Interview mit Günther Beyer

Günther Beyer, Foto: Privat
Günther Beyer, Foto: Privat

Top-Manager lernen anders. Hohe Anforderungen, wenig Zeit – Weiterbildungsangebote für die oberste Führungsriege müssen massgeschneidert sein. Sabine Olschner sprach mit Managementtrainer Günther Beyer über die Besonderheiten von lernenden Managern und die Suche nach dem Bauchgefühl.

Zur Person

Günther Beyer ist Gründer und Leiter der Beyer-Seminare GmbH sowie des Instituts für Creatives Lernen GmbH. Er studierte Mathematik, Physik und Psychologie mit dem Schwerpunkt Lernpsychologie. Als Autor hat er 25 Management-Bücher verfasst, als Gast und Moderator war er in über 20 Fernsehsendungen. Beyer trainiert und coacht Führungskräfte vom Teamleiter über den Geschäftsführer bis zum Inhaber und Vorstandsmitglied.

Was wollen Top-Manager, die es schon ganz nach oben geschafft haben, eigentlich noch lernen?
Im Moment gibt es einen Trend: Führungskräfte auf höchster Ebene wollen „Waffen“ an die Hand bekommen, um in ihrer Position noch stärker zu werden. In den Top-Management-Etagen weht ein rauer Wind, der einen schnell fortblasen kann: Medien stürzen sich auf Vorstände und Geschäftsführer, und diese suchen Instrumente, mit denen sie sich besser präsentieren können. Wenn es in Verhandlungen und Gesprächen ums Ganze geht, wollen sie „Waffen“, mit denen sie ihre Gegner leichter besiegen können. Sehr beliebt ist derzeit ein Seminar, wo es um „Dirty Tricks“ und Fallen geht, denen man im Job begegnet – und wie man professionell kontern kann, um Schaden abzuwenden.

Gibt es weitere Seminarthemen, für die sich Top-Manager interessieren?
Manager buchen oft Angebote zu stressabbauenden Techniken. Denn sie stehen in ihrem Job permanent unter hohem Druck. Als Alternative gehen sie häufig direkt in Wellness-Hotels mit Einzelbetreuung. Allerdings nicht, um zu lernen, wie sie kürzertreten können – sondern um noch stärker für ihre Position zu werden.

Bei all dem Stress, den sie haben: Finden Top-Manager tatsächlich die Zeit, sich in Seminaren mit Gleichgesinnten zusammenzusetzen?
In Seminaren, in denen es um die Entwicklung der Persönlichkeit geht, finden Sie kaum Top-Manager. Sie wollen vor einer Gruppe nicht ihr Persönlichkeitsprofil preisgeben und zeigen, wo sie nachbessern müssen. Für diese Themen nehmen sie sich lieber einen Coach oder einen Berater. Geht es darum, fachliche Problemstellungen zu erörtern, wählen sie offene Seminare, wo sie niemand kennt. Dort können sie sich über ihr Problem austauschen, ohne dass der Vorstandskollege etwas darüber erfährt. Interessant ist auch, dass der Manager das Institut, das er für sein Seminar gewählt hat, selten für seine Mitarbeiter wählen würde. Denn diese könnten ja herausfinden, wo es dem Chef an Stärken mangelt. Geht es um Anregungen für Strategien, Zukunftstrends oder Analysetools, wählen Top-Manager häufig Tagungen und Vortragsveranstaltungen und weniger die Seminarform.

Sind Top-Manager überhaupt offen für neue Anregungen, die sie in Seminaren bekommen?
Meine Beobachtung: Sie sind weniger offen als Teilnehmer aus mittleren und unteren Managementebenen. Top-Manager bestimmen ihr Leben selbst und haben gewisse Ansichten von Vornherein für sich festgelegt. Sie lassen sich – in Form von Vorschlägen – kaum reinreden, sondern wissen meist schon vor dem Seminar, was sie daraus mitnehmen wollen. Aus diesem Grund wählen sie oft lieber einen Berater: Man lässt sich die Dinge, die der Berater gesagt hat, durch den Kopf gehen und wählt dann aus, was zur eigenen Strategie passt.

Wo lernen Top-Manager, neue Ideen für bahnbrechende Innovationen und einzigartige Produkte zu generieren?
Es gibt eine ganze Reihe von Kreativitätstechniken, mit denen man sehr schnell auf neue Ideen kommt. Zum Teil werden mit dieser Hilfe neue Strategien in den oberen Managementetagen generiert. Die Umsetzung geschieht dann jedoch auf anderen Ebenen des Unternehmens.

Gibt es eine Möglichkeit, Trendgespür zu erlernen?
Auch hierzu engagieren Top-Manager häufig Berater, oder sie abonnieren Trendzeitschriften, die sie selber lesen oder lesen lassen. Eine Möglichkeit, Trendgespür zu lernen, ist etwa, den Kunden als Innovator zu nutzen oder die eigene Blickrichtung gezielt zu verändern. Oder man lernt, Szenarien zu entwerfen: Was würde es für meine Firma in den nächsten zwei Jahren bedeuten, wenn ich eine bestimmte Maßnahme umsetze? Wie lassen sich die Risiken minimieren und die Chancen optimieren? Viele Top-Manager haben aber hierfür schon aus Erfahrung ein gutes Gefühl.

Bauchgefühl versus Kopfentscheidung – kann man lernen, was richtig ist?
Meine Beobachtung: In den obersten Chef-Etagen entscheiden die meisten eher mit dem Kopf. Wir empfehlen: Wer ein starker Kopfmensch ist, sollte, um das Bauchgefühl hinzuzuziehen, auch mit seiner Ehefrau über berufliche Herausforderungen reden. Denn Frauen können in der Regel sehr gut auf ihren Bauch hören. Wer als Kopflastiger selber sein Bauchgefühl trainieren will – und das ist durchaus möglich –, muss allerdings oft einen sehr weiten Weg gehen. Denn wer nur Zahlen und Fakten zulässt, für den ist die Welt schon stimmig und er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass er auch mal nach dem Gefühl gehen könnte. Ein Mix aus Kopf und Bauch ist oft die beste Entscheidung.

Top-Manager haben meist eine starke Persönlichkeit. Inwieweit kann man diese erlernen?
Jeder kann entsprechend seiner Veranlagung mehr oder weniger viel erreichen. Hat jemand schon von Natur aus eine starke Persönlichkeit, wird er mit ausgesuchten Trainingsmethoden natürlich weiterkommen als ein anderer, der mit einer schwachen Persönlichkeit an den Start geht. Es gibt verschiedene wirksame Methoden, die helfen können, wie etwa Workshops zur Körpersprache oder zur Rhetorik. Auch mentales Training und Tipps zum Outfit können eine Person innerlich stärken und die Persönlichkeit immer mehr aufbauen.

Wer fragt solche Persönlichkeitsseminare nach?
Eher Personen aus der mittleren und unteren Managementebene. Top-Manager haben bereits eine starke Persönlichkeit, sonst würden sie dem Druck dort oben nicht standhalten können.

Zusammengefasst: Kann man lernen, ein guter Top-Manager zu sein?
Man kann sich ein gutes Stück in die Richtung Top-Manager entwickeln, indem man systematisch und konsequent eine ganze Reihe von passenden Trainings durchläuft. Eins ist allerdings klar: Niemand wird Top-Manager werden, wenn er nicht eine gewisse Grundbegabung besitzt. Aber jeder kann seine Fähigkeiten, die er in diesem Moment hat, außerordentlich ausbauen. Und es gibt viele gute und clevere Methoden, die helfen, weit nach vorn zu kommen.