Abenteuer zwischen Freiheit und Verantwortung

Foto: Gauff Engineering
Foto: Gauff Engineering

Die Möglichkeiten, im Ausland zu arbeiten, werden immer vielfältiger. Auch deutsche Bauingenieure bewerben sich längst weltweit. Oder arbeiten für deutsche Unternehmen an internationalen Projekten mit. Dabei machen sie spannende Erfahrungen. Von Fabian Hesse, bauingenieure24.de

Afrika, China, Osteuropa – deutsche Bauingenieure finden sich mit ihren Projekten überall auf der Welt wieder. Neben ungewöhnlichen Baustoffen und Bauweisen macht vor allem der Umgang mit fremden Menschen und Kulturen die Arbeit im Ausland interessant.

Bauingenieur Martin Friedrich hat diese Erfahrung in Nigeria für Julius Berger International machen können. Und verbindet damit nur Gutes. Über die Bedingungen vor Ort sagt er: „In den firmeneigenen Camps gibt es Krankenhäuser, Supermärkte sowie diverse Sportangebote, alles nach europäischen Standards.“ Die Arbeit bleibt bei allem Service aber natürlich Hauptbestandteil des Aufenthalts. „Sechs Tage die Woche ist man zehn Stunden täglich aktiv.“ Doch Friedrichs Fazit fällt positiv aus: „Ich kann es jedem nur empfehlen. Man arbeitet im Ausland freier und mit mehr Verantwortung. Das motiviert enorm.“ Genau wie Privatfirmen operieren auch viele Hilfsorganisationen im Ausland. Die Alltagswirklichkeit ist für sie oft aber eine ganz andere. „Für einen Ingenieur bei uns gilt in allen Bereichen eine Ressourcenknappheit“, erklärt Roland Zech von den Ärzten ohne Grenzen. Ein Gebäude aus Holz und Ziegelsteinen zu errichten, sei bei der ehrenamtlichen Arbeit wahrscheinlicher, als solide Betonbauten zu konstruieren. Und wie private Bauunternehmen setzen auch humanitäre Organisationen im Ausland auf selbstständige Fachkräfte. Tobias Homann aus Berlin kann dies bestätigen. Er arbeitete als technischer Logistiker für die Ärzte ohne Grenzen im Südsudan. „Vor Ort gibt es zwar immer einen Ansprechpartner. Oft müssen Entscheidungen aber allein getroffen werden. Die Devise lautet: Machen!“ Entscheidend sei schließlich das Ergebnis. „Bei uns richtet sich alles nach der Funktionalität eines Bauwerks“, sagt Roland Zech. „Ein Krankenhaus muss gut durchlüftet und hell sein. Design spielt eine untergeordnete Rolle.“

Wenig Material ist das eine, unausgebildetes Personal das andere. Zech berichtet, dass man als Bauleiter oft Tagelöhner zu führen habe: „Da geht nicht immer alles glatt.“ Eine gute Menschenkenntnis sei daher nötig, um zum Erfolg zu kommen. Wichtig sind nicht zuletzt fundierte Sprachkenntnisse. „Mit Französisch hat man in Afrika gute Chancen“, so Zech. „Die Sprache wird auf dem halben Kontinent gesprochen.“

Tobias Homann beschreibt seinen Auslandseinsatz als eine Kombination aus Abenteuer und „Etwas Gutes tun“. „Es gab jeden Tag neue Überraschungen“, meint der 34-Jährige. Er berichtet, dass Mitarbeiter beispielsweise hin und wieder unpünktlich kamen. Das ist allerdings aufgrund der Umstände nicht verwunderlich, manche hätten einen Fußmarsch von zwei Stunden zwischen ihrem zu Hause und der Baustelle gehabt. „Das sind Tatsachen, für die man Verständnis haben muss“, weiß er seitdem. Ein großes Verständnis für fremde Länder und Leute kam auch Richard Krauss in seinem bewegten Berufsleben zugute. Über 30 Jahre lang war der Diplomingenieur unter anderem in Afrika, Saudi- Arabien, der Karibik, in Bulgarien und der Türkei tätig. Unvorhergesehene Probleme gab es viele, so Krauss: „Während der Arbeiten für ein chinesisches Autobahnprojekt wurde die Fertigstellung für das Bauwerk vorgezogen. Da hat man uns einfach ein halbes Jahr Bauzeit genommen.“ Mit solchen Dingen sei in manchen Ländern zu rechnen. Die bunte kulturelle Vielfalt verlange ebenfalls Rücksicht: „Man muss zum Beispiel akzeptieren, dass in muslimischen Ländern Schweinefleisch tabu ist.“

Seit 1988 unterhält das Familienunternehmen Gauff Engineering Geschäftsbeziehungen nach Afrika. Die Schwerpunkte liegen vor allem auf der Infrastruktur. „Uns geht es um die Mobilität und Grundversorgung der Menschen“, so Andreas Raftis, Leiter Kommunikation bei dem Unternehmen aus Nürnberg. Die wirtschaftliche Lage sei derzeit ausgezeichnet: „Die afrikanischen Märkte boomen mit teilweise zweistelligen Wachstumsraten.“ Raftis nannte folgende Kernkompetenzen für Mitarbeiter in seinem Unternehmen: „Wir fordern ein generalistisches Denken und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.“ Nicht zuletzt zähle eine „große Portion Abenteuerlust“ zu den Grundvoraussetzungen.

Richard Krauss relativiert die letzte Aussage: „Viel Zeit für Abenteuer hatte ich nicht. In den meisten Ländern wird samstags gearbeitet.“ Interessant bleibt für ihn das Anforderungsniveau: „Man kann im Ausland die ganze Bandbreite der Ingenieurkunst anwenden.“ Die Größe der Projekte und des Budgets motivierten ihn immer wieder neu: „Die Maßstäbe sind einfach ganz andere als bei uns.“ Und am Ende ist die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, oft eine für das Leben.