vergleich zu Kalkstein- Mauerwerk. Gleichzeitig sinken Staub- und Lärmbelastung für das Team – ein Plus für Arbeitsschutz und die Attraktivität der Baustelle. Der Effizienzgewinn ist digital getrieben: Gesteuert wird direkt aus dem Modell, was Medienbrüche reduziert und die Qualitätssicherung vereinfacht. Fehler durch manuelle Planübertragung werden vermieden. Für Berufseinsteiger: Wer BIM-Workflows versteht, Baulogistik denkt und Sensorik/Prozessdaten auswerten kann, wird zum Schlüsselspieler zwischen Planung, Maschine und Ausführung.
Auch die Klimabilanz rückt in den Vordergrund. Die in Metzingen eingesetzte Betonrezeptur verursacht rund 20 % weniger CO₂-Emissionen als konventionelles Kalkstein-Mauerwerk. Zusammen mit optimierten Wandstärken lassen sich Material und Transport einsparen – ein Hebel, der in verdichteten Zeit- und Kostenrahmen zählt. Das Projektumfeld zeigt, dass es um mehr geht als ein Einzelstück: Auf dem Areal entstehen 44 Wohnungen, darunter 18 öffentlich geförderte und sechs barrierefreie Einheiten; die Fertigstellung ist für Mai 2026 vorgesehen. Weitere 3D-Druck-Projekte sind in Planung. Perspektivisch soll ein Joint Venture von ZÜBLIN und INSTATIQ unter dem Namen NELCON die Dienste breiter anbieten – vorbehaltlich kartellrechtlicher Genehmigungen.
Was bedeutet das für deine Karriere als junge:r Bauingenieur:in?
- Prozessorientierung statt Gewerkgrenzen: Du planst nicht nur Bauteile, du orchestrierst Daten, Takte und Materialflüsse für additive Fertigung.
- Design for Additive Construction: Wandaufbauten, Öffnungen, Installationszonen – all das lässt sich druckgerecht und ressourcenschonend denken.
- Produktivität & Fachkräftemangel: Automatisierung fängt repetitive Arbeit ab. Deine Rolle verschiebt sich Richtung Steuerung, Qualität, Logistik und Nachhaltigkeit.
Fazit:3D-Betondruck ist kein Zukunftsversprechen mehr, sondern ein skalierbares Verfahren mit messbaren Vorteilen bei Zeit, Qualität und Emissionen. Wer jetzt Kompetenzen in digitaler Planung, Baustellen- Automatisierung und nachhaltigen Baustoffen aufbaut, gestaltet den nächsten Produktivitätssprung des Bauens aktiv mit.



