Interview mit Prof. Sabina Jeschke

Die KI-Ingenieurin

Schlägt also im Moment die Stunde der Einsteiger und Querdenker?
Ja, wobei man fairerweise sagen muss, dass diese Unternehmen einen großen Vorteil haben. Die Unternehmen, die in China E-Autos herstellen, gab es vor einigen Jahren noch gar nicht. Die deutschen Konzerne, die nun die Elektromobilität voranbringen wollen, jedoch schon. Und nun stellen Sie sich mal ein großes Werk vor, wo Tausende Mitarbeiter herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotoren zusammenbauen. Wie viele von ihnen werden noch benötigt, wenn das autonome E-Auto den Durchbruch geschafft hat?

Was glauben Sie?
Acht von zehn Stellen fallen weg. Und die Veränderung betrifft nicht nur Autobauer, sondern auch die Zulieferer – hier möglicherweise noch dramatischer, wenn diese auf Komponenten spezialisiert sind, die Elektromotoren nicht brauchen. Die Konzerne stellen viele Arbeitsplätze und tragen damit eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Dieses Problem haben „Emporkömmlinge“ nicht. Bei diesen Unternehmen fallen keine Arbeitsplätze weg, sondern sie schaffen neue.

„Cognitive Enterprise“

Der Begriff des kognitiven Unternehmens („Cognitive Enterprise“) bezeichnet laut Sabina Jeschke eine Form von Unternehmen, die komplett von Systemen der künstlichen Intelligenz durchdrungen sind. Die selbst lernenden Maschinen arbeiten in allen Bereichen, von der Forschung und Entwicklung über die Produktion bis zum Marketing und Vertrieb. Überall werden Daten erhoben, vom System in Korrelation gesetzt und nutzbar gemacht. Mithilfe dieses kognitiven Ansatzes entwickelt sich das Unternehmen täglich weiter – wobei es weiterhin die Menschen sind, die daraus Strategien und Geschäftsmodelle entwickeln.

Muss ich also als junger Ingenieur nach China oder Amerika gehen, um quer zu denken?
Erstens gibt es ja auch in Deutschland technische „Emporkömmlinge“. Sie haben oft noch nicht den großen Namen, aber es gibt sie. Zweitens ist es tatsächlich nur schwer möglich, als Einzelner diese Tanker, als die man Konzerne bezeichnen kann, zum Umlenken zu bringen. Was Veränderungen vorantreibt, ist der Druck des Marktes. China diskutiert, ab 2025 keine neuen Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen, in Deutschland steht das Jahr 2030 im Raum. Diese externen Rahmensetzungen sind extrem wichtig, denn sie bewirken Veränderungsdruck, und die Unternehmen stellen fest: Das werden sozialpolitische Realitäten sein, die wir nicht verändern können – also müssen wir uns überlegen, wie wir am besten damit umgehen.

So hat das Volvo gemacht.
Genau. Ab 2019 werden die zentralen Modelle als Stromer angeboten, technische Weiterentwicklung wird schon jetzt nur noch in Elektromotoren gesteckt. Und damit wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, gehen wir zusätzlich auf einen neuen Markt: Gebraucht werden Batterien, hier steigen wir ein. Und so wandelt sich das reine Motorenwerk in ein Werk für Elektromotoren mit integrierter Batterieproduktion. Das ist kein Schritt. Das ist ein Sprung.