Wie ProTecBird mit smarter Technologie die Energiewende und den Artenschutz verbindet. Von Sonja Theile-Ochel
Ein Sturm beendete einst Thorsten Heinzens Traum von der Weltumsegelung. Der ehemalige Manager aus der Rüstungsindustrie fand jedoch im Wind einen neuen Anfang. Beim Anblick eines Windparks in der Nähe seines Wohnorts kam ihm die Idee: Warum nicht Kollisionen von Vögeln mit Windrädern verhindern, ähnlich wie man Drohnen oder Raketen abwehrt? Aus dieser Eingebung entstand 2021 die Husumer Firma ProTecBird, die Künstliche Intelligenz (KI) zum Schutz von Vögeln einsetzt.
Heinzens Idee gilt heute als vielversprechende Verbindung zwischen Klimaschutz und Artenschutz. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien steigen die Konflikte zwischen Windkraft und Naturschutz. Besonders Greif- und Großvögel wie Rotmilan, Seeadler und Bussarde sind gefährdet. Laut Bundesnaturschutzgesetz müssen 15 Arten besonders geschützt werden. Hier setzt ProTecBird an.
Kameras, KI und Käseglocke
Das Antikollisionssystem AVES Wind® steht im Zentrum der Technologie. Bewegliche Kameras an den Windenergieanlagen erkennen mittels Trackingsoftware und KI Vögel bereits aus einem Kilometer Entfernung. Nähert sich ein geschütztes Tier, schaltet das System die Anlage automatisch in den Trudelmodus und fährt sie wieder hoch, sobald die Gefahr vorüber ist. „Wir bilden eine Art Käseglocke über jedem Windpark“, erklärt Heinzen. Für einen Park mit 15 Anlagen werden etwa 20 Kameras benötigt. Aber das ist von Windpark zu Windpark verschieden und z.B. abhängig vom Vogelaufkommen. Die Kosten betragen etwa 700.000 Euro. Betreiber vermeiden so Zwangsabschaltungen, die von Behörden etwa während der Mäharbeiten oder der Brutzeit gefordert werden und oft Wochen oder Monate dauern können.
ProtectBird AG
- Gründung: 2021 in Husum
- Mitarbeitende: 32 Festangestellte
- Geschäftsführer: Thorsten Heinzen
- Mission: Schutz windsensibler Vogelarten durch KI-Systeme
- Produkte: AVES Wind® Antikollisionssystem, AVES Monitoring, AVES High Precision Counter, AVES Analytics, Lösungen für Flughäfen, Industrie und Stadien
- Umsatz: 2023 rund 1,4 Mio. €, 2025 prognostiziert: 7 Mio. €
In Schleswig-Holstein ist das System seit 2024 offiziell zugelassen. Ein zweijähriger Test bei Neumünster lieferte überzeugende Ergebnisse: In 25 Tagen erfasste die KI 237 Rotmilanflüge und identifizierte sie zu 95 Prozent korrekt. Auch in Litauen, Italien und Lettland sind bereits Anlagen im Einsatz. Besonders Offshore-Windparks profitieren: Mit AVES Monitoring und dem High Precision Counter lassen sich Vogelzüge präzise erfassen und behördliche Auflagen erfüllen.
Wachstum aus Husum
ProTecBird begann als Start-up und ist heute ein Scale-up mit internationalem Anspruch. Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile 32 Mitarbeitende und das Team soll weiter anwachsen. 2023 lag der Umsatz bei 1,4 Millionen Euro, für 2025 sind sieben Millionen prognostiziert. Neben Windparks werden auch Flughäfen, Industrieanlagen und sogar Fußballstadien mit KI-gestütztem Vogelschutz ausgerüstet.
Konkurrenz aus den USA
Der Markt ist jung und die Konkurrenz überschaubar. Hauptwettbewerber ist das US-Unternehmen Identiflight. Pro- TecBird setzt auf ein Alleinstellungsmerkmal: Das Training der KI erfolgt mit selbst erhobenen Daten direkt an jedem Standort. Ein Jahr lang filmen Mitarbeiter die relevanten Vogelarten, um alle Jahreszeiten und Landschaften zu berücksichtigen. Damit wird die Fehlerquote, etwa durch Blätter im Wind, minimiert.
Für Absolventen der Informationstechnologie bietet ProTecBird ein Beispiel dafür, wie sich Hightech und Naturschutz verbinden lassen. KI, maschinelles Sehen und Big Data kommen hier in einer gesellschaftlich relevanten Anwendung zusammen. Windkraft, oft Symbol für Konflikte, wird so zum Schauplatz für Innovation.



