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Interview mit Thomas Sattelberger

Thomas Sattelberger arbeitet seit 31 Jahren im Personalmanagement. Für den karriereführer schaut der 57-Jährige zurück auf die Personalarbeit der vergangenen Jahrzehnte, betrachtet die Absolventen von heute und blickt auf die Herausforderungen von morgen. Die Fragen stellte Britta Hecker.

Zur Person

Thomas Sattelberger, geboren 1949, ist seit 31 Jahren Personalmanager. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst bei der Daimler-Benz AG im Rahmen des so genannten Stuttgarter Modells eine Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (BA). Anschließend arbeitete er fast 20 Jahre im Management verschiedener Personal- und Vertriebsbereiche der Unternehmen des damaligen Daimler-Benz-Konzerns.
1994 wechselte er zur Deutschen Lufthansa AG, zunächst als Leiter der Konzern-Führungskräfte und Personalentwicklung, die letzten vier Jahre als Executive Vice President Produkt und Service und Mitglied des Airline-Vorstandes. Seit 2003 ist er Arbeitsdirektor und Personalvorstand der Continental AG in Hannover.

Worauf schauen Sie zuerst, wenn Sie eine Bewerbungsmappe in den Händen halten?
Für mich gibt es vier erste Eindrücke. Zunächst das Foto. Das ist der allererste Eindruck. Dann achte ich auf Schreibfehler. Das ist für mich ein Kriterium für die Gründlichkeit des Bewerbers. Als Drittes lese ich im Schnellüberblick die persönlichen Kommentare; denn durch standardisierte Internet-Bewerbungsbögen geht häufig ein Stück Persönlichkeit verloren. Und schlussendlich suche ich nach dem professionellen roten Faden, der sich durch die Bewerbung zieht.

Und worauf achten Sie, wenn Ihnen ein Bewerber gegenübersitzt?
Die Fähigkeit, dem Gegenüber – in diesem Falle mir – angemessen in die Augen zu blicken, ist eine Fähigkeit, auf die ich achte. Ich schaue durchaus auch auf korrekte Kleidung. Das heißt nicht, dass jemand überkandidelt angezogen sein muss, aber dem Anlass angemessen. Zudem achte ich auf passende Stärke des Händedrucks. Das sind laienpsychologische Themen, das gestehe ich gerne ein. Sie spielen sich im non-verbalen Bereich ab, beeinflussen aber die Einschätzung eines Bewerbungsgespräches.

Warum haben Sie sich als Betriebswirt damals für den Bereich Personal entschieden?
Ich habe 1972 bis 1975 das „Stuttgarter Modell“, die allererste Abiturientenausbildung Deutschlands absolviert, der Vorläufer der heutigen Berufsakademie. Ich war damals Studierender bei Daimler-Benz und erlebte am eigenen Leibe, wie attraktiv Ausbildungstätigkeit für mich war. So entschied ich begeistert, Ausbilder zu werden. Das war mein Traumberuf, und der war im Personalbereich.

Hatte Ihre BA-Ausbildung zur damaligen Zeit Vorteile gegenüber der Hochschulausbildung?
Schon damals war das ein eindeutiger Vorteil. Durch die betrieblichen Ausbildungsphasen waren die Herausforderungen, sich als junger Berufseinsteiger an die Wirtschaftswelt zu gewöhnen, im Grunde schon Schritt für Schritt abgearbeitet. Die BA-Absolventen waren mit den betrieblichen Abläufen und Prozessen bestens vertraut. Und die guten machten rasch Karriere. Das sprach sich herum.

Diese Praxisnähe soll auch durch die neuen Bachelor-Studiengänge erreicht werden. Glauben Sie, dass das gelingt?
Ich bin Vorreiter dieses Themas. Zusammen mit anderen führenden Unternehmen und Verbänden habe ich für die Continental AG bereits 2004 die Erklärung „Bachelors welcome!“ unterschrieben. Im Mai dieses Jahres haben 30 Personalchefs Deutschlands das Memorandum um den Zusatz „More Bachelors and Masters welcome!“ erweitert. Ich halte es für unverzichtbar, dass Deutschland seine Studiengänge so schnell wie möglich umstellt.

Nicht alle sind so überzeugt von dem neuen System. Warum tut man sich an manchen Stellen so schwer mit der Akzeptanz des Bachelors?
Deutschland ist nun mal eine Nation der Zweifler. Typisch deutsch: Die Reformunwilligkeit wird mit rhetorischen Argumenten verbrämt. Ich habe das Gleiche 1972 bei meiner eigenen Abiturientenausbildung erlebt. Heute ist sie ein etabliertes Standbein im Bereich der tertiären Bildung. Das wird bei den Bachelors genauso laufen.

Sind die Hochschulabsolventen von heute gut auf den Berufseinstieg vorbereitet?
Im Großen und Ganzen ja. Deutsche Universitäten und Fachhochschulen haben den Ruf, dass sie fachliche Güte produzieren. Was uns ein bisschen Sorge bereitet, sind die Stichworte praktische Problemlösung sowie Sozialkompetenz und persönliche Haltung. Aber auch das kann durch inhaltlich gut reformierte Studiengänge und Auswahlprozesse abgefedert werden. Die entscheidende Frage wird sein, ob die Hochschulen den Bachelor ernst nehmen und tatsächlich berufsbefähigend ausbilden. Aber auch auf Arbeitgeberseite, bei Unternehmen, gibt es noch viel Ignoranz zu überwinden.

Haben Sie in Ihrem Unternehmen schon gute Erfahrungen mit dem Bachelor gemacht?
Wir stellen amerikanische, englische oder irische Ingenieur- Bachelors schon seit Jahr und Tag ein. Als internationales Unternehmen werden wir mit allen Arten von Abschlüssen konfrontiert. Für uns ist das Thema also nichts Neues. Die Zahl der deutschen Absolventen, die sich mit einem solchen Abschluss bewerben, ist noch relativ gering und damit auch die Einstellungszahlen. Seit dem Jahr 2000 beispielsweise haben erst knapp über 2000 Ingenieur-Bachelors aus deutschen Universitäten den Arbeitmarkt betreten. Aber die, die wir einstellen, sind erste Sahne.

Sie arbeiten seit über 30 Jahren im Personalmanagement. Welche gravierenden Änderungen haben Sie miterlebt?
Die 70er und 80er Jahre waren die Ära opulenter betrieblicher Sozialpolitik. In dieser Zeit hat das deutsche Personalmanagement ein Stück Rundum-Versorgungsmentalität mit geschaffen. Das war auch eine Zeit des fast ungebrochenen Wachstums. Die 90er Jahre haben dann eine Trendwende eingeläutet. Von beiden Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – wurde der alte psychologische Vertrag zunehmend aufgelöst: lebenslange Treue gegen lebenslange Beschäftigung. Zum einen gab es Anfang der 90er die ersten großen Restrukturierungswellen in der deutschen Wirtschaft. Zum anderen haben insbesondere junge Arbeitnehmer und Führungskräfte in der Dotcom-Blase massenweise die Unternehmen verlassen, um in die New Economy zu wechseln. Der Arbeitsvertrag und das Beschäftigungsverhältnis wurden ab den 90er Jahren mehr und mehr unter den ökonomischen Marktkriterien von Angebot und Nachfrage gesehen – von beiden Seiten. Ab 2000 wurde deutsches Personal-Management dann in aller Schärfe mit einer dritten Herausforderung konfrontiert: der Globalisierung der Wirtschaft, der Kunden-, Finanz- und Arbeitsmärkte, insbesondere auch der globalen Talentmärkte.

Was unterscheidet die Absolventen von heute von den Generationen davor?
Ich spüre, dass junge Menschen heute mehr Sicherheit suchen. Doch die gibt es seit etwa 15 Jahren so nicht mehr. Denn der Wettbewerb an den Talentmärkten hat noch einmal einen Quantensprung gemacht. In großen Unternehmen konkurrieren deutsche Talente nicht nur mit ihren deutschen Kollegen, sondern auch mit rumänischen, chinesischen oder brasilianischen Talenten. Einen Rückzug in die vermeintliche Sicherheit betrachte ich mit einer gewissen Sorge. Junge Menschen müssen hungrig nach Neuem, nach Lernen und Veränderung sein. Ebenfalls mit Skepsis sehe ich, dass das Thema Mobilität, vor allem internationale Mobilität, oft nur ein Lippenbekenntnis ist. Anonyme Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass sich gerade männliche Studenten ein Stück in Richtung „Hotel Mama“ bewegen. Und für beide Geschlechter sind die USA als internationaler Mobilitätsstandort gerade noch akzeptiert, doch die Wachstumsregionen Asien, Osteuropa und Südamerika werden wenig geschätzt.

Wie gelingt es Ihnen, gute Leute an Ihr Unternehmen zu binden?
Durch interessante Aufgaben, eine respektvolle Unternehmenskultur und das breite Spektrum an Entwicklungsperspektiven.

Bei Continental rekrutieren Sie viele Ingenieure. Was ist das Besondere an dieser Berufsgruppe?
Ingenieure erwarten Fakten. Für sie muss der Realitätsbezug deutlicher sichtbar sein. Ein Ingenieur fragt zum Beispiel: „Zeigen Sie mir doch mal typische Ingenieurskarrieren. Wo finden die bei Conti statt? Wie ist es um die technische Qualität und um Innovationsfähigkeit bestellt? Wie sicher sind die Arbeitsplätze?“ Da muss man schon klar Stellung beziehen. Ein Kaufmann würde das nicht zwangsläufig so fragen.

Wie fördern Sie Ihren Führungsnachwuchs?
Durch die Förderung von konzernübergreifender Mobilität und das Angebot entsprechender Entwicklungspositionen. Wir haben einen sehr disziplinierten, strengen Prozess, mit dem wir die Qualität unseres Führungsnachwuchses jährlich beurteilen. Für diejenigen, die im oberen Drittel gesehen werden, gibt es die so genannte Cross-Move-Initiative. Damit fördern wir jedes Jahr 120 interessierte Nachwuchskräfte, die zwischen zwei und vier Jahren im Unternehmen sind, über die Grenzen von Business Units, Ländern und Funktionen hinweg zielgerichtet weltweit. Wir sind kein Unternehmen, das ans Klassenzimmer glaubt. Förderung wird ja oft mit Weiterbildung verwechselt. Wir sind der Meinung, dass sich Nachwuchs „im kalten Wasser“ praktisch bewähren soll. Gute Weiterbildung kommt flankierend dazu. Und natürlich haben wir für interessierte Nachwuchskräfte internationale Talentpools zum Einstieg.

Vor welchen Herausforderungen steht die Personalarbeit in Zukunft?
Einerseits werden administrative Tätigkeiten, die heute die Personalarbeit prägen, künftig entweder elektrifiziert oder in HR-Dienstleistungsfirmen qualitativ gut bearbeitet werden. Dort besteht die Herausforderung, hohe Servicequalität und Effizienz sicherzustellen. Andererseits müssen dann viele Personalverantwortliche im strategischen Geschäft umlernen und vom Verwalter zum Gestalter werden. Sie müssen sich Fragen stellen wie: Wie können wir durch Personalarbeit zur Produktqualität beitragen? Wie können wir die globalen Arbeitskosten managen? Wie können wir in verschiedenen Ländern der Welt eine Arbeitgebermarke aufbauen? Das sind die neuen Felder der Personalarbeit. Das empfinden viele noch als lästige oder schwierige Zusatzaufgaben, doch das werden in Zukunft die Hauptaufgaben sein.

Was möchten Sie in fünf Jahren tun?
Mit meinen 57 Jahren bin ich ja noch jung. Daher möchte ich noch mindestens zehn Jahre arbeiten. Und zwar an etwas, was mir immer viel Freude macht: in einem internationalen Großkonzern wie Continental die Personalarbeit zu verantworten. Personalarbeit ist Menschenarbeit, und das ist meine Leidenschaft. Ich könnte mir auch vorstellen, einen mehr als nur touristischen Ausflug in die Politik zu machen. Das würde mich auch reizen.

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