Technik plus Abenteuer

Projekt „Grand Poubara“ in Gabun, Afrika. Foto: GAUFF
Projekt „Grand Poubara“ in Gabun, Afrika. Foto: GAUFF

Wer als Bauingenieur bei dem in Nürnberg ansässigen Unternehmen Gauff Engineering einsteigt, für den ist Projektarbeit im Ausland früher oder später obligatorisch. Das Unternehmen ist weltweit aktiv – eine Kernregion ist Afrika. Von Christoph Berger

Sebastian Jung kann seit Juni 2012 nicht gerade behaupten, dass sein Arbeitsleben ruhiger verläuft. Auch wenn der 32-jährige Bauingenieur seitdem von Nürnberg aus arbeitet: Er wurde bei Gauff Engineering zum Leiter des Fachbereichs Energie befördert und ist außerdem Assistent des technischen Geschäftsführers geworden. „Jetzt werde ich wohl nur noch zehnmal pro Jahr in Afrika sein“, erzählt er. Das war bis zum Sommer noch anders: 2010 übernahm er die Oberbauleitung für die Wasserkraftanlage „Grand Poubara“ in Gabun. Vor Ort verantwortete er die Planprüfung und Bauüberwachung des Großprojekts am Ogooué-Fluss im Südosten des zentralafrikanischen Staates. Das Kraftwerk soll bei Fertigstellung im Jahr 2014 mit vier Francis-Turbinen 160 Megawatt Energie aus Wasser produzieren. „Generalunternehmer ist ein chinesisches Unternehmen. Ich pendelte also zwischen China und Gabun, um die Direktion des Gabuner Energieministeriums – die Besprechungen mit deren Vertretern fanden auch in China statt – über die Bauentwicklungen auf dem Laufenden zu halten und die fortlaufenden Arbeiten auf der Baustelle zu überwachen“, sagt Jung.

Die Projektbetreuung in weit von Deutschland entfernten Ländern ist für Bauingenieure bei Gauff Normalität. „Wir sind ausschließlich im Ausland unterwegs. Nur unsere Zentrale ist in Deutschland. Von dort werden die Projekte vorbereitet und begleitet“, sagt Rainer Porzelt, Leiter der Personalabteilung des Unternehmens. „Wir sind viel in Asien, Osteuropa, Südamerika und Afrika aktiv, mit Schwerpunkten in Gabun und derzeit in Angola.“ Aufgrund dieser Ausrichtung sind Auslandserfahrungen bei Bewerbern gerne gesehen – zumindest sollte kulturelles Interesse vorhanden sein. Und natürlich ausreichend Sprachkenntnisse. „Englisch ist Grundvoraussetzung. Zudem brauchen wir Mitarbeiter, die Spanisch, Portugiesisch oder Französisch sprechen“, sagt Porzelt. Die Projekte drehen sich hauptsächlich um die Basisinfrastruktur in den aufgezählten Ländern – also um den Brücken- und Straßenbau –, die Themen Energie und Transportwesen. „Einsteiger starten in der Nürnberger Zentrale und bereiten von hier aus Bauprojekte vor. Und irgendwann werden sie dann ins Ausland entsendet“, sagt der Personalchef.

Sebastian Jung brachte bei seinem Einstieg viele der gewünschten Voraussetzungen mit. Direkt nach seinem Studienabschluss 2008 an der Hochschule Wiesbaden arbeitete er für ein deutsches Bauunternehmen in Algerien. Danach betreute er für einen französischen Baukonzern ein Projekt in Deutschland. Damals wuchs auch wieder der Wunsch in ihm, erneut in Afrika zu arbeiten. So kam er zu Gauff und übernahm nach zwei Kurzmissionen direkt die Großbaustelle in Gabun. Das bedeutete für ihn eine große Verantwortung: Aber nicht alle seine Freunde verstanden diesen Schritt, so weit und lange weg von der Heimat zu leben. Doch Jung wollte auch Enthusiasmus und Idealismus leben, sein technisches Wissen mit Abenteuer verbinden. „Natürlich ist ein stabiles familiäres Umfeld von Vorteil“, sagt er. „Gauff unterstützt dies auch. Heimreisen sind mehrmals im Jahr möglich.“ Die Familie erde einen, es sei hilfreich, wenn man mit Vertrauten über seine Erlebnisse reden kann, erzählt er. Denn in der Fremde zu arbeiten, ist nicht immer leicht. „Es ist in gewisser Weise auch eine Zeit der Selbsterkenntnis. In neuen Situationen tauchen neue Verhaltensweisen auf, die man so von sich selbst vielleicht überhaupt nicht kannte“, erzählt er. Die Veränderungen betreffen auch den Arbeitsalltag. Jung hatte sich immer wieder auf unterschiedliche Kulturen und Wahrnehmungen einzustellen. Er hat festgestellt, dass es vor allem in den Bereichen Qualität, Zeit, Sauberkeit und Sicherheit unterschiedliche Auffassungen zu Deutschland gibt. „Da ist Improvisations- und Organisationsgeschick gefragt“, weiß er. Klar wurde ihm auch: Jung und seine Kollegen sind Weiße auf einem schwarzen Kontinent – da bleibt man immer der Fremde. Bereut hat er seine Entscheidung, für die Arbeit viel im Ausland unterwegs zu sein, jedoch niemals. In Afrika hatte er vielmehr die Möglichkeit, sich einen Kindheitstraum zu erfüllen: „Als ich klein war, habe ich Bernhard Grzimeks Dokumentarfilm ,Serengeti darf nicht sterben‘ gesehen. Grzimek flog darin mit einem kleinen Flugzeug über den Nationalpark. Das wollte ich auch immer machen. Während des Gabun-Projekts hatte ich dann die Möglichkeit, selbst einen Flugschein zu machen, sodass ich über das Land fliegen konnte.“

Dass gerade die Arbeit im außereuropäischen Ausland auch mit Risiken verbunden sein kann, bestätigt Personalleiter Porzelt: „Das Unfallrisiko auf afrikanischen Straßen steht dabei an erster Stelle. Hinzu kommen umfangreiche medizinische Vorsorgeuntersuchungen – gerade bei älteren Mitarbeitern kommt es aufgrund des Klimas auch manchmal zu Herz-Kreislauf- Problemen. Und wir achten natürlich auf das politische Umfeld in den jeweiligen Ländern. Überall haben wir zahlreiche Mitarbeiter mit ausreichend Erfahrung sitzen, die auch in brenzligen Situationen wissen, wie man sich zu verhalten hat.“

Im September 2011 startete das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ein Forschungsvorhaben, mit dem eine einheitliche Statistik zur Struktur, Entwicklung und Bedeutung der Auslandstätigkeit deutscher Bauunternehmen geschaffen werden soll. Hintergrund ist die Tatsache, dass neben dem klassischen Auslandsbau vor allem das Geschäft über Tochter- und Beteiligungsgesellschaften deutscher Unternehmen im Ausland große Relevanz hat. Diese bleiben in Statistiken bisher unberücksichtigt, erfasst wird nur der traditionelle Auslandsbau über die Jahresbauleistung im Ausland.

www.bbsr.bund.de