Interview mit Dipl.-Ing. Matthias Krieger

Der Sportliche.

Dipl.-Ing. Matthias Krieger, Foto: Krieger + Schramm
Dipl.-Ing. Matthias Krieger, Foto: Krieger + Schramm

Als Jugendlicher und junger Erwachsener war Matthias Krieger erfolgreicher Handballer, Leichtathlet und Eisschnellläufer. Seine berufliche Leidenschaft gehörte jedoch dem Bau: 1992 gründete der Bauingenieur das heute erfolgreiche Hochbauunternehmen Krieger + Schramm. Im Interview erklärt der 52-Jährige, was Bauingenieure von Sportlern lernen können und warum er in seiner Firma auf Transparenz setzt. Das Gespräch führte André Boße.

Zur Person

Matthias Krieger, 1962 in Mühlhausen in Thüringen geboren, gewann als Sportler in diversen Disziplinen vier Landesmeistertitel. Von 1984 bis 1989 studierte er Bauingenieurwesen in Weimar. Nach zwei Jahren als angestellter Diplomingenieur in Kassel gründete Krieger 1992 das Bauunternehmen Krieger + Schramm. Seitdem ist er dort geschäftsführender Gesellschafter. Seine Erkenntnisse und Erfahrungen als Sportler, Gründer und Chef nutzt er als Hochschuldozent, Redner und Autor von Karrierebüchern. Zuletzt erschien von ihm im Juni 2011 „Die Lösung bist DU! Was uns wirklich voranbringt“. Der 52-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder.

Matthias Krieger:
Die Lösung bist DU!: Was uns wirklich voranbringt.
BusinessVillage 2011.
ISBN 978-3869800813.
17,90 Euro

Herr Krieger, Sie waren Leistungssportler. Lernt man beim Sport etwas, das man auch in seiner Karriere als Bauingenieur gut gebrauchen kann?
Man darf als Absolvent davon ausgehen, dass man oben auf der Karriereleiter als Niederlassungsleiter oder selbstständiger Bauunternehmer so ziemlich alles vergessen kann, was man an der Uni gelernt hat. Von Bedeutung sind hingegen die Dinge, die man zum Beispiel beim Sport lernt. Dazu zählt der Teamgeist: Man kann großartige Leistungen nur gemeinsam erreichen. Hinzu kommen Ausdauer, Hartnäckigkeit, Durchhaltevermögen und Fleiß. Und natürlich der Umgang mit Niederlagen, denn in einer Sportlerkarriere wird es in der Regel immer mehr Niederlagen als Siege geben.

Spielen diese Themen im Studium keine Rolle?
Kaum. Ich halte jährlich an diversen Hochschulen Vorlesungen zum Thema „Chancen im Hochbau“. Da geht es aber kaum um technische Fragen, sondern um Dinge wie die Persönlichkeitsentwicklung und die Frage, welche Talente ich als Absolvent besitze und welche Art von Karriere für mich infrage kommt. Denn nur, wenn ich mich in einem Bereich bewerbe, der zu meiner DNA passt, kann ich im Beruf auch glücklich werden. Wobei ich immer drei Wege aufzeige: die Selbstständigkeit, die freie Wirtschaft und den öffentlichen Diensten.

Welche Talente werden in den drei Bereichen benötigt?
In der Selbstständigkeit muss ich ein Typ sein, der gerne bereit ist, kontrollierte Risiken einzugehen. Ich muss also Herausforderungen lieben. Im öffentlichen Dienst ist Sicherheit die dominante Eigenschaft. Gefragt sind Persönlichkeiten, die Wissen verwalten oder ihr Wissen erweitern. In der freien Wirtschaft kommt es vor allem auf den Teamgeist an. Auch hier spielen Herausforderungen eine Rolle – aber immer eingebettet in ein Team.

Wie ist es Ihnen als junger Bauingenieur ohne große finanzielle Mittel und Kontakte gelungen, schnell als Unternehmer Fuß zu fassen?
Ich habe mich in der ersten Zeit häufig sehr geärgert, wenn ich bei Ausschreibungen leer ausging, weil Firmen die Aufträge bekamen, die eigentlich schon pleite waren. Aber: Sie hatten die Beziehungen. Da hat man am Anfang kaum eine Chance. Wir haben daher mit sehr kleinen Projekten angefangen, wobei ich zu Beginn alles selbst gemacht habe. Ich war Bauleiter, Controller, Buchhalter. Nach und nach ist es uns dann gelungen, die nötigen Beziehungen aufzubauen. Was mich endgültig auf Kurs gebracht hat, war die Teilnahme an Benchmarks, also an Wettbewerben, bei denen die Leistungen der Unternehmen verglichen werden. Ich wollte bei diesen Vergleichen nicht unbedingt gewinnen, sondern besser werden. Mein Ziel war es, von den Besten der Besten zu lernen. Aber klar: Als wir dann branchenübergreifend die ersten Benchmarks gewonnen haben, stieg das Selbstwertgefühl. Das war natürlich ein positiver Nebeneffekt.

Nun sind Siege eine schöne Sache, aber wie gehen Sie im Unternehmen damit um, wenn einem Mitarbeiter ein Fehler passiert?
Es ist kein Problem, wenn jemand einen Fehler macht. Das Problem entsteht erst, wenn jemand einen Fehler kennt – aber nicht darüber spricht. Daher werden bei uns Fehler prämiert. In unserer Kultur haben Fehler, die entdeckt werden, einen Wert. Weil man sie nur dann aus der Welt schaffen kann, wenn man erkennt, warum sie passiert sind – und daraus die richtigen Schlüsse zieht.

Geben Sie als Chef auch Ihre Fehler zu?
Natürlich. Unsere Führungskräfte und ich dokumentieren unsere Fehler, wobei wir immer auch Lösungsansätze aufzeigen, damit sich diese Fehler in Zukunft nicht wiederholen. Das ist die Hausaufgabe, die sich aus einem Fehler ergibt. Generell müssen der Chef und seine Führungskräfte Vorbilder sein, denn wenn wir es nicht machen, machen es die Mitarbeiter schon mal gar nicht – aus Angst davor, bestraft oder entlassen zu werden. Wobei auch klar ist, dass ich als Chef den Mitarbeitern, die einen Fehler gemacht haben, nicht die Lösung präsentieren darf. Ich muss die Lösung einfordern, darf aber natürlich unterstützend helfen. Damit entsteht eine lösungsorientierte Unternehmenskultur, die nicht auf Angst aufbaut, sondern auf einem hohen Selbstvertrauen der Mitarbeiter.

Wie zahlt sich die besondere Unternehmens- und Führungskultur in Ihrem Unternehmen aus?
Sie dürfen davon ausgehen, dass unsere Mitarbeiter allesamt mehr leisten als Dienst nach Vorschrift. Wir haben alle Leute nach ihren Stärken orientiert eingesetzt. Sprich: Wir haben keine Stellenbeschreibungen mehr, wie sie das Qualitätsmanagementsystem vorschreiben würde, sondern Aufgabenbeschreibungen. Die Basis dafür sind zwei sehr einfache Fragen an jeden Mitarbeiter: Was kannst du gut? Was fällt dir schwer? Uns fällt auf, dass Leute, die eine Arbeit verrichten, die ihnen Spaß macht, nicht nur mehr Freude haben, sondern sich auch wertgeschätzt fühlen. Sie spüren: Ich bin hier wichtig.

Wie reagieren Einsteiger, wenn sie bei Ihnen im Unternehmen nach ihren Stärken und Schwächen gefragt werden?
Sehr unterschiedlich. Ich traf vor einiger Zeit einen Kandidaten, der auf meine Frage nach dem Zweck seiner Existenz dichtgemacht hat.

Das ist ja auch eine schwere Frage.
Na ja, sie ist vor allem eine gute Grundlage, um über sich selbst nachzudenken. Danach frage ich nach den fünf wichtigsten Lebensbereichen der Bewerber sowie nach zwölf Stärken und Schwächen. Gerade bei den Schwächen haben die Bewerber Probleme, aber wir erklären dann, dass wir wissen, dass mit fast jeder Stärke eine Schwäche einhergeht – und umgekehrt. Wir machen diese Profile auch transparent. Wer will, kann also auch meine Schwächen einsehen, kein Problem. Zu dieser Transparenz stehen wir. Auch hier gibt uns der Sport eine Orientierung: Auch in guten Fußball- oder Handballteams ist klar, wer was kann und wer nicht. Überzogene Geheimniskrämerei führt nur dazu, dass Leute nicht ihren Stärken entsprechend auf das Feld gestellt werden. Und davon hat dann keiner was.

Zum Unternehmen

Die Bauunternehmung Krieger + Schramm wurde 1992 von den Diplomingenieuren Matthias Krieger und Michael Schramm in Dingelstädt gegründet. Das Angebotsspektrum erstreckt sich von der Projektentwicklung über den Rohbau und das schlüsselfertige Bauen bis hin zum Vertrieb der einzelnen Bauvorhaben. Der Hauptsitz des Unternehmens ist im thüringischen Dingelstädt. Niederlassungen befinden sich in Kassel und Frankfurt am Main. Derzeit sind rund 70 Mitarbeiter für die Firma tätig, das Bauvolumen beträgt jährlich rund 20 Millionen Euro. 2013 erhielt das Unternehmen vom Fachmagazin tHis und dem Lehrstuhl Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung der Technischen Universität München die Auszeichnung „Bauunternehmen des Jahres 2013“; 2011 wurde Krieger + Schramm als einer der „Besten Arbeitgeber Deutschlands“ ausgezeichnet.