Interview mit Joachim Schmidt-Mertens zum Klubhaus St. Pauli

Das Klubhaus St. Pauli bei der Eröffnung. Foto: Oliver Fantitsch
Das Klubhaus St. Pauli bei der Eröffnung. Foto: Oliver Fantitsch

Dass das Klubhaus St. Pauli mit seiner Medienfassade pünktlich fertig wurde und funktioniert, ist ein Verdienst des Baumanagements. Übernommen hat es als Dienstleister das Hamburger Unternehmen Becken Immobilien, das mit seiner Unternehmenstochter Becken Development in der Hansestadt bereits andere aufregende Gebäude wie zum Beispiel den „Berliner Bogen“ entwickelt hat. Joachim Schmidt-Mertens, Bauingenieur mit Abschluss an der TU Hamburg-Harburg, ist Prokurist von Becken Development und berichtet im Interview von den Besonderheiten des Projekts – und verrät auch, warum eine solche Medienfassade in Deutschland wohl einzigartig bleiben wird. Die Fragen stellte André Boße

Herr Schmidt-Mertens, was macht das Klubhaus St. Pauli so einzigartig?
Das Klubhaus ist kein gewöhnliches innerstädtisches Gebäude. Es ist die Lage, die Nutzung, die Gestaltung und insbesondere die medial bespielbare Fassade, die das Projekt so ganz besonders machen. Diese Medienfassade ist eine tatsächlich neue und weltweit bislang einzigartige Entwicklung aus mehreren unterschiedlich medial bespielbaren Systemen. Eine echte Innovation, die es nicht standardmäßig zu kaufen gab – und auch in Zukunft nicht von der Stange zu kaufen geben wird. Dieses Zusammenwirken von Architektur und Medien bezeichnen wir als „Mediatektur“.

Wie kam es zu der Idee?
Der Impuls kam von den Licht- und Medienkünstlern der Firma Urbanscreen und den Architekten des Hamburger Büros Akyol Kamps. Hier entstanden die Ideen und künstlerischen Konzepte.

Also eine künstlerische Vorstellung.
Genau. Und dann begann die Arbeit, herauszufinden, ob und wie es überhaupt funktionieren kann. Wir haben Sonderfachleute ins Projekt geholt, die sich um bestimmte Aspekte gekümmert haben: Lichtplaner und auch Medientechniker, denn die Lichtfläche soll ja tatsächlich als Medienfläche bespielbar sein. Da stellt sich die Frage: Wie funktioniert das? Mit welchen Hard- und Softwarelösungen arbeiten wir, welche Filmformate benötigen wir und – weil über die Fassade ja auch Werbung abgespielt wird – wie kann das abgerechnet werden? Besonders war, dass die beteiligten Firmen nicht einfach Aufträge abgearbeitet haben, sondern selbst an der Produktentwicklung beteiligt waren, immer unter Beachtung der künstlerischen und wirtschaftlichen Vorgaben. Das verlangt von allen Beteiligten nicht nur Kreativität, sondern auch eine echte Identifikation mit dem Projekt, die deutlich über die Pflichterfüllung hinausgeht. Wobei die Unternehmen natürlich weiterhin auch Geld verdienen möchten.

Besteht die Gefahr, dass man ein solches Projekt kaputtspart?
Die technischen und künstlerischen Ansprüche an dieses Projekt waren sehr hoch, daher war es wichtig, immer die Zielvorgabe im Kopf zu haben, sprich, sich die Frage zu stellen: Welchen qualitativen Anspruch soll das Objekt erfüllen? Die hohen Anforderungen haben ihren Preis, das war immer klar. Aber das Budget hierfür war begrenzt. Deshalb haben wir immer den Kostenrahmen im Blick behalten und das Preis-Leistungsverhältnis optimiert.

Was war Ihre Aufgabe bei dem Bauprojekt?
Wir waren als Projektmanager leitend verantwortlich für die Steuerung des gesamten Projekts. Also für die Planung und Ausführung, aber auch für die Bindung aller Beteiligten: die vielen verschiedenen Fachplaner, Sonderingenieure und Bauunternehmer, Architekten und Künstler. Kurz gesagt: Wir waren als Fremddienstleister die Vertreter der Bauherren. Unser Unternehmen entwickelt und realisiert häufig eigene Projekte, aber in diesem Fall kamen die Betreiber auf uns zu, weil sie selbst wenig bis gar keine Erfahrung mit der Baubranche gesammelt haben. Daher brauchten sie Profis an ihrer Seite.

Worauf kam es beim Projektmanagement an?
Man muss die Kosten und Termine, die Beteiligten und auch die Bauherren managen. Zudem müssen zunächst die Zielvorgaben herausgearbeitet und festgelegt werden – und zwar in enger Kommunikation mit den Bauherren, denn nur dann weiß man, was die späteren Betreiber überhaupt wollen. Generell wird ein solches Projektmanagement viel über Kommunikation geleitet. Die Grundlage der Meetings sind dann jeweils Rahmenterminpläne, Budgets und Zieldefinitionen zu den Qualitäten und Quantitäten, die man erst definiert und dann natürlich auch einhalten muss.

Sie sind studierter Bauingenieur. Ist dieser Abschluss wichtige Voraussetzung für den Job eines Projektmanagers?
Gut ist es, wenn man entweder Bauingenieur oder Architekt ist. Mittlerweile gibt es auch Studiengänge, die das Projektmanagement vertiefen. Hinzu kommen dann vielfältige Praxiserfahrungen und Zusatzqualifikationen in den Bereichen Projektführung und Baumanagement. Praktische Erfahrungen bei Bauunternehmungen oder in Planungsbüros sind ebenfalls hilfreich.

Was denken Sie als Hamburger heute, wenn Sie auf der Reeperbahn am Klubhaus St. Pauli vorbeigehen?
Ich bin schon ein wenig stolz, an so einer Weltneuheit mitgearbeitet zu haben und zu sehen, wie die Menschen jedes Mal begeistert stehen bleiben.

Wird das Klubhaus St. Pauli einzigartig bleiben?
Ja. Einerseits ist das Klubhaus einzigartig hinsichtlich des künstlerischen und gestalterischen Erscheinungsbildes sowie natürlich auch in der Nutzung. Außerdem gibt es außer der Reeperbahn auf St. Pauli in der Bundesrepublik keine so große Gebäudefläche, die man mit Licht in der gewählten Ausführung und Helligkeit bespielen darf: Auf der Reeperbahn gibt es eine besondere Lichtverordnung, die eine solche Medienfassade überhaupt erst möglich macht. An anderen Orten wäre die Realisierung aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht möglich, denn es gibt klare Regelungen zum Lichtemissionsschutz, was ja auch verständlich ist. Wenige wollen im Büro oder in der Wohnung dauerhaft das wechselnde Licht haben. Wir mussten daher sehr aufpassen, dass die beträchtliche Lichtmenge des Klubhauses tatsächlich auf dem Spielbudenplatz auf der Reeperbahn bleibt und nicht über die Häuser hinweg die angrenzende Wohnbebauung stört. Auch hier war eine neue Technik notwendig, die das Licht absolut zuverlässig abblendet und steuert.

Zum Gebäude

Das Klubhaus St. Pauli ist ein neues Gebäude für die Hamburger Musikszene, das mit seinem Gebäude- und Nutzungskonzept sowie einer imposanten Medienfassade international Beachtung findet. Direkt auf dem Spielbudenplatz 21/22 ist ein Neubau mit rund 5000 Quadratmetern Nutzfläche entstanden. Dort werden unter anderem mehrere Musikclubs, eine Bar auf dem Dach, das Theater Schmidtchen, das On Air mit einer Theatergastronomie und diverse Büroflächen beheimatet sein. Die innovative Medienfassade bietet den Besuchern des Spielbudenplatzes täglich ein Schauspiel aus künstlerischen Licht- und Videoinstallationen sowie Werbeclips.
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