„Alleinstellungsmerkmale sind wichtig“

Interview mit Ina Steidl

Foto: Fotolia/venusangel
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Ina Steidl ist Teilhaberin und Geschäftsführerin der juristischen Personalberatung Schollmeyer & Steidl. Im Interview bewertet sie die Relevanz der juristischen Zusatzausbildungen und erklärt, warum Karrieren auf Basis von zwei nur ausreichenden Examina möglich, aber schwierig sind. Von André Boße

Zur Person

Ina Steidl, Foto: Ina Steidl
Ina Steidl, Foto: Ina Steidl

Ina Steidl studierte Jura in Berlin, London und St. Andrews. Ihr Referendariat absolvierte sie in Berlin und Los Angeles. Nach dem zweiten Staatsexamen war sie für ein Jahr in einer Berliner Kanzlei als Rechtsanwältin im Bereich Gesellschafts-, Bau- und Zivilprozessrecht tätig. Im Herbst 2000 ging sie zum LL.M.-Studium nach Bristol, Großbritannien. Sie begann eine Tätigkeit als Rechtsanwältin bei Linklaters, arbeitete als Beraterin bei Hays Legal und ist seit 2006 Teilhaberin und Geschäftsführerin der Legal-Recruitment-Agentur Schollmeyer & Steidl.

Frau Steidl, wann sollte man sich als angehender Jurist sinnigerweise Gedanken über eine juristische Zusatzausbildung machen: Möglichst früh? Oder erst nach den Examen?
Das kommt individuell auf den Kandidaten an. Einen Idealzeitpunkt gibt es nicht, jeder muss für sich entscheiden, wann er sich einer Zusatzausbildung widmet. Ich würde aber empfehlen, während des Studiums schon einmal ins Ausland zu gehen, zunächst das erste Examen abzuschließen. Mit Blick auf das zweite Examen ergibt sich gegebenenfalls eine Wartezeit, die sich sinnvoll mit einer ersten Zusatzausbildung überbrücken lässt. Ob man parallel oder später noch eine zweite Zusatzausbildung drauflegen will, hängt dann wiederum von den Karrierevorstellungen und Optionen des Juristen ab.

Die beruflichen Möglichkeiten für Juristen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich ausdifferenziert. Vor allem die Wirtschaft bietet immer mehr Karriereoptionen. Welche Weiterbildungen haben dadurch an Gewicht gewonnen – und welche verloren?
Sicher haben die Masterabschlüsse aus dem englischsprachigen Ausland an Bedeutung gewonnen. Man zeigt damit unter anderem, dass man über gute Sprachkenntnisse verfügt sowie die Fähigkeit besitzt, sich in einer anderen Kultur zurechtzufinden. Die Promotion nimmt dagegen unserer Beobachtung nach an Bedeutung etwas ab.

Gibt es dennoch weiterhin Karrierewege, für die die Promotion zwingend notwendig ist?
Für den Einstieg in einige größere und kleinere deutsche Anwaltskanzleien, die einen hohen Wert auf akademische Exzellenz legen, ist die Promotion weiterhin quasi zwingende Voraussetzung. Die internationalen Großkanzleien hingegen sehen den Dr. jur. zwar weiterhin gern, er ist aber schon lange kein Muss mehr.

Ist ein Fachanwaltstitel eine optimale Zusatzausbildung, um in einem bestimmten Metier erfolgreich zu sein?
Bei der Masse an deutschen Juristen ist es tatsächlich erstrebenswert, sich gewisse Alleinstellungsmerkmale zu verschaffen. Dies kann ein Fachanwaltstitel sein.

Gibt es einen Trend im Bereich der Zusatzausbildungen, den Sie mit Ihrer Erfahrung im Legal Recruitment kritisch betrachten?
Inzwischen bieten auch viele deutsche Universitäten LL.M.-Seminare an. Es macht meines Erachtens für deutsche Juristen wenig Sinn, diese in Deutschland zu belegen. Man sollte dies im Ausland tun, um zugleich Erfahrungen mit einer anderen Sprache und in einem anderen kulturellen Umfeld zu sammeln.

Wenn man mit Partnern und Personalverantwortlichen der großen Kanzleien spricht, heißt es häufig, es komme vor allem auf die praktischen Erfahrungen an. Zugespitzt gefragt: Kommt ein exzellenter Praktiker auch ohne Zusatzausbildung bis nach ganz oben?
Es gibt in der Generation der Juristen 45plus recht viele, die ohne Zusatzausbildung sehr erfolgreich sind – sowohl als Anwalt in der Kanzlei als auch in Unternehmen. Überspitzt darf man feststellen: Selbst mit zwei ausreichenden Examina kann man es weit bringen, wenn man sein Metier und seine Mandanten gut versteht und sich als Berater gut verkaufen kann. Weil generell Zusatzausbildungen an Gewicht gewinnen, werden diese Karrierewege allerdings immer schwieriger.