Start-ups sind für das Vorantreiben ihrer Produkte dringend auf Kapital angewiesen. Konzerne suchen frische Ideen, um mit der Zeit zu gehen und den Kunden neue und benutzerfreundliche Services anbieten zu können – vor allem auch, um in Sachen Digitalisierung up-to-date zu bleiben. Daraus kann eine Verbindung entstehen, die sich für beide Seiten rechnet. Von Christoph Berger
Das Kölner Unternehmen Gridscale entwickelt einfachste Infrastructure as a Service-Lösungen (IaaS) und tritt mit ihnen in die nächste Generation des Cloud-Computings ein. Im September 2014 wurde die Firma gegründet, etwa ein Jahr später, im November 2015, ging sie an den Markt. Einige namhafte Unternehmen konnten bereits von den entwickelten Leistungen und Produkten überzeugt werden. Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) gab im August dieses Jahrs bekannt, in das Start-up zu investieren. Der Fonds beteiligt sich initial mit 600.000 Euro; insgesamt stellt der Fonds bis zu zwei Millionen Euro pro Unternehmen zur Verfügung.
Deutsche Corporate Inkubatoren und Accelerator
Die Professur für Strategisches Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat als Anhang zur Studie „Corporate Startup Summit“ einen „Status Quo Corporate Inkubatoren und Accelerator in Deutschland“ erstellt. Darin sind 20 Unternehmensableger deutscher Unternehmen zu finden, die auf Corporate-Venture-Capital spezialisiert sind. Die einzelnen Programme werden außerdem detailliert beschrieben.
www.juliankawohl.de/blog/ubersicht-zu-inkubator-und-accelerator-programmen-in-deutschlan
Es handelt sich dabei um eine sogenannte Seedfinanzierung: Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sollen mit der Bereitstellung der Gelder zu einem Prototypen beziehungsweise einem „Proof of Concept“ oder zur Markteinführung führen. Investoren der Public-Private-Partnership sind neben dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und der KfW Bankengruppe auch 18 Wirtschaftsunternehmen. HTGF-Investment Manager Ruth Cremer sagt zu dem Investment: „Das prognostizierte Wachstum im für Gridscale relevanten Markt von derzeit 20 auf deutlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar in 2020 war ein guter Grund für den HTGF zu investieren, aber nicht ausschlaggebend. Insbesondere die Gründerpersönlichkeiten und die herausragende Technologie von Gridscale haben uns überzeugt.“
Das, was beim HTGF in Kooperation zwischen öffentlichen Institutionen und der Privatwirtschaft stattfindet, das Investieren in vielversprechende Start-ups, findet vonseiten der Unternehmen weltweit immer häufiger statt. Laut der von The Boston Consulting Group (BCG) erstellten Studie „Corporate Venturing Shifts Gears: How the Largest Companies Apply a Broad Set of Tools to Speed Innovation” weckt die Start-up-Welt zunehmend das Interesse großer Konzerne. Demnach investieren vier von zehn der 30 weltweit größten börsennotierten Unternehmen in sieben innovationsgetriebenen Branchen – Automobil, Chemie, Konsumgüter, Finanzdienstleistungen, Medien und Verlagswesen, Technologie und Telekommunikation – inzwischen in die Gründer-Firmen.
„Mittlerweile ist Corporate-Venture-Capital auch ein strategisches Instrument für Unternehmen, um schneller Innovationen und revolutionäre Technologien zu entwickeln und die Attraktivität neuer Geschäftsmodelle und Märkte zu testen“, erklärt Michael Brigl, Partner bei BCG und Koautor der Studie. Deutschland belegt dabei innerhalb Europas Rang 1 – in den vergangen fünf Jahren hätten Unternehmen aus Deutschland 1,3 Milliarden US-Dollar in Corporate-Venture-Capital investiert, heißt es. Global betrachtet liegt Deutschland damit auf Platz 4. Bayer, Robert Bosch, Microsoft, Axa und die Allianz – sie alle eint, dass sie Start-ups unterstützen. Auch der Energiekonzern Evonik betreibt mit Evonik Venture Capital ein solches Unternehmen, Adidas hat Hydra Ventures und die Deutsche Telekom unter anderem hub:raum.
Software-Start-ups sind besonders gefragt
BCG hat zudem herausgefunden, dass es vor allem Software-Unternehmen sind, in die gerne investiert wird. Die Gründe dafür sind der steigende Wert von Daten sowie die Digitalisierung und Visualisierung. Global betrachtet, belaufen sich die CVC-Investitionen der Top-30-Unternehmen in Software-Start-ups auf 52 Prozent.
Deep Learning: Maschine wird zum Gehirn
Das Berliner Start-up Heuro Labs zählt weltweit zu den Pionieren bei der Entwicklung neuer KI-Technologien. Das IT-System Cognitio wird in die Lage gebracht, Daten wie Bilder oder Audio zu erkennen, zu verstehen – und daraus Schlüsse zu ziehen. „Menschliche Intelligenz hat ein Limit, was Raum und Zeit betrifft“, sagt Co-Gründer Mohammed Sayed. „Es dauert, bis wir Dinge herausbekommen, zudem können wir nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.“
Maschinen sind rasend schnell, werden nicht müde und können dupliziert werden. Derzeit arbeitet das Team daran, Systeme auch aus kleineren Datensätzen lernen zu lassen und weniger Rechner einzusetzen. Sayed: „Wir können gut arbeitende Modelle innerhalb von Minuten aufbauen.“
Weitere Infos unter www.heurolabs.com
Doch es sind nicht nur die Konzerne, die, um wettbewerbsfähig und nahe am Markt zu bleiben, von den Investitionen profitieren. Auch für die Start-ups ist die Finanzierung ihrer Ideen von immenser Bedeutung – bei mangelndem Budget sogar das größte Hemmnis. So hat der Digitalverband Bitkom in einer Umfrage herausgefunden, dass die jungen Unternehmen in den kommenden zwei Jahren jeweils im Durchschnitt 2,4 Millionen Euro frisches Kapital benötigen. Der Bedarf richtet sich dabei nach der Größe: Bei Start-ups mit nur ein bis drei Mitarbeitern liegt der Bedarf bei rund 640.000 Euro, bei denen mit vier bis neun Mitarbeitern sind es 1,7 Millionen Euro, bei 10 bis 19 Mitarbeitern 3,1 Millionen Euro und bei Start-ups ab 20 Mitarbeitern steigt die notwendige Finanzierung sogar auf 4,7 Millionen Euro.
„Auch wenn sich die Finanzierungssituation für Tech-Start-ups in Deutschland in den letzten Jahren verbessert hat, ist fehlendes Kapital nach wie vor die größte Hürde, um Teams aus Deutschland international erfolgreich zu machen“, sagt Bitkom-Geschäftsleiter Niklas Veltkamp. „Aus Sicht der Start-ups dauert es zudem zu lange, bis Finanzierungsrunden abgeschlossen sind.“ Im Schnitt dauern Finanzierungs-runden mit einem Business Angel fünf Monate, mit Venture-Capital-Investoren sind es sieben Monate. Ein richtiger Schritt ist laut Bitkom jedoch der Plan des Bundesfinanzministeriums, einen sogenannten Tech Growth Fund mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro aufzulegen: Für jeden Euro an Wagniskapital, den ein Gründer erhält, soll er aus dem Fonds zusätzlich einen Euro Kredit erhalten.