Jura trifft Verlag

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Bei vielen geisteswissenschaftlichen Studenten gehört das Verlagslektorat zu den gängigen und nicht selten gezielt angestrebten Berufsbildern. Anders ist es bei den meisten Jura-Studierenden. Ihnen ist nicht bewusst, dass es in den zahlreichen Fachinformationsverlagen Deutschlands abseits der üblichen Karrieren eine andere Möglichkeit der beruflichen Entwicklung nach dem abgeschlossenen rechtswissenschaftlichen Studium gibt.
Dr. Ute von der Aa 43 Jahre, Verlagsleiterin des Deutschen Notarverlags
Meine ersten Berührungspunkte mit der Verlagsbranche waren ein studentischer Aushilfsjob an der Universität Münster, der mit der Redaktion von StGB-Kommentartexten verbunden war, sowie ein Werkvertragsjob zur Erfassung von Urteilsdaten für eine Rechtsprechungsdatenbank. Damals steckten derlei elektronische Anwendungen noch in den Kinderschuhen, erfasst wurde in „Turbo-Pascal“ und publiziert in der Regel auf CD-ROM, noch nicht online. Danach war es nur noch ein kleiner Schritt in das Lektorat des Wissenschaftsverlages Walter de Gruyter in Berlin, wo ich knapp zehn Jahre als verantwortliche Lektorin für das Strafrecht gearbeitet habe. 2010 ging es dann von der neuen in die alte Hauptstadt Bonn und in die Leitung des Bereichs Produktmanagement des Deutschen Anwaltverlags. Es folgte die Leitung des Deutschen Notarverlags, die ich seit Kurzem innehabe. Dass heute in den Verlagen kaum noch von Lektorat, sondern häufig von Produktmanagement die Rede ist, mag verdeutlichen, wie sehr sich dieses Berufsbild in den vergangenen zwanzig Jahren verändert hat. Natürlich ist und bleibt die inhaltliche und formale Redaktion von juristischen Fachtexten immer ein Teil der Arbeit. Zunehmend spielt aber das kaufmännische Mitdenken und das managen von Fachinformationsprojekten über alle Medienarten hinweg eine wichtigere Rolle. Der Umbruch in der Fachinformationsbranche und die Konkurrenz zu kostenfreien Inhalten im Internet machen den Beruf des Verlagslektors gerade heute so spannend und abwechslungsreich. Dies gilt ebenso für Führungspositionen in Verlagen. Ein Verlagsprogramm und die Mitarbeiter im Lektorat in eine teilweise ungewisse, aber sicher spannende Zukunft zu führen, erfordert nicht nur die klassischen Managementqualitäten, sondern auch und vor allem Kreativität und die Lust auf Neues. Wer sich davon angesprochen fühlt, sollte versuchen, in die Verlagsarbeit hineinzuschnuppern.

Fred Breinersdorfer

Als Anwalt ist Fred Breinersdorfer auf der Suche nach Gerechtigkeit. Als Autor von spannenden Krimis und Drehbüchern sucht er die Spannung. Zur Meisterschaft hat er es in beiden Berufen gebracht – und missen möchte der 66-Jährige weder das eine noch das andere. Von André Boße

Zur Person

Fred Breinersdorfer, geboren am 6. Dezember 1946 in Mannheim, studierte in Mainz und Tübingen Jura und Soziologie und promovierte zum Thema „Gleichheit der Bildungschancen in Deutschland“. Er praktizierte zunächst 17 Jahre lang in Stuttgart als Anwalt mit dem Schwerpunkt Hochschulrecht. Sein erster Kriminalroman über den fiktiven Anwalt Abel erschien 1980; sein Debüt als Drehbuchautor für einen „Tatort“ war 1984 der Schimanski-Krimi „Zweierlei Blut“. Seitdem ist er für die Drehbücher vieler Krimis und Fernsehfilme verantwortlich. Sein Debüt als Filmproduzent und Kino-Drehbuchautor, „Sophie Scholl – die letzten Tage“, wurde 2006 für den Oscar nominiert. Der zweifache Vater, der auch als Fotograf und Maler tätig ist, ist seit 2004 in Berlin am Landgericht und Kammergericht zugelassen und Mitglied der Berliner Anwaltskanzlei Müller Radack.

Fred Breinersdorfer hat ein Faible für spannende Fälle. Sein erster Krimi erschien vor mehr als 30 Jahren, sein erstes TV-Drehbuch schrieb er 1984 für die Tatort-Folge „Zweierlei Blut“ mit Götz George – unvergessen die Szene, als Horst Schimanski von Hooligans nackt im Anstoßkreis des Wedaustadions ausgesetzt wurde. Im weiteren Verlauf seiner erfolgreichen Karriere als Drehbuchautor widmete sich Breinersdorfer auch dem „Hammermörder“ und dem „Mann mit der Maske“, schrieb über „Notwehr“, „Quarantäne“ und „Angst“. Wer diese Filme gesehen hat, weiß: Dieser Autor hat nicht nur ein Gefühl für Spannung, sondern vor allem ein Talent dafür, offensichtlich zu machen, warum Menschen etwas Böses tun.

Häufig genug hat der 66-Jährige erfahren, welche Motive und Sehnsüchte hinter großen Verbrechen und kleineren Gaunereien stecken. Schließlich hat Fred Breinersdorfer nicht nur Jura studiert, sondern zu Beginn seiner Anwaltskarriere auch als Strafverteidiger gearbeitet. „99 Prozent meiner Autorenkollegen haben dagegen noch nie mit Mördern und Totschlägern zu tun gehabt“, sagt er. Diesen Erfahrungsvorsprung eines Juristen nutzt er, zumal man als Rechtsanwalt nicht nur die böse Seite kennenlerne. „Man hat mit allen Facetten menschlicher Probleme zu tun. Das inspiriert mich beim Schreiben. Es hilft, Charaktere lebendiger zu schildern.“ Der gebürtige Mannheimer ist heute ein vielbeschäftigter Autor von Drehbüchern und seit 2005 auch Produzent und Regisseur von Kinofilmen. Seine Anwaltskarriere führt er dennoch weiter: Als Spezialist für Urheber- und Medienrecht ist der Wahl-Berliner seit 2008 Mitglied der Kanzlei Müller Radack. Für seine Mandanten aus der Medien- und Kunstszene legt er seine Branchenkenntnisse in die Waagschale, und umgekehrt hilft das juristische Wissen ungemein für seine eigene Tätigkeit als Autor, Produzent und Regisseur. „Als Anwalt habe ich den Vorteil, einen Bereich zu durchblicken, in dem andere Medienschaffende oft sehr unsicher sind – das Recht.“ Das beginne bei juristischen Bezügen in den Filmstoffen, gehe über Fragen des Urheberund Persönlichkeitsrechts bis hin zum Vertragsrecht – „und wenn’s dicke kommt bis zur Zwangsvollstreckung“. Ein Leben ganz ohne fiktive Stoffe und künstlerische Verwirklichung kann sich Fred Breinersdorfer gar nicht mehr vorstellen. Er würde die Gestaltungsfreiheit vermissen. „Als Anwalt muss ich meine Kreativität dem Mandantenwohl unterordnen. In der Kunst dagegen herrscht Freiheit. Im Fernsehen wenigstens ein bisschen, in der bildenden Kunst kann das bis zur Anarchie gehen.“
Prof. Dr. Fred Breinersdorfer im Internet: www.breinersdorfer.com Der Film: www.sophiescholl-derfilm.de
Genau deshalb ist Breinersdorfer seit vielen Jahren auch als Maler aktiv: „Das surreale Element – Bilder über die Wirklichkeit“ nennt sich eine seiner Werkreihen. Als Künstler hat sich Fred Breinersdorfer also in so ziemlich alle Metiers getraut. Und auch der Sport fasziniert ihn: Als junger Mann war er ambitionierter Rennruderer, später verlegte er sich auf den Marathon, bevor er sich heute zum Wohle seiner Knochen beim Walking versucht. Und auch vor der Politik machte der Vielbeschäftigte nicht halt: 1994 kandidierte er als SPDMitglied in Stuttgart für den Bundestag. Das hat zwar nicht funktioniert, trotzdem hat er eine Antwort auf die Frage, warum so viele Juristen den Weg in politische Ämter finden: „Juristen sind die Fachleute für das Allgemeine, wie Ralf Dahrendorf schon festgestellt hat. Daher gravitieren sie in Positionen, wo man alles und nichts können muss, vulgo die Politik.“ Oder eben in die Medienbranche. Wobei: Fred Breinersdorfer steht zu seiner Verantwortung, seine fiktiven Geschichten möglichst nah an der Wirklichkeit zu erzählen. Andere Autoren nehmen es da nicht ganz so genau. Vor allem nicht in Fernsehkrimis. Wie oft er vor dem Fernseher sitze und beim Anschauen eines Krimis denke, dass das hinten und vorne nicht hinhaut? „Ziemlich oft“, sagt er. Das fange schon bei der Ausstattung und Requisite an. „Zum Beispiel, wenn ein deutscher Richter mit einem Hammer die Sitzung leitet oder die Bücher verkehrt herum auf dem Tisch stehen hat.“ Auch juristische Fehler in den Stoffen seien üblich. Zudem beobachte er häufig, dass die Schauspieler Probleme haben, typisch juristische Dialoge zu sprechen. „Achten Sie mal darauf, wenn einer ,Sonderermittlungsauftrag’ oder ,Durchsuchungsanordnung’ sagen soll: Viele Schauspieler müssen vor dem Wort einen extra Anlauf nehmen, um es zu bewältigen.“ Trotzdem beharrt Fred Breinersdorfer darauf, dass die Film- und Fernsehbranche mehr zu bieten hat als Entertainment. Wie auch die Juristerei besitze die Fiktion das Potenzial, die Welt zu verändern. „Ein Spruch des Bundesverfassungsgerichts kann die Politik neu justieren. Andererseits hat eine TV-Serie wie ,Holocaust’ das Geschichtsbewusstsein von Generationen geändert.“ Sein Credo: „Wir können froh sein, dass beides nebeneinander zu unserer Zivilgesellschaft gehört.“ Kein Wunder also, dass der zweifache Vater seiner Tochter Léonie-Claire nicht von ihren Plänen abgeraten hat, ebenfalls den Spagat zwischen Anwaltsberuf und Medienkarriere zu wagen: Die 36-Jährige studierte Jura, ist praktizierende Anwältin und schrieb Drehbücher für Tatort-Filme sowie für die Verfilmung von Henning Mankells „Der Chinese“. Für die Antwort auf die Frage, warum Vater und Tochter weder vom Recht noch vom Schreiben lassen, muss Breinersdorfer nicht lange überlegen: „Weil es eine schwere, aber spannende Art ist, seiner Kreativität Spielraum zu geben.“

Dichtende Juristen

Die Geschichte kennt viele Beispiele von Juristen, die sich neben ihrer anwaltlichen oder gerichtlichen Tätigkeit die Lyrik oder Schriftstellerei als kreativen Ausgleich suchten. Schon Cicero verband die Dichterkunst mit seiner juristischen Tätigkeit. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich der Anwalt Molière zum Dichterfürsten; der Staatsrechtler Montesquieu erlangte im 18. Jahrhundert durch seine Romane Berühmtheit. Im 19. Jahrhundert gehörte ein Studium der Rechtswissenschaften für Schriftsteller zum guten Ton. Ob Balzac oder Flaubert, Goethe oder Storm – alle studierten sie Jura. Im 20. Jahrhundert führten Marcel Proust, Franz Kafka oder Ingeborg Bachmann diese Tradition fort. Zu den bekannten Autoren der Gegenwart gehören neben Paulo Coelho auch Bernhard Schlink („Der Vorleser“). Er war Richter am Verfassungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen. Bekanntester schreibender Strafverteidiger dieser Tage: Ferdinand von Schirach, Autor der Besteller „Verbrechen“ und „Schuld“.

Fair geht vor

Transfers in der Fußball-Bundesliga, die Vermarktung von Klubs, Arenen und ganzen Sportligen, Dopingfälle – ohne kompetente rechtliche Begleitung ist schon dieser kleine Ausschnitt des breiten und faszinierenden Betätigungsfeldes „Sport“ nicht mehr denkbar. Von Prof. Dr. Rainer Cherkeh

Wer sein Interesse für den Sport mit dem Beruf des Juristen verknüpfen will, findet ein abwechslungsreiches und spannendes Betätigungsfeld. Denn mit der Bedeutung des Sports als wichtigem Wirtschaftsfaktor schreitet die Verrechtlichung von Sportsachverhalten voran. Damit geht einher, dass der Sport seine Konflikte zunehmend vor staatlichen Gerichten oder vor Schiedsgerichten austrägt. Der Bedarf an juristischer Expertise nimmt daher stetig zu, und somit auch das Betätigungsfeld für auf Sportsachverhalte spezialisierte Juristen – sei es als Rechtsanwälte oder als Verbands- beziehungsweise Unternehmensjuristen. Auch Vermarktungsagenturen, Sponsoren, Medienunternehmen und Veranstalter bieten interessante Arbeitsfelder für Juristen im Umfeld des Sports. Zum Tagesgeschäft der in diesem Feld tätigen Juristen gehört die Materie „Sportrecht“. Was steckt dahinter? Sportrecht ist ein Querschnitt aus den verschiedensten Rechtsgebieten mit Bezug zum Sport, sei es Amateur- oder Profisport. Im Blick stehen zunächst die klassischen sportrechtlichen Themen wie Verbands- und Vereinsrecht, Verbandsstrafverfahren, Sporthaftungsrecht oder -arbeitsrecht, also Trainerund Spielerverträge. Daneben geht es um Vermarktungssachverhalte, also etwa um die Vermarktung von Verbänden, Ligen, Events, Teams oder Sportarenen, natürlich auch von Individualsportlern. Der Schwerpunkt liegt dabei im Lizenz- und Vertragsrecht, im gewerblichen Rechtsschutz sowie im Presseund Medienrecht. Der besondere Reiz der Tätigkeit als Sportjurist liegt darin, dass in der Praxis oftmals eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen erfolgt – bei Vermarktungssachverhalten etwa mit Sportökonomen oder den Werbeagenturen der Sponsoren. Bei Dopingfällen erfolgt zum Beispiel ein enger Austausch mit Medizinern unterschiedlichster Disziplinen. Nahezu allen Fällen im Sportrecht gemeinsam ist es, dass neben den klassischen Rechtsfragen parallel auch die Regelwerke und sonstigen Vorgaben der Sportverbände oder der Ligaveranstalter zu berücksichtigen sind. Und schließlich: Sport ist international, von den Regelwerken bis hin zu Verhandlungen oder Rechtsstreitigkeiten vor Schiedsgerichten mit internationalen Sportfachverbänden oder ausländischen Klubs. Sehr gute Englischkenntnisse sind für den Sportjuristen daher unerlässlich.
Infos zum Sportrecht: www.sportrecht.org

Der Anwalt und das liebe Vieh

Manche Menschen sehen den Beruf des Juristen als trocken und langweilig an. Tatsächlich aber bewegt er sich auf einem hochspannenden Terrain, denn der Jurist darf sich mit allen Erscheinungsformen des Lebens auseinandersetzen. Eine dieser Erscheinungsformen ist auch das Zusammenleben von Mensch und Tier. Die sich daraus ergebenden Probleme zum Wohle beider Spezies zu lösen, ist das Tätigkeitsfeld eines Tieranwalts. Von Joachim Cäsar-Preller, Tieranwalt.

„Eine der blamabelsten Angelegenheiten der menschlichen Entwicklung ist es, dass das Wort ‚Tierschutz‘ überhaupt geschaffen werden musste“, sagte einst Theodor Heuss. Tatsächlich muss man kein entrückter Sentimentalist sein, um für einen ernst zu nehmenden Tierschutz zu plädieren. Vielmehr haben die von Juristen zu bearbeitenden Fälle auch immer mit Menschen zu tun. Schließlich sind es die Menschen, die sich für oder gegen ein Tier an den Tieranwalt wenden – Tiere selbst können keinen Anwalt aufsuchen. Der „Gegenstand“, um den es bei einem Konflikt geht, ist aber keine Sache, sondern ein Lebewesen mit eigenen Empfindungen und speziellen Ansprüchen. Das macht das Tätigkeitsfeld eines Tieranwalts zu einem sehr sensiblen Arbeitsfeld. Es gilt immer abzuwägen zwischen den Vorstellungen des Mandanten und dem Wohl des Tieres, die nicht immer die gleichen sind. Zum Beispiel möchte ein Mandant seinen Hund wiederbekommen, der ihm vom Veterinäramt entzogen wurde – er sieht nicht ein, dass das Tier unter seiner Haltung gelitten hat. Hier wird schon deutlich, dass oft widerstreitende Interessen auf einen Tieranwalt einwirken. Einerseits ist der Mandant der Auftraggeber, andererseits ist das Wohl des Tieres zu beachten. Tierschutzrecht weist viele Facetten auf. Ob es um nachbarschaftliche Streitereien wegen Tierhaltung geht, um Falschbehandlungen durch Tierärzte, um Tiere mit Mängeln, die vom Züchter gekauft wurden und nicht zurückgegeben werden können – hier ist ein breites Wissen um juristische Zusammenhänge und ein gutes menschliches Einfühlungsvermögen gefragt. Nicht dienlich sind übertriebene Tierliebe oder gar eine radikale Haltung. Vielmehr ist ein bewusster und reflektierter Umgang mit Tieren das Ziel. Leidenschaft sollte allerdings immer dabei sein, denn – auch das sollte fairerweise gesagt werden – vom Tierrecht allein wird es schwer bis unmöglich sein, eine Kanzlei zu finanzieren. Die Streitwerte sind oftmals klein und verursachen wegen der hohen Emotionalität nicht selten einen erheblichen Arbeitsaufwand. Führen einen Juristen aber Gedanken über das Verhältnis von Tier und Mensch und die Frage nach einem richtigen ethischen Handeln in die Thematik, wird er sich mit Freude diesem Rechtsgebiet annehmen. Sogar in der Bibel wird bereits auf die besondere Verantwortung des Menschen für die Tiere hingewiesen: Der Mensch erhält den Auftrag, mit allen Tieren eine unzertrennliche Gemeinschaft zu bilden, in Liebe und Respekt voreinander.
Das Tierschutzgesetz im Internet: www.gesetze-im-internet.de/tierschg/index.html
 

Schlichten statt Richten

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„Wir können doch über alles reden“ – das klingt gut, gelingt aber in Streitsituationen nicht immer. Helfen kann eine Mediation – das ist eine Methode, um Konflikte zu lösen. Die Ausbildungsmöglichkeiten zum Mediator sind breit gefächert und das neue Mediationsgesetz ermöglicht Anwälten mit Mediationsausbildung neben ihren rein juristischen Aufgaben interessante und sehr abwechslungsreiche Tätigkeiten. Von Meike Nachtwey

Mediation ist ein Verfahren, keine Institution wie ein Schiedsgericht, eine Güteoder Schlichtungsstelle. Sie soll streitenden Parteien helfen, selbst eine Lösung für ihren Konflikt zu finden. Der Mediator ist allparteilich: Er richtet nicht, er urteilt nicht zugunsten des einen oder des anderen, er macht, anders als ein Schlichter, auch keine eigenen Vorschläge; er versucht die Kommunikation der Parteien zu fördern. Unter seiner Leitung sollen die streitenden Personen oder Unternehmen freiwillig eine zufriedenstellende Lösung erarbeiten. Mit dem Verhandlungsergebnis lässt sich dann auch juristisch etwas anfangen: Die Einigung kann, wie ein Urteil, vom Gericht oder Notar „für vollstreckbar erklärt“ werden. Aber eigentlich ist der Sinn einer Mediation, dass man sich ohne Zwangsmittel einigt. Prof. Dr. jur. Bernd Eckardt, ehemals Richter am Landgericht Köln, ist Wirtschaftsmediator und Mitglied der Kölner Forschungsstelle für Wirtschaftsmediation an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Fachhochschule Köln. Er sieht in einer außergerichtlichen Konfliktlösung, insbesondere durch Mediation, im Vergleich zur traditionellen juristischen Konfliktbearbeitung durch eine gerichtliche Entscheidung eine ganze Reihe an Vorteilen: „Die Beteiligten schätzen die Möglichkeit, Vertraulichkeit zu vereinbaren und damit mediale Kollateralschäden zu vermeiden. Zudem bietet die Mediation den Vorteil, den Konflikt in seiner Gesamtheit zu betrachten. Dies ermöglicht eine eigenverantwortlich erarbeitete gemeinsame Lösung, durch die die Beziehung zwischen den Parteien auch künftig erhalten bleiben kann.“ Das Einsatzgebiet der Mediation ist sehr vielfältig, zum Beispiel im Familienrecht, wenn es um die elterliche Sorge oder um Vermögensverteilungen bei Scheidungen geht. Aber auch bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, Verwaltungsprozessen, Konflikten in Unternehmen, Gruppen und Teams. Von großer Bedeutung werden künftig Mediationen auch bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen sein, etwa bei internationalen Wirtschaftskonflikten. Für Andrea Hürfeld, Mediatorin und Konflikt-Coach, ist die Mediation ein Verfahren, das in fast allen Lebens- und Arbeitsbereichen eingesetzt werden kann: „Nahezu jeder Konflikt eignet sich für eine Mediation und zwar präventiv, begleitend, im aktuellen Streit sowie nachgestaltend. Wesentliche Vorteile sind die Zeit- und Kostenersparnis sowie die Zufriedenheit aller Beteiligten.“ Vielen Menschen fällt es schwer, Konflikte auszutragen, ohne sich gegenseitig durch Wörter zu verletzen oder Schuldzuweisungen auszusprechen. Der Sprache kommt dabei eine große Bedeutung zu. Worte können trennen, aber auch verbinden und Türen öffnen. Deshalb arbeiten viele Mediatoren heute mit der Gesprächsstrategie der Gewaltfreien Kommunikation (GfK). Die GfK wurde von dem amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg entwickelt und soll den Kommunikationsfluss, der im Austausch von Informationen und im friedlichen Lösen von Konflikten notwendig ist, erleichtern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Gefühlen und Bedürfnissen der Streitparteien, um Verständnis bei der anderen Streitpartei hervorzurufen. Gabriele Seils ist Trainerin für gewaltfreie Kommunikation und Autorin des Buches: „Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation“. Für sie ist die GfK ein wunderbares Handwerkszeug: „Da man Konflikte nicht theoretisch lösen kann, kommt man letztendlich nicht drum herum, den Gefühlen und den Bedürfnissen Raum zu geben. Mit einem Konflikt sind immer Emotionen und verschüttete Bedürfnisse verbunden. Sonst wären die Menschen nicht so verhakt miteinander, und mit dieser emotionalen Ebene muss man arbeiten.“ Denn egal ob in Unternehmen, öffentlichen Institutionen, Familien, Partnerschaften, Universitäten, Behörden, Wirtschaftsverbänden oder zwischen verfeindeten Nationen: Das Grundmuster von Konflikten ist aus Rosenbergs Sicht immer gleich: Konflikte entstehen überall dort, wo wichtige menschliche Bedürfnisse unerfüllt sind. Dazu gehören Bedürfnisse wie Zugehörigkeit, Wertschätzung, Sinn, Respekt, Sicherheit oder Harmonie. Hier kommt die GfK zum Zug: Sie soll den Rahmen für gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung schaffen, dadurch können sich häufig neue und ungeahnte Verständigungseffekte und Lösungen eröffnen. Die Aufgabe des Mediators ist es, die mit Konflikten verbundenen Gefühle wie Wut, Frustrationen, Irritationen, Resignation, Angst oder Hilflosigkeit herauszufiltern. Das ist häufig eine große Herausforderung, denn vielen Menschen fällt es schwer, sich ihre Gefühle einzugestehen. Durch die Aufarbeitung verlieren die Gefühle ihre Bedrohlichkeit und geben hilfreiche Informationen über die Dringlichkeit einer Veränderung. Aber auch um welche Interessen und Bedürfnisse es in einer Konfliktsituation geht. Welche Bedürfnisse sind unerfüllt und welche Handlungsschritte müssen entwickelt werden, um zu einer Lösung zu kommen? Gabriele Seils hat in ihrer langjährigen Tätigkeit als GfK-Trainerin mit dieser Gesprächsstrategie viele positive Erfahrungen gemacht: „Wenn beide Konfliktparteien im wirklichen Kontakt mit ihren Bedürfnissen sind, dann bekommt die Situation eine gewisse Leichtigkeit. Dann geht es nicht mehr darum, sich einfach nur durchzusetzen. Dann ist es sogar oft ein Bedürfnis der Streitparteien, dazu beizutragen, etwas an der Situation zu ändern oder den anderen zu unterstützen.“ Generell können sich alle Berufsgruppen zu Mediatoren ausbilden lassen. Häufig sind es Juristen, Psychologen, Soziologen, Theologen oder Wirtschaftswissenschaftler. Prof. Dr. jur. Ricarda Rolf ist Leiterin der Kölner Forschungsstelle für Wirtschaftsmediation an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Fachhochschule Köln. Sie ist der Meinung, dass gerade Juristen für eine Mediationsausbildung prädestiniert sind – für sie sei diese im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen auch gesetzlich anerkannt: „Bei der Mediation geht es allerdings nicht um eine juristische ‚Falllösung‘, sondern um eine bestimmte Methodik zur Konfliktbehandlung. Die Bewältigung von Konflikten und der angemessene Umgang mit widerstreitenden Interessenlagen gehören zu den Kernaufgaben von Juris ten.“ Zwar ist die Aus- und Weiterbildung von Mediatoren nach dem neuen Mediationsgesetz noch nicht umfassend geregelt, aber zumindest gesetzlich weiter abgesichert. So wurden die Anforderungen an Kernkompetenzen eines Mediators präzisiert und die Bezeichnung „zertifizierter Mediator“ in dem Gesetz verankert. Standards für dieses Zertifikat müssen aber erst noch per Rechtsverordnung festgelegt werden. Als Qualitätsmerkmal gelten die Ausbildungsstandards des Bundesverband Mediation e. V. Andrea Hürfeld ist der Überzeugung, dass sich eine Mediationsausbildung sehr positiv auf die Karriere auswirken kann: „Wer möchte nicht eine Führungskraft mit diesen Qualitäten? Will man sich als Mediator selbstständig machen, ist das sicherlich möglich. Allerdings kenne ich persönlich nur Mediatoren, die über zusätzliche Qualifikationen verfügen.“ Wer sich für eine Mediationsausbildung entschließt, sollte über eine empathische Grundhaltung verfügen sowie die Bereitschaft mitbringen, Kommunikationstechniken wie das aktive Zuhören zu lernen. Dazu gehört für Andrea Hürfeld auch die Fähigkeit, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen sowie zu deeskalieren: „Ein Mediator sollte jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit achten und respektieren und mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen, Sorgen und Wünschen ernst nehmen. Er sollte geduldig und positiv sein, Kompliziertes vereinfachen können und den Überblick bewahren.“

Standardwerke

  • Marshall B. Rosenberg und Gabriele Seils: Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils. Herder Verlag 2004. ISBN 978-3451054471. 8,99 Euro
  • Marshall B. Rosenberg, Arun Gandhi, Vera F. Birkenbihl und Ingrid Holler: Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann 2012. ISBN 978-3873874541. 21,90 Euro
  • Monika Oboth und Gabriele Seils: Mediation in Teams und Gruppen: Praxis- und Methodenhandbuch. Konfliktklärung in Gruppen, inspiriert durch die Gewaltfreie Kommunikation. Junfermann 2008. ISBN 978-3873875968. 16,90 Euro
  • Christian Bähner, Monika Oboth und Jörg Schmidt: Praxisbox Konfliktklärung in Teams & Gruppen. Praktische Anleitung und Methoden zur Mediation in Gruppen. Junfermannsche Verlagsbuchhandlung 2011. ISBN 978-3873876798. 39,90 Euro

Ausbildungen

Vielfalt in eigener Sache

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Positive Wertschätzung von Verschiedenheit – so lässt sich das Konzept Diversity, seit einigen Jahren fester Bestandteil der Politik vieler Unternehmen, auf den Punkt bringen. Doch was verbirgt sich dahinter, und wie sieht es in Anwaltskanzleien mit der Diversity aus? Von Sascha Kuhn

Nicht nur Arbeitsrechtlern, sondern allen Juristen sollte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein Begriff sein. Nach diesem, treffend oft verkürzt als Antidiskriminierungsgesetz bezeichneten Regelwerk sind Benachteiligungen beispielsweise aufgrund von Geschlecht, Religion oder Alter verboten. Das Konzept der Diversity geht einen entscheidenden Schritt weiter, indem es nicht nur auf die Verhinderung von Diskriminierung, sondern auf die faktische Realisierung von Chancengleichheit abstellt. Dies beginnt bei der Förderung von Teilzeittätigkeit, beinhaltet aber auch die gezielte Unterstützung von Frauen auf dem Weg zur Partnerschaft. Dabei erfasst Diversity nicht nur die (oft) auf den ersten Blick sichtbaren Persönlichkeitsdimensionen wie das Geschlecht, die ethnische Herkunft, das Alter oder Behinderungen, sondern auch die Dimensionen, die man einem Kollegen oder Bewerber nicht gleich ansieht, zum Beispiel die sexuelle Orientierung und die Religionszugehörigkeit. Chancengleichheit setzt Wertschätzung voraus. Wertschätzung aber setzt auch Sichtbarkeit voraus: Nur wenn ich um die Persönlichkeitsmerkmale meiner Kollegen weiß, kann ich sie wertschätzen. Ein wichtiger Teil eines Diversity-Programms sind daher Diversity-Groups. In diesen treffen sich etwa Mitarbeiter jüdischen Glaubens oder LGBT-Mitarbeiter (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender), um Fragen beispielsweise der persönlichen Karriereplanung zu besprechen, aber auch, um Sichtbarkeit zu schaffen. Dabei ist es wichtig, dass das Thema durch solche Gruppen nicht als Sonderprogramm für Minderheiten erscheint. Tatsächlich geht Diversity nämlich alle Mitarbeiter an. So gibt es in immer mehr Kanzleien zum Beispiel Straight-Allies-Programme, in denen heterosexuelle Mitarbeiter sich für die Belange von LGBT-Kollegen einsetzen. Dass Diversity nicht nur ein Modethema, sondern die Kanzleiwelt zukünftig immer stärker prägendes Prinzip ist, ergibt sich nicht nur daraus, dass es das menschlich Richtige ist. Es ist mehr und mehr auch das wirtschaftlich Vernünftige. In Zeiten, in denen viele Unternehmen um den talentiertesten Nachwuchs kämpfen und in denen Mandanten in ihren Panel-Ausschreibungen zunehmend nach der Diversity- Politik und -Wirklichkeit fragen, kann sich hier keine Kanzlei eine Schwäche erlauben. Bewerber könnten und sollten sich bei der Wahl der zu ihnen passenden Kanzlei auch mit dem Thema auseinandersetzen. Denn eine gesunde Auseinandersetzung mit dem Thema spricht ganz nebenbei auch für ein gesundes Arbeitsklima und für Kollegialität. Organisationen wie Stonewall bewerten die Diversity- Politik auch von Anwaltskanzleien, und spezielle Karrieremessen bieten die Gelegenheit, Kanzleien näher kennenzulernen. Bewerber dort vertretener Kanzleien können sich sicher sein, dass sie allein nach ihrer Qualifikation und ihrem Können fair behandelt werden.

Interview mit Dr. Constanze Ulmer-Eilfort

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Familie oder Karriere? Constanze Ulmer-Eilfort entschied sich schnell dafür, dass Wörtchen „oder“ durch „und“ zu ersetzen. Zeitgleich mit ihren ersten Karriereschritten in den USA gründete sie eine Familie. Heute ist die dreifache Mutter Managing Partnerin der Großkanzlei Baker & McKenzie Deutschland und Österreich. Wie das funktioniert hat, erzählt die 50-Jährige im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Constanze Ulmer-Eilfort, geboren am 21. April 1962 in Stuttgart, studierte Jura in Regensburg und München. 1989 erreichte sie den Master of Law an der University of Pennsylvania in Philadelphia, ihre Promotion erfolgte 1993 an der Freien Universität Berlin. Nach dem Referendariat stieg sie als zugelassene Anwältin 1994 bei Baker & McKenzie ein. Vier Jahre später wurde sie dort Partnerin am Standort Frankfurt, 2005 zog sie in das Büro München. Seit Sommer 2012 ist die dreifache Mutter Managing Partnerin für Baker & McKenzie Deutschland und Österreich und damit verantwortlich für das heimische Geschäft der internationalen Großkanzlei. Ihr fachlicher Fokus als Anwältin liegt in den Bereichen Patentrecht und Urheberrecht, sie betreut Mandanten aus den Bereichen Life Sciences und Medien.
Frau Dr. Ulmer-Eilfort, wenn Sie sich an Ihren eigenen Karrierestart erinnern, inwieweit hatten Sie einen Plan für die ersten Schritte? Ich wusste ehrlich gesagt nach dem Abschluss noch nicht, was ich mit dem Jura-Studium anfangen sollte. Mir hatte das Studium viel Spaß bereitet, daher war ich schon sicher, das Richtige studiert zu haben. Aber über meinen späteren Werdegang habe ich mir zunächst erstaunlich wenig Gedanken gemacht. Sie sagen „erstaunlich“ … Ja, wenn ich an meine Zeit als Einsteigerin zurückdenke, bin ich über mich selbst erstaunt, wie wenig Gedanken ich mir damals über meine Karriere gemacht hatte. Es waren auch viele Zufälle, die mich dorthin gebracht haben, wo ich heute bin. Meine Karriere hätte auch ganz anders aussehen können. Wann wussten Sie, dass Sie Rechtsanwältin werden wollen? Die Zeit nach dem Studium als Referendarin war prägend. Ich erhielt erste Eindrücke von den verschiedenen Bereichen und konnte mir konkrete Vorstellungen davon machen, wie der Arbeitsalltag wirklich ausschaut. Eine Ihrer ersten Stationen war dann schon Baker & McKenzie, wo Sie 1991 Ihre Referendariatszeit verbrachten – und wo Sie heute Partnerin sind. Ab wann wussten Sie: „Hier bin ich richtig, hier fühle ich mich wohl“? Schon sehr früh. Ich hatte zuvor ein LL.M.-Studium in den USA abgeschlossen, sodass mich von Beginn an faszinierte, wie international diese Kanzlei aufgestellt ist. Ich hatte vorher kurze Erfahrungen beim Landgericht, der Staatsanwaltschaft und in der Verwaltung gemacht und merkte schnell, dass mir die Arbeit in einer großen und weltweit vernetzten Kanzlei deutlich mehr Freude bereitet. Abseits der Internationalität: Was ist der wichtigste Auslöser für diese Freude an der Arbeit? Die Atmosphäre unter den Kollegen. Diese war mir als Einsteigerin wichtig – und sie ist mir auch heute als Partnerin wichtig. Als ich hier anfing, genoss ich es, dass die Türen zu den damaligen Partnern für uns Neulinge immer offenstanden. Damals wie heute sind Referendare mit Partnern und Associates regelmäßig zum Mittagessen gegangen. Ich erinnere mich, dass es unzählige Situationen gab, bei denen junge Kollegen in der Ausbildung und erfahrene Anwälte zusammenstanden und sich über diverse Fachthemen unterhielten, oder dass wir von Anfang an immer wieder bei Partnern zum Abendessen zu Hause eingeladen wurden. Kurz gesagt: Es machte einfach von Beginn an Spaß, sich in dieser herzlichen Atmosphäre einzubringen. Sie sind seit 1998 selber Partnerin bei Baker & McKenzie, seit Sommer 2012 verantworten Sie als Managing Partnerin für Deutschland und Österreich das heimische Geschäft der Kanzlei. Wie beobachten Sie die aktuelle Generation von Einsteigern? Mir fällt auf, dass der Nachwuchs von heute mehr plant, als wir es damals gemacht haben. Die junge Generation denkt früher und intensiver darüber nach, wie ihre Lebensplanung aussieht und welche Rolle der Beruf dabei spielen soll. Denkt der Nachwuchs heute zu früh und zu viel nach? Ich bin ein Freund davon, Dinge auch mal auf sich zukommen zu lassen. Junge Menschen, die jeden kleinen Schritt vorausplanen, verpassen dabei manchmal gute Gelegenheiten, die sich nicht einplanen lassen. Nehmen Sie zum Beispiel Frauen, die lange an ihrer Karriere planen, aber eines Tages zu alt dafür sind, Kinder zu bekommen, falls sie sich Familie wünschen. Als Sie Ihr erstes Kind bekamen, hatte Ihre Karriere noch nicht einmal begonnen. Genau, wobei das Thema Familie bei mir während des Studiums zunächst überhaupt keine Rolle gespielt hatte. Das änderte sich erst, als ich kurz nach dem ersten Staatsexamen früh heiratete. Dann kam der Moment, als ich mir ganz konkret drei Fragen stellte: Will ich eine Familie gründen? Will ich Kinder und Karriere vereinbaren? Wie macht die Fortsetzung meiner Ausbildung Sinn? Können Sie sich noch erinnern, welche Erfahrungen und Eindrücke Sie damals positiv motiviert haben? Sicherlich meine Erfahrungen in den USA. Ende der Achtzigerjahre habe ich in Philadelphia an einem LL.M.-Programm teilgenommen. Ich habe im Team mit anderen jungen Menschen gelernt. Deren Begeisterung und Zielstrebigkeit haben mich sehr motiviert. Meine Zulassung in New York – das New York Bar Exam – habe ich dann im Anschluss an das LL.M. gemacht. Nicht, weil ich das von langer Hand geplant hatte, sondern weil meine ehemaligen Mitstudierenden das auch gemacht haben. Also bin ich mitgegangen. Schritt für Schritt in die Karriere. Und dann kam das erste Kind. Richtig, gleich zu Beginn meines Referendariats. Dabei wollte ich nach meiner Zulassung in New York unbedingt dort auch einmal arbeiten. Und? Ich habe es gemacht. Während der Wahlstation. Mit kleinem Kind. Das geht natürlich nur, wenn man sich in einer Beziehung weiß, in der beide felsenfest hinter dieser Entscheidung stehen und diese Entscheidung auch verantwortungsvoll mit Leben füllen. Wenn eine Frau einen Mann an ihrer Seite hat, der denkt, es sei eigentlich doch besser, wenn die Frau zu Hause bleibt und die Kinder hütet, dann wird es schwierig. Zudem muss man bereit sein, gewisse Einschränkungen hinzunehmen. Man darf sich keine Illusionen machen: Als vollberufstätige Frau und Mutter wird man seine Kinder weniger häufig sehen als eine Frau, die nicht arbeitet. Und man hat auch weniger Zeit für sich selbst und seine Hobbys. Entscheidend ist daher, sich ehrlich die Frage zu stellen: Ist das für mich der richtige Weg? Hatten Sie auf der anderen Seite Zweifel, dass Ihr Arbeitgeber diesen Weg vielleicht nicht mitgehen möchte? Dass Sie als junge Mutter auf dem Weg nach oben gebremst werden? Nein, nie. Als ich nach dem Referendariat 1994 bei Baker & McKenzie als Anwältin einstieg, hatte ich schon zwei Kinder. Ich arbeitete 80 Prozent, der Freitag war mein freier Tag. Ich erhielt von meinen Kollegen sehr viel Unterstützung, um dieses Teilzeitmodell auch wirklich leben zu können.

Zur Kanzlei

Mit rund 2350 angestellten Anwälten, rund 1400 Partnern sowie mehr als 70 Büros in 45 Ländern gehört die Anwaltskanzlei Baker & McKenzie zu den größten der Welt. In den Büros in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main und München beraten rund 45 Partner und mehr als 200 zugelassene Rechtanwälte zu einer Vielzahl von Tätigkeitsbereichen wie Arbeitsrecht, Aktien- und Kapitalmarktrecht, Bank- und Finanzrecht, Gesellschaftsrecht, Gewerblicher Rechtsschutz oder Kartellrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht und Steuerrecht. www.bakermckenzie.com

„Kreative Lösungen gesucht“

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32 Jahre alt – und schon Partner: Dr. Stefan Heutz hat in der Kanzlei Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare schnell Karriere gemacht. Nun ist es seine Aufgabe, als Mitverantwortlicher für das Recruiting selber nach Nachwuchs Ausschau zu halten. Im Interview sagt er, worauf es ihm dabei ankommt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Stefan Heutz, Foto: Stefan Heutz
Stefan Heutz, Foto: Stefan Heutz
Dr. Stefan Heutz, 32 Jahre, ist seit einem Jahr Partner der Kanzlei Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare mit Sitz in Essen. Er hat sich auf Gesellschafts- und Umwandlungsrecht sowie auf Unternehmenstransaktionen spezialisiert. Zudem ist er Mitglied des Recruiting-Teams der Kanzlei, bei der derzeit 46 Rechtsanwälte beschäftigt sind – Tendenz steigend.
Herr Dr. Heutz, Ihre Kanzlei sitzt in Essen – ein eher ungewöhnlicher Standort für Wirtschaftskanzleien. Wo liegt der Vorteil im Vergleich zu Städten wie Düsseldorf oder Frankfurt? In der Region Rhein und Ruhr besteht aufgrund ihrer industriell geprägten Wirtschaftsstruktur eine deutlich höhere Nachfrage nach unseren Beratungsschwerpunkten Gesellschaftsund Umwandlungsrecht, Kollektivarbeitsrecht, Energie- und Umweltrecht. Eine Stadt wie Frankfurt ist dagegen eher auf das Finanzwesen fokussiert. Natürlich ist der kurze Weg zum Mandanten ein ausschlaggebender Faktor bei der Wahl des Kanzleisitzes. Welche weiteren Ansprüche stellen Mandanten heute an die Wirtschaftskanzlei ihrer Wahl? Eine herausragende fachliche Kompetenz ist selbstverständlich. Daneben wünschen sich Mandanten zunehmend eine lösungsorientierte Denkweise sowie Verständnis für die wirtschaftlichen und technischen Hintergründe ihrer Projekte. Es geht also nicht mehr nur darum, als Anwalt Sachverhalte in Vertragssprache zu „übersetzen“, sondern um eine sachverständige und kreative Begleitung des Projekts von Beginn an. Daher rückt bei der Auswahl von Beratern der Wunsch nach einer vertrauensvollen und langfristigen Zusammenarbeit in den Vordergrund. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass Projektabläufe immer komplexer werden und sich gleichzeitig verdichten. Die Bedeutung eines „Hausjuristen“ dagegen, der als reiner Prozessvertreter tätig ist, hat in den letzten beiden Jahrzehnten abgenommen. Was bedeutet das für junge Juristen: Welche Fähigkeiten sind heute bedeutsamer denn je? Berufseinsteiger sollten schon in der Ausbildung Wert auf eine wirtschaftliche und lösungsorientierte Herangehensweise gelegt haben. Die Beschäftigung mit wirtschaftlichen und technischen Zusammenhängen in Abgrenzung zur reinen Juristerei ist dabei wertvoll. So können extrakurrikulare Engagements von Vorteil sein, wenn es darum geht, das Anliegen der Mandanten zu verstehen und in seinem Sinne eine praxisgerechte Lösung zu erarbeiten. Welche Engagements können das sein? Je nach Beratungsfeld zum Beispiel eine Banklehre, das Erlernen einer Programmiersprache oder einfach ein ausgeprägtes Interesse an technischen oder naturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Sie sind 32 Jahre alt und sei 2012 Partner der Kanzlei. Wie wichtig ist es, als Wirtschaftsjurist über einen großen Erfahrungsschatz zu verfügen? Der Erfahrungsschatz ist für einen Berater wichtig; er darf aber unkonventionellen Lösungsansätzen und Kreativität nicht im Weg stehen. Stets muss der Blick auf die konkreten Umstände des jeweiligen Mandats gerichtet sein – wobei hochkomplexe Mandate erfordern, dass der Berater auf der Grundlage seiner Erfahrung eine maßgeschneiderte Lösung für den jeweiligen Sachverhalt entwickelt. Wie kann es jungen Juristen gelingen, diesen Erfahrungsschatz zu erwerben? Indem sie so früh wie möglich mit berufserfahrenen Kollegen in vielfältigen Rechtsgebieten Mandate bearbeiten. Die Tätigkeit in Hinterzimmern, womöglich noch in einem sehr begrenzten juristischen Sektor, hilft hier nicht weiter. Ein anspruchsvoller Job. Wie wichtig ist dabei von Beginn an eine gute Balance aus Arbeit und Privatleben? Natürlich ist der Berufseinstieg eine herausfordernde Lebensphase. Trotzdem achten wir auch bei jungen Juristen darauf, dass sie nicht den Kontakt zum Leben außerhalb der Kanzlei verlieren. Denn nur bei einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Privatleben bleibt die Freude an der Arbeit erhalten.

Genau in der Sache, geschätzt im Team

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Zwischen Rechtsmonopol und Beratungsauftrag: Erfolgreiche Wirtschaftsanwälte punkten, wenn die Mandanten ihnen vertrauen. Dafür brauchen sie Erfahrung und Wissen, Kontakte und Talent. Recruiting-Verantwortliche deutscher Wirtschaftskanzleien erzählen, wie sich Nachwuchsjuristen diese Dinge aneignen können – und warum es wichtig sein kann, die erste Wahl fürs Bierchen am Abend zu sein. Von André Boße

Vor wenigen Monaten standen die Anwälte von BDO Legal, der beratenden Kanzlei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, vor einem kniffligen Problem: Ein Mandant hatte erwogen, ein anderes Unternehmen zu übernehmen. Das Ergebnis einer ersten Analyse: ein risikoreiches Unterfangen. Die M&A-Spezialisten erarbeiteten einen Weg, um die aufgedeckten Risiken im Rahmen der Übernahme zu decken. „Während der Verhandlungen bekamen wir jedoch zusätzlich ein ungutes Gefühl, da sich diverse Angaben und Äußerungen der Verkäufer und der Zielgesellschaft widersprachen“, erinnern sich die beiden Geschäftsführer von BDO Legal, Erika Kutz-Benger und Parwäz Rafiqpoor. Doch der Mandant beharrte zunächst auf seinem Plan: Er wollte die Übernahme unbedingt durchziehen. Die Anwälte saßen lange mit dem Mandanten zusammen, wogen das Für und das Wider ab – und überzeugten ihn schließlich davon, die Verhandlungen nicht fortzusetzen. Eine richtige Entscheidung: „Heute ist das Unternehmen, das übernommen werden sollte, insolvent – und unser Mandant froh und dankbar.“ Branchenkenntnisse wichtig Die Episode macht deutlich, wie sich das Berufsverständnis von Wirtschaftsanwälten in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Vorbei die Zeit, als die Juristen ausschließlich auf Handlungen und Absichten ihres Mandanten reagierten und ihre eigene Meinung tunlichst unterdrückten. Zwar trifft noch immer der Mandant die wirtschaftlichen Entscheidungen. „Aber der anwaltliche Berater sollte diese so betrachten, als wären es seine eigenen Chancen und Risiken, die es zu bewerten gilt“, formulieren es die Geschäftsführer von BDO Legal. Klingt logisch. Bringt aber einiges mit sich. Wer heute als Wirtschaftsanwalt in einer großen Kanzlei einsteigt, muss in der Lage sein, die Chancen und Risiken zu erkennen und zu bewerten. Und zwar nicht nur aus juristischer Sicht, sondern auch aus der Perspektive seines Mandanten. Dafür muss der anwaltliche Berater verstehen, wie Unternehmer ticken. Er muss aber auch begreifen, was die Branche auszeichnet, in welcher der Mandant tätig ist. Muss ihre Eigenarten einschätzen und Zeichen des Wandels erkennen können. Fester Ansprechpartner Für den Beruf des Wirtschaftsjuristen bedeutet dieses Jobprofil einen Paradigmenwechsel. „Wer heute sein Jurastudium absolviert hat, dem stellt sich nicht mehr nur die Frage, in welches Rechtsgebiet er einsteigen möchte, sondern auch in welche Branche“, sagt Stefan Kursawe, Partner der Münchener Wirtschaftskanzlei Heisse Kursawe Eversheds. Viele große Sozietäten haben damit begonnen, ihre internen Strukturen an die neuen Herausforderungen anzupassen: Weg von den Praxisgruppen für bestimmte Themen und Rechtsgebiete, hin zu Gruppen, die sich an Sektoren und Branchen ausrichten. So bildet sich zum Beispiel eine Gruppe „Energie“, die sich dann mit allen möglichen Aspekten des Energiesektors beschäftigt – von gesellschafts- bis zu verwaltungsrechtlichen Fragen. „Juristen sollten die Sektoren und Branchen kennen und sich in sie einarbeiten“, fordert Stefan Kursawe. Beispiel Automobilindustrie: Anwaltliche Berater müssen wissen, was diese Branche auszeichnet. Dass die Gewerkschaften stark sind. Oder dass die Branche aus einem einzigartigen Geflecht aus Autobauern und Zulieferern besteht. „Ein Mandant aus einer Branche erwartet, so weit wie möglich über die Fachbereiche hinaus einen einheitlichen Ansprechpartner zu haben“, sagt Parwäz Rafiqpoor von BDO Legal. Für die Mandanten ist die rechtliche Materie komplex genug – da ist es verständlich, dass sich Unternehmer bei der Kanzlei ihrer Wahl einfache Strukturen wünschen, die den persönlichen Aufwand und nicht zuletzt die Beratungskosten verringern. Jura-Know-how bleibt Voraussetzung Doch was bedeutet dieser Paradigmenwechsel für Einsteiger? Ganz sicher nicht, dass das klassische Fachwissen an Bedeutung verloren hat. Exzellentes juristisches Know-how ist und bleibt die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Karriere – schon alleine, um sich als anwaltlicher Berater von den strategischen Unternehmensberatern abzugrenzen: „Der klassische Unterschied zum Consultant sollte sein, dass der Anwalt im Sinne seines Mandanten nicht seine Kernkompetenz aufgibt: Der Jurist ist der Experte für die Rechtsfragen. Er weiß, was rechtlich erlaubt ist und was nicht“, sagt Stefan Kursawe. „Hier kann der Unternehmensberater nicht mithalten. Und diesen Vorsprung sollte der Anwalt dann auch nutzen.“ Gute Nachricht für Absolventen: Die für das Recruiting verantwortlichen Partner in den großen Wirtschaftskanzleien sind zufrieden mit dem juristischen Wissensstand der Einsteiger. „Die Unis vermitteln weiterhin das klassische Handwerkszeug eines Juristen“, sagt Stefan Kursawe. „Ein Absolvent ist damit nach dem Studium in der Lage, sich einem für ihn bislang unbekannten Rechtsgebiet zu nähern – ein Können, das zwingend notwendig ist.“ Doch das Notwendige reicht alleine nicht aus. „Das Beratungsgeschäft ist ein People-Business“, sagt Stephan Brandes. Der für das Recruiting verantwortliche Partner der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz glaubt sogar, dass die Mandanten eine Kanzlei nicht in erster Linie wegen des guten Namens beauftragen. „Entscheidend ist, dass sie den persönlichen Kontakt zu den Anwaltspersönlichkeiten schätzen.“ Eine Sicht, die auch Alexander Schwarz, Partner der Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz bestätigen kann: „Am Ende kommt es häufig auf die Chemie zwischen Unternehmen und Kanzlei an. Ein Mandant sagte mir einmal: ,Ich weiß, dass dieses rechtliche Problem in Deutschland auch noch ein paar andere lösen können – und ich entscheide mich für den, von dem ich denke, dass man mit ihm abends auch mal ein Bier trinken kann.’“

Thema der Stunde: Compliance

Nach Ansicht vieler Experten ist Compliance in großen Wirtschaftskanzleien das Thema der Stunde – und zwar nicht nur in den klassischen Compliance- Bereichen wie dem Kartellrecht, sondern zum Beispiel auch im Gesellschaftsrecht: Hier arbeiten Gesellschafts- und Aktienrechtler eng mit Strafrechtlern zusammen, um die Unternehmen und ihre Vorstände umfassend zu beraten. Das Neue: Unternehmen treten an Kanzleien heran und wünschen sich den Aufbau eines Compliance-Systems, bevor Not am Mann ist und die Behörde an die Tür klopft. Alexander Schwarz von Gleiss Lutz: „Das macht die Arbeit einerseits entspannter. Andererseits sind natürlich gerade solche vorausschauenden Mandate unter den Kanzleien besonders beliebt und entsprechend umkämpft.“
Gute Erfahrungen mit Generation Y Kein Wunder, dass „Jura-Maschinen“ mit Einserexamen, aber Defiziten auf der sozialen Seite bei vielen Großkanzleien durchs Raster fallen: „Gut ist, wenn ich von Beginn an spüre, dass ein Kandidat Spaß am gesellschaftlichen Kontakt hat und gut mit Menschen umgehen kann“, sagt Alexander Schwarz – und meint damit Menschen aus allen Teilen der Erde, „schließlich sind rund 80 Prozent unserer Mandate international“. Grund zur Klage hat der Recruiter für Gleiss Lutz beim Blick auf die Einsteiger von heute jedoch nicht. „Bewerber aus der sogenannten Generation Y bieten häufig spannendere Lebensläufe, weil es für sie als Studenten nicht nur das Jura-Studium gab, sondern ihnen auch andere Dinge wichtig waren. Diese Kandidaten sind besonders offen und neugierig – zwei sehr wichtige Eigenschaften für exzellente Juristen.“ Damit Einsteiger ihre Offenheit und Neugier schnell beweisen können, setzen die erfolgreichen Wirtschaftskanzleien darauf, die jungen Juristen schnell ins Tagesgeschäft mit einzubeziehen. Viele Tage in Hinterzimmern gehören genauso der Vergangenheit an wie Dutzende Termine als „schweigend lernender Nachwuchs“ an der Seite eines erfahrenen Partners. „Der wichtigste Erfahrungsschatz resultiert aus der Praxis“, weiß SZA-Partner Stephan Brandes. „Wir bemühen uns daher, junge Kräfte in ein breites Feld unterschiedlicher Tätigkeiten einzubinden. So bieten wir ihnen die Möglichkeit, vielfältige Erfahrungen zu sammeln und ihre Neigungen kennenzulernen.“ Entscheidend für den Karriereeinstieg ist dabei häufig das Verhältnis zum vorgesetzten Partner: Gelingt es dem Nachwuchsjuristen, diesen als Mentor und persönlichen Fürsprecher zu gewinnen, sind die Weichen für einen ausgezeichneten Einstieg häufig schon gestellt. Fast alle Großkanzleien bieten heute Strukturen, die ein enges Verhältnis zwischen angestelltem Anwalt und Partner möglich machen. „Wir legen viel Wert darauf, dass der Einsteiger eng mit dem betreuenden Partner zusammenarbeitet“, sagt Alexander Schwarz von Gleiss Lutz, wo auf einen Partner in der Regel nicht mehr als zwei Anwälte kommen. „So ist gewährleistet, dass der Partner auch die Zeit hat, sich dem jungen Kollegen zu widmen und regelmäßiges Feedback zu geben.“ Vertrauen ist der schönste Lohn Doch die Verantwortung liegt nicht nur beim Vorgesetzen: Die großen Sozietäten wünschen sich Nachwuchsjuristen, die ihre kommunikativen Stärken auch darlegen. „Juristen müssen bei uns Teamplayer mit ausgeprägter Leidenschaft für wissenschaftliches Arbeiten, wirtschaftliche Zusammenhänge und einem Talent für Kommunikation sein: genau in der Sache, geschätzt im Team“, bringen es Erika Kutz-Benger und Parwäz Rafiqpoor von BDO Legal auf den Punkt. Wer es versteht, diese Attribute zu vereinbaren, darf damit rechnen, schon bald zu einem Kanzleiteam zu gehören, in dem Wirtschaftsanwälte nicht nur Juristen, sondern langfristige Partner an der Seite des Mandanten sind. „Einer unserer Mandanten rief uns letzte Woche an und bat um Rat in einer Angelegenheit, die keinerlei juristischen Hintergrund hatte“, erzählen die beiden Geschäftsführer von BDO Legal eine zweite Episode aus ihrem Arbeitsalltag. „Es handelte sich um eine für den Mandanten ungewohnte Situation, und er hatte das Bedürfnis, gemeinsam mit uns zu überlegen, wie er sich in dieser am besten verhält.“ So kann es gehen, wenn der Mandant seinem Anwalt wirklich vertraut. „Wenn ein Wirtschaftsanwalt dort angelangt ist, hat er als juristischer Berater alles richtig gemacht.“

Thema von morgen: Innovation und Recht

Innovation ist ein Schlüsselwort für die Unternehmen – aber auch ein Feld, auf das sich noch nicht so viele Juristen spezialisiert haben. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen werden immer größer, zugleich befindet sich hier nach Ansicht von Experten noch viel juristisches Brachland. Ein Thema ist zum Beispiel eine engere Verschränkung von Arbeits- und Patentrecht: Unternehmen fragen sich verstärkt, welche Vergütungsmodelle es für erfinderische Mitarbeiter geben soll oder wie Innovationsmanagement organisiert werden kann. Stefan Kursawe von Heisse Kursawe Eversheds: „Hier kennt sich noch kaum ein Jurist aus, doch Fragen wie diese werden verstärkt in den Fokus rücken.“

Spitzenleistung macht Erfolgsdruck

Wer hätte das gedacht: Viele Spitzensportler stehen unter Erfolgsdruck und seien deshalb bereit zu strafbaren Handlungen wie Doping oder Wettkampfbetrug. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie der Deutschen Sporthilfe zu „Dysfunktionen des Spitzensports“. So haben immerhin 8,7 Prozent der von der Deutschen Sporthochschule in Köln befragten Sportler angegeben, „schon einmal an Absprachen über den Spiel- oder Wettkampfausgang beteiligt“ gewesen zu sein, 5,9 Prozent geben regelmäßiges Doping zu – 40 Prozent der mehr als 1100 befragten Athleten ließen die Frage nach Doping allerdings unbeantwortet.

Comeback der Masche

In Kassel häkeln ältere Damen modische Mützen für junge Leute. Jeder verkauften Mütze liegt eine Postkarte bei: Die Käufer können darauf Grüße an die Häkelheldinnen schreiben. Ganz nebenbei entspinnt sich ein Dialog zwischen den Generationen. Aufgezeichnet von Stefan Trees

Elisa Steltner und Nadja Ruby Diplom-Designerinnen Projekt: Alte Liebe Ort: Kassel Webseite: www.alte-liebe.com
Wie alles begann Für eine Projektarbeit in unserem Produktdesign-Studium an der Kunsthochschule Kassel haben wir uns gefragt: Wie bekommt man soziales Engagement und unternehmerisches Wirtschaften zusammen, sodass etwas Sinnvolles entsteht? Nadja war im Sommer zuvor in einem Surf-Camp in Frankreich, am Strand trugen alle Mützen, weil der Atlantik-Wind einem dort ständig um die Ohren braust. So entstand die Idee zu „Alte Liebe“ – Häkelmützen in modernem Style und liebevoll von Hand gefertigt von denen, die noch wissen, wie das geht: In Kassel häkeln Bewohnerinnen zweier Seniorenheime. Mittlerweile sind auch in Leipzig zwei Häkelgruppen entstanden. Dort unterstützt uns der Volkssolidarität Stadtverband Leipzig e.V., er stellt uns Räume zur Verfügung – so konnten wir wachsen. Warum wir das machen Die Frage nach der Sinnhaftigkeit unserer Arbeit stellte sich uns schon im Studium, wenn wir uns fragten: Was machen wir eigentlich den ganzen Tag? Unter Design versteht man ja oberflächlich: Dinge schön machen, so dass sie sich oft verkaufen und den Konsum fördern. Wir wollen aber sinnhaftes Design machen. Wir wirtschaften wie jedes Unternehmen, auch wenn wir keine Löhne zahlen – die Mütze müsste sonst über 100 Euro kosten. Der Kern des Projekts lautet deshalb: Der Marktwert und der soziale Mehrwert stehen in einem ausgewogenen Verhältnis. Was es bislang gebracht hat Unsere Damen erhalten neun Euro pro Mütze, die in einen Topf fließen für gemeinsame Ausflüge, Aktionen wie ein Jazz-Konzert im Seniorenheim oder kleinere Anschaffungen, die unsere Damen alleine zu organisieren und zu finanzieren in dieser Weise nicht in der Lage wären. Dass jede einzelne finanzielle Anerkennung allen Damen gleichermaßen zugutekommt, lässt keinen Leistungsdruck aufkommen und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Die Häkelgruppen werden von jungen Leuten geleitet, die Mitte Zwanzig sind, das fördert den Generationenaustausch, bringt Schwung und eine höhere Lebensqualität für die Damen. Sich ungezwungen und mit viel Freude auf etwas Neues einzulassen, das wird eben mit menschlichem Austausch angeregt. Jeder Mütze liegt eine Postkarte bei mit dem Namen der Dame, die sie gehäkelt hat. 30 bis 40 Prozent der Postkarten kommen zurück. Wir treffen uns alle 14 Tage mit den Damen, dann haben wir immer einen guten Stapel Karten dabei, die wir verteilen können – auf manchen ist ein Foto, eine war sogar mal umhäkelt – die Freude über diese Anerkennung ist immer riesig.

Freundliche Umwege statt Blumen

Petra Motte ist lizenzierter Coach für interkulturelles Training und bereitet Expatriates auf ihren Auslandsaufenthalt vor. Sie weiß genau, wie man Fettnäpfchen vermeidet und als Frau in Asien nicht nur beruflichen Erfolg findet, sondern bereichernde Lebenserfahrung sammelt. Von Daniela Kebel

Petra Motte, Foto: Grafika
Petra Motte, Foto: Grafika
„Bloß keine Blumen mitbringen“, warnt Petra Motte. „Die bedeuten ,abgeschnittenes Leben‘, und je nach Farbe sind sie sogar ein Symbol für den Tod.“ In Rollenspielen bereitet die lizenzierte Trainerin ihre Klienten auf den Auslandsjob in Südostasien vor. Ohne interkulturelles Training sollte heute niemand mehr in der Ferne arbeiten. „Da gibt es zu viele Fettnäpfchen, in die man treten kann“, weiß die Beraterin aus eigener Erfahrung. Sie hat in Manila, Bangkok und bis vor kurzem vier Jahre in Singapur gelebt – jetzt ist sie der „Asien-Coach“ für alle, die beruflich den Schritt in den fernen Osten wagen wollen. Der Job ist die eine Welt, das Privatleben die andere. Welche schwieriger zu managen ist? „Ganz klar die private“, sagt Petra Motte. Denn in einem asiatischen Land ticken die Uhren einfach anders. Vom Führerschein über das Mieten einer Wohnung bis zu Versicherungen und dem Arztbesuch ist alles fremd. „Man muss sich vorab sehr gut informieren, damit der Aufenthalt in Asien kein Sprung ins kalte Wasser wird.“ Schon allein den richtigen Supermarkt zu finden und zu wissen, wo man wie lange parken darf, kann eine Herausforderung sein. „In Singapur gibt es beispielsweise sehr strikte Regeln, was Parktickets anbelangt“, erzählt die Asienkennerin und fügt hinzu: „Unwissenheit schützt da leider nicht vor hohen Geldstrafen.“ Allerdings hat auch die neue Arbeitsumgebung ihre Besonderheiten. Der Job selbst ist zwar bekannt, die Kollegen aber neu. „Das Wichtigste vor der Reise ist eine intensive Vorbereitung auf die Mentalität“, so Motte. „Ob Lob, Kritik oder Smalltalk – plötzlich gelten ganz andere Regeln der Kommunikation.“ Asiaten beispielsweise sprechen Schwierigkeiten nie geradeheraus an, versuchen selbst Lösungen zu finden, anstatt sich hilfesuchend an Vorgesetzte zu wenden. „Gesichtsverlust ist ihre größte Sorge. Da muss man sich sehr zurückhalten mit Kritik.“ Vor allem Frauen, die letztlich in Deutschland ihre Führungsposition durch hohe Qualifikation und Durchsetzungsvermögen erreicht haben, sollten einen Gang zurückschalten. „Freundliche Umwege“ nennt Motte ihre Taktik. „Eine emanzipierte Frau tut in Asien gut daran, sich sehr höflich gegenüber den Untergebenen zu verhalten und sich niemals mit ihnen zu streiten.“ Zumal auch Hierarchien anders aufgebaut sind: „In Deutschland entscheiden Leistung, Kompetenz und Engagement über die Position in der Firma. In Asien hängt vieles von der Herkunft ab.“ Wer aus einer reichen, angesehenen Familie stammt, gelangt in eine hohe Position im Job. Qualifikation ist da oft Nebensache. „Sich durchzusetzen, ohne dass Kollegen ihr Gesicht verlieren, ist schwer genug. Dazu kommt, dass viele Gesellschaften Frauen entweder keine Führungsrolle zugestehen oder diese im Gegenteil als selbstverständlich erachten. Auf beide Fälle sollte man sich vorbereiten“, sagt die Trainerin. Hat man den Bogen aber erst einmal raus, sollte es doch laufen, oder? „Jeder kommt in Situationen, in denen er automatisch agiert“, sagt Motte. „Das sind unsere anerzogenen Verhaltensweisen, die das Leben in unserem Kulturkreis ermöglichen.“ Ablegen könne die niemand – egal, wie lang der Auslandsaufenthalt dauert. Für eine gewisse Zeit wird aber die eigene Mentalität überlagert von den Umgangsformen im fremden Land. „Das ist anstrengend“, erinnert sich die Trainerin an ihre Jahre in Asien. „Überall lauern Fettnäpfchen.“ Wird man beispielsweise zu einer Hochzeit eingeladen, müsse man unbedingt vorher den Dresscode erfragen. Und sich erkundigen, in welchem Restaurant gefeiert werde. „Es ist üblich, Geldgeschenke im Wert des eigenen Essens mitzubringen“, erzählt Motte. Bei aller Faszination für das Neue sei es wichtig, sich im Ausland sofort Rückzugsorte zu schaffen, in denen man ganz nach seiner eigenen Kultur leben könne. Dass man sich deutsche Bekannte und Freunde suche und zu Hause möglichst auch nur die Muttersprache spreche. „Sonst verliert man sich in der kulturellen Mischform und findet sich weder in der Heimat noch im Ausland hundertprozentig zurecht.“ Die zentrale Frage, die Petra Motte im Coaching stellt, ist, ob derjenige sich wirklich auf das asiatische Land einlassen kann. Dafür gibt es einen Fragenkatalog, der die grundsätzliche Fähigkeit und Bereitschaft dazu ermittelt. Dieser Intercultural Readyness Check gibt Kandidaten, Coach und auf Wunsch auch dem Personalchef Aufschluss darüber, ob der richtige Mitarbeiter ins Ausland entsandt wird. „Geht der falsche, ist es für ihn selbst keine gute Erfahrung, und es kostet die Firma viel Geld. Denn letztlich hängt ein kompletter Umzug dran, eventuell mit Partner, Familie und Haustieren.“ Einmal entschlossen, sollten aber vor allem Frauen die Chance eines Auslandaufenthaltes nutzen, um von den Erfahrungen zu profitieren. „Wer ein Team in Asien geleitet hat, wird künftig in wichtige Prozesse einbezogen, Fähigkeiten werden schneller anerkannt.“ Und was ist der Lohn, wenn der Expatriate im Ausland erfolgreich war? „Das gibt Selbstbewusstsein! Vor allem deshalb, weil man sich jahrelang in einer fremden Sprache allen Herausforderungen stellen musste“, resümiert Motte und fügt hinzu: „Alles Weitere im Job wird dann ein Spaziergang.“
Intercultural Readyness Check (IRC) Der Test basiert auf 63 Fragen zum Thema interkulturelle Kommunikation, Risikobereitschaft, Einfühlungsvermögen und interkulturelle Sensibilität. Mit mehr als 25.000 individuellen Profilen ist der Test ein weltweit anerkanntes Erhebungsverfahren, um die interkulturellen Kompetenzen zu messen. Am Ende wird ein Profil ausgedruckt, in dem typische Stolperfallen erläutert und mögliche Handlungsalternativen vorgeschlagen werden. In einem persönlichen Gespräch besprechen Teilnehmer die Ergebnisse mit ihrem IRC-Coach.Die Teilnahme an diesem Test ist von einem interkulturellen Training unabhängig und kann auch einzeln gebucht werden. Der Test bietet eine fundierte Grundlage für Bewerbungsgespräche, gibt Hilfestellungen bei der Entscheidung für einen beruflichen Auslandsaufenthalt und informiert über individuelle persönliche Kompetenzen.Weitere Informationen auf der Website von Petra Motte: www.movasis.com