Der Berater und Autor Michael Stuber

Michael Stuber, Foto: Ungleich Besser
Michael Stuber, Foto: Ungleich Besser

Seit 1997 berät Michael Stuber mit seinem Consulting-Unternehmen Kunden zum Thema Diversity. Der studierte Wirtschaftsingenieur hat zahlreiche Veränderungsprozesse geleitet und Konzepte zur Vielfalt erprobt. Im Interview erzählt er, warum Diversity heute für internationale Themen zur Pflicht wird und wie sich Nachwuchskräfte gezielt vielfältig aufstellen können. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Michael Stuber, geboren 1966, studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe und arbeitete zunächst als Personalberater. 1997 gründete er sein Beratungsunternehmen Ungleich Besser Diversity Consulting mit Sitz in Köln. Michael Stuber ist Autor mehrerer Fachbücher und Buchbeiträge sowie zahlreicher Fachartikel und Kolumnen. Zu seinen Themen gehören Frauen und Karriere, Demografie, Globalisierung sowie Unternehmenskultur, Innovation und Führungsqualität. Sein Fachbuch „Diversity & Inclusion“ gilt als Standardwerk des Themenbereichs.

Herr Stuber, warum ist Diversity für Unternehmen heute unverzichtbar?
Es gibt zwei Entwicklungen, die die Wirtschaft dramatisch verändert haben: die Globalisierung und die Digitalisierung. Wie allumfassend dieser Wandel ist, bemerken wir daran, dass zwei der größten Konzerne heute Google und Facebook heißen. Sie hätten in der alten Ökonomie gar nicht existiert. Auf der anderen Seite gibt es Traditionskonzerne, die schrumpfen oder schließen müssen, weil ihr Geschäftsmodell in Zukunft nicht mehr funktioniert.

Insgesamt wird heute in der Wirtschaft ganz anders gearbeitet als früher, nämlich viel internationaler, komplexer, schneller und individueller. Die Unternehmen stehen daher vor der Aufgabe, die verschiedenen Potenziale vieler unterschiedlicher Individuen zu nutzen und die Zusammenarbeit zu optimieren. Das zeigt die interne Notwendigkeit von Diversity Management.

Was bestimmt die externe Notwendigkeit?
Viele Unternehmen nehmen heute Diversity ernst, weil sie erkennen, dass sie nur so die Bedürfnisse ihrer Kunden erfüllen können, denn auch diese sind vielfältiger denn je. Zudem reagieren Unternehmen auf die Erwartungen seitens der Öffentlichkeit oder auch der Bewerber: Man erwartet heute einfach, dass sich ein großes Unternehmen mit Diversity beschäftigt. Es nicht zu tun, gilt als nicht zeitgemäß.

Es gibt immer wieder Unternehmen, die von sich behaupten, Vielfalt zu leben und zwar unabhängig vom Modewort Diversity. Warum ist dieser Weg nicht empfehlenswert?
Viele Unternehmen unterschätzen das Thema Diversity. Die Verantwortlichen dort denken, es handele sich um ein einfaches Thema: Man müsse nur die Maßnahmen, die es hier und dort bereits gibt, bündeln. Ein solcher Ansatz ist natürlich einfach. Aber die Maßnahmen entfalten weder Veränderungsimpulse noch bringen sie Mehrwerte. Studien zeigen, dass die messbaren Vorteile aus Vielfalt nur dann zuverlässig entstehen, wenn man im Unternehmen Unterschiede bewusst wahrnimmt und aktiv sowie systematisch gestaltet.

Was ist ein häufig gemachter Fehler, wenn Unternehmen auf eigene Faust Vielfalt fördern wollen?
Viele Unternehmen beginnen damit, Diversity von den Einzelthemen ausgehend zu denken. Das erscheint zunächst logisch, und sie entwickeln separate Maßnahmen für diverse Gruppen, die sie fördern möchten: Kinderbetreuung, Frauenförderung, kulturelle Trainings, Generationenworkshops und so weiter. Wer aber Diversity als strategischen Hebel und Zukunftsthema einsetzen möchte, muss an den Kernelementen des Unternehmens ansetzen. Dann stellen sich die Fragen: Welche Strategiethemen haben mit Vielfalt zu tun? Wie tickt die Kultur in Bezug auf Offenheit? Was braucht das Unternehmen, um erfolgreich zu bleiben? Und was würde geschehen, wenn Diversity keine Beachtung erfahren würde?

Wer sich mit solchen Fragen einer strategischen Positionierung beschäftigt, wird auch feststellen, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob ich in einer internationalen Bank, im Großhandel oder bei einer mittelständischen Spitzentechnologie- Schmiede Diversity umsetzen möchte. Dann wird auch klar, dass man ein Diversity-Programm, das in einer Firma erfolgreich war, nicht einfach kopieren kann. Je nach Unternehmen muss es einen eigenen Rahmen und eine eigene Sprache geben.

Das heißt für eine Nachwuchskraft, die Wert auf Vielfalt legt: Bei der Bewerbung nicht nur zu schauen, was es für Angebote gibt. Sondern vor allem prüfen, wie das Unternehmen sich selbst und das Thema Diversity strategisch positioniert?
Genau. Man erkennt dann ganz gut, ob es sich bei den Aussagen zum Thema Vielfalt um nichtssagende Worthülsen handelt. Oder ob das Thema spezifisch in der Unternehmenskultur verankert ist.

Diversity bedeutet auch, verschiedene Arbeitseinstellungen zu akzeptieren. Das ist gerade dort spannend, wo junge auf ältere Kollegen treffen oder Frauen die Männerdomänen brechen. Wie kann dort Vielfalt etabliert werden?
Wir reden hier von einer echten Veränderung in der Unternehmenskultur – und das ist ein komplexer Prozess. Gemischte Teams benötigen Führungskräfte, die diese Vielfalt moderieren, eine gemeinsame Zielvorgabe vermitteln und verschiedene Erwartungen integrieren. Zudem darf es nicht an der Technik scheitern: Die beste Führung nützt wenig, wenn es im Team nicht die Möglichkeit gibt, flexibel zu arbeiten. Der dritte Punkt ist eine Art von Resonanzraum, in dem man sich trifft und über die Erfahrungen und Ergebnisse der Arbeit sprechen kann.

Mit Blick auf die Absolventen: Was bedeutet das Thema Diversity für die Bewerber? Welche Aufgabe geben Sie dem Nachwuchs mit auf den Weg?
Junge Leute sollten sich heute mehr noch als früher über ihre individuellen Stärken klar werden. Man sollte sich fragen, welchen gewinnbringenden Aspekt man selbst beitragen kann: Was zeichnet mich aus, was kann ich besonders gut – und wohin will ich mich entwickeln? Dabei muss man aufpassen, sich bei der Reflexion nicht in Allgemeinheiten zu verlieren. Was „Spannendes mit Menschen“ machen zu wollen, das reicht nicht als Erkenntnis.

Wie wird man an dieser Stelle konkret?
Indem man sich fragt: Bin ich ein Konzeptmensch, ja oder nein? Fühle ich mich im interkulturellen Umfeld wohl, und wenn ja, was genau gefällt mir daran? Hat man ein Profil der persönlichen Stärken erstellt, ist der nächste Karriereschritt einfacher. Was man aber auch sagen muss: Es gibt keine große Chance, den absoluten Traumjob zu finden, und das müssen junge Leute, für die alles möglich zu sein scheint, noch lernen: Sie können sich ihren Wunschjob nicht backen. Jede Arbeitsstelle wird immer ein Kompromiss sein aus Dingen, die passen, und anderen, die nicht ideal sind.

Es gibt heute zwar eine enorme Vielfalt an Karrierewegen. Aber alles zu bekommen, das ist auch dabei nicht möglich. Man muss als junger Mensch also die Offenheit mitbringen, dass die Realität in der Regel anders aussieht, als man sie sich vorstellt.

Das Web-Portal: www.ungleich-besser.de

Über das Diversity-Informationsportal erhalten die Nutzer Zugang zu grundlegendem Wissen zum Thema Diversity sowie zu Themenseiten wie Diversity-Marketing oder AGG-online, einer Infoseite zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Ein weiterer Bereich präsentiert Studien und Konzepte. Der neueste und größte Bereich ist der Wissens-Blog unter www.diversitymine.eu mit rund 1600 Beiträgen und zahlreichen Beispielen einer gelungenen Umsetzung von Diversity sowie Neuigkeiten zu dem Thema aus ganz Europa.
www.ungleich-besser.de