BIM up!

Foto: Fotolia/Sergej Nivens
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Das Bauwesen steht vor den Herausforderungen der Digitalisierung. Eng damit verknüpft ist die Einführung der Building Information Modeling-Methode, die weit mehr als die Installation neuer Software ist. Es geht um einen radikalen Kulturwandel. Von Christoph Berger

Beim Klinikum Sindelfingen-Böblingen handelt es sich um ein Haus an zwei Standorten. Diese Trennung führt zu erheblichen Nachteilen für das Personal und die Patienten. Hinzu kommt, dass die beiden Gebäude über 50 Jahre alt sind, Sanierungen und Modernisierungen unerlässlich geworden sind. Ein Gutachten kam somit zu dem Ergebnis, dass die Zusammenlegung der beiden Gebäude in einen Neubau die wirtschaftlich einzig sinnvolle Variante ist. Entstehen wird das Flugfeldklinikum – als eines der ersten Krankenhäuser bundesweit von Anfang an mit der Methode des Building Information Modeling, kurz BIM, geplant und gebaut.

Bereits in den Auswahlverfahren wurden bei allen Planern Erfahrungen im Umgang mit BIM abgefragt: vom Architekten über den Tragwerkplaner bis zum Medizintechnikplaner – alle Beteiligten sollen zukünftig ihre Planungen digital zur Verfügung stellen. Ein BIM-Manager wird eingesetzt, um die einzelnen Teilmodelle der Objekt- und Fachplaner zu kontrollieren und diese in einem gemeinsamen Modell zusammenzuführen. Die Fertigstellung der Klinik ist für Dezember 2023 geplant, in Betrieb genommen werden soll sie dann im September 2024.

Bei BIM handelt es sich um eine digitale Planungsmethode. Das bedeutet, dass Bauwerke im Optimalfall vom Entwurf bis hinein in die Inbetriebnahme und Bewirtschaftung digital beschrieben werden – ein virtueller Zwilling des eigentlichen Bauwerks sozusagen. Erfasst werden dazu alle baurelevanten Daten, die mithilfe von Software verknüpft werden. So erwächst das digitale Modell.

Darstellbar sind dabei inzwischen bis zu sieben Dimensionen: Zu der dreidimensionalen Darstellung eines Bauwerks kann als vierte Ebene die Zeit hinzugefügt werden. Das 5-D-Modell beinhaltet Kosten, in der 6-D-Darstellung wird das virtuelle Bauwerk zudem mit Lebenszyklusaspekten bestückt. Und im 7-D-Modell werden schließlich noch Aspekte der Gebäudenutzung berücksichtigt.

Noch mangelnde Nutzung trotz vieler Vorteile

Die Vorteile bei Anwendung der BIM-Methode liegen dabei klar auf der Hand – Ergebnisse in zahlreichen Studien haben bereits darauf hingewiesen. Bauprojekte lassen sich schneller und effizienter steuern, sodass Firmen Kosten sparen können ist beispielsweise ein Ergebnis der Roland Berger-Studie „Turning point for the construction industry – The disruptive impact of Building Information Modeling (BIM)“.

PwC hat in der Kurzstudie 2018 „Baubranche aktuell: Wachstum 2020 – Digitalisierung und BIM“ festgestellt, dass die Zeitersparnis aufgrund reduzierter Koordinations- und Abstimmungstätigkeiten sowie eine generell effizientere Zeitplanung unter den befragten Unternehmen als die größten Vorteile im BIM-Einsatz bewertet werden.

Weitere Vorteile sind eine höhere Flexibilität sowie mögliche Kostenersparnisse. Würde das neue Verfahren auf breiter Flur eingesetzt, könnte die deutsche Baubranche laut Einschätzung der Befragten sogar mit einem zusätzlichen Wachstumsimpuls von rund drei Prozentpunkten pro Jahr rechnen. Doch, auch dies haben die Wirtschaftsprüfer und Berater festgestellt: Bislang nutzt nur knapp jedes zehnte deutsche Bauunternehmen BIM.

„Obwohl die Vorteile von Building Information Modeling auf der Hand liegen, schrecken viele Unternehmen vor Investitionen in ihre digitalen Fähigkeiten zurück. Damit verzichten sie nicht nur auf ein erhebliches Wachstumspotenzial, sondern drohen mittelfristig auch ihre digitale Zukunft aufs Spiel zu setzten“, sagt Ralph Niederdrenk, Partner und Leiter der Deals Strategy Group bei PwC in Deutschland. Denn wer in der digitalen Arena nicht mitspielen könne, werde es in Zukunft schwer haben – gerade bei öffentlichen Aufträgen.

Niederdrenk spricht damit indirekt beispielsweise den Stufenplan zur Einführung von BIM an. Nach dem soll ab 2020 bei allen neu zu planenden Projekten, die im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur liegen, BIM regelmäßig angewendet werden. Und auch die Bahn gab im Mai 2017 bekannt, dass bis zum Jahr 2020 sämtliche Bauprojekte mit BIM umgesetzt werden sollen. Dort verbindet man, ebenso wie in den aufgeführten Studien, mit der Methode eine bessere Planungsqualität, eine höhere Terminsicherheit, Kostensicherheit und Effizienzsteigerungen. Ebenso soll BIM zu Akzeptanzsteigerungen für die Projekte sowie bessere Lebenszyklusbetrachtungen führen.

Neue Branchenkultur

Allerdings darf man auch beim digitalen Bauen nicht vergessen, dass es mit der Einführung entsprechender Software alleine längst nicht getan ist. Vielmehr ist unter BIM eine neue Arbeitsmethode zu verstehen, „bei der die ganzheitliche Betrachtung des Planens, Bauens und Bewirtschaftens im Fokus steht“, wie es beim BIM Institut der Bergischen Universität Wuppertal heißt. Es kommt zu einem Kulturwandel im Bauwesen, alle Beteiligten arbeiten an demselben Datenmodell. So erfolgt eine Reduzierung der Schnittstellen – mit Folgen für die Geschäftsprozesse sowie die Gewohnheiten der einzelnen Projektbeteiligten. Und mit der Einführung neuer Rollen: beispielsweise der des BIM-Managers, BIM-Koordinators oder BIM-Modellierers.

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BIM-Wissen

Weiterlesen: Fach- und Expertenartikel sowie Interviews und Weiterbildungsangebote gibt es unter: www.karrierefuehrer.de/bim

Webchannel:

Der karriereführer bauingenieure informiert umfassend über den Einstieg in die Baubranche: www.karrierefuehrer.de/bauingenieure

Schwerpunktthema Digitalisierung

Auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat die Digitalisierung zu einem seiner Schwerpunktthemen erhoben und informiert über Trends auf:
www.bauindustrie.de/themen/innovation-und-digitalisierung