Interview mit Dr. Robert Orth

Gestaltungswille zählt

Die Chancen für Juristen, in der Politik beruflich Fuß zu fassen, stehen statistisch gesehen nicht schlecht. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Düsseldorfer Landtag, Dr. Robert Orth, gab dem karriereführer Informationen aus erster Hand zum Thema „Berufseinstieg für Juristen in der Politik“. Von Robert W. Piterek

Zur Person

Dr. Robert Orth, 35, entschied sich schon früh für eine politische Laufbahn: Kaum volljährig trat er in die FDP ein, avancierte bereits während seines Studiums mit 24 zum Vorsitzenden der jungen Liberalen und zum Mitglied des FDP-Landesvorstands in Nordrhein-Westfalen. Seit 2000 ist der Vater zweier Kinder stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender des Rechtsausschusses im Düsseldorfer Landtag. Neben seinem politischen Engagement arbeitet der promovierte Rechtsanwalt in der von ihm mitgegründeten Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei Orth · Kluth Rechtsanwälte. Die Kanzlei ist auf Aktienrecht spezialisiert.

Herr Orth, Sie haben bereits während ihres juristischen Referendariats eine politische Karriere im FDP-Landesvorstand NRW begonnen. Wollten Sie schon immer Politiker werden?
Ich merkte bereits vor dem Abitur, dass es mir nicht reichte, nur als Zeitungsleser am Zeitgeschehen teilzuhaben. Schon während der Schulzeit trat ich deshalb in die FDP ein. Mein Wunsch war es, selber etwas zu bewegen, die Welt in der wir leben, mitzugestalten.

Warum haben Sie sich für die Freien Demokraten entschieden?
Weil der Gedanke der Freiheit durch alle Lebensbereiche geht. Sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik soll sich Freiheit mehr durchsetzen. Im Gegensatz zur FDP sind die Sozialdemokraten, die Grünen und die CDU staatsgläubig. Sie sind davon überzeugt, dass den Bürgern ein Gesellschaftsentwurf übergestülpt werden muss.

Wie ist es Ihnen gelungen, vom Vorsitzenden der Jungen Liberalen in NRW zum Mitglied des Landtages zu werden?
In der Periode zwischen den beiden Ämtern war ich Ratsherr in meiner Heimatstadt Düsseldorf. Kommunalpolitisches Engagement ist häufig entscheidend für eine Karriere in der Politik. Später habe ich für die Parteiliste kandidiert und bin dann in den Landtag eingezogen.

Die FDP wurde im Bundestagswahlkampf als „Spaßpartei“ bezeichnet. Wie stehen Sie zu diesem Begriff?
Der Begriff „Spaßpartei“ war ein Etikett, das man uns angehängt hat. Allerdings soll Politik auch nicht als bierernste Sache wahrgenommen werden. Sie ist ein Lebensgefühl. Das ist auch die Botschaft des „Guidomobils“, mit dem Parteichef Guido Westerwelle im Wahlkampf durch die Lande gefahren ist: Es sollte zeigen, dass Politik auch locker angegangen werden kann.

Wie nutzen Sie Ihre juristischen Kenntnisse bei der Arbeit im nordrhein-westfälischen Landtag, dem Sie seit 2000 angehören?
Die politischen Anliegen werden von Juristen neu formuliert und zu Gesetzesentwürfen umgewandelt. Dabei dienen mir meine Vorkenntnisse, denn letztendlich trage ich die Verantwortung für den Inhalt. Darüber hinaus ist meine Berufserfahrung als Rechtsanwalt nützlich, um die Probleme der Menschen besser zu verstehen. Düsseldorfer LandtagAls Anwalt hört man oft, dass Prozesse zu lang dauern und die Vollstreckung nicht möglich ist. Dadurch, dass ich neben meinem politischem Engagement auch weiterhin als Rechtsanwalt arbeite, befinde ich mich nicht ständig unter der „Käseglocke“ des Landtags und behalte die Probleme der Menschen im Hinterkopf.

Wie muss man sich die Arbeit des Rechtsausschusses im Landtag vorstellen?
Meine Hauptaufgabe ist es, die Sitzungen des Rechtsausschusses zu moderieren. Wir kümmern uns um den Strafvollzug. Ferner müssen Entscheidungen zum Bau von Gerichtsgebäuden und ihrer personellen Besetzung getroffen werden. Manchmal treffen wir Entscheidungen auch vor Ort: Beispielsweise hörten wir von einer Justizvollzugsanstalt, in der katastrophale Zustände herrschen sollten. Kurzerhand veranstalteten wir dort eine Sitzung, prüften den Zustand und regten den Abriss des Gebäudes an. Die Aufgabe des Rechtsausschusses ist es aber auch, Verfassungsänderungen des Landes und verfassungsgerichtliche Streitigkeiten zu prüfen. Mir als Vorsitzendendem fallen auch repräsentative Aufgaben zu: Ich vertrete den Landtag beispielsweise bei der Grundsteinlegung und der Einweihung von Gebäuden.

Sie sind nicht nur Politiker, sondern auch Partner der Anwaltssozietät Orth · Kluth. Auf welche Rechtsbereiche ist Ihre Kanzlei spezialisiert?
1996 habe ich Orth · Kluth Rechtsanwälte gemeinsam mit meinem Kollegen Peter Kluth gegründet. Mittlerweile arbeiten hier 15 Anwälte, die sowohl mittelständische als auch internationale Unternehmen in wirtschaftsrechtlichen Fragen betreuen. Wir sind unter anderem spezialisiert auf Gesellschafts-, Handels- und Kapitalmarktrecht, auf Wettbewerbs- und Arbeitsrecht sowie Insolvenzrecht. Meine persönlichen Schwerpunkte sind das Aktienrecht und der Unternehmenskauf.

Haben sie, nachdem der Aktienhandel deutlich eingebrochen ist, noch genug Klienten?
Die juristische Arbeit kommt nicht zum Erliegen, wenn der Aktienhandel zurückgeht. Die notierten Gesellschaften nehmen weiterhin Kapitalerhöhungen vor, kaufen andere Unternehmen, erstellen Bilanzen und halten Aufsichtsratssitzungen ab. Auch im Falle einer Insolvenz benötigen die Unternehmen Rechtsbeistand – und zwar eine Insolvenzberatung. Das Aktienrecht hat sogar einen Aufschwung erlebt, denn viele Familienunternehmen sind heute Aktiengesellschaften.

Sie sind Politiker, Anwalt, Aufsichtsratsmitglied mehrerer Unternehmen und darüber hinaus auch noch Ehemann und Vater zweier Kinder. Wie gelingt es Ihnen, diese Mehrfachbelastung unter einen Hut zu bekommen?
Ich habe den Vorteil, dass sich mein Wirkungskreis im wesentlichen auf Düsseldorf beschränkt. Wenn alles gut organisiert ist, ist es durchaus möglich, die verschiedenen Tätigkeiten zu vereinbaren. Vieles ergänzt sich auch. Ich begreife es als Chance, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln sehen zu können und meine Erfahrungen dabei zu nutzen.

Welche Wege in die Politik gibt es für Juristen?
Zunächst möchte ich dazu raten, das Studium nicht auf eine politische Karriere auszurichten. Wichtig ist erst einmal, dass ein Beruf ergriffen wird, der von der Politik unabhängig ist. Empfehlenswert ist bestimmt, sich in der Jugendorganisation einer Partei zu engagieren, um zu erleben wie Politik funktioniert. Im Verlaufe des Studiums oder des Referendariats gibt des dann bereits diverse Möglichkeiten: In den Verwaltungen und Fraktionen der Landtage und kommunalen Parlamente können Juristen Praktika oder die Stage im Rechtsreferendariat absolvieren. Interessenten können sich in Landtagen oder größeren Kommunen an die dortigen Stabsstellen wenden. Außerdem gibt es in „politiknahen Bereichen“ eine Reihe von Berufsperspektiven für Juristen: Gesucht werden beispielsweise immer wieder Referenten mit juristischem Hintergrund, die politische Themen aufbereiten.

Welcher Weg in die Politik ist der Erfolg versprechendste?
Politik ist kein erlernbarer Beruf. Man muss Chancen ergreifen und durchsetzungsfähig sein. Möglichkeiten eröffnen sich aber auch durch den Austausch zwischen Politik, Wirtschaft und Hochschule. Der ehemalige FDP-Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jorzig beispielsweise war zunächst Rechtsprofessor in Kiel, kam dann in den Bundestag und wurde später zum Bundesjustizminister berufen. Heute ist er wieder an der Hochschule tätig.

Welche Fähigkeiten und Kenntnisse sollten Juristen haben, die sich für eine politische Laufbahn entscheiden?
Sie sollten kommunikativ sein und auf Menschen zugehen können. Eine Grundvoraussetzung ist Gestaltungswille sowie ein Interesse am Geschehen. Entscheidend ist aber auch eine schnelle Auffassungsgabe, denn es ist wichtig sich schnell in verschiedene Sachverhalte einarbeiten zu können, um ein möglichst breites Spektrum an Themen abzudecken.

Welchen Rat geben Sie Berufseinsteigern mit auf den Weg?
Berufseinsteigern möchte ich raten, im politischen Alltag eine persönliche Unabhängigkeit zu bewahren. Denn wer unabhängig ist, kann frei für seine Überzeugung eintreten und hat dann mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

In der vergangenen Legislaturperiode waren von den 669 Abgeordneten des Deutschen Bundestages 115 Volljuristen. Jeder sechste Mandatsträger hatte demnach eine rechtswissenschaftliche Vorbildung. Und die Möglichkeiten einer politischen Laufbahn beschränken sich nicht nur auf die Gremien des Bundestages wie Fraktionen und Ausschüsse, sondern auch auf die Kommunen, Landtage und deren Verwaltungen.