Pionierarbeit auf hoher See

Foto: Fotolia/Shutter81
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Wer in Zingst, Mecklenburg-Vorpommern, an der Ostseeküste steht, kann weit draußen auf dem Meer Windräder erkennen: Es handelt sich um den ersten kommerziellen Offshore-Windpark Deutschlands in der Ostsee: EnBW Baltic 1. Von Kerstin Neurohr

16 Kilometer nördlich der Halbinsel Darß stehen 21 Windenergieanlagen auf einem Areal von rund sieben Quadratkilometern. Seit April 2011 liefern sie Strom – genug, um 50.000 Haushalte zu versorgen. Andreas Schormann, ein 30-jähriger Wirtschaftsingenieur vom Team „Windenergie Offshore“ der EnBW Erneuerbare Energien (EEE), hat daran mitgearbeitet. Als Manager Windturbine Offshore war er bei der Koordination der Bauarbeiten, der Abnahme und der Inbetriebnahme tätig. „Mit diesem Projekt haben wir Pionierarbeit geleistet“, erklärt er. „Mit Offshore-Windparks haben deutsche Unternehmen nämlich bislang kaum Erfahrung.“ Bisher gab es in Deutschland nur einen Forschungswindpark: alpha ventus, angesiedelt vor der Nordseeinsel Borkum.

Draußen auf dem Meer weht der Wind nicht nur deutlich stärker als an Land, sondern auch viel konstanter. Der Ertrag von Offshore-Windparks ist wesentlich höher als der von Onshore- Anlagen – das macht sie für die Energiewirtschaft so interessant. Ihr Bau allerdings ist eine Herausforderung: Windparks auf dem Meer zu errichten, ist aufgrund der Hochseebedingungen viel komplexer als an Land. Schon ab Windstärke 4, das entspricht einer mäßigen Brise, werden die Arbeiten deutlich erschwert. Zum anderen müssen die Schnittstellen zwischen den Gewerken ganz genau koordiniert werden – auch das ist eine entscheidende Hürde.

In der Bauphase von Baltic 1 tauschte Andreas Schormann sein Büro in Hamburg gegen einen Baucontainer in Warnemünde, von wo aus er das Projekt betreute. „Wir haben uns jeden Morgen mit Vertretern aller Gewerke zusammengesetzt, uns abgestimmt, Abläufe und Termine geplant“, erinnert er sich.

Zuerst wurde für jede der 21 Anlagen ein sogenannter Kolkschutz auf dem Meeresboden aufgeschüttet, der die Windenergieanlagen vor Ausspülung schützt, sodass Strömung und Gezeiten ihnen nichts anhaben können. Anschließend wurden die Fundamentierungen, die sogenannten Monopiles, in den Boden gebracht: Damit die 37 Meter langen Stahlrohre sicher stehen, wurden sie mit einer gewaltigen Ramme 20 Meter in den Meeresboden getrieben. Auf das so verankerte Rohr wurde ein weiteres Fundamentteil aufgesetzt, das sogenannte Transition Piece. Auf den Flansch des Transition Piece wurde der Turm und darauf wiederum die schwere Gondel mit dem Generator und dem Getriebe sowie der riesige Rotorstern montiert. Alle Windenergieanlagen sind durch das parkinterne Netz mit der Offshore- Umspannplattform verbunden. Dort wird der erzeugte Strom im Umspannwerk hochtransformiert, per Exportseekabel an Land transportiert und dort in das Übertragungsnetz eingespeist. „Als der Windpark in Betrieb gegangen ist und der erste Strom produziert wurde, war unser Team unheimlich stolz“, erklärt Andreas Schormann.

Mit der Erfahrung, die der Ingenieur in diesem Projekt gesammelt hat, ist er heute in Deutschland so etwas wie ein „alter Hase“ im Bereich Offshore- Windkraft. Als Workpackage Manager Turbine ist er momentan für die Vertragsverhandlungen der Nordseeprojekte verantwortlich. Sein Wissen bringt er außerdem im nächsten Großprojekt ein: Er arbeitet derzeit an Baltic 2 mit, einem Windpark 32 Kilometer vor der Insel Rügen, der mit 80 Anlagen viermal so groß werden soll wie Baltic 1. Die Windräder sind ein Drittel größer, die Entfernung zur Küste ist weiter, das Wasser tiefer, und der Baugrund variiert – das stellt hohe Anforderungen an Planung und Logistik. „Ich freue mich sehr, dass ich bei diesem Projekt dabei bin“, sagt Andreas Schormann. „Damit kann ich meinen Teil dazu beitragen, dass mit diesem Windpark rund 340.000 Haushalte mit grünem Strom versorgt werden.“

Zu seiner Tätigkeit im Bereich erneuerbare Energien kam der 30-Jährige nach Abschluss seines Traineeprogramms bei der EnBW. Weil ihm das Thema nachhaltige Energiegewinnung ein persönliches Anliegen ist, hat Andreas Schormann Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Energietechnik studiert. Das hat sich für ihn als goldrichtig erwiesen. Denn im Bereich erneuerbare Energien arbeitet er an spannenden Zukunftsthemen mit. Andreas Schormann meint: „Wer eine Liebe zur Technik hat und Begeisterung für Innovationen mitbringt, ist im Energiebereich gut aufgehoben.“