BIM-Einsatz beim Westfield Hamburg-Überseequartier

Foto: moka-studio GbR
Foto: moka-studio GbR

In Hamburg wird aktuell an einem der größten Bauvorhaben Europas gearbeitet: dem Westfield Hamburg-Überseequartier (WH) in der HafenCity der Hansestadt. Geplant wird mit der Methode Building Information Modeling, kurz: BIM. Von Christoph Berger

Das weltweit agierende Entwickler- und Betreiber-Unternehmen von Flagship-Einkaufserlebniswelten, Unibail-Rodamco-Westfield, lässt derzeit in Hamburgs HafenCity das Westfield Hamburg-Überseequartier bauen. Entstehen werden dort auf einer Fläche von 419.000 Quadratmetern rund 200 Geschäfte für den Einzelhandel, ein Flagship-Kino mit etwa zehn Sälen, ein Kreuzfahrtterminal, an die 4000 Büroarbeitsplätze, 650 Wohnungen sowie drei Hotels mit 830 Zimmern. Dies alles wird sich auf 14 Gebäude verteilen, 12 Architekten wirken daran mit. Mit dem Program Management, der Projektsteuerung, dem BIM-Management, dem Construction Management, der Mieterkoordination, den Ausschreibungen, der Vergabe und der Überwachung des Objektes wurde das Planungs- und Beratungsunternehmen Arcadis beauftragt.

Das setzt, soweit dies derzeit möglich ist, auf BIM. BIM-Managerin ist Diplom-Ingenieurin (FH) Amalia Gür. Sie sagt: „Alleine schon an den Eckdaten wird deutlich, dass es um ein richtiges Großprojekt geht, das nicht allzu leicht zu fassen ist.“ Gür beschäftigt sich bereits seit 2007 mit intelligenten Baudatenbanken sowie mit der Verknüpfung von Modell und Ausschreibung. Anfang 2018 hat sie das Zertifikat DVP-ZERT® Projektmanager BIM erworben. Derzeit arbeitet sie zudem am Forschungsprojekt „BIM-basiertes Informationslieferungscontrolling“ der Bergischen Universität Wuppertal mit. BIM ist für die 36-Jährige daher kein Neuland. In Hamburg leitet sie das Teilprojekt BIM-Management und bearbeitet dieses zusammen mit dem Partnerunternehmen vrame, einem der größten BIM Consultants in Deutschland.

Das Formulieren der AIAs

2018 stiegen sie in das Projekt ein und mussten erst einmal eine BIM-Strategie entwickeln und die Auftraggeber-Informations- Anforderungen (AIAs) definieren. Gür sagt dazu: „Dies ist eine der spannendsten und wichtigsten Aufgaben eines BIM-Managers.“ Allerdings gibt es zu dem Themenfeld bisher noch kein ausgereiftes Regelwerk in Deutschland, sodass es auch Aufgabe des BIM-Managers ist, den Auftraggeber hierzu zu beraten und Vorschläge aufzubereiten.

So wurden die BIM-Ziele, die BIM-Anwendungen, die BIM-Rollen, die technischen Anforderungen, die Anforderungen an die Qualitätssicherung – alles Inhalte der AIAs – definiert. Mit dem Resultat: Schnell wurde festgestellt, dass sich nicht alle Planer auf dem gleichen BIM-Level befinden. Und dies alles unter dem Druck des Eröffnungstermins. So wurden die BIM-Anforderungen an den Modelldetaillierungsgrad nochmals gefiltert und priorisiert. „Jetzt haben wir modulare AIAs für jede Fachdisziplin mit übergreifenden Vorgaben. Beispielsweise sind die Rollen und Verantwortlichkeiten genau festgelegt. Insgesamt haben wir ein Konzept entwickelt, das von allen bewältigt werden kann“, erklärt Gür.

BIM-Manager fungieren als Schnittstelle zwischen Auftraggeber, Auftragnehmern und Projektsteuerer.

Mithilfe von in den Prozess eingebauten Testphasen wurde sichergestellt, dass alles funktioniert. Wichtig ist dabei, sich nochmals das Rollenverständnis des BIM-Managers ins Gedächtnis zu rufen: „Wir machen das BIM-Management. Daneben gibt es pro Planungsteam einen BIM-Koordinator“, erklärt Gür. BIM-Manager definieren die Anforderungen: Welche Informationen benötigt der Auftraggeber am Ende der Leistungsphasen, wie soll das Modell aussehen, welche Datenformate sind zu liefern, welche BIM-Prozesse sind einzuhalten, wie sehen die Kommunikationsrhythmen aus, und welche Plattformen werden dafür übergreifend genutzt. Daneben besteht eine weitere Hauptaufgabe darin zu kontrollieren, dass all dies auch eingehalten wird. Außerdem fungieren BIM-Manager als Schnittstelle zwischen Auftraggeber, Auftragnehmern und Projektsteuerer.

Neben der Erarbeitung der AIAs zählt die Kommunikation somit zu einer der wesentlichen Aufgaben eines BIM-Managers. Und welche Kompetenzen braucht es darüber hinaus, um die Aufgaben fachgerecht und erfolgreich ausführen zu können? Laut Amalia Gür sind vor allem zwei Dinge wesentlich. Zum einen nennt sie Erfahrungen als Projektsteuerer: Man muss steuern, den Überblick behalten, benötigt wird ein Draht zu den Planern, gleichzeitig brauche man aber auch Druckmittel. Die zweite Kompetenz sei, selbst Ingenieur oder Architekt zu sein, die Abläufe zu verstehen, selbst an Planungen beteiligt gewesen zu sein und mit CAD-Anwendungen gearbeitet zu haben. „Außerdem sollte man möglichst auch Erfahrungen hinsichtlich der Struktur von intelligenten Bauwerksmodellen haben“, erklärt sie.

Denn nur mit dem Wissen über die verschiedenen Software-Systeme verstehe man die Planer, könne die eigenen Forderungen und den damit verbundenen Aufwand für die Projektbeteiligten einschätzen. Empathie durch Fach-Knowhow sozusagen. Zusammengefasst: Es braucht das fachliche Know-how des Planens und des Bauwesens, Wissen über die unterschiedlichen Lebenszyklusaspekte eines Baus sowie Kenntnisse über die BIM-Methodik. Auch technisches Wissen, Strukturierungsvermögen, Kooperationsbereitschaft und Problemlösungskompetenzen sind unerlässlich. „All das ist nur schwer in einer Person vereinbar. Man hat seine Kernkompetenzen und braucht ein Team“, sagt Gür. Überhaupt ist der Teamgedanke eine entscheidende kulturelle Veränderung, die BIM mit sich bringt. Denn mit BIM geht es um die Kollaboration aller Beteiligten. Im Projekt Westfield Hamburg-Überseequartier wird dies gelebt und mit Leben gefüllt.

Eckdaten

  • Investitionsvolumen: mehr als 1 Milliarde Euro

Zeitplan:

  • Mai 2019: Grundsteinlegung
  • Voraussichtlich Ende 2022: Eröffnung des Quartiers, Fertigstellung der zentralen Flächen mit Einzelhandel, Gastronomie, Entertainment, Kreuzfahrtterminal, Hotel und einem Teil der Büro- und Wohnflächen
  • Gesamtfläche: 419.000 Quadratmeter
  • Oberirdische Fläche: 269.000 Quadratmeter in 14 Gebäuden vereint