Interview mit Dr. Bernd Sprenger

Dr. Bernd Sprenger, Foto: Privat
Dr. Bernd Sprenger, Foto: Privat

Je weiter man nach oben kommt, umso höher ist das Risiko, in einen Höhenrausch zu geraten. Sabine Olschner sprach mit Burn-out-Experte Dr. Bernd Sprenger.

Wie viele Manager befinden sich Ihrer Meinung nach in einem „Höhenrausch“?
Es wäre unseriös, hier eine Zahl zu nennen. Ich glaube jedoch, dass man in einer bestimmten Karriereentwicklungsphase anfällig ist für solch einen „Höhenrausch“. Für junge Menschen, die energiegeladen, begabt und tatkräftig sind, sind die Aufgaben, die ihnen angeboten werden, oft eine große Versuchung. Dabei kann es immer wieder zu solchen rauschhaften Episoden kommen. Wenn sie auf Dauer dem Rausch verfallen, ist es wie bei jedem anderen Rausch auch: Die Nachteile werden immer größer.

Wie viel können oder sollten sich Manager denn zumuten?
Ein guter Manager weiß, was er gut kann und was er nicht gut kann. Wenn er jedoch zu viele Dinge machen muss, die er von seiner Person und seinen Vorlieben her nicht wirklich gut machen kann, die ihm schwerfallen, dann wird es schwierig. Das bedeutet: Manager sollten ihre Stärken und Schwächen gut kennen und sich dann möglichst einen Weg suchen, auf dem sie ihre Stärken ausspielen können. Genau das vergessen jedoch viele junge Leute, wenn sie ihre Karriere planen. Sie haben keine Vorstellungen davon, wie es dort oben aussieht, und wundern sich dann über die Realität und wie schwierig es ist, seine Rolle als Top-Manager auszufüllen. Wenn Manager es also nicht schaffen, einen Karriereweg passend zu ihrer Person zu wählen und damit die Spannung, die dabei entsteht, zu groß wird, können sie krank werden.

Woran merkt man, dass man seine persönliche Grenze erreicht hat?
An ganz simplen Dingen: Hunger, Durst, Müdigkeit, ein fehlendes Gefühl von Befriedigung. Es gibt viele Menschen, die diese einfachen Körpersignale permanent ignorieren. Wenn solche Körpersignale auftauchen, sollte man unbedingt auf sie hören. Wer sie immer wieder übergeht oder – noch schlimmer – mit Drogen oder Medikamenten „zupflastert“, für den wird es gefährlich. Nicht ohne Grund liegen Burn-out und Suchtentwicklung oft nah beieinander.

Warum sind einige Menschen stressresistenter als andere?
Das liegt daran, dass jeder Organismus etwas anderes als Stress empfindet. Manche finden zum Beispiel die Vorstellung, einen Vortrag halten zu müssen, ganz schrecklich, andere blühen dabei erst richtig auf. Wer zu häufig Tätigkeiten verrichtet, die bei ihm persönlich Stress verursachen, wird anfälliger für Krankheiten.

Ist diese Reaktion auf bestimmte Dinge naturgegeben, oder kann man Stressresistenz trainieren?
Naturgegeben ist die physiologische Antwort des Organismus auf Stressoren. So friert zum Beispiel der eine schneller als der andere. Doch wie man mit der Reaktion umgeht, kann man trainieren – und zwar auch seelisch. Man kann lernen, Stressoren zu erkennen und so mit ihnen umzugehen, dass sie unschädlich werden. Auch physisch braucht man für die Hochspannungsjobs eine vernünftige Konstitution. Wer sehr anfällig für Krankheiten ist, wird sich in einem anspruchsvollen Job schwerer tun als ein physisch und psychisch robuster Mensch.

Was ist Ihr Rat an künftige Top-Manager?
Neben der Befriedigung der oben beschriebenen Grundbedürfnisse sollten sie schauen, ob sie die richtige Person für den Job sind. Manche haben mit viel Energie eine bestimmte Aufgabe angestrebt, obwohl sie gar nicht auf diese Position passen – oder die Position nicht zu ihnen passt. Das merkt man leider oft erst, wenn man schon mittendrin steckt.