„Am Ende wollte ich Anwalt sein“

Interview mit Joe Bausch

Joe Bausch, Foto: Wolfgang Schmitt
Joe Bausch, Foto: Wolfgang Schmitt

Aus dem Fernsehen kennt man Joe Bausch als Gerichtsmediziner Dr. Joseph „Doc“ Roth aus dem Kölner „Tatort“, doch die Schauspielerei ist nur sein Zweitberuf. Nachdem er zunächst Jura studierte, landete er schließlich bei der Medizin. Sein Hauptjob: Gefängnisarzt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl. Im Gespräch macht er Werbung für seinen Beruf und erklärt , warum das Jura-Studium doch nichts für ihn war. Von André Boße und Meike Nachtwey

Zur Person

Joe Bausch, Foto: Wolfgang Schmitt
Joe Bausch, Foto: Wolfgang Schmitt

Joe Bausch, geboren am 19. April 1954 in Ellar im Westerwald, studierte zunächst in Köln und Marburg Theaterwissenschaften, Politik, Germanistik sowie Jura. Erst danach folgte ein Medizinstudium an der Uni Bochum, das er 1985 abschloss. Er ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin, Ernährungsmedizin, Suchtmedizin sowie Arzt im Rettungswesen. Seit 1986 arbeitet Bausch als Regierungsmedizinaldirektor in der Justizvollzugsanstalt Werl.

Theater spielt Bausch seit Anfang der 80er, sein Kino-Debüt war ein Auftritt im Schimanski-Tatort „Zahn um Zahn“. Seit 1997 ist er regelmäßig als Gerichtsmediziner Dr. Joseph „Doc“ Roth in den Kölner Tatorten an der Seite von Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt zu sehen.

Herr Bausch, Sie haben unter anderem Jura studiert, bevor Sie sich endgültig für Medizin entschieden haben. Was hat Sie an Jura gereizt?
Mit dem Jura-Studium habe ich seinerzeit eine vergleichsweise sehr klare Berufsvorstellung verbunden: einen „freien“ Beruf, wie ich ihn aus dem Freundeskreis meiner Familie kannte. Am Ende wollte ich Anwalt sein. Am liebsten einer von der alten Sorte, ein Allrounder, einer für Straf – und Zivilrecht und mit Notariat. Auf keinen Fall Richter, Staatsanwalt oder Verwaltungsjurist. An der Seite von Mandanten für Gerechtigkeit, das Einhalten rechtsstaatlicher Prinzipien zu kämpfen und als Organ der Rechtspflege geltende Rechtsprechung mitzugestalten, das war für mich damals – Mitte der 70er-Jahre – der Anreiz schlechthin.

Wieso wurde es dann doch die Medizin?
Nach einem enthusiastischen Start an der Universität Köln, mit trotz häufig übervollen Vorlesungen großartigen Lehrern, bin ich aus privaten Gründen nach Marburg gewechselt. Bis dahin hatte ich die „kleinen Scheine“ und die „AG-Scheine“ in Statistik und VWL schon im Sack. Da wurde ich ganz unerwartet mit einer Hochschullehre konfrontiert, die mir letztlich jede Freude am Jura-Studium nahm.

Heute sind Sie Gefängnisarzt, was zeichnet Ihre Arbeit aus?
Ich schätze an dem Job, dass ich wirklich als Generalist arbeiten kann. Ich bin hier kein Lotsenarzt, der ständig Patienten zu anderen Fachärzten überweist, wie es in vielen normalen Praxen üblich ist. Als Mediziner treffe ich fast im Zehnminutentakt verantwortliche, oft einsame Entscheidungen, bin unmittelbar und allein verantwortlich für meine Diagnosen und Therapien. Ausgefeilte Schriftsätze, Prozesse, Revision oder Berufung spielen dabei keine Rolle. Nur der Gesundheit meines Patienten bin ich verpflichtet, niemandem sonst. Das kommt meinem ungeduldigen Naturell mehr entgegen.

Buchtipp

Einblicke in seine Arbeit als Gefängnisarzt hat Bausch in einem Buch veröffentlicht:
Joe Bausch: Knast. Ullstein 2012. ISBN 978-3550080043. 19,99 Euro.

Kennen Sie die Geschichten Ihrer Patienten, schon aus Interesse für die Juristerei? Wissen Sie bei allen, warum sie im Gefängnis sind?
Nein, ich habe die Haltung entwickelt, dass ich das nicht unbedingt wissen muss. Wenn sich jemand mir gegenüber ordentlich benimmt, ist mir wurscht, warum er sitzt. Das ändert sich erst, wenn ich merke, dass es zu einer Störung im Verhältnis zwischen Arzt und Patient kommt. Dann kann es wichtig sein, sich die Persönlichkeit des Patienten einmal genauer anzuschauen, um zu ergründen, warum er sich so benimmt.

Was, wenn einer Ihrer Patienten, der vor dem Richter bislang geschwiegen hat, bei Ihnen auspackt?
Ist selten, kommt aber vor. Zum Beispiel, wenn jemand mit den Taten, für die er bislang noch nicht bestraft wurde, nicht mehr zurande kommt. Andere berichten von Machenschaften ihrer Zellenkollegen, von denen sie sich bedroht fühlen. Natürlich gilt auch für mich die Schweigepflicht eines Arztes. Brechen darf ich diese nur bei bestimmten Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn ich mit meinem Wissen eine Gewalttat im Gefängnis vermeiden kann.

Wünschen Sie sich manchmal, doch lieber Anwalt als Mediziner zu sein?
Gelegentlich kommt das vor. Meistens dann, wenn ich mit der Schattenseite meines Berufes konfrontiert werde. Mit dem Sterben und dem Tod.

Sie arbeiten heute auch als Schauspieler. Was glauben Sie: Müssen alle Anwälte auch gute Schauspieler sein?
Es schadet sicher nicht, wenn Anwälte sich Anregungen bei Schauspielern holen. Wer im Gespräch mit Mandanten oder bei „Auftritten“ vor Gericht seine Körperhaltung, Blicke, Gesten und Sprache präziser und bewusster einzusetzen weiß und die seines Gegenübers besser versteht, hat sicher Vorteile. Allein schon, weil man ihm eher zuhören wird. Aber nur den Staranwalt zu geben, ohne über fundierte Sach- und Fachkenntnisse zu verfügen, gelingt nur dem Schauspieler. Bei einem Anwalt geht so eine Nummer ganz schnell in die Hose.