Design Thinking

Foto: Fotolia/ilyaf
Foto: Fotolia/ilyaf

Innovationen zu kreieren ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit – gerade auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung, in der sich gesamte Branchen verändern. Ein Ansatz, hierbei erfolgreich Ideen zu entwickeln, liegt im Design Thinking. Von Christoph Berger

1942 veröffentlichte Joseph Schumpeter sein Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“. Darin nennt er als Kernelement der kapitalistischen Wirtschaft die schöpferische Zerstörung – eine positive Veränderung, die zu technisch-wirtschaftlichem Fortschritt führt. Diese schöpferische Zerstörung kann als Synonym für Innovation stehen, also die Erneuerung, eine in der heutigen Welt des rasanten Wandels einerseits unerlässliche Eigenschaft von Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits aber auch eine ihrer größten Herausforderungen. Denn: Wie kommt es zu Innovationen?

Ein derzeit viel beachteter und wohl auch nachhaltiger Ansatz zu Innovationen zu kommen, scheint Design Thinking zu sein. „Der Ursprung dazu liegt in dem Versuch, wie die Gestalter an Probleme heranzugehen und diese Probleme dann auch wie Gestalter zu lösen“, erklärt Dr. Steven Ney, Professor an der School of Design Thinking des Hasso Plattner-Instituts der Universität Potsdam. Diese würden sich aus einem großen Werkzeugkasten bedienen, der mit Methoden der Ingenieur-, Natur- und qualitativen Sozialwissenschaften gefüllt ist.

Zertifizierungsprogramm für Design Thinking Coaches

Die School of Design Thinking des Hasso-Plattner-Instituts bietet für Einsteiger, die sich mit Design Thinking vertraut machen wollen, sogenannte Basic Tracks an. Fortgeschrittene, die ihr Wissen vertiefen möchten, können an Advanced Tracks teilnehmen. Außerdem wird an dem Institut einmal im Jahr eine Design Thinking Woche angeboten, in der gemeinsam mit einem Projektpartner an einer realen Fragestellung in interdisziplinären Teams gearbeitet wird. Dieses Format gibt es auch in einer internationalen Version. Weitere Informationen unter: https://hpi.de/en/school-of-design-thinking.html

Diese Herangehensweise wird im Design Thinking adaptiert, indem interdisziplinäre Teams von fünf bis acht Personen gebildet werden. „Es gilt, die Teams so bunt wie möglich aufzustellen, die unterschiedlichsten Expertisen zusammenzubringen. Sind nicht ausreichend Disziplinen vorhanden, kann auch funktionsübergreifend oder mit anderen Diversitäten gearbeitet werden“, sagt Ney. Wichtig allein sei Vielfalt in unterschiedlichsten Ausprägungen, um verschiedenste Blickwinkel auf komplexe Fragestellungen oder Probleme richten zu können.

Außer dem multidisziplinären Team, das der Innovationsmotor ist, gehört zu dem Ansatz auch ein variabler und flexibler Raum. In diesem bewegen sich die Teams; und diesen können sie entsprechend der unterschiedlichsten Situationen umgestalten. Und schließlich, als dritte Säule des Ansatzes, braucht es noch den iterativen Prozess: Dabei bewegt sich das Team in Schleifen nach dem Erreichen eines Ziels immer wieder zum Start und nähert sich so der möglichst optimalen Lösung an. „Mehr braucht es dazu eigentlich nicht, Design Thinking ist sehr niederschwellig“, sagt Ney. Die Teammitglieder müssten nur offen, auch mal zweckfrei denken, und emphatisch sein. Außerdem arbeiten sie autonom im Handeln und Denken.

Paradox mag es da anmuten, dass der Design Thinking-Prozess äußerst strukturiert abläuft: Es gibt einen Moderator, gearbeitet wird in sogenannten Sprints, zeitlich klar vorgegebenen Intervallen, und, so beschreibt es Ney: „Arbeitszeit ist von neun bis 17 Uhr. Danach wird man zu müde, Design Thinking ist sehr aktionsreich.“ Was sich leicht und unkompliziert anhört, ist in vielen Unternehmen allerdings mit einem Kulturwandel verbunden. „Deutsche Unternehmen gehen den relativ aggressiv an, auch wenn man nicht genau weiß, was man sich da ins Haus holt“, hat Ney beobachtet. So sind die Teams einerseits nicht hierarchisch und nicht im Wettbewerb zueinander organisiert.

Stanford Webinar: Design Thinking

In einem Webinar erklärt Bill Burnett vom Center for Professional Development der Stanford University den Design Thinking- Ansatz: https://goo.gl/rR7aiH

Alleine dafür bedürfe es oftmals schon eines Umdenkens. Zum anderen stehe am Anfang eines Design-Prozesses in der Regel die Frage: Ist das im Vorfeld identifizierte Problem tatsächlich das Problem? „Oft kommt dabei heraus, dass das Problem an anderer Stelle liegt. Doch genau durch diese Veränderungen der Vorgaben kommt es zu Innovationen – durch das Schaffen neuer Problemräume“, erklärt der Wissenschaftler.

Die Probleme beziehungsweise Herausforderungen der Kunden des Beratungsunternehmens Bearing Point hängen derzeit vor allem mit der Digitalisierung zusammen: „Unsere Klienten möchten neue Services identifizieren, einführen und etablieren“, sagt Ibrahim Bani, Senior Manager im Bereich Digital & Strategy des Beratungshauses. Den Einsatz von Design Thinking erklärt er dabei anhand eines Vergleichs: „In der Vergangenheit war es so, dass die kundennahen Bereiche, zum Beispiel der Vertrieb oder das Marketing, es für sich in Anspruch genommen haben, die Kundenbedarfe zu skizzieren und ein Produkt zu entwickeln. Heute verstehen wir, dass die Wertschöpfung im Gesamtunternehmen betrachtet werden muss, um das Optimum an Anforderungen und Ausgestaltungen zu finden. Dazu braucht es interdisziplinäre Teams.“

Und manchmal sogar noch mehr: So lud das Unternehmen beispielsweise Endkunden eines Klienten aus der Telekommunikationsbranche zu sogenannten Design Thinking-Workshops ein, um Produktanforderungen und Prototypen entwickeln zu können. „So wollen wir einen maximalen Wissenstransfer gewährleisten“, erklärt Bani. Für die Berater bedeutet dies, dass der die letzten Jahrzehnte einem Wasserfall ähnliche und vom Kapitalmarkt diktierte Beratungsansatz nun „mit einem super-agilen Ansatz konfrontiert wird“, wie Bani sagt. Man wisse nie, welches Budget gebraucht wird, um etwas zu erreichen. „Dies zusammenzubringen, die fiskalische Betrachtung mit dem ergebnisoffenen Prozess, ist unsere große Herausforderung.“