Hello Chicago! Hallo Chicago!

Foto: Fotolia/Beboy
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Viele Menschen träumen davon, eine Zeit lang in den USA zu leben und zu arbeiten und den American Way of Life zu entdecken. Für Hagen Köckeritz hat sich dieser Traum erfüllt: Seit August 2012 arbeitet er als Anwalt in Chicago. Von Hagen Köckeritz

Steffen Retzlaff, Foto: Baker/McKenzie
Steffen Retzlaff, Foto: Baker/McKenzie

Dr. Hagen Köckeritz, LL.M. oec. int., ist Senior Associate der Arbeitsrechtsgruppe von Baker & McKenzie. Seit August 2012 absolviert er sein Associate Training Program (ATP) im Büro in Chicago/USA. 2008 stieg er bei Baker & McKenzie in das Frankfurter Büro ein, in das er nach seinem einjährigen ATP zurückkehren wird. Er studierte Jura an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, wo er auch promovierte und sein Zusatzstudium Internationales Wirtschaftsrecht absolvierte.

Mein Büro befindet sich im 48. Stock eines Hochhauses in Downtown Chicago mit Blick auf den Chicagoer Millennium Park und den Lake Michigan und nur wenige Meter von der weltberühmten Einkaufs- und Flanierstraße Magnificent Mile entfernt. Von Chicago aus berate ich zahlreiche Unternehmen zu Fragen des deutschen und internationalen Arbeitsrechts. Meine Erlebnisse und Erfahrungen nehme ich mit, wenn ich im Herbst wieder nach Deutschland zurückkehre.

Vor einigen Jahren absolvierte ich bereits die Wahlstation meines Referendariats in einer Anwaltskanzlei in Chicago. Seither hegte ich immer den Wunsch, noch einmal für eine längere Zeit in die Stadt zurückzukehren und hier zu arbeiten. Meine Arbeit als Anwalt bei Baker & McKenzie bot dafür die besten Voraussetzungen – wurde doch die Kanzlei 1949 in Chicago gegründet, wo sie auch heute noch eines ihrer größten Büros hat.

Als Anwalt dieser internationalen Kanzlei war es mir möglich, bis zu einem Jahr in eines der weltweiten Büros zu gehen und dort mit ausländischen Kollegen und Mandanten direkt zusammenzuarbeiten. Meine Rechnung hatte zugegebenermaßen einige Unbekannte: Um als Associate ins Ausland gehen zu können, muss man mindestens zwei Jahre lang in der Kanzlei gearbeitet haben. Außerdem müssen ein Business Case, strategische Gründe und entsprechende Mandatsarbeit vorliegen. Am Ende fügte sich alles wie erhofft, und ich konnte mit meiner Familie für ein Jahr nach Chicago gehen.

Chicago, Bild: Fotolia/Floki Fotos
Chicago, Bild: Fotolia/Floki Fotos

Bereits von Deutschland aus arbeitete ich viel mit Mandanten in den USA zusammen, die ich schwerpunktmäßig bei Unternehmenstransaktionen beriet. Es ging meist darum, wie sich ein Transfer von Arbeitnehmern zu anderen Arbeitgebern gestaltet, wie arbeitsrechtliche Verbindlichkeiten zu bewerten sind und wie sie bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden müssen. Ich begleitete außerdem die arbeitsrechtliche Restrukturierung von Unternehmen, beriet sie in Fragen der betrieblichen Mitbestimmung und Beteiligung von Arbeitnehmern und zur Gestaltung von Verträgen mit Führungskräften und Organen.

Da viele meiner Mandanten in den USA sitzen und ich ohnehin oft bei Projekten mit Kollegen in Nordamerika zusammenarbeite, hatte mein Aufenthalt im Chicagoer Büro unserer Kanzlei erhebliche Vorteile. So konnte ich während des Jahres viele meiner Mandanten persönlich besuchen und kennenlernen und auch intensiver mit den amerikanischen Kollegen an gemeinsamen Projekten arbeiten. Ich war an rein amerikanischen Fällen beteiligt und lernte, wie deutsches Recht im Ausland wahrgenommen wird. Gerade im Arbeitsrecht sind amerikanische Unternehmen flexibler als deutsche und finden die strengeren Anforderungen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern eher abschreckend. Die Kunst der Beratung liegt oft darin, amerikanischen Mandanten die Konzepte des deutschen Rechts verständlich zu machen und ihnen praktische Lösungen zu zeigen. Die US-Kollegen halfen mir, Themen des deutschen Rechts durch die „amerikanische Brille” zu betrachten. So konnte ich die Beratung meiner Mandanten noch mehr an amerikanischen Erwartungen ausrichten. Insgesamt war die Zusammenarbeit mit den Chicagoer Kollegen sehr angenehm, und ich fühlte mich sofort als Teil des Teams. Neben der Arbeit im US-amerikanischen Recht blieb mir ausreichend Zeit, meine bisherige Praxis fortzuführen. Den Kontakt zu meinen deutschen Mandanten und den Kollegen in den deutschen Büros konnte ich reibungslos aufrechterhalten.

Was den Arbeitsalltag eines Anwalts betrifft, gibt es zwischen Deutschland und den USA nur wenige Unterschiede. Auffallend ist, dass man in den USA eher zeitig nach Hause geht, dafür aber öfter mal am Wochenende arbeitet. Auch auf den deutschen Mindesturlaub muss man während eines längeren USA-Aufenthalts verzichten. Besondere Kenntnisse musste ich mir speziell für das Jahr in den USA nicht zulegen. Verhandlungssicheres Englisch und solide Kenntnisse in dem jeweiligen Rechtsgebiet sind aber ein Muss, wenn man an einen ausländischen Arbeitsort wechseln möchte.

Unabhängig davon, ob man dauerhaft mit ausländischen Mandanten zu tun haben wird, ist ein Arbeitsaufenthalt im Ausland für deutsche Juristen sehr bereichernd. Neben dem Fachlichen geht es vor allem darum, in die Arbeitsund Lebenskultur eines anderen Volkes einzutauchen. Für mich bot das Jahr in den USA auch die Möglichkeit, mit meiner Familie einige Reisen zu unternehmen und Orte kennenzulernen, die ich zuvor noch nicht besucht hatte. Wir haben in diesem Jahr auch viele neue Freunde gefunden, die wir hoffentlich bald wieder besuchen werden. Jeder, der die Chance bekommt, für ein paar Monate oder gar Jahre in einer anderen Kultur zu arbeiten, sollte sie ohne Zögern ergreifen.