„Der Lack ist ab bei der BWL“

Foto: Fotolia/Rawpixel.com
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Axel Gloger ist Diplom-Volkswirt, er arbeitet in der unternehmerischen Praxis als Aufsichtsrat und Beirat und ist Chairman der Denkfabrik Trend Intelligence. In seinem aktuellen Buch „Betriebswirtschaftsleere“ wagt er eine provokante Analyse: Wer BWL studiert, denkt, dies sei ein Garant für Karriere, Geld und Sicherheit. Doch der Lack ist ab bei der BWL, meint Gloger. Das Fach lehre veraltetes Denken, sei zu einseitig, zu theoretisch. Mehr noch: BWL sei zum Problem geworden. Welche Tipps Axel Gloger für Absolventen hat, erfragte Elisa Maifeld im Interview.

Axel Gloger, Foto: David Weimann
Axel Gloger, Foto: David Weimann

BWL und Sie, das scheint eine Hassliebe zu sein. Im Titel Ihres Buches fragen Sie, wem BWL noch nützt. Verraten Sie es uns?
Jedes Unternehmen braucht BWL! Wogegen ich mich ausspreche, ist eine Überdosierung von BWL. Wenn wir heute nicht Unternehmen hätten, die sich darauf verstünden, ertragsorientiert zu arbeiten und Gewinn- und Verlustrechnungen aufzustellen, dann sähen wir ziemlich alt aus! Dieses Basis-Instrumentarium ist gut und unbedingt erforderlich – aber es verschafft keine Wettbewerbsvorteile mehr. Und vor allem muss man sich, um das zu erlernen, nicht fünf Jahre an der Universität aufhalten.

Sie schreiben, Studienanfänger der BWL müssten kaum mitdenken – wie kann das sein?
Studierende in der BWL bekommen eines abgewöhnt, was für das Leben und eine erfolgreiche Berufstätigkeit wichtig ist: Den gesunden Menschenverstand. Viele Hochschulen scheinen auf repetitives und auswendig gelerntes Wissen zu setzen. Doch Praktiker raten zu einem Studium, welches in turbulenten Zeiten dazu befähigt, die richtigen Fragen zu stellen. Tatsächlich erlernt man im BWL-Studium heutzutage nur einen begrenzten Vorrat an Antworten – für die heutige Welt ist das kurz gedacht, finde ich.

Betriebswirtschaftsleere, FA Buch
Betriebswirtschaftsleere, FA Buch

Axel Gloger: Betriebswirtschaftsleere. Wem nützt BWL noch? Frankfurter Allgemeine Buch 2016. 19,90 Euro.

Deutschland geht es wirtschaftlich gesehen vergleichsweise gut. Sorgen Sie sich um die Zukunft dieses Wirtschaftsstandortes?
Nein. Aber man soll mit den Veränderungen dann anfangen, wenn es noch gut läuft. Was die Wirtschaftsausbildung, speziell BWL, braucht, ist ein Prozess kreativer Zerstörung. Jetzt!

Und welche Veränderungen stehen in den Unternehmen an?
Ich denke, die Jobs als akademische Sachbearbeiter, in die viele BWL-Absolventen reinschlittern, werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren von intelligenten Maschinen ersetzt. Es gibt derzeit 200.000 Studierende der BWL – ich warne davor, das in diesem quantitativen Rahmen fortzuführen, weil das ein Proletariat produzieren wird. Ein weiterer, wichtiger Punkt: Unsere Erfolgsmodelle werden kopiert. Das Modell Champions – Weltmarktführer im Mittelstand – wird fleißig von den Chinesen analysiert, ausgewertet und nachgebaut. Wir müssen Champions für die nächste Runde liefern, und darauf haben BWLer keine Antwort. Gewinner können nur diejenigen sein, die als unternehmerische Pioniere das Neue wagen!

Was wäre also wünschenswert?
Die Wettbewerbsvorteile des Standortes Deutschland sind nicht unsere Großkonzerne, Autoindustrie und SAP ausgenommen. Zukunftsfähig macht uns der industrielle Mittelstand, das sind die Champions, die guten Familienunternehmen.

Sie sagen, der Lack ist ab bei der BWL, womit sollen sich Absolventen der BWL Ihrer Meinung nach beschäftigen?
Ein gutes Studium befreit einen aus der Hybris, daher haben sie nichts falsch gemacht. Für das lebenslange Weiterlernen als Autodidakt empfehle ich den Absolventen Themen, bei denen die erlangten Kenntnisse in eine Richtung führen, die heißt: Ich werde klüger, lerne mehr über diese Welt und ihre Zusammenhänge und den Umgang mit abstrakten Sachverhalten. Ich erlerne, die richtigen Fragen zu stellen, um durch gute Analyse zu neuen Antworten zu kommen – ob man sich beispielsweise mit Mathematik, Physik, Sozial- oder Geschichtswissenschaften beschäftigt, bleibt jedem selbst überlassen.