Die Diversity-Förderin Uta Holzenkamp im Interview

Uta Holzenkamp, Foto: BASF Coatings
Uta Holzenkamp, Foto: BASF Coatings

Uta Holzenkamp kennt noch die Zeit, als im Chemiestudium sowie in den Laboren der Chemie-Unternehmen acht von zehn Mitarbeitenden männlich waren. Doch die Chemikerin ist angetreten, das zu ändern: Auf ihrem Karriereweg bei der BASF hat sie mit ihrem Credo „Mut ist wichtiger als Komfort“ viele Frauen inspiriert. Als neue Leiterin des Konzernbereichs Coatings setzt Uta Holzenkamp auf vielfältige Teams. Warum sie in ihrem Büro ein Porträt von Marie Curie hängen hat und was sie in Belgien über Frauen in Führung lernte, erzählt sie im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Uta Holzenkamp ist seit 2022 Leiterin des Unternehmensbereichs Coatings von BASF mit rund 11.000 Mitarbeitenden an mehr als 70 Standorten. Nach ihrem Studium der Organischen Chemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Heriot- Watt University in Edinburgh/Schottland, und der Ohio State University/USA, promovierte sie 1996 an der Johannes Gutenberg- Universität Mainz. 1997 begann sie ihre Tätigkeit bei BASF, zunächst in der pharmazeutischen Forschungsabteilung. Es folgten weitere Stationen im In- und Ausland, von 2011 bis 2015 war sie in Brüssel tätig. Ab April 2018 leitete sie als Senior Vice President die globale Geschäftseinheit Fuel & Lubricant Solutions, die Teil des Unternehmensbereichs Performance Chemicals von BASF ist.

Frau Holzenkamp, Sie sind 1997, kurz nach Ihrer Promotion, bei der BASF eingestiegen. Was ist der Hauptgrund für Ihre Unternehmenstreue?
Dieses Jahr feiere ich tatsächlich mein 25-jähriges Firmenjubiläum. In all den Jahren durfte ich bei BASF immer wieder Neues lernen. In meiner neuen Rolle als Leiterin des Bereichs Coatings freue ich mich nun besonders darauf, die Transformationen zu mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung aktiv zu gestalten sowie eine inspirierende Kultur mit dem Team zu schaffen. Aber der Hauptgrund für meine 25 Jahre bei BASF sind tatsächlich die vielen Kunden, Kolleginnen und Kollegen, die ich über die Jahre kennenlernen durfte. Daraus haben sich viele enge Freundschaften entwickelt.

Wenn Sie auf die Karrieren von Frauen in Ihrer Branche damals – Mitte der 90er-Jahre – und heute schauen, was hat sich grundlegend geändert?
Als ich als Laborleiterin in der Forschung bei BASF eingestiegen bin, war ein geringer Frauenanteil von weniger als 20 Prozent der Normalfall. An diese Tatsache hatte ich mich schon während meines Chemiestudiums gewöhnt. Seitdem hat sich jedoch viel getan, nicht nur in der Forschung, sondern in allen Bereichen der BASF. Ein wichtiger Faktor ist, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Karriere kontinuierlich verbessert. Als Eltern von zwei Söhnen haben mein Mann und ich früher beide in Teilzeit gearbeitet – das war damals noch sehr ungewöhnlich. Heute sind flexiblere Arbeitsmodelle selbstverständlich, und es ist auch wichtig, dass wir gleichermaßen Männern die Akzeptanz entgegenbringen und Flexibilität ermöglichen, mehr für die Familie da sein zu können. Immer häufiger sehe ich jetzt, dass Männer in Elternzeit gehen. Das ist ein gutes Zeichen! Und zunehmend trauen sich auch Mädchen und Frauen, ihre Stärken in den MINT-Fächern auszubauen. Dennoch gibt es für uns als Unternehmen und als Gesellschaft noch viel zu tun: Konsequent müssen wir immer wieder alte Rollenbilder hinterfragen und neue Lebensmodelle ermöglichen.

Können Sie sich an konkrete Widerstände erinnern, gegen die Sie als Frau auf dem Weg nach oben im Laufe Ihrer Karriere ankämpfen mussten?
Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn gab es nicht viele Frauen als Vorbilder in Führungsfunktionen. Was wir unter einer guten Führungskraft verstehen, hat sich über die Zeit weiterentwickelt, so haben früher manchmal meine Nähe zum Team und auch mein lautes Lachen zu Verwunderung geführt. Letztlich ist es wichtig, wirklich authentisch zu sein und seinen eigenen Weg zu finden, um diesen dann konsequent zu gehen.

Es ist wichtig, wirklich authentisch zu sein und seinen eigenen Weg zu finden, um diesen dann konsequent zu gehen.

Haben Sie die sprichwörtliche „Gläserne Decke“ selbst einmal erlebt?
Die Gläserne Decke habe ich selbst nie erlebt. Glücklicherweise hatte ich gute Chefs, die mir viel zugetraut haben und mich in meiner Entwicklung unterstützt haben. Und ich selbst habe über die Jahre immer wieder aktiv meine Persönlichkeit weiterentwickelt, durch viele intensive Gespräche und Erfahrungen, die ich gesammelt habe. Basierend auf meinem Grundvertrauen in das Leben generell, habe ich zum Beispiel entschieden, dass Mut wichtiger als Komfort ist. Mir hat sehr geholfen, neugierig zu bleiben und immer wieder den Status quo zu hinterfragen. So haben sich neue Chancen aufgetan, und diese habe ich dann auch ergriffen. Wobei ich meine Karriere nicht langfristig geplant habe. Dass ich einmal Bereichsleiterin werden würde, hätte ich mir früher nicht vorstellen können. In diese Verantwortung bin ich tatsächlich hereingewachsen.

Welche weiblichen Vorbilder und Mentorinnen haben Ihnen auf Ihrem Weg geholfen?
Ein Vorbild von mir ist Marie Curie, die als Naturwissenschaftlerin auf vielen Gebieten Pionierarbeit geleistet hat. Marie Curie hat gesagt: „Sie müssen Ihr Talent entdecken und benutzen. Sie müssen herausfinden, wo Ihre Stärke liegt. Haben Sie den Mut, mit Ihrem Kopf zu denken. Das wird Ihr Selbstvertrauen und Ihre Kräfte verdoppeln.“ Sehr weise Worte! Ich habe ein Bild von ihr in meiner Vitrine im Büro stehen, eine Laborantin aus einem ehemaligen Team hat es gemalt und mir dann geschenkt. Auf meinem Karriereweg durfte ich sehr viele inspirierende Frauen treffen, die alle mit ihrer Perspek tive Mut machen und andere Frauen – und auch Männer – bestärken. Und natürlich hoffe ich, dass ich inzwischen selbst ein Vorbild sein kann. Die schönste Erfüllung in meinem Beruf ist, wenn Kolleginnen und Kollegen nach Jahren zu mir kommen und sagen: Weil ich zu ihnen damals etwas Bestimmtes gesagt oder ihnen etwas zugetraut habe, hätte ich sie auf ihrem Weg weitergebracht.

Sie haben einige Stationen im Ausland verbracht, unter anderem in Belgien. Welche wertvollen Erkenntnisse haben Sie von dort mitgenommen – gerade auch mit Blick auf das Thema Frauen in Führungspositionen?
Im Ausland zu leben, bringt immer einen gesunden Perspektivwechsel mit sich. Sich auf neue Verhaltensweisen einzustellen und diese bei sich selbst zu integrieren ist für mich und meine Familie eine echte Bereicherung. Diese Kompetenz benötigt man als inklusive Führungskraft jeden Tag. In Belgien habe ich außerdem gesehen, dass Frauen eher femininer im Berufsumfeld auftreten, als sie es zum Beispiel in Deutschland tun. In der Vergangenheit wurde ich, insbesondere von jungen Kolleginnen, oft gefragt, ob man sich möglichst wie ein Mann verhalten solle, um erfolgreich zu sein. Das kann ich klar verneinen!

Was tun Sie Ihrerseits, um ambitionierte Einsteigerinnen auf dem Weg nach oben zu fördern?
Unseren Mitarbeiterinnen bieten wir Mentoring, Frauen-Netzwerke und vielfältige Lern- und Weiterbildungsangebote an. Auch ich habe als Mentorin schon viele Kolleginnen auf ihrem Weg begleitet, zum Teil über mehrere Jahre. Ich teile gerne sehr offen meine eigenen Erfahrungen – besonders auch die schwierigen – und lerne dabei auch selbst viel von den Einsteigerinnen. Ich achte darauf, in meinen Teams jungen Frauen bereits früh Verantwortung zu geben. Auch versuche ich, möglichst mehrere Frauen in einem Team zu haben, damit sie sich gegenseitig sowie das gesamte Team stärken können. Echte Wertschätzung macht stark!

An oberster Stelle steht für mich, eine inspirierende Kultur zu schaffen, in der unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie selbst sind, mutige Entscheidungen treffen und wachsen.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Alles was ich mache, mache ich aus ganzem Herzen und voller Überzeugung. An oberster Stelle steht für mich, eine inspirierende Kultur zu schaffen, in der unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie selbst sind, mutige Entscheidungen treffen und wachsen. Dazu gehört für mich auch, aus der Komfortzone zu treten und „einfach mal zu machen“. Um das zu ermöglichen, versuche ich meinem Team immer mit Vertrauen, Empathie und Respekt zu begegnen. Besonders wichtig ist mir aufrichtige Wertschätzung und echtes Interesse daran, was jede und jeder Einzelne zu sagen hat. Ich lege viel Wert darauf, Menschen zu treffen und vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Mitarbeitenden und Kunden aufzubauen. Die Energie und Motivation, die durch echten Teamgeist entsteht, faszinieren mich immer wieder. Ich glaube zudem, dass es wichtig ist, als Führungskraft eine offene Fehlerkultur vorzuleben und regelmäßig Feedback zu üben. Und: Lachen gehört natürlich auch dazu!

Der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten wächst, aber langsam. Ab August gilt für größere Unternehmen zumindest die Verpflichtung, mindestens einen Vorstandsposten mit einer Frau zu besetzen. Was halten Sie von solchen Verpflichtungen, und braucht es sogar eine Quote?
Die Quantifizierung von unseren Zielen führt uns immer wieder vor Augen, wo wir gemeinsam hinwollen. Solche Maßnahmen können Katalysatoren sein, um das Umdenken zu beschleunigen und alte Strukturen aufzubrechen. Selbstverständlich bedeutet dieses Ziel nicht, dass wir eine Frau auf eine Position setzen würden, wenn sie dafür nicht geeignet wäre. Wir suchen bei jeder Aufgabe nach der besten Besetzung. An oberster Stelle steht immer die Kompetenz – doch davon haben Frauen ziemlich viel! Eine nachhaltig gelebte Diversität, die für mich viel mehr als nur Männer oder Frauen bedeutet, ist allerdings nicht von Quoten abhängig, sondern setzt ein fundamentales Umdenken voraus. Worauf es im Endeffekt ankommt, ist der feste Glaube bei jeder Führungskraft und jedem Teammitglied, dass mehr Vielfalt neben der persönlichen Bereicherung zu innovativeren Lösungen und mehr Erfolg für unsere Kunden führt.

Zum Unternehmen

Der Unternehmensbereich Coatings von BASF mit Sitz in Münster spezialisiert sich auf die Entwicklung, Produktion und Vermarktung innovativer Fahrzeug- und Autoreparaturlacke, Bauten-Anstrichmittel sowie angewandter Oberflächentechnik von Metall-, Plastik- und Glassubstraten für zahlreiche Industrien. Das Unternehmen ist mit Teams in Europa, Nordamerika, Südamerika und Asien-Pazifik tätig. Im Jahr 2021 erzielte der BASF-Unternehmensbereich Coatings weltweit einen Umsatz von rund 3,44 Milliarden Euro. Der Umsatz der gesamten BASF-Gruppe beträgt 78,6 Milliarden Euro, für den Konzern tätig sind weltweit mehr als 111.000 Mitarbeitende. Die BASF-Gruppe hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil weiblicher Führungskräfte bis 2030 weltweit auf mindestens 30 Prozent zu steigern.

www.basf-coatings.com