Interview mit Christoph Kübel

Der Arbeitsgestalter

Christoph Kübel, Foto: Bosch
Christoph Kübel, Foto: Bosch

Als Geschäftsführer und Arbeitsdirektor von Bosch ist Christoph Kübel ein Experte für Ingenieurarbeitsplätze. Im Interview erklärt der 54-Jährige, wie Ingenieure heute arbeiten und welche Ansprüche ein Technikkonzern an seinen technischen Nachwuchs stellt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Christoph Kübel, geboren 1959 in Stuttgart, ist seit Januar 2012 Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Robert Bosch GmbH. Er studierte Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Pforzheim; das Diplomexamen legte er 1986 ab. Er begann seine Karriere als Teilnehmer des Bosch-Führungskräftenachwuchsprogramms JMP (Junior Managers Program) und ist im Laufe der Jahre vom Trainee bis zum Personalgeschäftsführer aufgestiegen. Christoph Kübel ist begeisterter Hobbyläufer und nutzt die Mittagszeit häufig für Joggingrunden mit anderen sportlich interessierten Kollegen.

Herr Kübel, wenn ein Bosch-Ingenieur, der vor zehn Jahren seine berufliche Laufbahn beendet hat, heute noch einmal den Konzern besuchen und seine jungen Kollegen beobachten würde, über welche Entwicklung würde er sich am meisten wundern?
Er wird bei uns neben bekannten Produkten ganz neuartige Aufgabengebiete finden. Wir wollen alle unsere elektronischen Geräte internetfähig machen – sowohl im Bereich der Mobilitätslösungen und der Industrietechnik als auch in der Energie- und Gebäudetechnik und bei den Gebrauchsgütern. Bei Bosch geht es also um weit mehr als automatisiertes Fahren. Unsere Ingenieure arbeiten an Smart Homes, intelligenten Energiesystemen oder auch an der vernetzten Produktion. In Bezug auf die Arbeitskultur wird der Besucher erleben, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bei uns weiterhin einen hohen Stellenwert hat. Und er wird dabei unseren Wandel hin zu einer flexiblen Arbeitskultur beobachten. In unserem Unternehmen steht nicht mehr die Präsenz am Arbeitsplatz im Mittelpunkt, sondern das Ergebnis der Arbeit.

Ingenieure in technischen Unternehmen werden heute zunehmend zu Alleskönnern. Man verlangt viel Fachwissen, dazu aber auch beinahe sämtliches Know-how eines Managers. Überfordert man Ingenieure damit?
Bei uns stellt sich das etwas anders dar. Gerade die Vielfalt der Mitarbeiter und damit auch ihrer Persönlichkeiten ist unsere Stärke. Bosch lebt von seiner Innovationskraft. Wir haben vergangenes Jahr weltweit rund 5000 Patente angemeldet, also 20 pro Arbeitstag. Dafür brauchen wir unsere hochqualifizierten Mitarbeiter, wobei Fach- und Führungskräfte gleichermaßen wichtig sind. Damit jeder seine Fähigkeiten und Neigungen optimal einbringen kann, bieten wir daher Fach-, Führungs- und Projektkarrieren, zwischen denen ein Wechsel auch gefördert wird.

Gibt es eine Fähigkeit, die in Bezug auf Ingenieure sehr selten genannt wird – die Sie aber als unverzichtbar erachten?
Das Arbeiten in internationalen Teams über verschiedene Kulturgrenzen hinweg, gute kommunikative Fähigkeiten und eine ausgeprägte Kundenorientierung sind nach wie vor gefragt. Speziell im Bereich vernetzter Produkte ist darüber hinaus ein Zusammenspiel unterschiedlicher Fachrichtungen erforderlich, insbesondere bei der Software. Deshalb wird aus meiner Sicht ein domänenübergreifendes Studium immer unverzichtbarer. Der Maschinenbauingenieur muss künftig zum Beispiel Elektrotechnik sowie Informations- und Kommunikationstechnologien noch besser kennen sowie sich mit seinen Fachkollegen anderer Disziplinen verstehen können. Und das gilt umgekehrt natürlich auch.

Sie haben die Vernetzung der Produkte angesprochen, das sogenannte Internet der Dinge in der Industrie 4.0. Dadurch wird die Berufswelt der Ingenieure deutlicher als früher von der IT bestimmt. Wenn die Maschinen alles selber können, wofür braucht man dann noch Ingenieure?
Zunächst muss die Maschine ja entwickelt und gebaut werden. Dafür benötigen wir Ingenieure. Gerade in der Diskussion um Industrie 4.0 wird gern von der menschenleeren Fabrik gesprochen. Das ist aber eher eine Illusion. Der Mensch wird auch in der vernetzten Produktion den Takt angeben und wichtige Steuerungsaufgaben übernehmen. Gut ausgebildete und hochqualifizierte Fachkräfte werden daher weiterhin gebraucht.

Die Generation Y stellt an den Arbeitgeber der Wahl viele Ansprüche. Leisten kann sie es sich, weil sie durch den Fachkräftemangel sehr begehrt ist. Wie fühlen Sie sich als Arbeitsdirektor in einer Arbeitswelt, in der Unternehmen sich vielfach bei Talenten bewerben müssen – und nicht mehr umgekehrt?
Ich erlebe Bosch als attraktiven Arbeitgeber. Wir zählen allein in Deutschland jährlich mehr als 200.000 Online-Bewerbungen. In Arbeitgeberrankings erreichen wir regelmäßig Spitzenplätze. Deshalb spüren wir erfreulicherweise noch keinen pauschalen Fachkräftemangel. Aber wir wollen uns darauf nicht ausruhen. Deshalb entwickeln wir unsere flexible und familienbewusste Arbeitskultur stetig weiter. Das tun wir auch aus der Überzeugung heraus, dass unsere Mitarbeiter attraktive Arbeitsbedingungen brauchen, um ihre Fähigkeiten, Neigungen und ihr Know-how optimal ins Unternehmen einbringen zu können. Gleichzeitig unterstützen wir sie dabei, Beruf und Privates in verschiedenen Lebensphasen gut miteinander vereinbaren zu können. Davon profitieren beide Seiten. Dass wir damit bei Nachwuchskräften hoch im Kurs stehen, sehen wir als Bestätigung.

In Ihrem internationalen Konzern sind die Teams global vernetzt. Worauf kommt es an, wenn man eine interkulturelle Sprache finden möchte, die einen konstruktiven Dialog in diesen Teams ermöglicht?
Wir sind ein Unternehmen, das langfristig orientiert ist. Wir streben einerseits nach dauerhaftem wirtschaftlichen Erfolg und einer führenden Marktposition, bei allem was wir tun. Andererseits übernehmen wir auch gesellschaftliche Verantwortung. Diese Haltung und unsere werteorientierte Unternehmenskultur verbinden unsere Mitarbeiter. Gerade die hohe Integrationskraft unserer Kultur ist die Grundlage für die tägliche Zusammenarbeit unserer weltweit 281.000 Mitarbeiter.

Eine weitere Herausforderung für einen Technikkonzern wie dem Ihren ist der demografische Wandel. Wie organisieren Sie im Unternehmen den Wissenstransfer von der erfahrenen auf die junge Generation?
Die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams ist Teil unserer weltweiten Diversity-Strategie und gehört zu unserem Arbeitsalltag. Wir schätzen und nutzen die Vielfalt an Denkweisen, Erfahrungen und Lebensentwürfen für den langfristigen Unternehmenserfolg. Das beginnt schon beim Berufseinstieg: Erfahrene Kollegen übernehmen etwa für die Zeit der Einarbeitung eine Patenschaft. Aber auch unsere pensionierten Mitarbeiter sind uns wichtig. Im Ruhestand sind viele Kollegen als Seniorexperten im Einsatz und unterstützen mit ihren Erfahrungen oftmals jüngere Mitarbeiter als Berater.

Zum Unternehmen

Die Bosch-Gruppe ist ein international tätiges Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in Gerlingen bei Stuttgart. Das Geschäft basiert auf vier Unternehmens- und Geschäftsbereichen: Im Bereich Kraftfahrzeugtechnik ist der Konzern einer der weltweit größten Zulieferer für die Autoindustrie, zudem entwickelt und produziert der Konzern Gebrauchsgüter (Elektrowerkzeuge und Hausgeräte), bietet in der Industrietechnik Lösungen für Antriebs-, Steuerungs- und Verpackungstechnik sowie im Bereich Energie- und Gebäudetechnik Produkte und Lösungen auf den Gebieten Thermo- sowie Sicherheitstechnik. Derzeit sind bei Bosch weltweit rund 281.000 Mitarbeiter beschäftigt. 2013 investierte die Gruppe rund 4,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung und meldete rund 5000 Patente an – das sind durchschnittlich 20 Patente pro Tag.