Interview mit Stefan Rizor

Der Anglophile

Erfahrungen im Ausland, Flexibilität im Denken und sehr gute Englischkenntnisse sind seiner Meinung nach wichtige Voraussetzungen für die Karriere. Gute Examensnoten zwar auch, aber Stefan Rizor interessiert mehr der Mensch dahinter. Dem karriereführer verriet er, was sonst noch einen guten Juristen ausmacht. Das Interview führte Meike Nachtwey.

Zur Person Stefan Rizor

Stefan Rizor ist Partner und Managing Partner Deutschland bei Osborne Clarke. Der gebürtige Hannoveraner studierte in Würzburg und an der McGill University (Montreal, Kanada), wo er seinen LL.M. erwarb. Seit 1990 Rechtsanwalt, seit 1994 Partner in der überörtlichen Sozietät Graf von Westphalen Fritze & Modest, und ab 2001 bei Osborne Clarke, spezialisierte sich Stefan Rizor schnell auf grenzüberschreitende Unternehmenstransaktionen und -streitigkeiten.

Der Jurist ist zudem Leiter des Immobilienrechts- Teams und Experte für die Recycling- Industrie. Seit mehr als einem Jahrzehnt vertritt er die Interessen des „Grünen Punktes“ (Duales System Deutschland). Die Intensivierung des Handels und gegenseitigen Verständnisses zwischen Nordamerika, insbesondere Kanada, und Deutschland bildet einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit.

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Bewerbungsgespräch nach dem Studium?
Nach Studium, Referendariat und Master führte mich meine erste berufliche Bewerbung nach London zu Clifford Chance. Der dortige Partner erläuterte mir, nach welchen Kriterien Clifford Chance – jedenfalls damals – Kandidaten suchte. Neben überdurchschnittlichen Examina wurden Kandidaten mit „personality“ gesucht. Neugierig fragte ich, nach welchen Kriterien sich denn „personality“ bemesse. Mein Gesprächspartner erklärte mir dies an einem Vergleich: Er stelle sich vor, wie Mandanten wohl auf einem gemeinsamen Flug von London nach Sydney reagieren würden, den sie mit dem jungen Anwalt verbringen müssten. Könne der junge Anwalt nur über den Fall sprechen, steige der Mandant spätestens in Abu Dhabi aus. Auch mir kommt es heute darauf an, den Kandidaten kennen zu lernen. Dass er ein guter Jurist ist, sieht man meist schon an den Unterlagen.

Aber gute Examina sind immer noch wichtig?
Der gute Anwalt bemisst sich nicht allein an der Qualität der Examina. Wir stellen häufig Kandidaten ein, bevor sie das Zweite Examen absolviert haben. Wer sich bei uns in Studium und Referendariat bereits bewährt, dessen Qualitäten kennen wir. Des Stempels durch einen Prüfer, der den Kandidaten eine Stunde an einem Tag getestet hat, bedarf es dann nicht mehr. Die Erfahrung lehrt: Mit dem Arbeitsvertrag bei Osborne Clarke in der Tasche gehen die meisten Kandidaten entspannter in die Prüfungen, was dann in aller Regel zu guten Ergebnissen führt.

Was sollte denn ein guter Anwalt noch mitbringen, um von Ihnen eingestellt zu werden?
Er sollte eine vielseitige Persönlichkeit mitbringen und er sollte neugierig sein. Mandanten spüren sehr genau, ob Anwälte sich für sie und ihre Tätigkeit interessieren. Wer ein Unternehmen und seine Produkte oder Dienstleistungen versteht, ist im Vorteil. Auch hilft es, die längerfristigen Vorstellungen von Mandanten zu erkennen. Es macht einen Unterschied, ob der Unternehmer beabsichtigt, das Unternehmen kurz- oder mittelfristig zu veräußern oder das Unternehmen an die nächste Generation in der Familie zu übertragen. Dazu muss die Bereitschaft kommen, über juristische Fragen nachzudenken, die Neuland sind. Der Gesetzgeber hängt dem technischen Fortschritt stets hinterher. Der junge Anwalt braucht Courage und muss teamfähig sein. Junge Anwälte unterschätzen häufig zu Beginn ihrer Laufbahn den Druck der Verantwortung. Man muss in der Lage sein, in Projekten Teams zu führen, sich aber auch selbst zurücknehmen zu können.

Sie sind Partner in einer Kanzlei, die sich auf die Fahne geschrieben hat, anders zu sein als alle anderen Kanzleien. Ein Dienstleistungsunternehmen, das Wert legt auf Teamarbeit und Work- Life-Balance: Wie wichtig sollte die Karriere im Leben sein?
Die Arbeit nimmt im Leben jedes Menschen eine zentrale Bedeutung ein. Dazu gehört aber auch eine kritische Prüfung: Bin ich bereit, Verantwortung zu übernehmen? Wie groß ist mein Ehrgeiz? Was möchte ich erreichen? Was bin ich bereit, dafür einzusetzen? Glück und Zufriedenheit im Privaten, mit Freunden und Familie, Zeit, seine Hobbys zu genießen, werden sich nur dann einstellen, wenn man auch beruflich das erreicht hat, was man sich vorgenommen hat. Deswegen kann ich jungen Menschen immer nur empfehlen, von Anfang an auf eine möglichst erstklassige Ausbildung zu achten.

Und was muss ein Hochschulabsolvent heute tun, um Karriere zu machen?
Wer in einer Wirtschaftskanzlei Karriere machen möchte, muss Englisch in Wort und Schrift beherrschen. Zudem sind die bei Auslandsaufenthalten gesammelten Erfahrungen unverzichtbar: Der Hochschulabsolvent hat sich in ungewohnten Konstellationen neu bewiesen und Herausforderungen gemeistert. Deswegen kann ich jungen Juristen immer nur empfehlen, die heimatliche Scholle zu verlassen. Nutzen Sie die Semesterferien, um Zusatzqualifikationen zu gewinnen, denn diese machen Sie später unterscheidbar. Man sollte auch stärker seine Interessen verfolgen, statt bestimmten Moden nachzugehen. Völker- und Europarechtler, an der Uni häufig belächelt, finden sich später häufig in führenden Positionen, weil sie lernen, auf nationales Recht aus einer internationalen Perspektive zu blicken und Prinzipien hinter den Normen zu erkennen und in Rechtsgrundsätze zu verwandeln. Wer ein hohes technisches Verständnis hat, wird – unabhängig von jedem Zeitgeist – immer genug Arbeit im Technologieoder Patentbereich finden. Es hilft, Bereiche zu wählen, die einen persönlich interessieren. Dann fällt auch intensive Arbeit nicht schwer, denn in dieser Umgebung wird man sich wohl fühlen und nachher auch unter den Spezialisten sein berufliches Zuhause finden.

Was ist, wenn es nicht so gut läuft mit der Karriere? Wie sollte man mit Rückschlägen umgehen?
Rückschläge sind wichtig. Sie sind unvermeidlich, denn es wird nicht immer alles gelingen. Über Siege freut man sich, aus Rückschlägen lernt man. Deshalb sollte man Rückschläge akzeptieren. Wer beispielsweise im Ersten Examen kein Vollbefriedigend oder besser erzielt, wird nicht in Harvard weiterstudieren können, aber das Studium an anderen Universitäten, an denen auf hohem Niveau Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse erworben werden können, bleibt möglich.

Ihr Karrieretipp für unsere Leser?
Die wichtigste Empfehlung für Ihre Leser: Seien Sie mutig, stellen Sie sich neuen Herausforderungen. Meine wichtigste Aufgabe gerade bei Studenten oder Referendaren besteht darin, ihnen Mut zu machen, damit sie sich dort bewerben, wofür sie brennen. Verlassen Sie altbekannte Bahnen. Und: Ausländische Studenten investieren in der Regel auch wirtschaftlich in ihr Studium. Viel zu häufig machen deutsche Juristen die Entscheidung, ob sie ins Ausland gehen, von der Vergabe von Stipendien abhängig. Dabei ist der Kredit, den man für eine erstklassige Ausbildung aufnimmt, schnell zurückgezahlt. Keine Investition erzielt eine höhere Dividende als die eigene Ausbildung.

Zum Unternehmen

Osborne Clarke wurde 1748 im englischen Bristol gegründet. 1987 eröffnete Osborne Clarke ein Büro in London, 1998 im Thames Valley und 2000 im kalifornischen Silicon Valley, wodurch die Firma die erste pan-europäische Kanzlei wurde, die in der amerikanischen Technologiehochburg vertreten ist. In Deutschland hat Osborne Clarke Büros in Köln und München. Sie ist eine fullservice Anwaltskanzlei. Internationalität und moderne Technologien bilden einen Schwerpunkt. Die Nachwuchsförderung liegt der Firma traditionell besonders am Herzen.