Interview mit Dr. Damian Borth

Der Deep-Learning-Pionier

Dr. Damian Borth , Foto: Thorsten Jochim
Dr. Damian Borth , Foto: Thorsten Jochim

Als Direktor des Kompetenzzentrums Deep Learning am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz zählt Dr. Damian Borth zu den profiliertesten Forschern im Bereich der künstlichen Intelligenz. Der Informatiker glaubt, dass das Deep Learning die Unternehmenswelt so sehr verändern wird wie es einst das Internet tat. Im Interview erklärt er, warum die Unternehmensberater als Mediatoren zwischen Technologie und Mandanten am Zug sind. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Damian Borth ist Informatiker und Direktor des Kompetenzzentrums Deep Learning am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern. Er promovierte am Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern und am Kompetenzzentrum Multimedia- Analyse und Data Mining (MADM) des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Für seine Arbeit wurden Borth und sein Team unter anderem mit dem McKinsey Business Technology Award sowie dem Google Research Award ausgezeichnet.

Herr Dr. Borth, was genau ist Deep Learning?

Ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz ist das Maschinelle Lernen, wobei die Methode des Deep Learning hier aktuell die bedeutsamste ist. Seitdem es Computer gibt, existiert die Idee des Maschinellen Lernens. Schon immer hat man versucht, mithilfe der Computer menschliches Denken zu simulieren. Die Intelligenz des Menschen steckt im Gehirn – und das Gehirn besteht aus Neuronen. Das Ziel lautet daher, diese Neuronen mathematisch abzubilden und dann zu Netzwerken zu verknüpfen. Ideen, wie das funktionieren kann, gibt es seit den 1960er-Jahren. Jedoch fristete die Technologie über Jahrzehnte ein Nischendasein. 2012 gelang dann der Methode des AlexNet (Anm. d. Red.: Bei AlexNet handelt es sich um ein sogenanntes Convolutional Neural Network) der Durchbruch: Dieses Netzwerk verfügte über deutlich mehr Neuronen, die miteinander verknüpft waren, sowie über Computer, die diese Verknüpfung auch performen konnten.

Wie bringt man Maschinen das Lernen bei?

Computer wissen zunächst einmal nichts. Mit Hilfe der neuronalen Netzwerke können wir ihnen aber heute fast alles beibringen, indem wir sie füttern. Geben wir einem Rechner tausende Bilder von Katzen, dann kann er an einem bestimmten Punkt Katzen von Hunden unterscheiden. Noch 2012 bestanden die neuronalen Netzwerke aus acht Schichten. Heute verfügen einige bereits über tausende Schichten, das Lernen geht also tatsächlich in die Tiefe. Und weil die Rechner immer schneller werden, können wir das Lerntempo enorm erhöhen. Sprich: Wir füttern das Netzwerk mit immer mehr Bildern.

Computer wissen zunächst einmal nichts. Mit Hilfe der neuronalen Netzwerke können wir ihnen aber heute fast alles beibringen, indem wir sie füttern.

Was bringt es der künstlichen Intelligenz, wenn sie zig Millionen Bilder erkennt?

Ein wichtiger Teil der menschlichen Intelligenz ist die Intuition. Sprich: Wir handeln unbewusst richtig, ohne dass wir dabei die Logik ins Spiel bringen. Nur, woraus speist sich dieses Bauchgefühl? Im Grunde doch aus Erfahrungen, die uns unbewusst auf den richtigen Gedanken bringen. Wir Menschen haben also bestimmte Vorgänge so oft erlebt, dass wir intuitiv wissen, was zu tun ist. Diese Erfahrungswerte bringen wir nun auch der künstlichen Intelligenz bei. Mit der Folge, dass zum Beispiel das Computerprogramm AlphaGo im vergangenen Jahr den weltbesten Go-Spieler besiegt hat. Wobei Go ein Brettspiel ist, das wegen seiner fast unendlichen Optionen als ein Spiel gilt, in dem es neben der Logik vor allem auf die Intuition ankommt. Dass ein Rechner einen Go-Profi besiegen kann, galt noch vor wenigen Jahren als nahezu ausgeschlossen. Nun ist es passiert.

Welche Branchen haben Sie zuletzt in Ihrem Themenfeld des Deep Learning beraten?

Das geht sehr in die Breite. Direkt nach der Cebit waren wir zum Beispiel bei Unternehmen der Finanzbranche, was zeigt, dass diese jetzt so sehr an diesem Thema interessiert ist, wie es vor zwei Jahren bereits die Autobranche oder der Maschinenbau waren.

Kann es sich eine Branche überhaupt leisten, das KI-Thema nicht zu beachten?

Eigentlich nicht, nein. Wichtig zu wissen ist, dass sich mithilfe der künstlichen Intelligenz und den Techniken keine neuen Industrien entwickeln. Es ist vielmehr so, dass diese Technologien die bestehenden Industrien verändern. Man darf den Grad der Veränderung aber auf keinen Fall unterschätzen, vergleichbar ist er mit dem Wandel, den das Internet gebracht hat. Damals wussten viele zunächst nicht, was sie mit dem Netz anstellen sollen. Heute wissen wir, dass es nicht nur viele andere Technologien ersetzt, sondern auch ganz neue Umsatzströme generiert hat. Und das wird beim Thema Künstliche Intelligenz auch passieren.

Welches Konzept schlagen Sie beim Thema Deep Learning vor?

Ich denke, es muss ein neues Ressort für diesen Bereich geben. Der CIO steht mit seinem Ressort traditionell vor der Aufgabe, Kosten und Zeit zu sparen und für Stabilität zu sorgen. Bei ihm geht es also um Effizienz. Der Chief Digital Officer ist häufig für die Digitalisierung der Geschäftsmodelle zuständig. Hier kommen wir der Sache schon näher, aber eines Tages wird diese Transformation abgeschlossen sein. Deep Learning fängt dann aber erst richtig an. Die Frage lautet: Wie nutze ich die Technologie für neue Umsatzströme? Das Futter für die neuronalen Netzwerke sind unter anderem genau die Daten, die derzeit noch ungenutzt herumliegen. Eine Position, die hierfür verantwortlich ist, wäre daher am ehesten der Chief Data Officer.

Die Champions werden die Berater sein, die in dieses Thema einsteigen. Wer hier fit ist, wird sich in den kommenden Jahren nicht über einen Mangel an spannenden Aufträgen beklagen können.

Wie genau kann denn die Methode des Deep Learning neue Umsatzströme generieren?

Big Data konnte seine Versprechen nicht halten. Was fehlte, waren Werkzeuge, diese Daten zu analysieren und daraus Ansätze zu entwickeln. Genau das funktioniert nun mit Hilfe der neuronalen Netzwerke. Nehmen wir die Supply-Chain eines Unternehmens: Mithilfe der logistischen Daten und der Analyse von Satellitenbildern ist es möglich, auf Probleme in der Lieferkette aufmerksam zu machen, die man ansonsten gar nicht erkannt hätte. Für die Finanzbranche ist es möglich, auf Basis von Kunden- und Kreditdaten ganz neue Angebote zu entwickeln. Und zwar ganz automatisch, denn im Idealfall entsteht der Vorschlag zur Innovation innerhalb des neuronalen Netzwerks.

Was ist mit Blick auf die Möglichkeiten des Deep Learning die Aufgabe des Consultants?

Er wird zu einer Art Mediator zwischen den Ergebnissen des Deep Learning und dem Unternehmen. Die neuronalen Netzwerke können dem Consultant Entscheidungshilfen zur Verfügung stellen, mit denen er im Sinne der Unternehmensstrategie agieren kann. Deep Learning wird damit zu einem ganz entscheidenden Werkzeug für Unternehmensberater. Die neue Technologie gibt Consultants Daten an die Hand, mit deren Hilfe sie Beratungsansätze untermauern können. Manche haben diese Bedeutung bereits verstanden – manche dagegen noch nicht. Klar ist: Die Champions werden die Berater sein, die in dieses Thema einsteigen. Wer hier fit ist, wird sich in den kommenden Jahren nicht über einen Mangel an spannenden Aufträgen beklagen können.

Zum DFKI

Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) mit den Standorten Kaiserslautern, Saarbrücken, Bremen (mit Außenstelle Osnabrück) und einem Projektbüro in Berlin ist auf dem Gebiet innovativer Softwaretechnologien eine der führenden Forschungseinrichtungen in Deutschland. In 18 Forschungsbereichen, acht Kompetenzzentren und sieben Living Labs werden ausgehend von anwendungsorientierter Grundlagenforschung Produktfunktionen, Prototypen und patentfähige Lösungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie entwickelt. Das DFKI versteht sich dabei auch als Karrieresprungbrett für junge Wissenschaftler in Führungspositionen in die Industrie sowie in die Selbstständigkeit durch Ausgründung von Unternehmen.