Wer tut, was er liebt, ist am richtigen Platz

Foto: Fotolia/ CSschmuck
Foto: Fotolia/ CSschmuck

„Liebe macht glücklich, Angst macht krank“, sagt Diplom-Psychologin Angelika Gulder in ihrem Gastbeitrag und nennt eine der Hauptfragen, die sich jeder von uns im Leben stellt: Lebe ich so, wie es mir entspricht, oder so, wie andere es von mir erwarten und ich es im Laufe meines Lebens gelernt habe? Bedauerlicherweise beantworten die meisten Menschen sich diese Frage nicht bewusst. Dabei ist es für ein glückliches und erfolgreiches Berufsleben entscheidend, dass ich weiß, was mich antreibt und was mich glücklich – oder eben auch unglücklich – macht. Von Angelika Gulder

Buchtipp-Klassiker

Seit mehr als zehn Jahren unterstützt Angelika Gulders Buch „Finde den Job, der dich glücklich macht“ Menschen auf der Suche nach ihrer Berufung und einem erfüllten Berufsleben. Der Karriere-Navigator ist eine Orientierungshilfe auf dem Weg zu mehr Glück und Zufriedenheit im (Berufs-)Leben. Das bestätigt auch die Stiftung Warentest, die das Buch zum Testsieger unter einem Dutzend Karriere-Ratgebern erkoren hat.

Angelika Gulder:
Finde den Job, der dich glücklich macht.
Campus Verlag 2013.
ISBN 978-3593398396.
19,99 Euro

Peter ist 28. Schon als Kind wollte er etwas mit Technik machen. Nach seinem Studium als Ingenieur ist er rasch aufgestiegen und nun bereits Projektleiter mit Verantwortung für ein Team von sieben Mitarbeitern. Seine Eltern sind stolz auf ihn. Seine Kollegen bewundern und beneiden ihn. Doch der „Erfolg“ tut ihm nicht gut. Warum? Peter ist ein introvertierter Typ, der Ingenieur wurde, um entwickeln zu können und mit dafür zu sorgen, dass die erneuerbaren Energien einen größeren Platz einnehmen. Stattdessen hat er es jetzt mit firmenpolitischen Themen und Mitarbeiterführung zu tun. Gar nicht sein Ding.

Stand der aktuellen Motivationsforschung ist, dass es etwa 16 verschiedene Lebens- und Handlungsmotive gibt, die bei jedem von uns unterschiedlich ausgeprägt sind. Aus Erfahrung weiß ich, dass auch die Unterpunkte dieser 16 Motive zum Teil große Bedeutung haben, daher arbeite ich in meiner Praxis mit insgesamt 27 Motiven. Diese lauten: Macht, Freiheit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sparen, Ehre, Gerechtigkeit, Beziehungen, Status, Familie, Eros, Erfolg, Genuss, Schönheit, Spaß, Ruhe, Reichtum, Harmonie, Herausforderung, Ruhm, Freude, Idealismus, Sicherheit, Abenteuer, Unabhängigkeit, Aktivität. Manche dieser Motive sind angeboren, wie etwa Neugier, Freiheit, Beziehungen und Genuss. Erlernt sind Motive wie Macht, Gerechtigkeit, Ruhm oder Sicherheit. Diese Motive haben wir in früher Kindheit erlernt oder von unseren Eltern übernommen.

Neugier, Ruhe und Idealismus sind die Motive, die Peter am meisten antreiben und ihm Kraft geben. Gute Voraussetzungen für einen technischen Entwickler, nicht passend für einen Projektleiter oder eine Führungskraft. Peter arbeitet also gegen seine Motive, das ist der Hauptgrund für seine Unzufriedenheit. Ihm wird klar, dass er die Führungsposition vor allem übernommen hat, um seinen Vater stolz zu machen. Auch das höhere Gehalt hat eine Rolle gespielt. Doch das sind Motive, die nicht aus seinem Inneren kamen, sondern erlernt waren. Nach dem Coaching sucht er das Gespräch mit seinem Vorgesetzten. Er gibt die Projektleitung ab und wechselt wieder in den Entwicklungsbereich des Unternehmens. Hier kann er seine Stärken voll ausleben und fühlt sich endlich wieder am richtigen Platz.

Unternehmen kümmern sich meist zu wenig darum, ob die Motivation der Mitarbeiter mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes tatsächlich übereinstimmt. Vielmehr wird nach dem geschaut, was ein Mitarbeiter gut kann beziehungsweise was im Unternehmen gebraucht wird. Führungskräfte täten allerdings gut daran, Menschen wie Peter dort einzusetzen, wo sie am besten aufgehoben sind. Wo ihre Leidenschaften und Fähigkeiten und vor allem auch ihre Lebensmotive mit dem Job übereinstimmen. Nur dann kann ein Beruf auch Berufung sein. Je eher der richtige Mitarbeiter am richtigen Platz ist, umso höher die Performance und umso niedriger die Fehlzeiten. Liebe macht glücklich, Angst macht krank.

Ein paar Beispiele: Wenn „Freiheit“ eines Ihrer Grundmotive ist, werden Sie vielleicht nicht immer angestellt arbeiten können, sondern die Freiheit eines Tages in der Selbstständigkeit suchen. Wenn Sie „Beziehungen“ unter Ihren ersten drei gewählten Motiven haben, dann brauchen Sie bei Ihrer Arbeit regelmäßige Kontakte zu anderen Menschen. Falls Familie unter den ersten drei Begriffen steht, sollte sich Ihr Beruf mit den Interessen Ihrer Familie vereinbaren lassen. Familie als Lebensmotiv kann auch heißen, für die Familie anderer Menschen da zu sein, zum Beispiel als Lehrer, Coach oder Therapeut.

Wer gemäß seiner Motive lebt und einen dazu passenden Job hat, kann glücklich und erfolgreich werden. Wer gegen seine Motive lebt, lebt immer in der (unbewussten) Angst, zu versagen. Nur wer tut, was er liebt, ist am richtigen Platz. Es erfordert einiges an Selbsterkenntnis, um herauszufinden, was der Traumjob sein kann. Doch ich kann Ihnen als ehemalige Bankerin und heutige Psychologin und Buchautorin versichern: Es lohnt sich.

Selbsttest

Sie wollen herausfinden, was Sie antreibt und glücklich macht, damit Sie einen Job finden, der wirklich zu Ihnen passt? Dann markieren Sie in der Liste der Motive möglichst spontan alle Worte, die Ihnen beim Lesen ein gutes, positives, intensives Gefühl geben. Alle Worte, die Sie markiert haben, bringen Sie nun in eine emotionale Reihenfolge: Das Wort, das Sie am stärksten positiv anspricht, bekommt die Eins, das nächste die Zwei und so weiter. Nun schauen Sie auf Ihre ersten drei Lebensmotive. Das sind die Dinge, die erfüllt sein müssen, beruflich und privat, damit es Ihnen wirklich gut geht . Achten Sie bei beruflichen Entscheidungen darauf, dass Ihre Motive erfüllt sind. Dass das, was Sie dort tun, wirklich zu Ihnen passt.