Herausforderung Energiewende

Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal, eins von Deutschlands größten Kraftwerken dieser Art, Foto: Vattenfall/Thomas Schubert
Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal, eins von Deutschlands größten Kraftwerken dieser Art, Foto: Vattenfall/Thomas Schubert

Die angestrebte Energiewende ist eine der größten Herausforderungen für Deutschland in den kommenden Jahren. Die ambitionierten Ziele der Bundesregierung eröffnen der Bauindustrie und damit auch Bauingenieuren neue und vielfältige Chancen mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten. Von Jürgen Bröker

Die Energiewende

Die Ziele der Bundesregierung

2020:

  • Anteil erneuerbarer Energien auf 35 Prozent steigern
  • Windparks mit bis zu 10.000 MW Leistung installieren
  • Stromnetz um etwa 4400 Trassenkilometer erweitern

2022:

  • Ausstieg aus der Kernenergie

2030:

  • Anteil erneuerbarer Energien auf 50 Prozent steigern
  • Windparks mit bis zu 25.000 MW Leistung installieren
  • Speicherzubau von 6,5 GW (DENA) bzw. 10 GW (DB) nötig

2050:

  • CO2-Emissionen um 80 Prozent senken

Flüge im Helikopter, tagelange Aufenthalte auf einem Montageschiff – die Arbeit als Bauingenieur bei der Errichtung von Offshore-Windparks draußen auf hoher See ist nichts für schwache Nerven. „Man sollte auf jeden Fall seeund luftfest sein“, sagt Thomas Erhardt von der RWE Innogy Tochter Offshore Logistics Company (OLC). Aktuell realisiert das Unternehmen zwei große Projekte vor der nordwalisischen Küste und vor Helgoland mit 576 beziehungsweise 295 Megawatt Leistung. Und weitere Projekte stehen in den Startlöchern.

Wie viele andere Anbieter investiert auch RWE in erneuerbare Energien. Hintergrund ist die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Energiewende. Bis 2020 soll demnach der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energiebereitstellung in Deutschland von derzeit etwa 25 Prozent auf dann 35 Prozent steigen. Gute Chancen also für Bauingenieure – die in allen dazugehörenden Bereichen ihren Beitrag zu diesem Mammutvorhaben leisten können: bei der Erzeugung, beim Transport, bei der Speicherung und dem Verbrauch.

„Der Wettbewerb um die besten Kräfte ist voll entfacht“, sagt Thomas Erhardt. Die OLC sucht Bewerber, die vor allem flexibel und mobil sind. „Wir arbeiten bei der Errichtung der Offshore-Parks im Zwei-Wochen-Rhythmus.“ 14 Tage bleiben die Ingenieure mit ihren Teams auf den speziellen Installationsschiffen und bauen vor Ort die Anlagen auf. Anschließend haben sie zwei Wochen frei. Bei schlechtem Wetter bleibt das Schiff im Hafen. „Auch mit solchen Unterbrechungen muss man umgehen können“, sagt Erhardt. Fährt ein Schiff aber raus, müssen die Teams hochkonzentriert in ihren Zwölf-Stunden-Schichten arbeiten. Kleinste Fehler können auf dem Meer schließlich weitreichende Folgen haben. Nach der schrittweisen Planung für die Installation der Windkraftanlagen überwachen die Bauingenieure die tatsächliche Errichtung vor Ort. „Das hat den Vorteil, dass sie direkt sehen, ob sich ihre Planung auch in die Tat umsetzen lässt. Das hat einen enorm hohen Lerneffekt für spätere Projekte“, sagt Erhardt. Weil die Hochschulen die speziellen Anforderungen an den Job auf den Wellen kaum vermitteln können, hat RWE ein eigenständiges Traineeprogramm speziell für den Bereich der Erneuerbaren Energien aufgelegt.

Bauingenieure werden aber nicht nur für den Bau neuer Wind-, Solaroder Wasserkraftanlagen benötigt. Neue Jobs entstehen derzeit auch bei Anbietern für Energiespeicher- Kraftwerke. Weil die erneuerbaren Energien Schwankungen unterliegen – der Wind bläst nicht immer gleich stark, und auch die Sonne scheint nicht kontinuierlich – muss die zu Spitzenzeiten gewonnene Energie gespeichert werden. Hierzu kommen momentan vor allem Pumpspeicherkraftwerke in Frage.

Und auch der Ausbau des Stromnetzes ist ein großes Thema. Allein bis 2020 sollen über 4000 Kilometer neue Hochspannungsleitungen gebaut werden. „Bauingenieure im Netzbau sind für die fachgerechte Umsetzung der Planung verantwortlich und optimieren ständig die Ausführungstechnik durch ihre vor Ort gemachten Erfahrungen“, sagt Karl Jelinski, Prokurist und Technischer Leiter Netzbau bei Leonhard Weiss. Für Jelinski liegen die besonderen Herausforderungen in diesem Fachbereich darin, die neuen Technologien zu verstehen und zu beherrschen, die beim Netzausbau speziell im Kabel- und Leitungsbereich zum Einsatz kommen. „Hinzu kommt der Umgang mit dem zeitlichen Druck und der positive Dialog mit den betroffenen Anwohnern und Anliegern.“ Außerdem verändern sich mit den Aufgaben auch die Einsatzgebiete. Der Tätigkeitsbereich werde sich zukünftig sicher auf ganz Deutschland ausdehnen, werde möglicherweise sogar international, so Jelinski. Daher sind zeitliche und räumliche Flexibilität wesentliche Voraussetzungen für Bewerber. Zusätzlich helfe eine breit gefächerte Ausbildung im Bereich der Bauverfahren und Baustoffe im Tiefbausektor sowie elektrotechnische Grundkenntnisse.

Insgesamt ist die Energiewende für die Bauindustrie die wohl größte Herausforderung der nächsten Jahre. Für angehende Bauingenieure ist sie zudem eine Chance, die Zukunft mitzugestalten. „Uns ist dabei sehr wohl bewusst, dass Hochschulstudiengänge kaum so schnell angepasst oder entwickelt werden können, wie es die Baustellenrealität manchmal erfordert“, sagt Jelinski. Das Unternehmen setzt daher auf eine eigene Akademie. So kommt ihr dringend benötigtes Wissen schnell zum Einsatz.