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Interview mit Stefan Rasch

Stefan Rasch kennt den Markt und die Kunden. Der Geschäftsführer und Leiter der Praxisgruppe „Konsumgüter und Handel“ der Boston Consulting Group (BCG) in Deutschland weiß, was nachgefragt wird – und wie sich das Angebot danach richten muss. Mit dem karriereführer sprach der BWLer über Mentalitäten, Innovationen, wichtige Auslandserfahrungen und darüber, was BWLer morgen für ihre Karriere brauchen. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Stefan Rasch hat an der Universität Augsburg Betriebswirtschaft studiert, nach seinem Abschluss als Dipl.-Kaufmann ging er nach Pittsburgh und absolvierte dort einen Master of Business Administration-Studiengang. Von 1989 bis 1992 arbeitete er als Finanzmanager für den deutschen Sitz des amerikanischen Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble.

Seit 1993 ist er Berater bei der Boston Consulting Group (BCG). Von 1996 bis 1999 arbeitete er in Toronto, Kanada. Als er 1999 nach Deutschland zurückkehrte, war er zunächst für das Thema E-Commerce zuständig; seit 2002 ist er Leiter der BCG-Praxisgruppe „Konsumgüter und Handel“ in Deutschland. In dieser Position verantwortet Stefan Rasch Beratungsprojekte in der Konsumgüterindustrie sowie im Handel mit den Schwerpunkten Wachstumsstrategie, Vertriebskonzepte, Organisationsentwicklung und Effizienzsteigerung.

Herr Rasch, noch immer rätselt man, warum sich das Konsumverhalten der Deutschen trotz der Krise nicht geändert hat. Haben Sie eine Erklärung?
Da kommen mehrere Faktoren zusammen. Erstens: In Deutschland lebt ein großer Anteil der Bevölkerung von Transferzahlungen. Wesentlich mehr als in anderen europäischen Ländern oder in den USA. Da sind die Beamten und alle öffentlichen Bediensteten, die Rentner und Studenten, die BAföG erhalten – und diese Gruppen haben im vergangenen Jahr keinen Cent weniger verdient. Deren Transferleistungen sind sicher, Krise hin oder her. Zweitens haben die Deutschen traditionell eine gute Sparquote. Und drittens trägt tatsächlich auch die Abwrackprämie ihren Teil dazu bei. Sie ist ein starkes Signal dafür, dass der Staat Konsum fördert. So kam in Deutschland nicht die Stimmung auf, man müsse sich nun einschränken.

Wird sich das in diesem Jahr ändern?
Das glaube ich nicht. Der Konsum wird vielleicht leicht zurückgehen, aber er wird nicht dermaßen einbrechen wie in Amerika.

Wie beurteilen Sie heute den Markt für Konsumgüter? Treffen junge Ökonomen, deren Karriere jetzt beginnt, auf einen gesättigten Markt – oder auf einen, der hungrig nach Innovationen ist?
Es gibt ein Grundbedürfnis nach Innovationen, keine Frage. Es gibt Segmente, in denen der Sättigungsgrad sehr hoch ist. Aber besonders dort herrscht ein enormer Wettbewerb. Und um den zu gewinnen, helfen nur Innovationen.

Wie beurteilen Sie die Innovationskraft der deutschen Unternehmen?
Ich sehe bei meinen Kunden eine große Motivation für Innovation. Viele Unternehmen widmen sich von morgens bis abends den Fragen: Welche neuen Produkte können wir entwickeln? Wo ist unser Wettbewerbsvorteil? Dabei geht es nicht mehr nur um marginale Veränderungen, die weder der Konsument wahrnehmen noch der Handel unterstützen kann. Die Unternehmen suchen nach echten Durchbruch-Innovationen – und versuchen gleichzeitig Flops zu vermeiden.

Innovation bedeutet also nicht blindes Risiko.
Nein. Mit dem Innovationsbegriff kann man spielen, und für jedes Unternehmen hat er, je nach Position und Geschäftsmodell, eine andere Bedeutung. Es gibt Unternehmen, die wir die „Fast-Follower“ nennen, und die sehr gut damit leben, schnell das nachzumachen, was der Wettbewerb ihnen vorgibt. Vom Marktführer wiederum erwarten Handel und Konsument, dass er große Innovationen bringt.

Trifft man weiterhin auf Kunden, für die gilt: „Geiz ist geil“?
Für Kunden ist die Wertorientierung weiterhin sehr wichtig. Die Tendenz geht daher zum „trading down“, wobei es interessant ist, bei jedem Konsumenten genau hinzuschauen: Denn jeder Kunde besitzt Kategorien, die ihm wichtig sind – und welche, die er für weniger wichtig hält. Bei Produkten der zweiten Kategorie möchte er nicht viel Geld ausgeben und greift daher zu Basisprodukten. Vor allem bei Artikeln des täglichen Bedarfs haben deshalb die „value brands“ Marktanteile gewonnen.

Zeichnet diese „value brands“ neben dem günstigen Preis noch etwas anderes aus?
Ja, sie konzentrieren sich auf den Basisnutzen eines Produktes. Eine Windel, die ohne viele Extras trocken hält. Ein Waschmittel, das reinigt und gut riecht. Die erfolgreichen „value brands“ haben weniger Funktionen – aber der eigentliche Nutzen ist absolut erkennbar. Und immer mehr Konsumenten reicht das.

Sie waren von 1999 bis 2001 bei der BCG für E-Commerce verantwortlich. Dann platzte die Blase. Welche Rolle spielt der Internethandel heute bei Unternehmen aus der Old Economy?
Viele unserer Stammkunden beginnen wieder, sich mit dem Thema E-Commerce zu beschäftigen, weil sie merken, dass der Kanal jetzt für sie nutzbar geworden ist. Die Themen sind fast die gleichen wie 1999, aber die Ausgangsposition ist eine andere. Nehmen Sie den Textilhandel: Rund sieben Prozent des Gesamtumsatzes läuft heute über das Internet; in England und Skandinavien liegt der Anteil schon bei über zehn Prozent. Viele Kunden haben heute ihren Ankleideraum nach Hause verlagert: Man bestellt sich drei Größen, probiert sie daheim aus – und schickt die nicht passenden zurück.

Wie haben Sie sich denn als Strategieberater und Experte für E-Commerce gefühlt, als 2000 die New Economy plötzlich am Boden lag?
Ich kam 1999 aus Kanada nach Deutschland zurück, war frisch gebackener Partner bei BCG und eben für das Thema E-Commerce zuständig. Als es boomte, hatte ich ein sensationelles Betätigungsfeld. Als die Blase dann platzte, stand ich für einen Moment mit leeren Händen da, weil sich kein Kunde mehr mit dem Thema beschäftigen wollte. Da gab es schon ein paar Wochen, in denen ich ein bisschen nervös war. Ich musste mich neu orientieren, hatte aber auch viele Erfahrungen gesammelt, von denen ich heute noch profitiere.

Vermissen Sie in Deutschland die Art, wie man in Nordamerika über Wirtschaft denkt?
Zunächst einmal: Die Vorurteile über die unterschiedlichen Mentalitäten kann ich bestätigen. Da ist tatsächlich der amerikanische Optimismus und die Eigenschaft, mit Schwung auf Dinge zuzugehen. Und da ist auch der Deutsche, der dreimal überlegt, bevor er sich entscheidet – es dann aber auch wirklich macht und umsetzt, statt immer weiterzureden. Was ich in Deutschland vermisse, ist aber die Leichtigkeit der Amerikaner im persönlichen Umgang.

Was raten Sie denn einem jungen Berater am Anfang seiner Karriere: Auf welche Mentalität soll er setzen?
Die Mischung macht es. Wir als Berater haben bei unseren Projekten die Aufgabe, einerseits Energie und Schwung einzubringen, andererseits aber auch mit deutscher Gründlichkeit Fakten zu erarbeiten, sodass am Ende fundiert entschieden wird.

Sind Auslandserfahrungen notwendig, um beide Mentalitäten leben zu können?
Mir haben die Jahre in Amerika ganz sicher geholfen. Und wer bei uns Anfangen möchte, für den ist internationale Erfahrung ein Muss-Kriterium. Ganz einfach, weil man dort neue Denkweisen lernt und diese Zeit – egal, in welchem Land man ist – extrem prägend für die persönliche Entwicklung ist.

Zum Unternehmen

Die Boston Consulting Group (BCG) ist mit einem Jahresumsatz von global 2,4 Milliarden Dollar (2008) eine der weltweit größten Unternehmensberatungen. Gegründet wurde sie 1963 in Boston von Bruce D. Henderson. Das Unternehmen ist im Eigentum von mehr als 500 Partnern, weltweit arbeiten rund 4300 Berater in 68 Büros in 39 Ländern für die BCG. Deutsche Büros unterhält die Unternehmensberatung in München, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Stuttgart, Berlin und Köln.

Die Boston Consulting Group versteht sich als Strategieberatung und gliedert sich in mehrere Kompetenzfelder. Diese umfassen die Industrien Consumer Products, Industrial Goods, Energy, Health Care, Financial Services, Insurance und Technology & Communications.

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